Apol. 17a,b

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Apol. 17a,b

Beitragvon Roxane » Di 21. Okt 2014, 14:43

@ Prudentius: Bitte nicht erschrecken, Prudentius! Diesen Text will ich dir keineswegs auch noch zumuten, du hast schon viel zu viel für mich getan!
@ Glis: So sieht mein erster Platon-Übersetzungsversuch aus. Vielleicht hast du mal Zeit, ihn mit deiner Version zu vergleichen. Beste Grüße von Roxane

(17a) ὅτι μὲν ὑμεῖς, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, πεπόνθατε ὑπὸ τῶν ἐμῶν κατηγόρων, οὐκ οἶδα: ἐγὼ δ ̓οὖν καὶ αὐτὸς ὑπ ̓αὐτῶν ὀλίγου ἐμαυτοῦ ἐπελαθόμην, οὕτω πιθαν ῶς ἔλεγον. καίτοι ἀληθές γε ὡς ἔπος εἰπεῖν οὐδὲν εἰρήκασιν. μάλιστα δὲ αὐτῶν ἓν ἐθαύμασα τῶν πολλῶν ὧν ἐψεύσαντο, τοῦτο ἐν ᾧ ἔλεγον ὡς χρῆν ὑμᾶς εὐλαβεῖσθαι μὴ ὑπ ̓ἐμοῦ ἐξαπατηθῆτε ὡς δεινοῦ ὄντος λέγειν.

Wie ihr, Athener, durch meine Ankläger gestimmt seid (/was ihr .. erfahren habt), weiß ich nicht: Ich jedenfalls hätte mich ja ihretwegen sogar fast selbst aufgegeben*, so überzeugend haben sie gesprochen. Doch Zutreffendes haben sie fast (/krass ausgedrückt**) in keiner Beziehung gesagt. Am wenigsten (= am meisten nicht) aber konnte ich eine ihrer vielen Lügen (/eine ihrer vielen Sachen, die sie erlogen haben) begreifen**, diese eine, womit sie behaupteten, dass ihr euch in acht nehmen müsstet, nicht von mir getäuscht zu werden, schießlich sei ich ein geschickter Redner (/da ich geschickt sei im Reden).

*eigentlich „vergessen“, allerdings meint „sich vergessen“ etwas anderes
** (Langensch.)

(17b) τὸ γὰρ μὴ αἰσχυνθῆναι ὅτι αὐτίκα ὑπ ̓ἐμοῦ ἐξελεγχθήσονται ἔργῳ, ἐπειδὰν μηδ ̓ ὁπωστιοῦν φαίνωμαι δεινὸς λέγειν, τοῦτό μοι ἔδοξεν αὐτῶν ἀναισχυντότατον εἶναι, εἰ μὴ ἄρα δεινὸν καλοῦσιν οὗτοι λέγειν τὸν τἀληθῆ λέγοντα: εἰ μὲν γὰρ τοῦτο λέγουσιν, ὁμολογοίην ἂν ἔγωγε οὐ κατὰ τούτους εἶναι ῥήτωρ. οὗτοι μὲν οὖν, ὥσπερ ἐγὼ λέγω, ἤ τι ἢ οὐδὲν ἀληθὲς εἰρήκασιν, ὑμεῖς δέ μου ἀκούσεσθε πᾶσαν τὴν ἀλήθειαν—οὐ μέντοι μὰ Δία, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, κεκαλλιεπημένους γε λόγους, ὥσπερ οἱ τούτων,

Denn dass sie sich nicht dafür schämen, dass sie wieder von mir durch meine Ausführung widerlegt werden können (gr.: Fut.), während ich mich nicht einmal auf irgendeine Weise als geschickter Redner zeige, dies schien mir das Unverschämteste von ihnen zu sein, sollten sie etwa (wörtl.: wenn sie etwa, εἰ μὴ ἄρα) den, der die Wahrheit spricht, einen geschickten Redner nennen: Wenn sie nämlich dieses meinen, möchte ich für meine Person einräumen, kein Redner nach ihren Vorstellungen (/nach ihnen) zu sein. Diese haben jedenfalls, so behaupte ich, (nur) etwas oder gar nichts Wahres gesagt, ihr aber sollt (gr.: Fut.) von mir die ganze Wahrheit hören – allerdings, bei Zeus, Athener, gerade keine fein formulierten Reden, so wie diejenigen von diesen,
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Re: Apol. 17a,b

Beitragvon Glis » Do 23. Okt 2014, 23:38

Hallo Roxane,
ich bin begeistert, dass du meinen Vorschlag, ein wenig platonisch aktiv zu werden, sogleich aufgegriffen hast!
Ich bin auch nicht viel weiter als du und mache vorerst einige Anmerkungen, noch ohne auf die rechte Seite meines Reclam-Bändchens mit der dt. Übersetzung geschielt zu haben. Das hole ich jedoch nach, vielleicht erbringt das noch die eine oder andere Korrektur.
Deine Version vom zweiten Teil des ersten Satzes gefällt mir gut, ich selbst habe mich ein wenig in den ganzen Genitiven verheddert. Irritiert hatte mich auch das allererste Wort: In der Anabasis war das Pronomen, wohl als Unterscheidung zur Konjunktion, stets als ὁ τι wiedergegeben, aber die Konjunktion ist hier sicher nicht gemeint. Ich würde es hier als "was" verstehen: "Was ihr ... erfahren habt, weiß ich nicht".
αὐτίκα: "sogleich, auf der Stelle"; ἔργῳ: laut Gemoll adverbiell "in Wirklichkeit"; εἰ μὴ ἄρα: laut Gemoll ironisch "wenn nicht etwa, es müsste denn"
Den Anfang von 17 b) habe ich so: "Denn sich nicht dafür zu schämen, dass sie in Wirklichkeit sofort von mir entlarvt werden (würden), sobald ich mich nicht im Mindesten als redegewaltig erweise, das scheint mir von ihrer Seite das Unverschämteste zu sein, wenn die Genannten nicht etwa denjenigen redegewaltig nennen (wollen), der die Wahrheit sagt;"
Jetzt weiter mit Umzugkistenpacken.

Beste Grüße!
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Re: Apol. 17a,b

Beitragvon Roxane » Fr 24. Okt 2014, 11:47

Na klar, zusammen macht es viel mehr Spaß und ich freue mich, wenn ich mitmachen kann! Allerdings wirst du mir wohl davongaloppieren, wie ich dich kenne. Weiter als bis 17c bin ich noch nicht gekommen.

Ὅ τι .. πεπόνθατε: Ich schätze mal, dass der Akk.Sg.n. von ὅστις gemeint ist und es sinngemäß heißen soll: ...inwiefern die Rede der Ankläger euch beeinflusst hat.., wie ihr gestimmt gewesen seid (vgl. Langensch.), was ihr gefühlt habt...

ἔργῳ : Ja, es ist auch ein Adv., aber es ist schwierig, es treffend zu übersetzen: „In Wirklichkeit“, „in der Praxis“ = wenn er dann tatsächlich anfängt zu reden.

ἔδοξεν: Du gibst das im Präsens wieder, das klingt richtig und du hast dir sicher was dabei gedacht, kannst du das bitte mal in aller Kürze(!) begründen.

"nennen (wollen)": Eigentlich kann die Klammer weg, denn καλοῦσιν könnte auch Futur sein.

O ja, bei εἰ μὴ ἄρα habe ich das μὴ unterschlagen.

