Thuk. 5,85-86

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Thuk. 5,85-86

Beitragvon Roxane » Do 10. Apr 2014, 15:24

Nun habe ich noch einen kurzen Abschnitt geschafft. Falls du mal einen Blick darauf werfen könntest, Prudentius, sehr gerne. Hat aber alle Zeit der Welt.......

(85.1) Die Gesandten der Athener sagten Folgendes: "Da sich ja unsere Worte nicht an die Volksmenge richten, damit offenbar die Leute, wenn sie in einer zusammenhängenden Rede verführerische und unwiderlegbare Dinge (ἐσάπαξ ?) von uns hören, nicht getäuscht werden - denn wir wissen, dass unser Hinschaffen zu den Adligen dies bedeutet - handelt, die ihr hier versammelt seid, noch vorsichtiger. Ihr sollt nämlich in jeder einzelnen Sache euer Urteil fällen, aber auch ihr nicht in einer einzigen Rede, sondern indem ihr sofort zu dem, was (euch) nicht angemessen scheint, gesagt zu werden, das Wort ergreift. Und nun äußert euch erst einmal, ob euch das, was wir sagen, gefällt."

(85.6) Die beratenden (Ratsherren?) Melier antworteten: "Die Billigkeit, unsere Standpunkte in Ruhe auszutauschen (wörtl.: einander in Ruhe zu belehren) wird nicht beanstandet, jedoch steht der schon vorhandene, nicht ein zukünftiger Kriegszustand zu einem ruhigen Meinungsaustausch (wörtl.: dazu) sichtlich im Widerspruch. Wir sollten nämlich beachten, dass ihr ebenfalls (αὐτούς τε = καὶ αὐτούς = ebenfalls, Langenscheidt) als Richter über das, was gesagt werden wird, gekommen seid und dass es das Ende für uns bedeutet, falls wir mit unserem Rechtsgrundsatz bei diesem Meinungsaustausch (wörtl.: infolge dieses/ dieser Sache) die Oberhand gewinnen und deshalb nicht nachgeben, dass es aber für uns Knechtschaft bedeutet, wenn wir uns fügen."

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Re: Thuk. 5,85-86

Beitragvon Prudentius » Sa 12. Apr 2014, 15:51

Die Gesandten der Athener sagten Folgendes: "Da sich ja unsere Worte nicht an die Volksmenge richten, damit offenbar die Leute, wenn sie in einer zusammenhängenden Rede verführerische und unwiderlegbare Dinge (ἐσάπαξ ?) von uns hören, nicht getäuscht werden - denn wir wissen, dass unser Hinschaffen zu den Adligen dies bedeutet - handelt, die ihr hier versammelt seid, noch vorsichtiger.


Ich fang mal an: "Folgendes" ist entbehrlich, es folgt ja wörtliche Rede.
"Worte", lieber Reden. Die Athener als Demokraten hätten lieber vor dem demos geredet; aber ihre Demokratie hinderte sie nicht an einer brutalen Machtpolitik.
"ἐσάπαξ": ἐσ άπαξ, eine "Zusammenrückung", eigtl. zwei Wörter, wie unser "in-dem". Th, gebraucht immer "es" statt "eis"; beide leiten sich von "en" ab, an das ein Sigma angehängt wird; der Nasal schwindet vor Sigma, gewöhnlich mit Ersatzdehnung, also "eis"; aber hier ohne Ersatzdehnung, also "es".
Diese Ersatzdehnung dürfte dir bekannt sein, wenn du "heis - hen" anschaust, "einer - eines"; aus "hen-s" wird heis mit Ersatzdehnung.
"ἐσάπαξ" ganz wörtlich "auf einmal", nämlich wenn nach der Vorstellung der Melier die beiden Seiten je eine lange Rede halten. Dagegen der Wunsch der Athener: kurze Wechselreden, also Dialog.

Thukydides gebraucht auch immer "xyn" statt syn.

unser Hinschaffen zu den Adligen



näml. "die Verlegung des Verhandlungsortes in das Rathaus".

