Thuk. 5.111.2

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Thuk. 5.111.2

Beitragvon Roxane » Di 29. Jul 2014, 10:56

[5.111.2] ἐνθυμούμεθα δὲ ὅτι φήσαντες περὶ σωτηρίας βουλεύσειν οὐδὲν ἐν τοσούτωι λόγωι εἰρήκατε ὧι ἄνθρωποι ἂν πιστεύσαντες νομίσειαν σωθήσεσθαι,

(111.2) Wir bemerken (/bedenken/ nehmen uns zu Herzen) aber, dass ihr trotz eurer Erklärung (/obwohl ihr erklärt habt), über eure Rettung beraten zu wollen, in diesem so langen Gespräch nichts gefunden habt, worauf Menschen ihr Vertrauen auf Rettung gründen könnten (wörtl.: wodurch Menschen sich für Vertrauende halten könnten, gerettet zu werden),

ἀλλ' ὑμῶν τὰ μὲν ἰσχυρότατα ἐλπιζόμενα μέλλεται, τὰ δ' ὑπάρχοντα βραχέα πρὸς τὰ ἤδη ἀντιτεταγμένα περιγίγνεσθαι.

vielmehr wird eure größte Stärke (wörtl: das Stärkste) als Hoffnung (wörtl: Gehofftes) aufgeschoben (freier vllt: verlagert sich eure größte Stärke als Hoffnung in die Zukunft; noch freier: beruht eure größte Stärke auf einer künftigen Hoffnung), das Vorhandene (= die vorhandene Macht) aber ist zu gering, das euch bereits Gegenübergestellte (= die euch gegenübergestellte Macht) zu bezwingen.

πολλήν τε ἀλογίαν τῆς διανοίας παρέχετε, εἰ μὴ μεταστησάμενοι ἔτι ἡμᾶς ἄλλο τι τῶνδε σωφρονέστερον γνώσεσθε.

Und ihr zeigt eine große Nichtachtung (/Unvernunft) eures Verstandes (freier: ihr seid sehr unvernünftig), wenn ihr uns nicht noch umstimmt (?) und etwas anderes, (was) vernünftiger als dies (ist), beschließt.

Kühner, Pape und Perseus waren hilfreich:

Kühner (zu ἰσχυρότατα .. μέλλεται): "Das Neutrum im Plur. mit dem Verb im Sing. Das Subjekt in der Neutralform des Plurals verbindet sich mit dem Verb im Singulare, indem die Mehrheit sächlicher Gegenstände als eine einheitliche Masse aufgefasst wurde."

Pape : ".... Xen. An. 3, 1, 46, wo darauf auch das pass. folgt, ἀνέστη ὡς μὴ μέλλοιτο ἀλλὰ περαίνοιτο τὰ δέοντα, damit das Nöthige nicht aufgeschoben würde, ib. 47; ὑμῶν τὰ μὲν ἰσχνότατα ἐλπιζόμενα μέλλεται, Thuc. 5, 111;"

Perseus: "ὑμῶν τὰ ἰσχυρότατα ἐλπιζόμενα μέλλεται: your strongest (grounds of confidence), being (mere, bloß) hopes, are held in abeyance (ruhen lassen). τὰ μὲν ἰσχυρότατα ὑμῶν ἐλπίδες εἰσὶ μέλλουσαι (Part. Präs. f), Schol. The sense is expressed in a characteristic manner by the pass. Μέλλεται"
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Re: Thuk. 5.111.2

Beitragvon Prudentius » Mi 30. Jul 2014, 17:15

Hallo Roxane,

"(/bedenken/ nehmen uns zu Herzen)" Klammer: nicht gut.

"gefunden habt": Verwechslung heureka / eireka: "nichts gesagt habt", von lego, Pf., unregelm.; von dem Stamm auch eró "werde sagen", fut.,; "Rhetor", ver-bum, Wort, word, alte indogerm. Wurzel.

"trotz eurer Erklärung (/obwohl ": konzessiv ist auch richtig, würde aber lieber sagen: "dass ihr zwar erklärt habt,..."
"beraten zu wollen": "verhandeln" passt besser.

"sich für Vertrauende halten könnten": νομίσειαν ist nicht reflexiv: "meinen könnten / damit rechnen könnten, gerettet zu werden".
Freier, sinngemäß: "Ihr habt nichts vorgebracht, worauf normalerweise Menschen hoffen, um dadurch gerettet zu werden".

