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P. Ovidius Naso: Metamorphosen I, 089 - 118


 Aurea prima sata est aetas, quae vindice nullo,
90   sponte sua, sine lege fidem rectumque colebat.
 poena metusque aberant, nec verba minantia fixo
 aere legebantur, nec supplex turba timebat
 iudicis ora sui, sed erant sine vindice tuti.
 nondum caesa suis, peregrinum ut viseret orbem,
95   montibus in liquidas pinus descenderat undas,
 nullaque mortales praeter sua litora norant;
 nondum praecipites cingebant oppida fossae;
 non tuba derecti, non aeris cornua flexi,
 non galeae, non ensis erat: sine militis usu
100   mollia securae peragebant otia gentes.
 ipsa quoque inmunis rastroque intacta nec ullis
 saucia vomeribus per se dabat omnia tellus,
 contentique cibis nullo cogente creatis
 arbuteos fetus montanaque fraga legebant
105   cornaque et in duris haerentia mora rubetis
 et quae deciderant patula Iovis arbore glandes.
 ver erat aeternum, placidique tepentibus auris
 mulcebant zephyri natos sine semine flores;
 mox etiam fruges tellus inarata ferebat,
110   nec renovatus ager gravidis canebat aristis;
 flumina iam lactis, iam flumina nectaris ibant,
 flavaque de viridi stillabant ilice mella.
    Postquam Saturno tenebrosa in Tartara misso
 sub Iove mundus erat, subiit argentea proles,
115   auro deterior, fulvo pretiosior aere.
 Iuppiter antiqui contraxit tempora veris
 perque hiemes aestusque et inaequalis autumnos
 et breve ver spatiis exegit quattuor annum.
Zuerst ist das goldene Zeitalter entstanden ("gesät worden"), das ohne Richter (90) freiwillig ohne Gesetz Treue und Recht pflegte. Strafe und Furcht (Furcht vor Strafe) gab es nicht, keine drohenden Worte wurden auf angebrachter Erztafel gelesen und keine bittflehende Menge fürchtete das Wort ihres Richters, sondern sie waren ohne Rächer sicher. Noch nicht war die gefällte Pinie (95) von ihren Bergen in die klaren Wellen herabgestiegen, um einen fremden Erdkreis zu sehen, und die Sterblichen kannten keine Küsten auß ihren eigenen. Noch nicht umgaben Gräben die steil abfallenden Städte (Enallage: ... steil abfallende Gräben die Städte). Es gab keine Tuba aus geradem, keine Hörner aus gebogenem Erz, keine Helme, kein Schwert: Ohne Verwendung ("Praxis") des Krieges (100) durchlebten die sorglosen Vökler sanften Frieden. Auch die Erde selbst, unberührt vom Pflug und nicht verwundet durch irgendwelche Verletzungen, gab alles von sich aus, und zufrieden mit den ohne Zwang geschaffenen Speisen (... mit den Speisen, die niemand erzwang, ...) sammelten sie Feldfrüchte und Bergerdbeeren, (105) Kornelkirschen, auf harten Brombeersträchern hängende Maulbeeren und Eicheln, die vom breiten Baum Juppiters herabgefallen waren. Der Frühling war ewig und milde Zephyre streichelten mit lauen Winden die ohne Samen entstandenen Blüten. Bald trug die ungepflügte Erde sogar Feldfrüchte und der nicht neu bestellte Acker war schimmerte silbern von schweren Ähren. Hier strömten Flüsse von Milch, dort Flüsse von Nektar, und aus der grünen Steineiche tropfte gelber Honig.
   Nachdem Saturn in die Unterwelt geschickt worden war, war die Welt unter Juppiter, folgte das silberne Geschlecht, minderer als Gold, aber wertvoller als das goldgelbe Erz. Juppiter zog die Zeiten des alten Frühlings zusammen (= verkürzte ...) und teilte durch die Winter und die Sommer, die unbeständigen Herbste und die kurze Zeit des Frühlings das Jahr in vier Zeitabschnitten ein. Da erglühte zum ersten Mal die Luft, versengt von trockenen Hitzen, (120) und es hing das von den Winden gefrorene Eis herab. Da suchten sie zum ersten Mal Häser auf: Die Wohnstätten waren zuvor Höhlen und dichte Büsche und mit Rinde zusammengebundene Zweige. Getreidesamen wurden damals zum ersten Mal in langen Furchen vergraben, stöhnten Jungstiere die vom Joch gepresst worden waren.
   Als drittes nach jenem folge die ehrene Nachkommenschaft (Generation), wilder an Gesinnig und bereiter zu den schrecklichen Waffen (zu greifen), aber dennoch nicht verbrecherisch.
    Aus hartem Eisen ist das letzte. Sogleich brach jedes Unrecht in das Zeitalter des schlechteren Metalls, es flohen Scham und Wahrheit und Treue. An deren Stelle traten Betrug, List, Hinterhalt ("hinterlistiger Betrug"), Gewalt und verbrecherische Besitzgier. Der Seemann setzte die Segel in den Wind (ventis: Dativ Plural) - bisher hatte er jenen (die Winde) nicht gut gekannt. Die Kiele, die lange auf den hohen Bergen gestanden waren, tanzten über die unbekannten Fluten und den Boden, der früher Gemeingut war (wie das Licht der Sonne und die Lüfte), kennnzeichnete ein gewissenhafter Vermesser mit einer langen Grenze. Nicht nur Saaten und die geschuldete Nahrung forderte man vom reichen Boden, sondern man drang in die Eingeweide der Erde ein, und die Schätze, die sie verborgen und in der Unterwelt (durch die Nacht der Unterwelt) versteckt hatte, werden ausgegraben, Anreize für schlechte Taten. Schon hatte sie das Eisen und - schädlicher als Eisen - das Gold hervorgebracht: Es bringt den Krieg hervor (es führt zum Krieg), der mit beiden kämpft, schlägt mit blutiger Hand die klirrenden Waffen. Man lebt vom Raub, der Gastfreund ist vor dem Gastgeber nicht sicher, nicht der Schwiegervater vor dem Schwiegersohn und auch unter Brüdern ist Treue selten. Es droht der Mann mit der Ermordung der Gattin und jene mit der des Gatten, schreckliche Schwiegermütter mischen todbringende Gifte. Der Sohn forscht vor der Zeit nach den Jahren des Vaters.
 

Online gestellt von Martin, am 15. 08. 2014 zuletzt geändert.