„Denn sich nicht dafür zu schämen, dass sie sogleich von mir praktisch (/durch meine Ausführung) widerlegt werden (würden), sobald ich mich nicht auf die geringste Weise als geschickter Redner zeigte, dies schien (/scheint?) mir das Unverschämteste von ihnen zu sein, wenn sie nicht etwa den, der die Wahrheit sagt, einen geschickten Redner nennen wollen;“



"..vielleicht erbringt das noch die eine oder andere Korrektur:" Wer sagt denn, dass der Reclamtext richtig ist und nicht deiner?
"Jetzt weiter mit Umzugkistenpacken": Mitten in der Nacht?

Tschüssi!
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Re: Apol. 17a,b

Beitragvon Glis » Fr 24. Okt 2014, 23:00

Danke für deine Überlegungen, Roxane, ich habe keine Einwände.
Mein "scheint" geht eher auf eine flüchtig-unkorrekte Wiedergabe der Zeitform meinerseits zurück, wohl befördert durch die Empfindung, dass etwas, was Sokr. im Augenblick des Lauschens so "schien", ihm auch beim Reden wohl immer noch so "scheint". Wahrscheinlich könnte z. B. Kühner eine tiefsinnigere Begründung liefern?
Zur Reclam-Übersetzung konte ich mir noch keinerlei Meinung bilden, da ich sie bisher nicht angeschaut habe. Das Nachwort des Bändchens mit Skizze der historischen Umstände jenes "Justizmords" an Sokrates scheint mir immerhin ausgezeichnet.
Kistenpacken derzeit gerne im Angesicht des Mondes, den tagsüber "hilft" gerne das Töchterchen, was den Vorgang doch recht entschleunigt!

Auf bald
Gl.
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Re: Apol. 17a,b

Beitragvon Prudentius » Di 28. Okt 2014, 19:51

Bitte nicht erschrecken, Prudentius!


Hallo Roxane, ich fange mich schon :-D , ich lass euch gern freien Lauf, tauscht eure Ergebnisse aus, das finde ich sehr gut; fragt ruhig, wenn nötig, und ich versuche eine Antwort zu geben, wenn ich dazu komme.

Das ὅτι am Anfang ist das Neutrum des indirekten Fragepronomens hostis, es leitet einen abh. Fragesatz ein, der an οὐκ οἶδα hängt: "ich weiß nicht, was ihr empfunden habt..."; statt ὅτι hätte auch τι (mit Akut) allein stehen können.
hostis kann dann als 2. auch noch generelles Relativum sein: "wer auch immer", dafür geht auch hos alleine; aber das haben wir hier nicht.

πεπόνθατε am besten mit "welchen Eindruck ihr gewonnen/bekommen habt" wiederzugeben; freier auch: "wie ihr dazu steht / was ihr davon haltet / wie euch das vorkommt".

πεπόνθατε ist von der Form her interessant: "starkes" Perfekt, weil es ohne das reguläre Kappa von pe-paideu-ka gebildet ist; o-Stufe des Perfekts wie bei le-loi-pa, pe-poi-tha.
Die Wurzel ist penth-, der starke Aor. wird von der Schwundstufe gebildert, eigtl. "epnthon", ist so nicht aussprechbar, dann wird das Ny durch Alpha ersetzt, also epathon.

Das ἔργῳ versteht man, wenn man bedenkt, dass es den Gegensatz zu der falschen Behauptung bezeichnet: "in Wirklichkeit".

lgr. P. :)
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Re: Apol. 17a,b

Beitragvon Roxane » Mi 29. Okt 2014, 13:23

Mit dir habe ich an dieser Stelle ja gar nicht gerechnet, Prudentius. Was für eine freudige Überraschung! Wenn man weiß, dass auch du noch einen Blick auf den Text geworfen hast, hakt man ein Kapitel doch mit einem viel besseren Gefühl ab. Toll!