Du siehst schon, schwieriges Gelände, aber wir bleiben dran,

lgr. P. :)
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Re: Thuk. 5,85-86

Beitragvon Roxane » Mo 14. Apr 2014, 09:20

Gut, dass du auf die sprachlichen Besonderheiten bei Thukydides hinweist. Ich habe dazu etwas gefunden (neuer thread).

Das ἐσάπαξ scheint eine der dort erwähnten neuen Wortbildungen von Th. zu sein.

Ein Letztes: Vielleicht besser "dies bezweckt" statt "dies bedeutet"

Dies noch zu 5.85 von Roxane :)
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Re: Thuk. 5,85-86

Beitragvon Prudentius » Mo 14. Apr 2014, 17:52

Noch zu diesem Stück, zum Verständnis:

handelt, die ihr hier versammelt seid, noch vorsichtiger.


ganz wörtlich: "ihr, die hier sitzt", den Athenern behagt diese Verlegung nicht, sie würden sich lieber an die in der Volksversammlung Stehenden richten. Sie unterstellen den Meliern in dem hopos-Satz, dass sie (die M.) den Athenern eine Betrugsabsicht unterstellen (apatethosin), ganz schön vertrackter Gedanke!

Sie sollen "noch sicherer handeln": nämlich durch die Verlegung ins Rathaus sind sie schon einmal sicherer geworden, nämlich vor den Demagogen; jetzt sollen sie also "noch sicherer werden", nämlich durch die Wechselreden. :)
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Re: Thuk. 5,85-86

Beitragvon Prudentius » Di 15. Apr 2014, 17:12

was (euch) nicht angemessen scheint, gesagt zu werden


"was euch nicht angemessen gesagt erscheint".

Ihr sollt nämlich ... euer Urteil fällen


und dann: "sagt, ob es euch gefällt": Zynismus, vornehme Großzügigkeit im Nebensächlichen, in den Verfahrensfragen; aber wenn es dann zur Sache kommt, setzen sie ihnen das Messer auf die Brust.

"Die Billigkeit


sagen wir nicht; "Fairness" oder dergl.

dass ihr ebenfalls (αὐτούς τε = καὶ αὐτούς = ebenfalls, Langenscheidt)


Langenscheidt ist hier nicht zuständig! das te korrespondiert mit dem folgenden kai: "sowohl - als auch".

"ihr selbst als Richter", das gehört sich nicht, in einem fairen Verfahren darf nicht die eine Partei zugleich Richter sein.

und dass es das Ende für uns bedeutet,


ich verstehe das teleuten anders: das Ende, nämlich das Resultat der Verhandlungen; das, was dabei herauskommt: dass das Ende für uns entweder Krieg oder Sklaverei sein wird.

lgr. P. :)
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Re: Thuk. 5,85-86

Beitragvon Roxane » Di 15. Apr 2014, 21:24

Hallo Prudentius,

zunächst: Außer <Richter> gibt der Pape noch <Beurteilender, Entscheidender, Ausleger> an, der Langenscheidt <Deuter>.
Das αὐτός kann auch, wie ich nachgelesen habe, statt eines Beziehungswortes gebraucht werden, sofern es - und das ist hier der Fall - im G/D/A steht.

Deine Hintergrundinformationen sind natürlich sehr aufschlussreich für jemanden wie mich, der mehr oder weniger nur über Wikipedia informiert ist. Das ein oder andere habe ich zwar im Internet noch gefunden, aber leider nicht etwas derart Spezielles wie du es lieferst. Da siehst du, wie unersetzlich du bist! Ganz herzlichen Dank dafür!

Nun wird es wohl doch eine druckreife Version! Das habe ich schon geahnt. Da mich deine Verbesserungsvorschläge durchaus überzeugen, bringe ich die korrigierte Version noch einmal in einem gesonderten Thread zu "Papier".

Schöne Grüße
Roxane
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Re: Thuk. 5,85-86

Beitragvon Roxane » Mo 3. Nov 2014, 13:24

Hallo Pudentius!

