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Publius Vergilius Maro: Aeneis IV, 001 - 055


 At regina gravi iamdudum saucia cura
 vulnus alit venis et caeco carpitur igni.
 Multa viri virtus animo multusque recursat
 gentis honos: haerent infixi pectore vultus
5   verbaque, nec placidam membris dat cura quietem.
 Postera Phoebea lustrabat lampade terras
 umentemque Aurora polo dimoverat umbram,
 cum sic unanimam adloquitur male sana sororem:
 "Anna soror, quae me suspensam insomnia terrent!
10   Quis novus hic nostris successit sedibus hospes,
 quem sese ore ferens, quam forti pectore et armis!
 Credo equidem, nec vana fides, genus esse deorum.
 Degeneres animos timor arguit. Heu, quibus ille
 iactatus fatis, quae bella exhausta canebat!
15   Si mihi non animo fixum immotumque sederet,
 ne cui me vinclo vellem sociare iugali,
 postquam primus amor deceptam morte fefellit,
 si non pertaesum thalami taedaeque fuisset,
 huic uni forsan potui succumbere culpae.
20   Anna, fatebor enim, miseri post fata Sychaei
 coniugis et sparsos fraterna caede penatis
 solus hic inflexit sensus animumque labantem
 impulit. Agnosco veteris vestigia flammae.
 Sed mihi vel tellus optem prius ima dehiscat
25   vel pater omnipotens adigat me fulmine ad umbras,
 pallentis umbras Erebo noctemque profundam,
 ante, pudor, quam te violo aut tua iura resolvo.
 ille meos, primus qui me sibi iunxit, amores
 abstulit; ille habeat secum servetque sepulcro."
30   Sic effata sinum lacrimis implevit obortis.
 Anna refert: "O luce magis dilecta sorori,
 solane perpetua maerens carpere iuventa
 nec dulcis natos Veneris nec praemia noris?
 Id cinerem aut manis credis curare sepultos?
35   esto! Aegram nulli quondam flexere mariti,
 non Libyae, non ante Tyro; despectus Iarbas
 ductoresque alii, quos Africa terra triumphis
 dives alit: placitone etiam pugnabis amori?
 Nec venit in mentem quorum consederis arvis?
40   Hinc Gaetulae urbes, genus insuperabile bello,
 et Numidae infreni cingunt et inhospita Syrtis;
 hinc deserta siti regio lateque furentes
 Barcaei. Quid bella Tyro surgentia dicam
 germanique minas?
45   Dis equidem auspicibus reor et Iunone secunda
 hunc cursum Iliacas vento tenuisse carinas.
 Quam tu urbem, soror, hanc cernes, quae surgere regna
 coniugio tali! Teucrum comitantibus armis
 Punica se quantis attollet gloria rebus!
50   Tu modo posce deos veniam, sacrisque litatis
 indulge hospitio causasque innecte morandi,
 dum pelago desaevit hiems et aquosus Orion,
 quassataeque rates, dum non tractabile caelum."
 His dictis impenso animum flammavit amore
55   spemque dedit dubiae menti solvitque pudorem.

Aber die schon lange von schwerem Liebeskummer kranke Königin nährt in ihrem Inneren die Wunde und wird von blind machendem Feuer verzehrt. Sie denkt an die vielfach bewährte Tüchtigkeit des Mannes und an die Ehre seines Volkes. Es haften in ihrer Brust Blicke und Worte und sie gibt ihren Gliedern keinen sanften Frieden. Die nächste Sonne durchwanderte mit der Fackel die Länder und die Morgenröte hatte den feuchten Schatten vom Himmel entfernt, als sie so fast wahnsinnig ihre Schwester anredete:

"Schwester Anna, welch Schlaflosigkeit erschreckt mich Beunruhigte! Welcher neue Gast trat an unsere Wohnsitze heran, als welcher sich im Angesicht zeigend, mit welch starker Brust und Waffen! Ich glaube freilich, und nicht vergebens ist die Überzeugung, dass es ein Geschlecht von den Göttern ist. Die Furcht enttarnt unedle Sinne. Oh, von welchem Schicksal wurde jener geschlagen, welche erschöpfenden Kriege besang er! Wenn ich nicht den unabänderlichen Beschluss gefasst hätte, mich niemandem mit dem Band der Ehe vereinen zu wollen, nachdem ich um meine erste Liebe durch den Tod gebracht wurde, wenn ich nicht des Ehebettes und der Hochzeitsfackel überdrüssig wäre, dieser einen Versuchung könnte ich vielleicht erliegen.

Anna, ich gestehe dir, nach dem Schicksal meines armen Gatten Sychaeus und den mit dem Blut des Bruders befleckten Penaten beugte er allein meine Sinne und bewegte mein ins Wanken gekommenes Herz. Ich erkenne die Spuren der alten Flamme. Aber ich wünsche mir, es möge sich eher die innerste Erde auftun oder der allmächtige Vater mich mit einem Blitz zu den Schatten schleudern, zu den bleichen Schatten der Unterwelt und in die tiefe Nacht, bevor, Sittsamkeit, ich dich verletze und dein Recht breche! Jener, der sich mit mir als erster verbunden hat, hat meine Liebe geraubt; jener möge sie bei sich haben und im Grab bewahren!"

So sprach sie und füllte den Schoß mit vergossenen Tränen. Anna erwidert: "O Schwester, die ich mir liebe als das Licht, willst du allein ewig trauernd deine Jugend vergeuden und nicht die süßen Söhne der Liebe und ihre Belohnungen kennenlernen? Glaubst du, dass sich darum die Asche, die Seelen oder die Bestatteten kümmern?

So sei es! Die Trauernde bewegten eines keine Brautwerber, nicht die Libyens und zuvor nicht die aus Tyros. Verachtet wurden Jarbas und die anderen Anführer, welche die an Triumphen reiche Erde Afrikas nährt: Wirst du auch gegen eine willkommene Liebe ankämpfen? Kommt dir nicht in den Sinn, auf wessen Gebieten du dich niedergelassen hast? Hier haben die Gaetuler, ein im Krieg unbezwingbares Volk und die ungez?gelten Numider die Städte umschlossen und die unbewohnbaren Syrten, hier eine aufgrund des Durstes verlassene Gegend und die weithin räuberischen Barkäer. Was soll ich über die entstehenden Kriege und die Drohungen des Bruders sagen?

Unter der Leitung der Götter, glaube ich, und mit Zustimmung Junos, haben die Kiele Trojas im Wind hierhin den Kurs gehalten. Welche Stadt wirst du hier sehen, Schwester, welche Reiche entstehen sehen mit einem solchen Gemahl! Begleitet von den Waffen der Trojaner, mit wie großen Dingen wird sich der punische Ruhm erheben! Du bitte nur die Götter um Gnade und nachdem du den Göttern geopfert hast, sei den Gästen gewogen und denke dir Gründe zum Bleiben aus, solange der Winter am Meer wütet und der Regen bringende Orion, solange das nicht bewältigbare Wetter die Schiffe zerschellen lässt."

 

Online gestellt von Martin, am 15. 08. 2014 zuletzt geändert.