Wie ihr, Männer von Athen, durch meine Ankläger gestimmt seid, weiß ich zwar nicht: Aber ich hätte mich ja ihretwegen sogar fast selbst aufgegeben, so überzeugend haben sie gesprochen. Doch Zutreffendes haben sie fast in keiner Beziehung gesagt. Am meisten aber konnte ich eine der vielen Lügen nicht begreifen, diese eine, in der sie vortrugen, dass ihr euch in acht nehmen müsstet, nicht von mir getäuscht zu werden, schließlich sei ich ein geschickter Redner. Denn sich nicht dafür zu schämen, dass sie sogleich von mir in Wahrheit widerlegt werden würden, sobald ich mich auf gar keine Weise als geschickter Redner zeigte, dies schien mir das Abscheulichste von ihnen zu sein, wenn sie nicht etwa den, der die Wahrheit sagt, einen geschickten Redner nennen wollen; Wenn sie nämlich dieses meinen, möchte ich für meine Person einräumen, kein Redner nach ihren Vorstellungen zu sein. Diese haben jedenfalls, so behaupte ich, (nur) etwas oder gar nichts Wahres gesagt, ihr aber sollt von mir die ganze Wahrheit hören – jedoch bei Zeus, Männer von Athen, gerade keine fein formulierten Reden, so wie diejenigen von diesen, auch keine (Reden), die mit Äußerungen und Worten ausgeschmückt sind, vielmehr werdet ihr etwas hören, was mit den ersten besten Worten aus dem Stegreif vorgetragen wird – denn ich bin überzeugt, dass gerecht ist, was ich sage – und niemand von euch soll es anders erwarten. Zweifellos würde es sich nämlich für dieses Alter nicht wie für einen Worte formenden Jüngling gehören, vor euch zu treten. Jedoch vor allem, Männer von Athen, bitte ich euch darum und bedinge mir dieses aus: Wenn ihr mich bei dem, was ich zur Verteidigung vorbringe, mit denselben Worten hört, die ich gewöhnlich auf dem Markt an den Geldwechslertischen gebrauche, wo viele von euch (mich) gehört haben, oder anderswo, euch darüber weder zu wundern (17d) noch euren Unwillen darüber zu äußern! Denn so verhält es sich. Jetzt bin ich zum ersten Mal vor einem Gericht aufgetreten, mit 70 Jahren; geradezu fremd also ist mir die hiesige Redeweise. So wie ihr es nun, wenn ich in Wirklichkeit gerade ein Fremder wäre, sicherlich mir verzeihen würdet, wenn ich in jener Sprache und Art (18a) redete, mit welcher ich auch aufwuchs und so bitte ich euch auch jetzt um dieses – so glaube ich – Rechtmäßige, meine Art der Redeweise zu gestatten – vielleicht ist sie schlechter, vielleicht aber auch besser – und gerade dieses zu prüfen und darauf zu achten, ob ich Richtiges sage oder nicht. Denn dies ist die Pflicht eines Richters, eines Redners (Pflicht) aber, die Wahrheit zu sagen. Vor allem nun, Männer von Athen, bin ich berechtigt, mich gegen das Erste zu verteidigen, was gegen mich fälschlicherweise als Vorwurf erhoben worden ist und gegen die ersten Ankläger, dann aber gegen das Letztere und die (18b) letzteren (Ankläger). Denn viele Ankläger sind bei euch gegen mich aufgetreten, auch früher viele Jahre schon, die auch nichts Wahres gesagt haben, vor denen ich mich mehr fürchte als vor den Leuten um Amytus, obwohl auch die gefährlich sind. Aber jene (sind) gefährlicher, Männer, welche die meisten von euch überzeugten, wodurch sie (euch) von Kindheit an für sich einnahmen und nun gegen mich den Vorwurf erhoben, genauso wenig Wahres vorzubringen wie die Ankläger, die von euch von Kindheit an beeinflusst worden sind. welche euch überzeugten, wodurch sie Einfluss über euch erlangten, und mich einer unwahren Sache bezichtigten “Es gibt einen (gewissen) Sokrates, einen weisen Mann, einen Grübler, der die Erscheinungen oben am Himmel und alle Erscheinungen unter der Erde erforscht hat und der das schwächere Argument zum stärkeren [18c] macht.” Diese, Männer von Athen, die dieses Gerücht ausgestreut haben, sind meine gefährlichen Ankläger. Denn die, die (das) hören, meinen, dass die, die solches erforschen, auch nicht die Götter anerkennen. Dann gibt es viele jene bekannten Ankläger, - die (mich) sogar schon lange Zeit beschuldigt haben und noch dazu in dem Alter zu euch redeten, in dem ihr (ihnen) wohl besonders vertraut habt, als einige von euch Kinder waren oder junge Männer - , die geradezu eine “leere” Klage führten, ohne dass jemand (ihn) verteidigte. Aber das, was grundloser ist als alles andere, nicht einmal [18d] ihre Namen wissen und nennen zu können, außer wenn einer zufällig Komödiendichter ist. Aber (alle), die (euch) aus Ungnade ??? und in verleumderischer Absicht behandeln/ verleiten/ umstimmen wollten – und auch die, die selbst überredet worden sind, andere überreden - diese alle sind besonders unerreichbar. Denn es ist weder möglich, irgendeinen hierher vor Gericht treten zu lassen noch zu widerlegen, sondern man muss geradezu wie mit Schatten kämpfen, wenn man sich verteidigt, und forschen, ohne dass jemand antwortet. Erkennt auch ihr nun, dass, wie gesagt, meine Ankläger mir doppelt zugefallen sind, (als) die einen, die (mich) soeben angeklagt haben und (als) die anderen [18e] die (mich) schon lange (anklagen), die zähle ich dazu, und so (καὶ) kommt zu der Überzeugung, dass ich mich vor allem gegen eben jene (die zeitlich entfernteren Verleumder) verteidigen muss; Denn auch ihr habt eher erfahren, dass jene (mich) angeklagt haben und zwar viel eher als diese (= diese Ankläger vor Gericht), die (es) später (erfuhren).[19a]
euch den Verdacht/ die Verleumdung, den ihr während langer Zeit gehabt habt, diesen (euch) in so kurzer Zeit auszutreiben. Ich könnte nun zwar wünschen, dass dieses so kommt, wenn es irgendwie besser sowohl für euch als auch für mich wäre, und dass ich etwas/ noch mehr bei meiner Verteidigung erreiche. Aber ich glaube, dass dieses schwierig ist, und vor mir ist keineswegs verborgen, wie es sich verhält (=wie es um mich steht). Gleichwohl soll dieses einerseits kommen, wie es dem Gott lieb (ist), andererseits muss man dem Gesetz gehorchen und sich verteidigen. Erinnern wir uns/ nehmen wir auf also von Anfang her, welche Beschuldigung es gibt, durch die[19b] mein schlechter Ruf entstanden ist, der offenbar auch Meletos geglaubt hat und aufgrund welcher (Beschuldigung) Meletos – der offenbar ebenfalls überzeugt ist - diese Anklageschrift gegen mich eingereicht hat. Nun gut: Mit welchen Behauptungen (wörtl.: dadurch, dass sie was nun sagten) haben nun meine Verleumder (mich) beschuldigt? Wie wenn (als ob) man/ich nun von Anklägern (Gen. obi.) ihre Anklageschrift lesen muss : “Sokrates handelt gesetzwidrig und treibt Unnützes, indem er die Erscheinungen unter der Erde und am Himmel untersucht (= Naturphilosophie betreibt) und das schwächere Argument zum stärkeren [19c] macht und andere (dieses) dasselbe (ταὐτὰ statt τὰ αὐτά) lehrt.” Eine so beschaffene ist sie*: Dieses saht ihr nämlich schon (καὶ) selbst in der Komödie des Aristophanes, dort wird ein gewisser Sokrates (den Menschen) unter die Leute gebracht wird /freier: vorgeführt wird (wörtl.: dass dort ein gewisser Sokrates..), der behauptet, in den Wolken zu schweben und eine Menge anderes dummes Zeug redet, von dem ich in keiner Weise viel oder wenig verstehe. Und nun (καὶ) rede ich nicht wie** einer, der eine solche Kenntnis, sollte einer in solcher Hinsicht klug sein geringschätzt, – nicht etwa ich könnte von Meletos insoweit vor Gericht belangt werden – doch gewiss habe ich daran, Männer von Athen, keinen Anteil.