Gerade sehe ich, dass du unsere Platonübersetzung schon unter die Lupe genommen hast. Eine tolle Sache, man kann angehen, was man will, du hast anscheinend jeden griech. Schriftsteller im Kopf!

Nun habe ich mir ja noch einmal den Th. vorgenommen (Glis wird ohnehin noch tapezieren, Gardinen nähen :-D oder Ähnliches). Also wiederhole ich den Mel.dial. auf meinem e-book und prüfe, ob ich den Sinn auch richtig verstanden habe. Gleich an Kap. 86 bin ich hängen geblieben (ἐπιείκεια .. οὐ ψέγεται; τὰ δὲ τοῦ πολέμου παρόντα ἤδη; ἐξ αὐτοῦ).

Die Ü. habe ich noch geringfügig verändert und dann versucht, das Ganze mit eigenen Worten wiederzugeben. Habe ich das τὰ δὲ τοῦ πολέμου παρόντα ἤδη richtig interpretiert? Wenn du vielleicht mal wieder Zeit hättest....

.. 'ἡ μὲν ἐπιείκεια τοῦ διδάσκειν καθ' ἡσυχίαν ἀλλήλους οὐ ψέγεται, καὶ οὐ μέλλοντα διαφέροντα αὐτοῦ φαίνεται. Ὁρῶμεν γὰρ αὐτούς τε κριτὰς ἥκοντας ὑμᾶς τῶν λεχθησομένων καὶ τὴν τελευτὴν ἐξ αὐτοῦ κατὰ τὸ εἰκὸς περιγενομένοις μὲν τῶι δικαίωι καὶ δι' αὐτὸ μὴ ἐνδοῦσι πόλεμον ἡμῖν φέρουσαν, πεισθεῖσι δὲ δουλείαν.'

„Die Angemessenheit, Standpunkte in Ruhe auszutauschen, wird (ich schätze mal: grundsätzlich) nicht kritisiert, aber der schon vorhandene, nicht ein zukünftiger Kriegszustand steht dem (= der Zustimmung zu den Wechselreden) sichtlich entgegen. Wir sollten nämlich beachten, dass ihr als Richter über das, was gesagt werden wird, gekommen seid und dass das Ende (der Verhandlung) demzufolge (ἐξ αὐτοῦ) uns, auch wenn wir der Wahrscheinlichkeit nach mit unseren Rechtsgrundsätzen recht behalten und deshalb nicht nachgeben, Krieg bringt und wenn wir uns fügen, Knechtschaft."

M.a.W.: Die Melier erwidern, dass solche Wechselreden zwar grundsätzlich akzeptabel seien, trotzdem könnten sie sich nicht darauf einlassen: Mit den Athenern befinde man sich durch ihr „kriegerisches“ (τὰ δὲ τοῦ πολέμου παρόντα ἤδη) Auftreten in dieser Verhandlung (?; gemeint evtl. die Nichtzulassung von Rechtsgründen oder das Beharren auf den Wechselreden) schon jetzt quasi im Krieg: Die Athener seien nämlich aufgrund der ungleichen Machtverhältnisse zugleich Antrag stellende Partei und Richter in eigener Sache (κριτὰς .. τῶν λεχθησομένων). Daher könnten Rechtsgründe (τῶι δικαίωι), die die Melier vortrügen, zu keinem erfolgreichen Ausgang der Verhandlung führen. Das Ergebnis der Debatte könne nur Krieg (πόλεμον) oder Sklaverei (δουλείαν) für die Melier bedeuten.

Wie du siehst, sie lassen einen auch heute noch nicht in Ruhe, diese Melier...(Nein, -zig Fragen zu den anderen Kapiteln habe ich jetzt trotzdem nicht mehr).

Schöne Grüße!
Roxane
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Re: Thuk. 5,85-86

Beitragvon Prudentius » Mi 5. Nov 2014, 20:05

Halo Roxane,

Ich modle mal etwas um, ohne ganz wörtlich zu übersetzen: "Das Entgegenkommen/die Freundlichkeit/der faire Vorschlag, ...ist ja in Ordnung/findet unsere Zustimmung, aber der ... Kriegszustand steht dazu offensichtlich im Widerspruch."

