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C. Plinius Secundus: Epistulae 01, 09


Plinius Minicio Fundano suo s.:
Mirum est, quam singulis diebus in urbe ratio aut constet aut constare videatur, pluribus iunctisque non constet. Nam, si quem interroges: "Hodie quid egisti?" respondeat: "Officio togae virilis interfui, sponsalia aut nuptias frequentavi; ille me ad signandum testamentum, ille in advocationem, ille in consilium rogavit." Haec, quo die feceris, necessaria; eadem, si cotidie fecisse te reputes, inania videntur, multo magis, cum secesseris. Tunc enim subit recordatio: "Quot dies quam frigidis rebus absumpsi!" Quod evenit mihi, postquam in Laurentino meo aut lego aliquid aut scribo, quod audisse, nihil dico, quod dixisse paeniteat, nemo apud me quemquam sinistris sermonibus carpit, neminem ipse reprehendo, nisi tamen me, cum parum commode scribo; nulla spe, nullo timore sollicitor, nullis rumoribus inquietor: mecum tantum et cum libellis loquor. O rectam sinceramque vitam ! O dulce otium honestumque ac paene omni negotio pulchris ! O mare, o litus, verum secretumque (mouseion), quam multa invenitis, quam multa dictatis! Proinde tu quoque strepitum istum inanemque discursum et multum ineptos labores, ut primum fuerit occasio, relinque teque studiisvel otio trade ! Satius est enim, ut Atilius noster eruditissime simul et facetissime dixit, otiosum esse quam nihil agere.
Vale!
Gaius Plinius grüßt seinen Minicius Fundanus: Es ist erstaunlich, wie an einzelnen Tagen in der Stadt die Rechnung stimmt oder zu stimmen scheint, wenn man aber mehrere zusammen nimmt, sie nicht mehr stimmt. Denn, wenn du jemanden fragst: "Was hast du heute getan?", könnte er wohl antworten: "Ich habe an einer Feier zur Verleihung der Männertoga teilgenommen, habe eine Verlobung oder Hochzeit besucht. Jener hat mich um die Unterzeichnung eines Testamentes gebeten, jener wollte mich als Anwalt und ein anderer hat mich um Rat gefragt." Diese Angelegenheiten erscheinen dir an dem Tag, an dem du sie gemacht hast, notwendig, dieselben Dinge aber, wenn du überlegst, dass du sie täglich getan hast, wertlos, umso mehr, wenn du dich zurückgezogen hast. Dann wird dir nämlich bewusst: "Wieviele Tage habe ich mit Dingen vergeudet, die mich völlig kalt lassen!" Das geschah mir, seit ich auf meinem Landgut in Laurentum etwas lese oder schreibe oder Zeit für Gymnastik habe, wodurch der Geist gestützt wird. Ich höre nichts , das gehört zu haben, ich sage nichts, was gesagt zu haben jemanden reuen könnte. Niemand tadelt bei mir irgend jemanden in üblen Reden, niemanden weise ich selbst zurecht, ausser vielleicht mich, wenn ich zuwenig zuvorkommend schreibe; durch keine Hoffnung, durch keine Furcht werde ich erschüttert, durch keine Gerüchte beunruhigt: Ich spreche nur mit mir und mit Büchern. O richtiges und aufrechtes Leben! O süße und ehrenhafte Muße, fast schöner als jede Amtshandlung! O Meer, o Strand, ein wahres und abgeschiedenes Musenheiligtum, wie viel findet ihr, wie viel sagt ihr mir! Daher verlasse auch du dieses Getöse und die bedeutungslose Rede und die so unnützen Arbeiten, sobald du eine Gelegenheit hast, und widme dich den Studien oder überlasse dich der Muße! Besser ist es nämlich, wie unser Atilius zugleich sehr gelehrt und witzig sagte, mit Muße beschäftigt zu sein als nichts zu tun. Leb wohl! 

Online gestellt von Martin, am 15. 08. 2014 zuletzt geändert.