[19d] Und als Zeugen stelle ich noch einmal die Vielen von euch, und ich bitte (euch) / erwarte/ halte es für angemessen, dass ihr euch einander in Kenntnis setzt und Bericht erstattet, die ihr mich jemals sprechen gehört habt – denn (δὲ) viele von euch gibt es, die das sind – berichtet euch also gegenseitig, ob jemals einer von euch wenig oder viel mich über solche Dinge reden gehört hat, und dadurch könnt ihr euch überzeugen: Solches und anderes gibt, was die Leute über mich sagen. Aber gewiss ist weder davon etwas wahr, noch (γ᾽unübersetzt) falls ihr von einem erfahren habt, dass ich versuchte (ἐπιχειρῶ), Menschen zu erziehen und Geld (damit) verdiente.[19e] Auch dieses (ist) nicht wahr. Indes (ἐπεὶ) scheint mir auch gerade dieses edel zu sein, wenn einer imstande ist, Menschen zu erziehen wie Gorgias aus Leontinoi und Prodikos von (der Insel) Keos und Hippias aus Elis. Denn jeder einzelne von ihnen, Männer, ist (dazu) imstande, indem er jede einzelne Stadt aufsucht, die jungen Männer – ihnen ist es möglich, mit (jedem) ihrer Bürger, mit dem sie es möchten, umsonst zu verkehren – diese zu überreden (eigentlich: diese überreden sie),[20a] den Umgang mit jenen aufzugeben, (wörtl.: nachdem sie den Umgang mit jenen aufgegeben/ losgelassen haben), mit ihnen gegen Bezahlung (wörtl.: indem sie Geld bezahlen) zu verkehren, und sich noch dazu dankbar zu zeigen (wörtl.: noch dazu Dank kennen). Indes gibt es auch einen anderen weisen Mann aus Paros (/ein Parier, gemeint: Euenos) hier, ich habe erfahren (wörtl.: von dem ich erfahren habe), dass er im Lande ist. Zufällig traf ich nämlich auf einen Mann, der den Sophisten mehr Geld (hier:) bezahlt hat als all die anderen zusammen, auf Kallias, den Sohn des Hipponikos: Diesen fragte ich nun – er hat nämlich zwei Söhne - “Kallias”, sagte ich also, “wenn jedoch (μέν) deine beiden Söhne zwei Fohlen oder zwei Kälber wären, könnten wir für diese einen Zuständigen (Mann) bekommen/ nehmen und in Sold nehmen, der[20b] sie gut und tüchtig machen wollte nach ihrer eigenen Fähigkeit, denn dieser wäre einer von denen, die etwas von Pferden verstehen oder in der Landwirtschaft erfahren sind; nachdem es sich aber nun bei beiden um Menschen handelt, welchen Zuständigen (Mann) denkst du für die beiden zu nehmen? Wer versteht sich auf diese Tugend, menschliche wie bürgerliche? Ich glaube nämlich, dass du dadurch, dass du Söhne hast ( wörtl.: durch den Besitz der Söhne) nachgedacht hast. Gibt es einen”, sagte ich, “oder nicht?” “Ganz gewiss”, sagte er da. “Wer (ist es)”, sagte ich dann, “und woher stammt er und für wieviel (Geld) lehrt er?” “Euenos (ist es)”, sagte er, “mein Sokrates, ein Parier, für fünf Minen (lehrt er).” Und nun pries ich (Ironie: wohl) den Euenos glücklich, wenn er sich wirklich auf diese Kunst verstehen sollte und daher tadellos unterrichtet. Ich selbst jedenfalls würde mich sogar brüsten und prahlen, wenn ich mich darauf verstünde; aber ich verstehe gewiss nichts davon, Männer von Athen. Es könnte nun vielleicht einer von euch einwenden: “Aber, Sokrates, was ist deine Sache/ Beschäftigung? Woher sind dir diese Verleumdungen entstanden? Nicht (ist) doch wohl (sicherlich) gibt es, ohne dass du gerade Auffälligeres als die anderen tust (getan hast), dann/ trotzdem ein solches Gerücht und ein Gerede (entstanden), es sei denn/ es müsste denn sein du tätset (hättest) etwas anderes als die große Menge (getan). Sag uns daher, was[20d] es ist, damit wir nicht vorschnell über dich urteilen.” Wer dies (Ταυτί) sagt, scheint mir Richtiges auszusprechen. Und ich will versuchen, euch darzulegen, was es denn ist, was mir den Ruf und die Verleumdung eingebracht hat. Hört also zu. Und vielleicht werde ich bei einigen von euch den Eindruck erwecken zu scherzen: Ihr sollt jedoch wissen, ich werde euch die ganze Wahrheit erzählen. Ich habe nämlich, Männer von Athen, wegen nichts anderem als wegen einer gewissen Weisheit diesen Ruf erworben. Wegen welcher (dieser) Weisheit denn (δὴ +Fragepronomen, LS)? (Wegen einer), welche gerade eine menschliche Weisheit ist; Denn in der Tat ist es möglich (/scheine ich..) dass ich, was diese betrifft, weise bin. Diese (Männer) aber, die ich soeben nannte, dürften wohl [20e] in einer bedeutenderen (Weisheit) als (in einer) für einen Menschen üblichen Weisheit weise sein, sonst weiß ich nicht, wie ich es nennen soll; Ich für meine Person verstehe nämlich gewiss nicht diese (Wissenschaft), sondern, jeder der (das) behauptet, lügt und sagt es, um mich zu verleumden. Und äußert mir nicht, Männer von Athen, euren lauten Unwillen, auch nicht, wenn ich euch etwas Unerhörtes zu sagen scheine. Denn nicht als meine (Rede) werde ich die Rede vortragen, die ich halte, sondern ich werde mich auf den euch gebührenden Redner beziehen/ berufen. Für meine Weisheit, falls sie denn wirklich eine Weisheit ist und was für eine, will ich euch den Gott in Delphi als Zeugen stellen. Ihr kennt ja vielleicht den Cheirephon. Dieser [21a] (war) mein Freund von Jugend an und der Menge von euch ein Freund und er ging mit in diese Verbannung und kam mit euch zurück. Und ihr wisst doch, wie Chairephon war, wie entschlossen bei dem, was er in Angriff nahm. Und so kam er auch einmal nach Delphi und wagte es, sich Folgendes (/dieses) weissagen zu lassen – aber, so meine Rede (/was ich gerade sage/ was ich doch sage), äußert mir nicht euren lauten Unwillen, Männer – denn er fragte wirklich, ob jemand weiser sei als ich. Es verkündete nun die Pythia, niemand sei weiser. Und darüber kann euch sein Bruder, dieser hier, Zeugnis ablegen, nachdem/ da jener gestorben ist. [21b] Fragt euch doch, weswegen ich das sage. Ich will euch ja darlegen, wie es zu meiner Verleumdung (/gegen mich) kam. Als ich das nämlich gehört hatte, überlegte ich (mir) Folgendes (/also/folgendermaßen/ auf diese Weise LS): “Was denn nur meint der Gott* und was deutet er denn nur an? Ich bin mir doch (γὰρ) wirklich (δὴ) bewusst, weder im Großen noch im Kleinen (/im Hinblick auf (Acc. graec.) Bedeutendes noch auf Unbedeutendes) /überhaupt nicht weise zu sein; Was also meint er denn nur, wenn er behauptet, ich sei der Weiseste? Denn ohne Zweifel lügt er nicht: Das wäre nicht seine Art/ ihm nicht gemäß/ ihm nämlich nicht erlaubt.” Und überhaupt war ich ja lange Zeit ratlos, was er denn meint; Dann fing ich an (ingr. Aor.), unter einigem Aufwand (wörtl.: mühsam/ ohne dass ich es gern tat, μόγις), mich an mit ganzer Kraft/ völlig (πάνυ) einer entsprechenden (τοιαύτην τινὰ) Nachforschung dessen (αὐτοῦ, Attribut zu ζήτησιν, Gen. obj., freier: ihn