"αὐτούς τε κριτὰς" ihr selber als Richter, statt diese Rolle einem dritten Unparteiischen zu geben.

Ὁρῶμεν einfach Indikativ "wir sehen", er nimmt damit etwas Schärfe heraus, indem er es als subjektives Gefühl erklärt-

τὴν τελευτὴν ἐξ αὐτοῦ: das Ergebnis davon; das, was dabei herauskommt.

"trotzdem könnten sie sich nicht darauf einlassen:": doch, auf die Wechselreden lassen sie sich ein, es bleibt ihnen ja nichts anderes übrig. Nur auf die Annahme der Forderungen lassen sie sich nicht ein.

lgr. P. :)
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Re: Thuk. 5,85-86

Beitragvon Roxane » Do 6. Nov 2014, 12:53

Das αὐτούς hatte ich vergessen, sorry, das hätte nicht sein müssen.

Die Melier haben also gar nichts gegen die Wechselreden einzuwenden, es wäre ihnen nur nicht recht gewesen, wenn die Verhandlung vor dem Demos stattgefunden hätte (μὴ ξυνεχεῖ ῥήσει οἱ πολλοὶ ἐπαγωγὰ καὶ ἀνέλεγκτα ἐσάπαξ ἀκούσαντες).

Der "vorhandene Kriegszustand" bezieht sich tatsächlich auf die Verhandlung: "Denn wir sehen ja,..." ; aktuell befinden sich die Parteien ja noch nicht im Krieg, die Flotte steht "nur" vor der Tür.

„Der faire Vorschlag, Standpunkte in Ruhe auszutauschen, findet unsere Zustimmung, aber der schon vorhandene, nicht ein zukünftiger Kriegszustand steht dazu offensichtlich im Widerspruch. Denn wir sehen ja, dass ihr selbst als Richter über das, was gesagt werden wird, gekommen seid und dass das, was dabei herauskommt,..."

Danke, Prudentius und bis später mal, so hoffe ich...
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Re: Thuk. 5,85-86

Beitragvon Prudentius » Sa 8. Nov 2014, 17:21

Der "vorhandene Kriegszustand" bezieht sich tatsächlich auf die Verhandlung: "Denn wir sehen ja,..." ; aktuell befinden sich die Parteien ja noch nicht im Krieg, die Flotte steht "nur" vor der Tür.


Hallo Roxane,
das sehe ich nicht so, der Kriegszustand bezieht sich darauf, dass die Athener mit einer Streitmaht auf Melos gelandet sind; sie sind allerdings noch nicht aktiv geworden; es heißt ja auch nicht polemon, sondern τὰ δὲ τοῦ πολέμου, damit ist das Schrille leicht abgedämpft.

"Ὁρῶμεν": bei den Kontrakta auf -a- fallen Indikativ und Konjunktiv zusammen, wir können also auswählen; Indikativ finde ich passender.

Lesen wir auch einmal zwischen den Zeilen und ergründen das Ungesagte: Die A. sind von Anfang an verstimmt, dass sie nicht vor dem Volk sprechen können, wie sie es als Demokraten gewohnt sind, sondern in der Art der verhassten Lakedämonier mit ihrer Oligarchie im kleinen Kreise der Mächtigen reden sollen. Sie können aber nichts machen, denn als Gastgeber haben die M. das Recht, die Rahmenbedingungen der Verhandlungen zu bestimmen.
Aber eins können sie trotzdem: sie setzen die Wechselreden durch, damit ist wenigstens in geringem Umfang eine Debatte im Stil der Volksversammlung gegeben.

