Thuk. 5.98

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Thuk. 5.98

Beitragvon Roxane » Mo 12. Mai 2014, 13:39

(98)

Zunächst zum AcI: ..ἠμᾶς ... πειρᾶσθαι πείθειν.

Πειρᾶσθαι
A: Infinitiv Aor. Med. von πείρω (ich durchbohre, -stoße, -dringe..)
B: Infinitiv Präsens Med./Pass. von πειράω/πειράζω, meist Med./Pass. (ich versuche, unternehme,
erfahre, bemühe mich, prüfe..)

πείθειν
Infinitiv Präs. von πείθω (ich überrede, überzeuge, gewinne für mich, besteche...)

Ergo:
ἠμᾶς und πειρᾶσθαι bilden den AcI (..dass wir versuchen; präsent. Bedeutung)

Zum Vergleich:
Gottwein: „..und versuchen, euch (dadurch) zu bestimmen.“
Landmann: „..und (damit) versuchen durchzudringen.“

Gottweins Ü. kann ich, vorausgesetzt, πείθειν soll „bestimmen“ heißen, nachvollziehen, Landmanns
Ü. nicht.

Hier mein Entwurf:
Die Melier: „Glaubt ihr denn nicht, dass es durch jenen (Vorschlag für euch) Sicherheit (erg.: εἶναι)
gäbe (/eure Stellung gesichert wäre)?
Es ist nämlich besonders (καὶ) an diesem Punkt (ἐνταῦθα) noch einmal (αὖ) nötig,
dass auch wir,
so wie ihr uns überredet, uns zu eurem Vorteil zu fügen,
nachdem ihr uns vom Prinzip (/von den Lehrsätzen) der Gerechtigkeit (Pl.) abgebracht habt,
versuchen (πειράω, meist Med. u. Pass.), euch für uns zu gewinnen (/euch zu überreden),
nachdem wir dargelegt haben, ob dasselbe, was für uns nützlich ist, auch für euch auf
einen Vorteil hinausläuft (/trifft).“

Und nun die Reinschrift:
Die Melier: „Glaubt ihr denn nicht, dass eure Stellung durch jenen Vorschlag gesichert wäre? Denn
so wie ihr uns vom Prinzip der Gerechtigkeit abgebracht habt (Part. Aor.) und uns überredet (Präs.),
uns zu eurem Vorteil zu fügen, müssen auch wir besonders an diesem Punkt noch einmal darlegen,
ob dasselbe, was für uns nützlich ist, auch für euch auf einen Vorteil hinausläuft und versuchen,
euch für uns zu gewinnen.“

Jeder geht mit dem πείθετε anders um. Wie es beliebt? Kann nicht sein!

Gottwein: „Denn wie ihr uns ... weggewiesen habt und überreden wollt,..“
Landmann: „Denn wie ihr vorhin..... verbannt habt und uns dazu vermocht habt,..“

Der Dialog ist doch noch in vollem Gange, die Melier haben sich keineswegs schon mit den
Argumenten der Athener zufrieden gegeben, sie sollen erst noch überredet werden. Landmann gibt
das πείθετε aber mit Perfekt wieder, mit welcher gramm. Berechtigung? Und wie lässt sich
Gottweins „uns überreden wollt“ begründen? Ich bleibe mal bei der präsent. Wiedergabe.
Roxane
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Re: Thuk. 5.98

Beitragvon Prudentius » Mi 14. Mai 2014, 17:06

98

Am Anfang ist es sehr knapp formuliert, da muss man es erst stilistisch zurechtfrisieren, um einen passablen Satz zu bekommen; große Auswahl an Möglichkeiten: "Seht ihr nicht auch in folgendem eure Sicherheit gewährleistet, trägt nicht auch folgender Vorschlag eurem Sicherheitsinteresse Rechnung, ist nicht eurer Meinung nach auch folgender Vorschlag mit eurer Sicherheit vereinbar?..."

asphaleia: hier gebraucht eer das abstr. Substantiv, während er im vorigen das Adj. asphales genommen hatte.

ACI: OK.