folgendermaßen zu untersuchen) zu widmen. Ich ging zu einem von denen, die als weise gelten, um [21c] dort, wenn überhaupt irgendwo, den Orakelspruch zu widerlegen und dem Orakel nachzuweisen/ darzulegen: “Dieser hier ist weiser als ich, du aber behauptetest, dass ich (weiser) sei.” Als ich nun diesen (Mann) genau betrachtete/ durchforschte/ (über-) prüfte – beim Namen muss ich (ihn) ja gar nicht nennen, es war aber einer von den Staatsmännern, bei dem (wörtl.: zu .. hin) ich, als ich ihn beobachtete, solches/ folgendes erlebte, Männer von Athen, und besonders (καὶ), als ich mich mit ihm unterhielt - erweckte dieser Mann bei mir den Eindruck, zwar vielen anderen Menschen, am meisten aber sich selbst weise vorzukommen, aber es nicht zu sein. Und dann versuchte ich ihm zu beweisen, dass er zwar meinte, weise zu sein, es aber nicht war. [21d] Deshalb/ da wurde ich (sowohl) ihm nun verhasst und ebenso vielen (der) Anwesenden. Jedenfalls glaubte ich bei mir (wörtl.: zu mir hin) als ich wegging: Ich bin in der Tat weiser als dieser Mann. Es scheint zwar allerdings (γὰρ) niemand von uns Schönes und Gutes (/Rühmliches oder Brauchbares) zu wissen; aber dieser meint (einerseits) etwas zu wissen, obwohl er (es) nicht weiß, ich aber, ganz wie ich (es) nun nicht weiß, meine (es) auch nicht (zu wissen); Ich scheine also [wenigstens (γε)] genau um diese gewisse Kleinigkeit weiser zu sein als dieser, weil ich das, was ich nicht weiß, auch nicht zu wissen meine. Darauf ging ich zu einem anderen von jenen, die weiser zu sein schienen als jener und [21e] Mein Eindruck war hier derselbe/ hier schien es mir genauso zu sein (wörtl.: Mir schien es dasselbe [das]), und darauf wurde ich auch jenem und vielen anderen verhasst. Danach nun (οὖν ἤδη) ging ich der Reihe nach vor, auch wenn ich betrübt und besorgt (zwar) bemerkte, dass ich mich verhasst machte, aber dennoch schien es mir unvermeidlich zu sein, das Wort des Gottes am höchsten zu schätzen – also musste ich (μοι + Impf. von sein), um zu untersuchen, was das Orakel meint (wörtl.: um das Orakel, was es meint, zu untersuchen), zu all denen gehen, die etwas [22a] zu wissen schienen. Und ja, beim Kerberos (/Hund), Männer von Athen – ich muss euch gegenüber doch die Wahrheit (/das Wahre) sagen – in der Tat (wörtl.: gewiss, ἦ μὴν) erlebte ich (ein) solches: Diejenigen, die besonders angesehen waren, schienen mir beinahe in höchstem Grad unvollkommen (-e Männer) zu sein (wörtl.: beinahe unvollkommene des höchsten Grades zu sein), wenn ich im Sinne des Gottes nachforschte, andere dagegen, unbedeutendere Männer, schienen tauglicher zu sein, um sich klug zu verhalten (/besonnen zu bleiben). Ich muss euch endlich mein Umherirren, welches zum Ziel hatte (ἵνα), dass sich durch mich die Weissagung ebenfalls als unwiderleglich erwies (Opt. Obl.), schildern, (es war) wie (das Umherirren) eines, der manche Mühen auf sich nahm.* Denn nach den Staatsmännern ging ich sowohl zu den Tragödiendichtern als auch zu den [22b] Dithyrambendichtern und den übrigen Dichtern, um mich dort/ nun auf frischer Tat dabei zu ertappen, ungebildeter als jene zu sein. Als ich nun diejenigen ihrer Dichtungen/ Werke in die Hand nahm, von denen ich den Eindruck hatte, dass sie am besten ausgearbeitet waren (/wörtl.: die mir den Eindruck machten, von ihnen besonders betrieben worden zu sein), befragte ich (sie), was sie (mit ihren Dichtungen) wohl meinten, damit ich zugleich auch etwas aus ihnen lernen könnte. Ich scheue mich nun, meine Männer, die Wahrheit zu sagen; aber dennoch muss (sie) gesagt werden. Um es denn in aller Deutlichkeit zu sagen, fast alle von denen, die anwesend waren, dürften besser als sie selbst über das, (was) diese gedichtet hatten, sprechen. Jedenfalls verstand ich wieder einmal in kurzer Zeit sogar über die Dichter dieses, dass sie das, was sie erschaffen, nicht aufgrund ihrer Weisheit [22c] erschaffen, sondern aufgrund einer gewissen Begabung und Begeisterung (/dadurch, dass sie begeistert sind), ganz wie die gottbegeisterten Seher und die Weissager; Denn auch diese reden zwar Vieles und Taugliches, wissen aber nichts von dem, (was) sie sagen. So sahe es offenbar auch mit den Dichtern aus /Solches (/ein solches Ereignis) haben offenbar auch die Dichter erfahren und so (καὶ) bemerkte ich zugleich, dass sie wegen ihrer Dichtung glaubten, auch in allen übrigen Dingen sehr weise Menschen zu sein, in denen sie es nicht waren. Jedenfalls ging ich auch von dort weg, in dem Glauben, (sie) in genau dem Punkt (/in demselben) übertroffen zu haben, in dem (ich) auch über die Staatsmänner die Oberhand gewonnen hatte. Schließlich ging ich nun zu den Künstlern; Von mir selbst wusste ich ja, [22d] dass ich mich auf fast (ὡς ἔπος εἰπεῖν) nichts verstand, aber was sie betraf, wusste ich wenigstens, dass ich feststellen würde, dass sie viel Schönes wissen. Und darin täuschte ich mich nicht, nein (LS), sie wussten, was ich nicht wusste und waren insofern/ in dieser Hinsicht weiser als ich. Aber, Männer von Athen, denselben Fehler wie (sowohl) die Dichter schienen mir auch die tüchtigen Meister zu machen - ein jeder glaubte (/hielt für würdig/ wert), da er sein Handwerk gut verrichtete, auch in den übrigen besonders bedeutenden Dingen sehr weise zu sein – und dieser Fehlschluss ihrerseits schien mir jene Weisheit [22e] zu verbergen (/schwer erkennen zu lassen): Daher befragte ich mich selbst wegen (ὑπὲρ) des Orakels, ob ich es wohl vorziehen würde, so zu sein wie ich bin, einer der weder von der Weisheit jener etwas verstand (wörtl.: kenntnisreich/ weise war in der Weisheit jener) noch einer, der von der Unwissenheit jener nichts wusste (unwissend in der Unwissenheit jener) oder (frei:) in beidem so zu sein wie jene (= in beidem zu sein, was jene sind). Jedenfalls antwortete ich mir selbst und dem Orakel, dass es mir nützlicher sei, so zu sein wie ich bin. Aus dieser Befragung/ Untersuchung, Männer von Athen, sind mir nunmehr [23a] viele Feindschaften erwachsen, (sowohl) ganz besonders schlimme und gefährliche/ schwere, so dass viele Vorurteile/ Verleumdungen daraus aufgekommen/ entstanden sind, und dass ich dem Ruf nach weise sein soll (so dass in Bezug auf meinen Ruf gesagt wird/ dem Ruf nach dieses (von mir) gesagt wird, dass ich weise sei). Es glauben nämlich die jeweils Anwesenden, dass ich selber kenntnisreich/ weise darin (/in den Dingen, ταῦτα) bin, worin (/in denen ἃ) ich einen anderen widerlegt habe. Darin aber scheint, meine Männer, in der Tat der Gott (Apollon) weise zu sein und mit diesem Orakel dieses zu sagen, dass die menschliche Weisheit so gut wie gar nichts wert (/kaum etwas oder vielmehr καὶ nichts wert) ist und er scheint diesen Sokrates zu meinen, denn er scheint [23b] meinen Namen benutzt zu haben, indem er mich zu einem Beispiel gemacht hat, als ob er sagte: “D(ies)er von euch, ihr Menschen, ist der Weiseste, welcher so wie Sokrates erkannt hat, dass er hinsichtlich seiner Weisheit in Wahrheit nichts wert ist; Deshalb gehe ich nun ja auch jetzt noch herum und untersuche und erforsche im Sinne des Gottes, (immer) wenn ich von einem der Bürger oder Fremden glaube, dass er weise ist. Aber wenn er es mir nicht (zu sein) scheint, beweise ich (ihm), um dem Gott zu helfen, dass er nicht weise ist. Und wegen (LS) dieser Beschäftigung habe (ist mir gewesen) ich weder Muße gehabt, in irgendeiner Angelegenheit der Stadt noch in meinen privaten Angelegenheiten (/in irgendeiner Sache der Angelegenheiten der Stadt noch der meiner Hausgenossen) Nennenswertes zu verrichten, vielmehr lebe ich in