"Da sich ja unsere Worte nicht an die Volksmenge richten, damit offenbar die Leute, wenn sie in einer zusammenhängenden Rede verführerische und unwiderlegbare Dinge (ἐσάπαξ ?) von uns hören, nicht getäuscht werden". Der damit-Satz ist mit Zynismus gesagt: die A. sagen, wie sie denken, wie die M. über das demokratische Verfahren der A. denken :-D . Sie vermuten also, dass die M. den A. Betrugsabsicht unterstellen. Dabei haben diese polemischen Worte aber eine gewisse Rechtfertigung, denn es ist tatsächlich eine Schwäche der direkten Demokratie, dass Demagogen allzu leicht die Volksversammlung manipulieren können; daher haben wir ja auch eine indirekte, repräsentative Demokratie, den Parlamentarismus.
Die Antwort der A. auf die Tücke der M. hat es in sich: sie untersagen ihnen, sich auf das Rechtsprinzip zu berufen, da sie keine weitschweifigen Worte anhören wollen.

lgr. P.
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Re: Thuk. 5,85-86

Beitragvon Roxane » Mo 10. Nov 2014, 11:21

Danke, dass du noch einmal so ausführlich auf dieses Kapitel eingegangen bist, Prudentius, sonst wäre es mir wohl immer ein Rätsel geblieben. Dass ich den Sinn nicht sogleich verstanden habe, wundert mich allerdings gar nicht mehr.
Fast möchte ich dem Th. die Schuld in die Schuhe schieben: Die Melier - so liest man - bezeichnen die von den Athenern vorgeschlagene Form des Dialogs als ἐπιείκεια "Entgegenkommen/die Freundlichkeit/der faire Vorschlag". Gleichzeitig weiß man, Wechselreden nützen den Meliern ganz und gar nicht: Denn nur mit weitschweifenden Worten könnten sie versuchen, sich auf ihr Recht zu berufen. Die Athener "setzen die Wechselreden durch", sie treten - so hatte ich es interpretiert - schon in der Verhandlung "kriegerisch" auf.

Aber du hast recht: Th. redet nur von τὰ δὲ τοῦ πολέμου, das παρόντα ἤδη meint nicht etwa einen gerade stattfindenden "Krieg" um Verhandlungsgegenstand oder -form, vielmehr sind mit τὰ δὲ τοῦ πολέμου die bereits getroffenen Maßnahmen der Athener gemeint, die es ihnen erlauben, jederzeit einen Krieg zu beginnen.

Vllt. könnte man das δὲ in τὰ δὲ τοῦ πολέμου παρόντα ἤδη besser mit "allerdings" wiedergeben, die Melier stimmen den Wechselreden zu, "allerdings" wäre es gerade jetzt, da die Streitmacht schon auf Melos gelandet ist, für sie um so wichtiger, sich in letzter Minute mit einer langen Rede auf Rechtsgründe berufen zu können.
"allerdings sind die schon gegenwärtigen,... kriegerischen Anstalten offensichtlich nicht damit (= mit der Zustimmung zu den Wechselreden) in Einklang zu bringen (wörtl.: stehen im Widerspruch zu..)."


"Ὁρῶμεν": Ist schon ausgebessert.

Deckel drauf?
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Re: Thuk. 5,85-86

Beitragvon Prudentius » Mi 12. Nov 2014, 10:53

Die Melier - so liest man - bezeichnen die von den Athenern vorgeschlagene Form des Dialogs als ἐπιείκεια "Entgegenkommen/die Freundlichkeit/der faire Vorschlag".


Das ist eine etwas schwache Form von "captatio benevolentiae", Werben um Wohlwollen, das gehörte in der antiken Rhetorik immer an den Anfang einer Rede; die M. müssen ja die massive Kritik in dem folgenden irgendwie nett verpacken, um nicht die Partner von vornherein zu vergraulen.

lgr. P.
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Re: Thuk. 5,85-86

Beitragvon Roxane » Mi 12. Nov 2014, 15:23

Ach so, das könnte natürlich sein, Prudentius, und ironisch kann dieses ἐπιείκεια ja schon mal gar nicht gemeint gewesen sein...Dann hake ich das Kapitel jetzt endlich ab!
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