Thuk 5.111.5

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Thuk 5.111.5

Beitragvon Roxane » Sa 23. Aug 2014, 16:01

[5.111.5] σκοπεῖτε οὖν καὶ μεταστάντων ἡμῶν καὶ ἐνθυμεῖσθε πολλάκις ὅτι περὶ πατρίδος
βουλεύεσθε, ἧς μιᾶς πέρι καὶ ἐς μίαν βουλὴν τυχοῦσάν τε καὶ μὴ κατορθώσασαν ἔσται.

(111.5) Überlegt (euch) also, auch wenn wir gegangen sind, und nehmt euch immer wieder (πολλάκις wörtl. "oft", Pape: "mehr als einmal") zu Herzen, dass ihr einen Beschluss über euer Vaterland fasst; über dieses eine (Vaterland) wird es auch (nur) einen einzigen Beschluss geben, der zu einem glücklichen Ende führt (wörtl.: trifft) oder auch nicht (/oder auch nicht zu einem glücklichen Ende führt).
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Re: Thuk 5.111.5

Beitragvon Prudentius » So 24. Aug 2014, 10:04

Der Relativsatz am Schluss ist schwierig; nicht nur der Beschluss ist "nur ein einziger", sondern auch das Vaterland; der Rel.-Satz qualifiziert den Beschluss; wenn du einen HS machst, dann geht das verloren; freier ausgedrückt: Ihr müsst einen unwiderruflichen Beschluss über das Wohl und Wehe eures einzigen Vaterlandes fassen.

Über den Anfang habe ich mir den Kopf zerbrochen: σκοπεῖτε οὖν καὶ μεταστάντων ἡμῶν καὶ ἐνθυμεῖσθε: eigentlich möchte man drei gleichgeschaltte Verben sehen, und μεταστάντων kann ja auch Imperativ sein; also: "Prüft, tretet auf unsere Seite über und bedenkt,,,,". Aber μεταστάντων ist 3. Person, passt also nicht; (oder kann der Imp. auch für die 2. Person verwendet werden? Das weiß ich nicht).


Also aussteigen kannst du jetzt noch nicht :-D , du musst schon noch weitermachen, es muss ja erst das Ergebnis der Verhandlungen, der Schlußpunkt gesetzt werden,

schönen Sonntag, lgr.
P. :)
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Re: Thuk 5.111.5

Beitragvon Roxane » So 24. Aug 2014, 13:47

Wie kommst du denn darauf, Prudentius, ich werde doch jetzt nicht aussteigen! Im Übrigen ist doch erst nach dem achten Buch Schluss...

Der Anfang hat mich auch irritiert, wäre zu schön, wenn das μεταστάντων in die Reihe passte. Ich werde mir diese Stelle ebenso wie den Relativsatz morgen noch einmal vornehmen, heute habe ich erst einmal Besuch zwecks Pflaumenkuchenvertilgung. Ach ja: Dieses "ich weiß es nicht", war das jetzt ein Scherz?

Übrigens wollte ich immer schon mal Herododt übersetzen. Außerdem habe ich mich ja auch noch gar nicht mit der Grabrede des Perikles beschäftigt oder mit der Kranzrede des Demosthenes. Du hattest dich doch damals zum Examen so gut auf Thukydides und Demosthenes vorbereitet, ich könnte dann jeden Tag etwas einstellen und du wärest immer schön beschäftigt. :lol:

Na ja, war jetzt mal ein kleiner Scherz meinerseits, ich werde es sicher nicht übertreiben, ich fürchte, mein Mann ließe mich sonst eines Tages in die Klappsmühle einweisen ...

Ebenfalls noch einen schönen Sonntag!
Roxane
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Re: Thuk 5.111.5

Beitragvon Roxane » Mo 25. Aug 2014, 13:07

Wenn du es schon nicht weißt, Prudentius, ich kann erst recht nicht sagen, ob das μεταστάντων auch für die zweite Person verwendet werden kann. Perseus sagt nein und in meiner Grammatik sowie im WB finde ich nichts Gegenteiliges. Und dann frage ich mich auch, warum Th. mal die zweite und mal die dritte Person verwenden sollte. Sicher, bei Thukydides ist alles möglich, aber selbst wenn wir lauter eindeutige Imperative in der zweiten Person hätten, wohin dann mit dem ἡμῶν? Hier der Satz etwas modifiziert noch einmal, das μεταστάντων ἡμῶν wieder als gen. abs. gedeutet:

σκοπεῖτε οὖν καὶ μεταστάντων ἡμῶν καὶ ἐνθυμεῖσθε πολλάκις ὅτι περὶ πατρίδος
βουλεύεσθε,...

"Überlegt (euch) nun (dieses) und führt euch, auch wenn wir gegangen sind, mehr als einmal
(πολλάκις Pape) zu Gemüt, dass ihr einen Beschluss über euer Vaterland fällt,..."

Danach steht erst einmal ein Komma, deshalb hatte ich noch einmal neu angesetzt, aber - da hast du völlig recht - mein "dieses eine" war sicher nicht deutlich genug, besser wäre sicher "über unser einziges" gewesen, also so:

...ἧς μιᾶς πέρι καὶ ἐς μίαν βουλὴν τυχοῦσάν τε καὶ μὴ κατορθώσασαν ἔσται.

"...über euer einziges (Vaterland) wird es auch (nur) einen einzigen Beschluss (gemeint: einen nicht mehr zu ändernden Beschluss) geben, der zu einem glücklichen Ende führen wird (wörtl.: treffen wird) oder auch nicht (/oder auch nicht zu einem glücklichen Ende führen wird)."