[23c] unendlicher Armut dadurch, dass ich dem Gott diene. Außerdem hören die jungen Männer, die sich mir freiwillig anschließen/ nachfolgen – (diejenigen), die sehr viel Zeit/ Muße haben, (nämlich) die (Söhne) der reichsten (Leute) – gern zu, wenn (§ 83.2.1) die Menschen geprüftt werden, und sie selber ahmen mich oft nach, dann beginnen sie (/versuchen /legen Hand an), andere zu prüfen. Und dabei (wörtl: daraus), vermute ich, finden sie eine große Menge (/auch: Neidlosigkeit) von Menschen (freier: sehr viele Menschen), die zwar etwas zu wissen meinen, aber so gut wie gar nichts wissen (wörtl.: wenig oder gar nichts wissen). Deshalb erzürnen sich die von ihnen Geprüften nun über mich, nicht über sie, [23d] und sagen: “Sokrates ist einer, der besonders schändlich ist und die jungen Männer verdirbt”. Und wenn/ sobald einer sie fragt, was machend und was lehrend/ durch welche Tätigkeit und welche Lehre (ich sie verderbe), können sie (zwar) nichts nennen und (aber) wissen (es) nicht, aber um nicht den Eindruck zu erwecken/ damit sie nicht den Eindruck erwecken, ratlos zu sein, nennen sie das, (was) gegen alle, die die Weisheit lieben, bereit (steht)/ zur Hand (ist) (freier: was sie zur Hand haben), : dass (er lehre) “die Erscheinungen oben am Himmel und die Erscheinungen unter der Erde (zu untersuchen)” und “nicht an die Götter zu glauben” und “das schwächere zum stärkeren Argument zu machen”. Denn die Wahrheit, denke ich, möchten sie nicht sagen, weil offensichtlich würde (wörtl.: sie sichtbar würden) dass sie sich sich zwar anmaßen, (etwas) zu wissen, aber nichts wissen. Weil sie nun, denke ich, luxusliebend/ ehrgeizig [23e] sind und entschlossen/ heftig und viele, die über (§66) mich eifrig (wörtl.: angestrengt) und überzeugend/ glaubwürdig reden, haben sie euch schon lange und heftig mit ihren Verleumdungen/ Beschimpfungen (διαβάλλοντες) in den Ohren gelegen (wörtl.: die Ohren vollgeblasen). Aufgrund dessen haben mich Meletos, Anytos und Lykon angegriffen; Meletos, der mich im Namen der Dichter anfeindet (sich ärgert/ unzufrieden ist), Anytos, der mich im Namen der Handwerker und [24a] Staatsmänner (anfeindet) und Lykon, (der mich) im Namen der Redner anfeindet; Es würde mich daher, wie/ was ich ja zu Beginn (wörtl.: als ich anfing) sagte, wundern (freier: ich bezweifle, ob ich..), wenn ich imstande wäre, (diese) eure in so kurzer Zeit so groß gewordene Vorurteil/ üble Nachrede/ Verleumdung zu auszuräumen (/wörtl.: beseitigen /nehmen). Da (wörtl.: diese hier) habt ihr die Wahrheit (wörtl.: Wahres) (/wird euch die Wahrheit zuteil), Männer von Athen, und ich betone (λέγω) , dass ich überhaupt nichts (polarer Ausdruck, zur Bekräftigung; wörtl.: weder Kleines oder Großes) verheimlicht oder zurückgehalten habe. Trotzdem weiß ich (/trotzdem verstehe/ weiß ich) ganz gut (wörtl.: in etwa, σχεδὸν), dass ich ihnen dadurch verhasst bin, (/dass ich mich ihnen dadurch verhasst mache), was auch ein Beweis/ Bestätigung (ist), dass ich die Wahrheit (wörtl.: Wahres) sage und dass gerade das die Verleumdung/ Vorurteile / schlechte Nachrede ist, (die) gegen mich (besteht) und genau das (wörtl.: dieses hier) die Ursache (Beschuldigung/ Grund) [24b] ist. Und ihr könnt dies - sei es (LS) jetzt oder in Zukunft – prüfen, ihr werdet herausfinden/ feststellen, so (ist es). Was nun das betrifft, weshalb meine ersten Ankläger mich beschuldigt haben, soll das (/diese) als Verteidigung (-srede) vor euch genügen (wörtl.: genug sein). Vor Meletos (-), dem Ehrenmann (Pape) und Vaterlandsfreund, wie es heißt (Pape; dem sogenannten), und den späteren (Anklägern) will ich als Nächstes (wörtl: danach) versuchen/ unternehmen/ mich bemühen, mich zu verteidigen. Darum lasst uns doch noch einmal aufs Neue, so wie (wir uns) diese Andersartigen (vorgenommen haben), die Ankläger sind, ihre Anklageschrift vornehmen. Sie enthält (-) ungefähr Folgendes (/wörtl.: folgendermaßen): Sokrates, besagt sie, handele gesetzwidrig, indem er die jungen Männer verderbe und nicht diejenigen Götter anerkenne, welche die Stadt [24c] anerkennt, und stattdessen (δὲ) (auf) verschiedene (/andere) sonderbare (/neuartige) göttliche Stimmen (LS) (höre). So lautet (/ist) ja (/in der Tat) bekanntlich (/nunmehr) der Vorwurf. Und von diesem Vorwurf wollen wir (diesen Vorwurf ..im Einzelnen) jedes einzelne (Detail) prüfen.Er (der Vorwurf) besagt ja nun, dass ich gesetzwidrig handele, indem ich die jungen Männer verderbe. Ich jedoch (γε nicht übersetzt), Männer von Athen, behaupte, dass Meletos gesetzwidrig handelt, weil er in einer ernsten Angelegenheit (σπουδῇ) scherzt, zumal er leichtfertig Leute vor Gericht (wörtl.: Prozess) bringt; dabei (wörtl.: wobei...) gibt er sich den Anschein, ernst über die Angelegenheiten zu reden und besorgt zu sein, von denen keine einzige ihm jemals am Herzen lag. Und dass dieses sich so verhält, will ich versuchen, auch euch zu beweisen.Und nun (καί) los (δεῦρο), Meletos, sprich: So ist es doch, nichts anderes hältst du für wichtiger (/Schätzt du etwa etwas anderes höher) [24d] als dass die Jünglinge so gut wie möglich (sein) werden? Ich schon! Auf (ἴθι δή, LS), sag ihnen nun, wer macht sie besser? Gewiss (δῆλον ὅτι) weißt du (es), ja (γὰρ), wenn du dich doch/ eben/ wenigstens (darum) kümmerst: Den, der (sie) verdirbt, hast du zwar freilich (γὰρ) ausfindig gemacht, (nämlich) mich, wie du behauptest, und führst (/Denn nachdem du zwar den, der (die jungen Männer) verdirbt, ausfindig gemacht hast, wie du behauptest, mich, führst du..) (mich) diesen (Richtern) vor und klagst (mich) an: Den aber, der sie wirklich (δὴ) besser macht, nenn (den) endlich (ἴθι, wörtl.: los) und verrate ihnen, wer es ist. – Merkst du, Meletos, dass du schweigst und nicht imstande bist zu reden? Nun aber (καίτοι) meinst du, (das) ( = dein Schweigen) sei nicht schändlich und kein (= nicht ein) hinreichender Beweis (für das, was..) was ich gerade (δὴ) sage, dass du dich nicht (darum) gekümmert hast? Aber sag, mein Guter, wer macht sie besser? Die Gesetze. [24e] Doch nicht das (ist es, wonach) ich frage, mein Bester, sondern welchen Menschen (gibt es), der sich vor allem (πρῶτον) auch gerade darauf versteht: auf die Gesetze? Die da, Sokrates, die Richter. Wie meinst du (das), Meletos? Sind die da imstande, die jungen Männer zu erziehen und besser zu