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Marcus Tullius Cicero: De officiis I, 01


Quamquam te, Marce fili, annum iam audientem Cratippum, idque Athenis, abundare oportet praeceptis institutisque philosophiae propter summam et doctoris auctoritatem et urbis, quorum alter te scientia augere potest, altera exemplis; tamen, ut ipse ad meam utilitatem semper cum Graecis Latina coniunxi, neque id in philosophia solum, sed etiam in dicendi exercitatione feci, idem tibi censeo faciendum, ut par sis in utriusque orationis facultate. Quam quidem ad rem nos, ut videmur, magnum attulimus adiumentum hominibus nostris, ut non modo Graecarum literarum rudes, sed etiam docti aliquantum se arbitrentur adeptos et ad dicendum et ad iudicandum. (2) Quamobrem disces tu quidem a principe huius aetatis philosophorum, et disces, quamdiu voles; (tamdiu autem velle debebis, quoad te, quantum proficias, non poenitebit): sed tamen nostra legens, non multum a Peripateticis dissidentia, quoniam utrique, et Socratici et Platonici esse volumus, de rebus ipsis utere tuo iudicio; nihil enim impedio; orationem autem Latinam efficies profecto legendis nostris pleniorem. Nec vero arroganter hoc dictum existimari velim. Nam philosophandi scientiam concedens multis, quod est oratoris proprium, apte, distincte, ornate dicere, quoniam in eo studio aetatem consumpsi, si id mihi assumo, videor id meo iure quodam modo vindicare. (3) Quamobrem magno opere te hortor, mi Cicero, ut non solum orationes meas, sed hos etiam de philosophia libros, qui iam illos fere aequarunt, studiose legas. Vis enim dicendi maior est in illis, sed hoc quoque colendum est aequabile et temperatum orationis genus. Et id quidem nemini video Graecorum contigisse, ut idem utroque in genere elaboraret, sequereturque et illud forense dicendi et hoc quietum disputandi genus: nisi forte Demetrius Phalereus in hoc numero haberi potest, disputator subtilis, orator parum vehemens, dulcis tamen, ut Theophrasti discipulum possis agnoscere. Nos autem quantum in utroque profecerimus, aliorum sit iudicium: utrumque certe secuti sumus. (4) Equidem et Platonem existimo, si genus forense dicendi tractare voluisset, gravissime et copiosissime potuisse dicere, et Demosthenem, si illa, quae a Platone didicerat, tenuisset et pronuntiare voluisset, ornate splendideque facere potuisse. Eodemque modo de Aristotele et Isocrate iudico: quorum uterque, suo studio delectatus, contempsit alterum.
Obwohl es sich für dich, mein Sohn Markus, der du schon ein Jahr Hörer des Cratipp bist, und das in Athen, geziemt, Vorschriften und Unterweisungen der Philosophie im Überfluss zu haben aufgrund des sehr hohen Ansehens der Stadt und des Lehrers, von denen die eine dich durch Wissen fördern (vermehren) kann, der andere durch gute Beispiele, aber dennoch meine ich, dass du das tun musst, wie ich selbst zu meinem Nutzen immer das Lateinische mit dem Griechischen verbunden habe und zwar nich nur in der Philosophie sondern auch in der Übung des Sprechens, dass du gleich (geübt) bist im Umgang mit beiden Sprachen (Reden). Dafür (für diese Sache) haben wir, wie wir meinen, unseren Landseuten eine sehr große Unterstützung gebracht, sodass nicht nur in der griechischen Literatur Ungebildete, sondern auch Gebildete glauben, dass sie eine Menge bekommen hätten zum Lernen und Urteilen. (2) Daher wirst du freilich vom Meister der Philosophen unserer Zeit lernen und du wirst lernen, solange du willst. So lange aber wirst du wollen müssen, bis es dich nicht mehr reuen wird, wie großen Erfolg du hast. Aber dennoch, wenn du unsere Schriften liest, die nicht weit von denen der Peripatetiker abweichen, weil wir ja beide Sokratiker und Platoniker sein wollen, verwende bezüglich der Dinge selbst dein Urteilsvermögen - ich hindere dich in keiner Weise -, die lateinische Rede wirst du sicherlich durch das Lesen unserer Schriften bereichern. Ich will wahrlich nicht, dass du das für hochmütig gesagt hältst. Denn das Wissen um das Philosophieren gestehe ich vielen zu, was aber eigentümlich für den Redner ist, passend, gegliedert, würdig zu sprechen, weil ich meine Zeit bei diesem Bestreben verbracht habe, das scheine ich gewissermaßen mit meinem Besitzrecht einzufordern, wenn ich das für mich in Anspruch nehme. (3) Aus diesem Grund fordere ich dich eindringlich auf, mein Cicero, nicht nur meine Reden, sondern auch die Bücher über die Philosophie, die jenen schon fast gleichkommen, eifrig zu lesen - denn mehr Kraft des Ausdrucks liegt in jenen -, aber auch jene ausgeglichene und genäßigte Art des Sprechens muss gepflegt werden. Und ich sehe ja, dass das bisher keinem der Griechen gelungen ist, dass er in beiden Arten arbeitete und sowohl der Rede am Forum als auch der ruhigen Art des Sprechens folgte, falls nicht Demetrios von Phaleron in diese Gruppe gerechnet werden kann, ein genauer und geübter Diskussionsredner, aber ein zu schwacher Redner, dennoch sympathisch, dass du ihn als Schüler des Theophrast erkennen kannst. Wieviel wir in beiden Bereichen geschafft haben, sei dem Urteil anderer überlassen, gewiss haben wir beides verfolgt. (4) Ich meine allerdings, dass Plato, wenn er die Art der Rede am Forum hätte behandeln wollem, sehr ernst und wortreich hätte reden können, und wenn Demosthenes sich an das, was er von Plato gelernt hatte, gehalten hätte und es hätte rezitieren wollen, es prunkvoll und glänzend hätte tun können. Auf dieselbe Weise urteile ich über Aristoteles und Isokrates, von denen jeder aus Freude am eigenen Fach das andere gering schätzte. 

Online gestellt von Hannes, am 15. 08. 2014 zuletzt geändert.