Vergleichsssatz: So wie ihr übrzeugt habt, so müssen auch wir versuchen zu überzeugen..., mit dezentem Hinweis auf ihre Zwangslage: "ihr überzeugt", Indikativ, fast zynisch, die bewaffnete Truppe wirkt als Überzeugungshilfe; wir müssen erst versuchen...

πειρᾶσθαι versuchen, ganz normal (nichts mit bohren),
πείθω überzeugen, überreden, d.h. jemandem eine Ansicht plausibel machen.

"uns zu eurem Vorteil zu fügen": das "zu" stört: wem fügt ma sich? Lass es weg!

"darlegen, ob" passt nicht zusammen, aber "versuchen, wenn" passt; verbinde so: "versuchen, wenn für euch dasselbe nützlich ist, euch zu überzeugen".

"euch für uns zu gewinnen": so weit gehen sie nicht, sie wollen sie ja nur für eine besondere Sicht des eigenen Vorteils gewinnen.

"Landmann gibt das πείθετε aber mit Perfekt wieder, mit welcher gramm. Berechtigung? " Vllt. weil es im vorigen Kapitel stand?

"Und wie lässt sich Gottweins „uns überreden wollt“ begründen? " Vllt. will G. ausdrücken, dass es ihnen nicht gelungen ist?

Ich würde den Übersetzern nicht viel Aufmerksamkeit widmen, außer wenn ich im Text nicht weiterkomme.

Inkonzinnität: xymphoron - chresimon, verschiedene Namen für dieselbe Sache.


Ich mach mit jetzt auf Fahrradrunde, möchte aber nicht begossen und erst recht nicht behagelt werden :-D

lgr. P. :)
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Re: Thuk. 5.98

Beitragvon Roxane » Do 15. Mai 2014, 12:27

Danke für deine Tipps, Prudentius. Hier hat es gestern tatsächlich noch kräftig geschüttet und sogar ein bisschen gehagelt. Hoffentlich hat es dich nicht erwischt, wo auch immer du im schönen Bayernland unterwegs warst.

Folgender Satz ging mir noch einmal durch den Sinn. Was hältst du von dieser Variante?
"Denn so wie ihr uns vom Prinzip der Gerechtigkeit abgebracht habt (Part. Aor.) und uns überredet (/ überredet habt, eigentl. Präs.), uns eurem Vorteil zu fügen, müssen auch wir besonders an diesem Punkt noch einmal DARLEGEN, WAS FÜR UNS NÜTZLICH IST und (müssen), wenn dasselbe auch für euch auf einen Vorteil hinausläuft, versuchen, euch zu überreden."

Und weiter:
"Denn wie werdet ihr nicht alle die, welche jetzt Bundesgenossen von keinen von beiden sind (/mit keinen von beiden im Bunde sind), zu Feinden machen, wenn sie, nachdem sie auf solches (hier) gesehen haben, meinen, ihr wolltet einst auch gegen sie vorgehen. Und was (macht ihr) damit (κἀν τούτῳ = καὶ ἐν τούτῳ) anderes als dass ihr die feindlichen Verhältnisse (/das feindl. Vermögen/ die feindl. Kräfte) vergrößert, und noch dazu diejenigen, die nicht eure Feinde werden wollten, entgegen ihrer Absicht gegen euch aufbringt?"

Damit verabschiede ich mich erstmal und wünsche noch einen schönen Tag!
Roxane
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Re: Thuk. 5.98

Beitragvon Prudentius » So 18. Mai 2014, 10:29

Und was (macht ihr) damit (κἀν τούτῳ = καὶ ἐν τούτῳ) anderes als dass ihr die feindlichen Verhältnisse (/das feindl. Vermögen/ die feindl. Kräfte) vergrößert,


"Und was macht ihr dabei..."

hyparcho vorhanden sein, also "die vorhandenen Feinde vergrößert", d.h. ihre Zahl erhöht; im Gegensatz zu den potentiellen Feinden.

Die M. versuchen also hier, über den Begriff des chresimon die moralische Argumentation wieder hereinzubrindgen, die ihnen ja vorher die A. verboten hatten.

lgr. P. :)
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