machen? Ja, gewiss. (Ob) alle oder die einen von ihnen (und) die anderen nicht? Alle. Recht so, sprichst du, wahrlich, bei der Hera, und eine große Menge (/Bereitwilligkeit /Neidlosigkeit) von (Leuten) (nennst du), die nützlich sind/ helfen/ nützen. Aber inwiefern denn? Und machen die Zuhörer (sie) besser [25a] oder nicht? Auch sie. Aber inwiefern, (und) die Ratsherren? Auch die Ratsherren. Aber, Meletos, doch nicht etwa die in der Volksversammlung, deren Teilnehmer, verderben die Jünglinge? Oder machen auch jene alle zusammen (sie) besser? Auch jene. Alle, wie es scheint, Athener, machen (sie) edel und gut außer mir, nur (wörtl.: und) ich allein verderbe (sie)? So meinst du? Ganz bestimmt meine ich das. Du hältst mich für sehr unheilvoll. Und nun antworte mir: Meinst (LS) du etwa (/scheint es dir) auch, dass es sich in Bezug auf Pferde so verhält? (Scheinen dir) diese, [25b] die sie besser machen, alle Menschen zu sein, ein einziger aber, der (sie) verdirbt? Oder (ist es) ganz im Gegenteil dazu ein einziger, der imstande ist, (sie) besser zu machen oder ganz wenige, (nämlich) diejenigen, die etwas von Pferden verstehen, die Vielen/ Mehrzahl/ große Menge jedoch, die mit Pferden umgehen und (sie) reiten (wörtl: benutzen) verdirben (sie)? Verhält es sich nicht so, Meletos, bei Pferden wie bei allen anderen Geschöpfen? Ganz ohne Zweifel, mögen du und Anytos das leugnen oder nicht; Denn groß wäre das Glück für die jungen Männer, wenn (tatsächlich) einer allein sie verdirbt (Realis) und die anderen [25c] (für sie) von Nutzen sind/ nützen/ helfen. Aber, ja, Meletos, du zeigst deutlich (/hinreichend/ reichlich), dass du dich noch nie um die jungen Männer gekümmert hast und bringst sichtbar/ klar deine Gleichgültigkeit/ Nachlässigkeit/ Sorglosigkeit ans Licht, insofern als (ὅτι) du dich gar nicht um die Sache/ Fragen gekümmert hast, deretwegen du mich vor Gericht bringst. Außerdem, sag uns bei Zeus, Meletos, ist es besser (/ob es besser ist), inmitten rechtschaffener oder schlechter Bürger zu wohnen/ leben? Mein Lieber, antworte: Ich frage (dich) ja gar nichts (was) wirklich schwierig (zu beantworten ist). Bewirken (/verursachen) nicht die Schlechten etwas Schlechtes und die Guten etwas Gutes bei denen, die ihnen jeweils (wörtl.: jedesmal) besonders nahe stehen? Völlig richtig.[25d] Gibt es nun einen, der durch seine Mitmenschen lieber Schaden erleiden als Nutzen erfahren möchte? Antworte, mein Guter: Denn (auch) der Brauch/ die Regel gebietet/ schreibt vor (Nomoi 95.6e), dass man antwortet. Gibt es einen, der einen Schaden erleiden will? Gewiss nicht. Sag doch, bringst du mich hierher (vor Gericht), weil ich die jungen Männer absichtlich oder unabsichtlich verderbe oder vielmehr schlechter mache? Absichtlich, meine ich.
Was denn, Meletos? Da du (einer bist, der) so jung (b)ist, um wieviel weiser (bist) du als ich, der ich so alt bin, dass du erkannt hast, dass die Schlechten etwas Schlechtes bei denen bewirken, die ihnen besonders nahe. [25e] stehen und die Guten Gutes, und bei mir nunmehr/ offenbar (wörtl.: bin ich nunmehr/ offenbar .. gekommen) eine solche Dummheit eingetreten ist, dass ich sogar das nicht erkenne: Wenn ich einem der Mitmenschen (möglicherweise) Verachtenswertes antue, werde ich Gefahr laufen, etwas Schlechtes durch ihn zu erleiden, weshalb ich dieses außerordentlich Schlechte absichtlich verursache, wie du sagst? Das glaube ich dir nicht, Meletos, und ich denke auch nicht, dass ein anderer Mensch (es dir glaubt): vielmehr verderbe ich (sie) (entweder) nicht oder wenn ich (sie) verderbe, [26a] (dann) unabsichtlich, so dass du dich (gerade) in beiden (Fällen) täuschst. Wenn ich (sie) aber unabsichtlich verderbe, gibt es kein Gesetz (mich) wegen solcher (und noch dazu unabsichtlicher) Vergehen hierher (vor Gericht) zu bringen, sondern (es gibt ein Gesetz), mich persönlich zu belehren und zurechtzuweisen (Nomoi 8,45b-c). Denn natürlich werde ich, wenn ich es erkenne/ einsehe (Event.)/ einsichtig bin, von dem ablassen, was ich unabsichtlich mache. Du aber hast es versäumt (/vermieden) (kompl.) und überhaupt (καὶ) bist du nicht bereit gewesen, mit mir zusammenzukommen/ dich mit mir zu unterhalten und mir Erklärungen zu liefern/ mich zu belehren, stattdessen (δὲ) bringst du (mich) hierher (vor Gericht), da wo es Brauch ist, diejenigen anzuklagen, die Züchtigungen/ Strafen, aber keine Belehrungen nötig haben.
was ich gesagt habe, dass dem Meletos diese Dinge jemals weder besonders noch kaum am Herzen gelegen haben. Gleichwohl sag uns doch, wie meinst du, verderbe ich die jungen Männer (/dass ich die jungen Männer verderbe)? Oder ist nun nach der Anklageschrift, die du eingereicht hast, gewiss, dass ich (sie) lehre, nicht an die Götter zu glauben, an die die Stadt glaubt, sondern an andere neue göttliche Erscheinungen/Wesen/ Stimmen? Du meinst (doch wohl) nicht, dass ich sie verderbe, wenn ich sie das lehre?
Aber ja (σφόδρα), gewiss behaupte ich das. Nun, bei eben diesen Göttern, Meletos, von denen jetzt die Rede ist, äußere dich noch klarer sowohl in meinem (Dat. comm.) Interesse als auch in dem dieser Männer hier. [26c] Denn ich kann nicht erkennen/ wissen/, ob du meinst, dass ich (sie) glauben lehre/ erkläre, dass es gewisse Götter gäbe – und demnach (ἄρα) selbst glaubte, dass es Götter gäbe und weder gänzlich gottlos sei noch in dieser Hinsicht gesetzwidrig handelte – allerdings nicht gerade an die, an die die Stadt glaubt/ anerkennt, sondern an andere, und (ich kann nicht verstehen), dass es das ist, wessen du mich anklagst (/was du mir vorwirfst), dass (ich) an andere (Götter glaube), oder (ob du) ohne Weiteres behauptest, dass ich selbst sowohl nicht an die Götter glaube als auch andere dies lehre. Das meine ich, dass du überhaupt nicht an Götter glaubst. [26d] O unbegreiflicher Meletos, weshalb meinst du das? Glaube ich denn, dass weder Sonne noch Mond Götter sind, so wie (es) die anderen Menschen (glauben)? Doch, bei Zeus, ihr Herren Richter, denn er behauptet auch, dass die Sonne ein Stein ist und der Mond eine Erde. Glaubst du, mein lieber Meletos, den Anaxagoras anzuklagen? Und verachtest du diese so sehr und meinst, dass sie unerfahren im Schreiben und Lesen/ in der Literatur, so dass sie nicht wüssten, dass die Schriften des Anaxagoras aus Klazomenai voll von diesen Behauptungen sind? Und so lernen auch die jungen Männer dieses von mir, was sie (lernen) können (/was ihnen manchmal möglich ist, zu lernen), wenn sie manchmal durchaus für eine Drachme (§ 61.8, “um wieviel teuer”) /für höchstens eine Drachme [26e] in (wörtl. von ..her) der Orchestra (= Tanzplatz) (Schriften) kaufen, um Sokrates verspotten zu können, falls er sich den Anschein geben sollte , als ob es (diese Lehre) von ihm stamme, zumal es so absurd/ seltsam (-es Zeug) ist? Doch (γὰρ in Fragen) bei Zeus, kommt es mir vor (/täuscht mich mein Eindruck nicht, dass..), als ob du genau das meinst? Glaube ich, dass es keinen Gott gibt? Natürlich nicht, bei Zeus, nicht einmal (οὐδ᾽) im Entferntesten. Unglaubwürdig bist du, Meletos, und freilich noch dazu (καὶ ταῦτα = und noch dazu, LS), so erweckst du mir den Eindruck, dir selbst (gegenüber). Er (= Meletos) scheint mir nämlich in diesem Fall/ so sehr, Männer von Athen, ein großer und frecher Frevler/ Übermütiger zu sein und diese Klageschrift geradezu aus einem gewissen Übermut, aus Zügellosigkeit und Leichtsinn/ Jugendlichkeit eingereicht zu haben.