Thuk. 5.111.1

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Thuk. 5.111.1

Beitragvon Roxane » Do 24. Jul 2014, 11:13

[111.1] {ΑΘ.} Τούτων μὲν καὶ πεπειραμένοις ἄν τι γένοιτο καὶ ὑμῖν καὶ οὐκ ἀνεπιστήμοσιν ὅτι οὐδ' ἀπὸ μιᾶς πώποτε πολιορκίας Ἀθηναῖοι δι' ἄλλων φόβον ἀπεχώρησαν.

(111.1) Ath.: „Darin (τούτων) haben auch wir unsere Erfahrung gemacht, und dennoch könnte solches (τι) auch uns widerfahren (/treffen) (= solches könnte auch uns widerfahren, obwohl auch wir darin unsere Erfahrung gemacht haben), und ihr wisst auch gut (wörtl.: seid auch nicht Unwissende), dass die Athener sich noch niemals aus Furcht vor anderen zurückgezogen haben.

PS: Tut mir leid, der Satz stand hier gerade noch etwas anders. Nun habe ich ihn noch einmal geändert, um das τούτων nach vorn zu bringen (Prudentius hätte das sonst sicher moniert und die Geduld mit mir verloren). Ob es so richtig ist?
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Re: Thuk. 5.111.1

Beitragvon Prudentius » Fr 25. Jul 2014, 17:42

Das τούτων steht richtig :klatsch: , aber dieses ἄν τι γένοιτο mit dem Dativ ist etwas schwierig, es ist in gereiztem Ton gesagt, mit dem knöchernen Finger drohend; ungefähr: "es dürfte euch wohl nicht verborgen geblieben sein..."; vor allem hast du das Pronomen verwechselt: ὑμῖν euch; Eselsbrücke zur Unterscheidung der beiden Pronomina: ὑμῖν fängt mit Ypsilon an, sieht aus wie ein l. V wie vos; und das andere fängt mit Eta an, sieht aus wie n in nos; oder noch andere Eselsbrücke:alphabetisch geordnet, Eta kommt erst, also 1. Person, Ypsilon als 2.
πολιορκίας vergessen: "Belagerung einer Stadt";
ich würde sagen, mach nochmal einen Anlauf mit dem Satz!

lgr. P. :)
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Re: Thuk. 5.111.1

Beitragvon Roxane » Fr 25. Jul 2014, 21:16

Au weia, da habe ich doch tatsächlich was ausgelassen. Meinem Sohn ist das mal in einer Lateinarbeit passiert, was ich damals gar nicht verstehen konnte. Da kann mal mal sehen...
Das Pronomen hatte ich übrigens gar nicht verwechselt, aber ich verrate jetzt lieber nicht, was ich mir gedacht hatte, du würdest nur noch mehr mit dem Kopf schütteln, Prudentius!

Nun also meine Hausaufgabe:

"Darin habt auch ihr eure Erfahrung gemacht und dennoch könnte solches auch euch widerfahren, da ihr auch gut wisst (wörtl.: auch nicht Unwissende seid), dass die Athener noch niemals von einer einzigen
Belagerung einer Stadt aus Furcht vor anderen abgelassen haben."

Schönen Abend noch!
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Re: Thuk. 5.111.1

Beitragvon cultor linguarum antiquarum » Fr 25. Jul 2014, 21:18

Roxane hat geschrieben:Das Pronomen hatte ich übrigens gar nicht verwechselt, aber ich verrate jetzt lieber nicht, was ich mir gedacht hatte, du würdest nur noch mehr mit dem Kopf schütteln, Prudentius!

:?
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Re: Thuk. 5.111.1

Beitragvon Roxane » Fr 25. Jul 2014, 23:36

Also gut, Altsrachenfreund, einen kleinen Tipp kann ich dir geben: Das ὑμῖν war kein Vokabelfehler, sondern ὑμῖν und ἀνεπιστήμοσιν waren Grammatikfehler.

Übrigens sehe ich gerade, dass mein kausales "da" keinen Sinn macht, dann doch besser so:

"Darin habt auch ihr eure Erfahrung gemacht und dennoch könnte solches auch euch widerfahren, denen es ebenfalls nicht verborgen geblieben sein dürfte (/ die ihr ebenfalls gut wisst; wörtl.: die ihr ebenfalls nicht Unwissende seid), dass die Athener noch niemals von einer einzigen Belagerung einer Stadt aus Furcht vor anderen abgelassen haben."

Jetzt aber gute Nacht allerseits!
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Re: Thuk. 5.111.1

Beitragvon Prudentius » So 27. Jul 2014, 09:32

und dennoch könnte solches auch euch widerfahren, denen es ebenfalls nicht verborgen geblieben sein dürfte (/ die ihr ebenfalls gut wisst; wörtl.: die ihr ebenfalls nicht Unwissende seid),


Warum siehst du da einen starken Gegensatz ("dennoch")? "Etwas erfahren haben" und "nicht unkundig sein" ist doch so ziemlich dasselbe, Hendiadyoin!
"nicht unkundig sein", Stilmittel Litotes.
Drück dich einfacher aus! "Das dürftet ihr wohl erfahren haben und genau wissen, dass..."

Weniger diplomatisch ausgedrückt, sagt der A.: "Das müsstest du Döskopf auch schon gemerkt haben, dass...".

Der A. ist jetzt erbost, anscheinend hat der M. den Finger auf die Schwachstellen der A. gelegt.

