Thuk. 5.106 - 107

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Thuk. 5.106 - 107

Beitragvon Roxane » Mi 9. Jul 2014, 13:57

[5.106] {ΜΗΛ.} Ἡμεῖς δὲ κατ' αὐτὸ τοῦτο ἤδη καὶ μάλιστα πιστεύομεν τῶι ξυμφέροντι αὐτῶν, Μηλίους ἀποίκους ὄντας μὴ βουλήσεσθαι προδόντας τοῖς μὲν εὔνοις τῶν Ἑλλήνων ἀπίστους καταστῆναι, τοῖς δὲ πολεμίοις ὠφελίμους.

(106) Mel.: "Und gerade deshalb (κατ' αὐτὸ τοῦτο) vertrauen wir auch ganz (ἤδη) besonders auf ihren Vorteil, dass sie, wenn sie die Melier, obwohl sie ihre Kolonisten sind, preisgeben, den Wohlwollenden der Griechen (gegenüber) nicht als unzuverlässig, sondern den Feinden (gegenüber) als nützlich dastehen wollen.“

[5.107] {ΑΘ.} Οὔκουν οἴεσθε τὸ ξυμφέρον μὲν μετ' ἀσφαλείας εἶναι, τὸ δὲ δίκαιον καὶ καλὸν μετὰ κινδύνου δρᾶσθαι· ὃ Λακεδαιμόνιοι ἥκιστα ὡς (+ Sup.) ἐπὶ τὸ πολὺ τολμῶσιν.

(107) Ath.: „Ihr glaubt also nicht, dass das Vorteilhafte mit Sicherheit (verbunden) ist, das Gerechte und Gute aber unter Gefahr ausgeführt wird: Das wagen Lakedaimonier im Allgemeinen so wenig wie möglich.“
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Re: Thuk. 5.106 - 107

Beitragvon Prudentius » Do 10. Jul 2014, 10:11

Hallo Roxane,

"Ἡμεῖς" steht betont an der Spitze des Satzes: "Wir aber vertrauen eben deshalb..."

"auf ihren Vorteil", wörtlich stimmt es ja, aber der genaue Sinn? vllt. "wir vertrauen auf ihr Nützlichkeitsdenken"

" dass sie, wenn sie ..., obwohl sie": eine furchtbare Schachtelung! Hier muss man zupacken und Eingriffe wagen :-D .
"Kolonisten", richtig, aber der Sinn? vllt. "dass sie nicht die Melier, ihre Brüder, verraten...und ... erscheinen wollen".

" den Wohlwollenden der Griechen ": richtig, aber so gebrauchen wir den partitiven Gen. im D. nicht; immer mit Präposition: vgl. auch im L.: nemo nostrum "niemand von uns", unter uns; also "den Wohlwollenden unter den Griechen", oder "den wohlwollenden Griechen".

lgr. P. :)
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Re: Thuk. 5.106 - 107

Beitragvon Roxane » Do 10. Jul 2014, 14:36

Danke dir für die schnelle Korrektur, Prudentius! Diesmal wirst du dabei mit den Zähnen geknirscht oder zumindest "o Mann, Roxane" gemurmelt haben. Ja sicher habe ich bei meinem "dass - wenn - obwohl" - Satz grauslich herumgeschachtelt. Natürlich hätte ich auch eine bessere Formulierung suchen können, aber - soviel zu meiner Entschuldigung - da ich meine "Übersetzung" (sie liegt nun schon ein paar Wochen zurück) immer gerne ohne große Mühe nachvollziehen können möchte, habe ich mir gedacht "mia glangt, dass i woaß, dass i kannt, wann i wolln tat" oder so ähnlich...
Nach diesem kleinen Exkurs ins Bayrische, das ich noch weniger als das Griechische kann, nun zu den ἀποίκους und zu τῶι ξυμφέροντι. Manchmal hilft das WB einfach nicht weiter. Dein Nützlichkeitsdenken finde ich genial und Brüder passt in diesem Fall sicher besser als Kolonisten, "fern von zu Hause" steht noch im WB für das Adjektiv.

Es grüßt dich für heute
die fürchterliche Schachtel, äh.. Roxane

(Wahrscheinlich war ich jetzt etwas zu albern. Liegt an meiner guten Stimmung: Es gibt bei uns nämlich gerade reichlich Grund zu feiern....)
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Re: Thuk. 5.106 - 107

Beitragvon Prudentius » Fr 11. Jul 2014, 16:10

ὡς ἐπὶ τὸ πολὺ


Hier kommt der Athener in ziemliche Verlegenheit, denn die Spartaner haben ja in den Perserkriegen eine glanzvolle Rolle gespielt: Leonidas in der Thermopylenschlacht.
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Re: Thuk. 5.106 - 107

Beitragvon Roxane » Sa 12. Jul 2014, 16:09

Danke für den Hinweis, Prudentius. Übrigens hatte ich mir schon einmal überlegt, genau diesen Herododt-Text über den "Löwengleichen" anstelle des Melierdialogs zu übersetzen. Falls sich jemand dafür interessiert, bitteschön:

http://graecum-latinum.de/gr_texte/pdf/ ... opylen.pdf

Schönes WE noch!
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Re: Thuk. 5.106 - 107

Beitragvon Glis » Fr 20. Nov 2015, 01:21

Nachjährige Nachfrage:
Das καταστῆναι in τοῖς μὲν εὔνοις τῶν Ἑλλήνων ἀπίστους καταστῆναι ist ja der Infinitiv Aktiv. Das aktive Verb bedeutet gemäß meinem Vokabelverzeichnis "1. ich stelle hin, versetze in; 2. ich setze ein, mache zu".
Könnte/müsste καταστῆναι dann nicht eher die Melier als Objekt bei sich haben, also etwa:

"...sie (die Melier) für die/in den Augen der Wohlwollenden unter den Griechen zu Treulosen zu machen"

Viele Grüße an alle Thukydideaner.
Gl.
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Re: Thuk. 5.106 - 107

Beitragvon Prudentius » Fr 20. Nov 2015, 11:35

Glis hat geschrieben:Nachjährige Nachfrage:
Das καταστῆναι in τοῖς μὲν εὔνοις τῶν Ἑλλήνων ἀπίστους καταστῆναι ist ja der Infinitiv Aktiv.


Hallo Glis,

Nein, das καταστῆναι ist intransitives Medium, "dastehen als", mit Prädikativum, es hat aktive Endungen; die Bildungsweise nennt sich "Wurzelaorist", du findest es in der Grammatik, es gibt nur ein paar Verben damit, eben, esten, egnon, ephyn.

Die aktive Form würde καταστῆσαι heißen, mit Sigma.
Dann gibt es noch das transitive Medium, estesamen :-o .

lgr. P. :)
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Re: Thuk. 5.106 - 107

Beitragvon Glis » Sa 21. Nov 2015, 01:14

Vielen Dank, Prudentius.
Mir sticht es nun wieder in den Sinn, dass ich die Bedeutungsunterschiede und jene im Paradigma bei ἵστημι bereits beim ersten Gang durch die Grammatik schwierig fand und nie richtig durchdrungen hatte. Ein praktischer Anlass, dies endlich zu schaffen.

Gutes Wochenende!
Gl.
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