[27a] Denn es scheint, als ob (= er gleicht einem, der) er ein Rätsel zusammensetzt und (mich) auf die Probe stellt: “Wird Sokrates der Weise wirklich bemerken, wenn ich scherze und mir selbst widerspreche (/im Widerspruch zu mir selbst spreche) oder kann ich ihn und die anderen, die zuhören, überlisten/ täuschen?” Denn dieser selbst scheint sich mir in der Anklageschrift selbst zu widersprechen (/Widersprüchliches zu sagen), gerade als ob (= wie wenn) er sagte: “Sokrates handelt gesetzeswidrig, weil er nicht an Götter glaubt, sondern weil er an Götter glaubt.” Doch das ist Art eines, der scherzt. Lasst uns (doch) gemeinsam betrachten/ untersuchen, ihr Männer, weshalb er mir das zu behaupten scheint: (Und) Du, Meletos, sollst uns antworten! Und ihr sollt daran denken, mir nicht, wie ich euch anfangs gebeten habe, euren lauten Unwillen zu äußern, wenn ich in der gewohnten Art spreche. Gibt es einen solchen Menschen, Meletos, der zwar glaubt, dass es menschliche Handlungsweisen/ Prozesse Dinge, die mit Menschen zu tun haben gibt, aber leugnet, dass es Menschen (gibt)? Er soll antworten, meine Männer, und nicht über dieses und jenes seinen lauten Unwillen äußern! Gibt es einen solchen, der zwar nicht an Pferde glaubt, aber an den Nutzen, die die Pferde haben (/wörtl.: Prozesse, die Pferde betreffen)? Oder (einen solchen) der zwar nicht glaubt, dass es Flötenspieler gibt, aber an Wirkungen, die vom Flötenspiel ausgehen (/Prozesse, die das Flötenspiel betreffen)? Keinen gibt es, bester Mann; Wenn nicht du das Wort ergreifen willst, ich sage (es) dir und diesen anderen (hier). Aber beantworte wenigstens das (/das, was dies betrifft): Gibt es einen, der zwar glaubt, dass es daimonische/ göttliche Mächte/ Prozesse "göttliche Angelegenheiten" (=Orakel) gibt, aber leugnet, dass es Daimonen/ göttliche Wesen Götter gibt? (So einen) gibt es nicht. Wie du uns geholfen/ erfreut hast: Kaum (etwas) hast du geantwortet, obwohl du von diesen gedrängt worden bist! Nicht wahr, du behauptest, dass ich an daimonische Mächte/ Prozesse glaube und (sie) lehre, mögen sie nun neu oder alt sein, gewiss glaube ich (nun) deiner Meinung nach jedenfalls an daimonische Mächte, und das hast du in deiner Anklageschrift/ Gegenklage sogar eidesstattlich versichert/ geschworen. Wenn ich aber (tatsächlich) an daimonische Mächte glaube, bedeutet es auch, dass ich ja wohl an Daimonen glauben muss; ist es nicht so? Natürlich! Denn ich nehme an, dass du mir zustimmst, da du nicht antwortest. Halten wir die Daimonen nicht für Götter oder Götterkinder? Stimmst du mir zu oder nicht?
(Figura etymologica; gemeint ist die Verbannung durch die Dreißig im Jahre 403) [28bf] Vielleicht könnte nun einer sagen: “Und trotzdem schämst du dich nicht, Sokrates, dass du einer solchen Beschäftigung nachgehst, infolge der es leicht möglich ist (LS), jetzt zu sterben/ dass du jetzt stirbst.” Ich würde ihm dann berechtigterweise widersprechen: “Du hast nicht recht, Mensch, wenn du meinst, dass ein Mann, von dem auch nur ein kleiner Nutzen herrührt, eine Gefahr (der Wahrscheinlichkeit) zu leben oder tot zu sein einkalkulieren (/mitberechnen /berücksichtigen) muss, sondern (wenn du) nicht (meinst) (freier: anstatt zu meinen), dass er, (jedesmal) wenn (/sooft /im Fall, dass) er (etwas) tut, nur (jenes) prüfen muss, ob er Rechtmäßiges oder Widerrechtliches tut und ob er die Werke eines guten oder schlechten Mannes verrichtet.
[28c] Wertlos/ nichtsnutzig müssten (/sind wohl, Pot. d. Geg.) ja nach deiner Definition alle (der) Halbgötter sein, welche in Troja gestorben sind, besonders (wörtlich: die anderen genau wie/ sowohl, als auch) der Sohn der Thetis, der ganz und gar /insofern nicht auf die Gefahr achtete (wörtl.: verachten) (wörtlich: im Vergleich mit dem hinsichtlich des Schändlichen etwas auf-sich-nehmen), jedoch verachtete (darauf achtete, nichts) etwas Schändliches auf sich zu nehmen, so zum Beispiel, nachdem/ weil seine Mutter, da sie (ja) eine Göttin war, ihm, weil er entschlossen war, Hektor zu töten, etwa folgendes, glaube ich (/wie ich glaube), gesagt hatte: “Mein Kind, wenn du den Mord an deinem Gefährten Patroklos (= deinen Gefährten P. in Bezug auf den Mord) rächst und Hektor tötest, wirst du selbst getötet werden – denn dir ist gleich nach Hektor”, erklärte sie, das* Schicksal beschieden (wörtlich: bereit, bestimmt)", - obwohl/ nachdem er das gehört hatte, schätzte er den Tod und die Gefahr gering (/sorglos sein wegen..), und, da weit mehr [28d] fürchtete, als Elender /Untauglicher fortzuleben (LS) und besonders (καὶ) seine Freunde nicht zu rächen, antwortete er: “Augenblicklich möchte ich tot sein, sobald ich dem Missetäter (/unrecht Handelnden) eine Strafe (/Recht) auferlegt habe/ bestraft habe, um nicht hier als lächerliche Gestalt bei/ neben den geschweiften/ gekrümmten Schiffe als eine Last der Erde (/Ackerland) zurückzubleiben”.* Du meinst doch nicht etwa, er habe über Tod und Gefahr nachgedacht (/Sorgen gemacht wegen..)? So verhält es sich nämlich in Wahrheit, Männer von Athen: Da wo sich einer (möglicherweise, Event.) selbst hingestellt/ verpflichtet hat (Med., LS), weil er meinte, es sei das Beste oder (da wo) er von einem Befehlshaber hingestellt worden ist, dort sollte er, wie ich meine/ glaube, aushalten und (wörtlich: aushaltend) sich einer Gefahr aussetzen (/in Gefahr begeben), nichts mehr (πρὸ) berücksichtigend als die Schande, weder Tod noch etwas anderes (= nichts anderes) (freier: indem er ohne Rücksicht auf Tod und alles andere sich vor Schande bewahrt).[28e] wenn ich - (damals) als mich die Befehlshaber aufstellten, die ihr (aus-) erwählt hattet*, um mir Befehle zu erteilen (wörtlich: beherrschen) bei Potidaia, bei Amphipolis und beim (Tempel) Delion, - (wenn ich) damals zwar (μὲν)(dort) (tatsächlich)(Realis) standhielt, wo jene (mich) aufzustellen pflegten (iterativ) und ganz wie jeder andere auch (/irgendein anderer auch) mich der Gefahr aussetzte zu sterben, aber (nun), da der Gott anordnete, dass ich, wie ich glaubte und vermutete/ verstand, als Philosoph (/philosophierend) leben muss und als mein eigener Prüfer und Prüfer der anderen (/mich selbst und die anderen prüfend), (wenn ich) aber (δὲ) nun (ἐνταῦθα), weil ich entweder den Tod fürchtete [29a] oder ???? anderes, der Anweisung nicht folgen sollte (wörtlich: die Anordnung unterlassen sollte), (erg.: dann würde ich wohl Schlimmes tun)!
Roxane
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