Beste Grüße!
Roxane
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Re: Thuk 5.111.5

Beitragvon Prudentius » Mo 25. Aug 2014, 19:38

"Ich stelle jetzt noch einen kurzen Satz ein", da dachte ich, du willst jetzt aussteigen :-D , ein Mißverständnis, gut, es lohnt sich ja noch weiterzulesen, auch wenn die A. gleich gehen.

Dass hier drei Verben mit zwei καὶ verbunden sind und dann das erste καὶ "auch" bedeutet, ist schon sehr inkonzinn :-D , aber wir sind ja schon einiges gewohnt.

Aber auch der Relativsatz hat es in sich: bei ἧς μιᾶς πέρι ist μιᾶς prädikativ, das können wir überhaupt nicht richtig ausdrücken, man müsste es herauslösen: "Ihr habt ja nur ein einziges Vaterland"; denn die attributibe Wiedergabe "das einzige Vaterland" passt nicht richtig;
weiterhin gebraucht er hier zwei verschiedene Präpositionen: πέρι, ἐς,
und am Schluss die beiden Pc. sollten einen Gegensatz bilden, lassen es aber nicht erkennen.

Also du verstehst es wohl, wenn man sagt, Th. ist schwer :-D .

lgr. P.
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Re: Thuk 5.111.5

Beitragvon Roxane » Di 26. Aug 2014, 10:32

An der Sache mit dem nicht zu erkennenden Gegensatz der beiden Pc. nimmt auch Classen Anstoß. Er bezeichnet den Satz als "irgendwie verschrieben" und vermutet, dass vor oder nach ἔσται etwas ausgefallen ist, worin der Gegensatz zwischen Rettung und Zerstörung ausgedrückt war.

Hier noch eine Erklärung, auf die Classen hinweist:

Πολλάκις πρὸ ὀφθαλμῶν λάβετε ὅτι περὶ πατρίδος ἡ σκέψις μιᾶς οὔσης, περὶ ἧς έν μιᾷ βουλῆ ἤ κατορώσετε ἤ σφαλήσεσθε.

Führt euch immer wieder vor Augen, dass die Überlegung wegen eures Vaterlandes, des einzigen, das ihr habt, (stattfindet), aufgrund derer (σκέψις) ihr mit einem einzigen Beschluss zu einem glücklichen Ende gelangt oder zugrunde geht.

Μαl sehen, ob ich noch etwas zu dem ἧς μιᾶς πέρι ist μιᾶς finde, jetzt mache ich aber erst mal ;-) Schluss.

Dank und Gruß!
Roxane

Bei Perseus finde ich diesen Kommentar (siehe Classen): "ἣν μιᾶς πέρι...ἔσται : the expianation of the Schol. πολλάκις πρὸ ὀφθαλμῶν λάβετε ὅτι περὶ πατρίδος ἡ σκέψις μιᾶς οὔσης, περὶ ἧς ἐν μιᾷ βου- λῇ ἢ κατορθώσετε ἢ σφαλήσεσθε undoubtedly gives the meaning intended; but the sent. is certainly corrupt, and the difficulties are not overcome by the various emendations proposed. See App."
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Re: Thuk 5.111.5

Beitragvon Prudentius » Do 28. Aug 2014, 09:33

Der Text ist zwar schwierig, aber ich glaube nicht, dass wir mit weggelassenen Wörtern oder verschriebenen Stellen zu tun haben; die früheren Philologen sind damit schnell zur Hand gewesen.
Die sperrigen Formulierungen fügen sich in den Rahmen des bisherigen, er hatte vorher auch schon statt "Krieg oder Frieden" "Krieg oder Sicherheit" gesagt; Th. bietet eben zum Schluss des Dialogs eine Art Furioso :) .


Th. hat nur ein einziges Thema: Machtpolitik, in all ihren Facetten, vom Einzelnen bis zum Grundsätzlichen; daher eignet ihm irgendwie eine wissenschaftliche Blässe;
Herodot dagegen hat eine große Vielfalt von Themen, bei ihm finden wir die ganze bunte Palette des Lebens.

lgr. P.
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Re: Thuk 5.111.5

Beitragvon Roxane » Do 28. Aug 2014, 10:33

Danke für deine Einschätzung, Prudentius! Ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass du den Text viel genauer unter die Lupe nimmst als manch einer der alten Philologen. Über das τυχοῦσάν τε καὶ μὴ κατορθώσασαν sollte man sich in der Tat nicht mehr wundern, natürlich passt es "in die Reihe".

"Dass hier drei Verben mit zwei καὶ verbunden sind und dann das erste καὶ "auch" bedeutet, ist schon sehr inkonzinn..."

Dann bliebe für σκοπεῖτε οὖν καὶ .... καὶ ἐνθυμεῖσθε πολλάκις nur, das καὶ .. καὶ im Sinne vo "sowohl .. als auch" wiederzugeben:
"Überlegt (euch) nun (dieses) und führt euch ... zu Gemüt, ..."

"Überlegt (euch) nun (dieses) und führt euch, wenn wir gegangen sind, mehr als einmal zu Gemüt, dass ihr einen Beschluss über euer Vaterland fasst, über dieses (Vaterland), (das euer) einziges (ist), (über das) es auch (nur) einen einzigen Beschluss geben wird, der zu einem glücklichen Ende führen wird (τυχοῦσάν) oder auch nicht (μὴ κατορθώσασαν)."
Freier deine Formulierung: "Ihr müsst einen unwiderruflichen Beschluss über das Wohl und Wehe eures einzigen Vaterlandes fassen."

(Hoffentlich ist da jetzt nichts falsch, was vorher schon mal richtig war)

Bis dahin!
Roxane
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