Schönen Sonntag. lgr. P.
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Re: Thuk. 5.111.1

Beitragvon Roxane » Mo 28. Jul 2014, 11:33

Für deine sonntägliche Mühe danke ich dir, Prudentius!

Zu deiner Anmerkung zu dem "dennoch", das , wie ich einsehe, überflüssig ist: Anfangs wollte ich den Satz so beginnen:
„Obwohl ihr darin (τούτων) eure Erfahrung gemacht habt, könnte solches (τι) auch euch widerfahren (= darin habt auch ihr eure Erfahrung gemacht und dennoch könnte solches auch euch widerfahren)..."

Das ἄν τι γένοιτο mit dem Dativ bezeichnest du zurecht als schwierig. Keine Frage aber war es für mich, dass es sich dabei um einen Potentialis handelt (Hellasgr. § 73.2). Nun sehe man sich aber einmal an, was diverse Übersetzer daraus machen:

Engelmann: "Wenn davon allerdings etwas geschehen könnte, so habt auch ihr ja darin die Erfahrung gemacht,..."
Heilmann: "Wie dieses laufen würde, möchtet ihr wohl aus der Erfahrung schon wissen..."
Landmann und Weber: "Wenn solches geschähe, hätten wir ja darin Erfahrung und ist euch nicht unbekannt, dass..."

Meine Frage: Was rechtfertigt den Eventualis? Er erfordert doch einen Konjunktiv (Hellasgr. § 72.4)! Auf meiner Suche nach Ausnahmen fand ich bei Kühner diesen Paragraphen, der aber nicht greift:

"Vereinzelt findet sich der Optativ mit ἄν im hypothetischen Relativsatze (s. Nr. 4, b), entsprechend der Verbindung εἰ ἄν c. opt. (§ 577, 2). Prot. 345b ὅστις δὲ μὴ ἰατρὸς ἂν γένοιτο κακῶς πράξας, δῆλον, ὅτι οὐδὲ κακὸς ἰατρός,..."

Meiner Meinung nach kann das ἄν τι γένοιτο nur ein Potentialis sein. Oder habe ich irgendwo einen Paragraphen übersehen? Korrekt dürfte nur die Übersetzung von Heilmann sein, der das τι als Adverb ansieht (= wie).

Beste Grüße!
Roxane
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Re: Thuk. 5.111.1

Beitragvon Prudentius » Di 29. Jul 2014, 08:25

Hallo Roxane,

Roxane hat geschrieben:Korrekt dürfte nur die Übersetzung von Heilmann sein, der das τι als Adverb ansieht (= wie).


Nein, das τι wird als Subjekt gebraucht, das ist das einzige Wort, das ein Nominativ sein kann; "irgendetwas kann wohl euch geschehen" ist der Satzkern. Indefinitpronomen; eine leere Begriffshülse, braucht eine inhaltliche Füllung, dazu dient der partitive Genitiv Τούτων, mit Präposition zu übersetzen: "etwas davon".

Schwierig ist bloß das γένοιτο, und auch nur im D., wie wir es genau verstehen sollen; ich sehe zwei Möglichkeiten: "Davon kann auch euch etwas zustoßen...", nämlich in die vorher erwähnte Kriegssituation verweisend; oder: "Davon kann auch euch etwas vor Augen treten, einfallen, zum Bewusstsein kommen, die ihr eure Erfahrungen gemacht habt,...".

Wie gesagt, ich sehe mich ja immer noch als Prüfling in der Klausur sitzend, Übersetzungen stehen mir nicht zur Verfügung, ich schaue sie gar nicht an; ich möchte aber auch sagen: einen Übersetzungsvergleich machen wir nicht, und eine Rezension einer Übersetzung auch nicht; eine literarische Übersetzung hat ein anderes Ziel als was wir hier als Texterarbeitung machen; nicht zu vergessen auch: Übersetzer werden notorisch schlecht bezahlt :-o !

lgr. P.
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Re: Thuk. 5.111.1

Beitragvon Roxane » Di 29. Jul 2014, 10:08

Ja, eine gute Erfahrung, dass es oft gar nicht hilfreich, sondern eher verwirrend ist, irgendwelche Übersetzer heranzuziehen.

Und endlich, Prudentius, tritt mir vor Augen, kommt mir zum Bewusstsein, wird mir klar...: Das Τούτων ist ein partitiver Genitiv. Genau das war mein allererster Gedanke, aber letztlich dachte ich, es hinge an πεπειραμένοις, das ja mit G/A steht. Also schnell weg mit dem "darin"! Ergo:

"Davon könnte auch euch etwas zustoßen, die ihr wohl eure Erfahrung gemacht haben dürftet und die ihr genau wisst (/denen es wohl nicht verborgen geblieben sein dürfte), dass die Athener noch niemals von einer einzigen Belagerung einer Stadt aus Furcht vor anderen abgelassen haben."

Danke für deine Geduld!
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Re: Thuk. 5.111.1

Beitragvon Prudentius » Mi 30. Jul 2014, 16:11

Das i-Tüpfelchen fehlt noch, die Inkonzinnität muss notiert wwerden:
"καὶ πεπειραμένοις ὑμῖν καὶ οὐκ ἀνεπιστήμοσιν": eine ungleiche Paarung von Partizip und verneintem Adjektiv.

lgr. P
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Re: Thuk. 5.111.1

Beitragvon Roxane » Do 31. Jul 2014, 11:01

Du denkst aber auch an alles Prudentius. Absolut perfekt!

Schönen Freitag!
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