Immer eins nach dem anderen :) ,

lgr. P.
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Re: Thuk. 5.111.2

Beitragvon Prudentius » Do 31. Jul 2014, 09:55

Die Ü. ist schon richtig, ich würde aber noch am Ausdruck herumfeilen, um den Sinn besser herauszuarbeiten.

Freier: "Aus eurer Überlegenheit wird nichts, da sie nur erträumt ist".

"wird aufgeschoben", dem Passiv gehen wir im D. lieber aus dem Weg; wir haben viele Wendungen dafür: "Daraus wird nichts, das läuft nicht, ist ein Flop, Wunschdenken, steht in den Sternen geschrieben..."

"das euch bereits Gegenübergestellte (= die euch gegenübergestellte Macht)": mehr militärisch-konkret: "die bereits in Kampfformation aufgestellte Gegenmacht".

Auffällig wieder der "krumme Stil": wenn es angeht: "Eure Stärke verzögert sich", erwartet man jetzt: "eure Schwäche aber ist gegenwärtig"; statt dessen sagt er. "eure Gegenwart aber ist schwach", er dreht also Subjekt und Prädikat um.


lgr. P. :)
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Re: Thuk. 5.111.2

Beitragvon Roxane » Do 31. Jul 2014, 11:25

Oh, du bist ja schon wieder ein Stück weiter, dabei hetzt uns doch keiner!

Prudentius, du kannst nicht nur besser griechisch, sondern auch viel besser deutsch als ich! Ich muss immer lange im WB, in Kommentaren und in meinem Kopf suchen, bis ich einen einigermaßen passenden Begriff gefunden habe. Besonders das μέλλεται hat mir Schwierigkeiten gemacht, deine Vorschläge sind mal wieder genial...

Das νομίσειαν gibst du quasi mit "gewohnt sein" wieder. Sehr gut! Wörtlich also: "..wodurch Menschen gewohnt sein könnten, zu hoffen (/erwarten) gerettet zu werden.
Oder: ".. weshalb Menschen wohl (Potentialis ἂν .. νομίσειαν) normalerweise auf Rettung hoffen".

O ja, das heureka/eireka habe ich verwechselt. Wird sofort verbessert!

Danke sehr!
Roxane
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Re: Thuk. 5.111.2

Beitragvon Prudentius » Mi 6. Aug 2014, 19:00

"Und ihr zeigt eine große Nichtachtung (/Unvernunft) eures Verstandes", besser vllt. "Und ihr legt große Unbedachtheit an den Tag".

"wenn ihr uns nicht noch umstimmt (?)", Fragezeichen: Die M. müssen die Athener umstimmen, denn diese wollen sie vor die Alternative Tod oder Unterwerfung stellen.
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Re: Thuk. 5.111.2

Beitragvon Roxane » Do 7. Aug 2014, 11:54

Kaum erscheinst du mal ein paar Tage nicht im Forum, Prudentius, da wirst du schon vermisst! Um so froher bin ich nun, wieder von dir zu hören.

Das μεταστησάμενοι kann ja zunächst alles Mögliche bedeuten, z.B. "sich entfernen oder übergehen", allerdings schien mir beides überhaupt nicht zu passen.

Danke sehr und schöne Grüße!
Roxane
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Re: Thuk. 5.111.2

Beitragvon Prudentius » Sa 9. Aug 2014, 19:37

"Das Subjekt in der Neutralform des Plurals verbindet sich mit dem Verb im Singulare".

Das bekannteste Zitat dazu ist vllt. das "panta rhei" von Heraklit, eine prägnante Formulierung des Relativismus.

Man kann daran erkennen, dass diese grammatischen Kategorien wie Numerus nicht objektiv bedingt sind: es ist nicht einfach das Viele im Plural; sondern sie sind subjektive Werkzeuge, die wir mit unserem Verstand an die Dinge herantragen. Das "Viele" ist Singular!


Bei mir ist die Maus einfach mitten im Feld tot liegengeblieben, da ging gar nichts mehr :) ; dadurch bin einige Tage zum Bücherlesen gekommen,

lgr. P. :)
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Re: Thuk. 5.111.2

Beitragvon Roxane » Mo 11. Aug 2014, 09:02

Na so was, "alles ist in Bewegung" und ausgerechnet deine Maus rührt sich nicht vom Fleck. Da die Reanimation offensichtlich erfolgreich verlaufen ist, mache ich dann mal weiter....
Übrigens: Falls man eines Tages plötzlich nichts mehr von mir hören sollte, dann hat mein Computer gestreikt. Das ist nämlich ein Modell aus "der Zeit, als es noch Kyklopen gab" (Zitat, du weißt schon, von wem..).
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