Apol. 18a,b

Für alle Fragen rund um Griechisch in der Schule und im Alltag

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Apol. 18a,b

Beitragvon Roxane » Di 9. Dez 2014, 13:54

(18a) ἔλεγον ἐν οἷσπερ (welcher auch) ἐτεθράμμην, καὶ δὴ καὶ νῦν τοῦτο ὑμῶν δέομαι (+ Gen./ Akk.) δίκαιον, ὥς γέ μοι δοκῶ, τὸν μὲν τρόπον τῆς λέξεως ἐᾶν--ἴσως μὲν γὰρ χείρων, ἴσως δὲ βελτίων ἂν εἴη --αὐτὸ (gerade) δὲ τοῦτο σκοπεῖν καὶ τούτῳ τὸν νοῦν προσέχειν, εἰ δίκαια λέγω ἢ μή· δικαστοῦ μὲν γὰρ αὕτη ἀρετή, ῥήτορος δὲ τἀληθῆ λέγειν. πρῶτον μὲν οὖν δίκαιός εἰμι ἀπολογήσασθαι (ἀπολογέομαι), ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, πρὸς τὰ πρῶτά μου ψευδῆ (Adj. n. Pl. Akk.) κατηγορημένα καὶ τοὺς πρώτους κατηγόρους, ἔπειτα δὲ πρὸς τὰ ὕστερον καὶ τοὺς

redete, mit welcher ich auch aufwuchs* und so bitte ich euch auch jetzt um dieses – so glaube ich – Rechtmäßige, meine Art der Redeweise zu gestatten – vielleicht ist (eigentl. Pot.) sie schlechter, vielleicht aber auch besser – und gerade dieses zu prüfen und darauf zu achten**, ob ich Richtiges sage oder nicht. Ein Richter hat diese Pflicht*** nämlich, und ein Redner (hat die Pflicht), die Wahrheit (/das Wahre) zu sagen. Vor allem nun, Männer von Athen, bin ich berechtigt, mich gegen die ersten falschen Beschuldigungen**** mir gegenüber zu verteidigen (wörtl.: das Erste zu verteidigen, was gegen mich fälschlicherweise [eigentl.: als Falsches] als Vorwurf erhoben worden ist) und gegen die ersten Ankläger, dann aber gegen das Letztere und die

*(gr. Pl.qu.perf. vgl. K. § 385, 3)
**(τὸν νοῦν προσέχειν LS)
***Pape: δικαστοῦ .. ἀρετή Apol. 18 a. d. i. die Pflicht
****κατηγορέω τινός τι : "gegen jemanden (τινός) eine Anklage, einen Vorwurf (τι) erheben"

(18b) ὑστέρους. ἐμοῦ γὰρ πολλοὶ κατήγοροι γεγόνασι πρὸς ὑμᾶς καὶ πάλαι πολλὰ ἤδη ἔτη καὶ οὐδὲν ἀληθὲς λέγοντες, οὓς ἐγὼ μᾶλλον φοβοῦμαι ἢ τοὺς ἀμφὶ Ἄνυτον, καίπερ ὄντας καὶ τούτους δεινούς· ἀλλ᾽ ἐκεῖνοι δεινότεροι, ὦ ἄνδρες, οἳ ὑμῶν τοὺς πολλοὺς ἐκ παίδων παραλαμβάνοντες ἔπειθόν τε καὶ κατηγόρουν (+G/A) ἐμοῦ μᾶλλον οὐδὲν ἀληθές, ὡς ἔστιν τις Σωκράτης σοφὸς ἀνήρ, τά τε μετέωρα φροντιστὴς καὶ τὰ ὑπὸ γῆς πάντα ἀνεζητηκὼς καὶ τὸν ἥττω λόγον κρείττω

letzteren (Ankläger). Denn viele meiner Ankläger sind zu euch gekommen, auch früher schon viele Jahre sogar (καὶ*), ohne dass sie etwas Wahres sagten, vor denen fürchte ich mich mehr als vor den Leuten um Amytus herum, obwohl auch die furchtbar sind. Aber jene (sind) furchtbarer, Männer, welche, weil sie die meisten von euch von Kindheit an erobert haben, (euch) beschwatzten***, und (τε καὶ) nun mich beschuldigten, ebensowenig** aufrichtig (zu sein wie sie es sind):**** “Es gibt einen (gewissen) Sokrates, einen weisen Mann, einen Grübler, der die Erscheinungen (τά) oben am Himmel und alle Erscheinungen (τά) unter der Erde erforscht hat und der das schwächere Argument zum stärkeren macht."

*evtl. auch ἤδη .. καὶ: als, da (Langenscheidt)
**μᾶλλον οὐδὲν
***Pape: auch bereden, beschwatzen, durch List, milderer Ausdruck für betrügen, täuschen
****Das ὡς (ὡς/ὅτι citativum) bleibt unübersetzt, es entspricht einem Doppelpunkt und leitet eine wörtliche Rede ein.
Roxane
Censor
 
Beiträge: 690
Registriert: Fr 4. Jan 2013, 14:27

Re: Apol. 18a,b

Beitragvon Glis » Do 11. Dez 2014, 00:14

Hallo Roxane, hallo Prudentius,

ich komme allmählich wieder zwischen den Umzugskartons hervorgekrabbelt.
18 a-e habe ich jetzt auch endlich durch!
Wurde gestern beim Posten dieser Ausführungen leider überraschend unterbrochen, als das Kind gegen halb ein Uhr nachts plötzlich an der Schwelle zum Arbeitszimmer auftauchte und seine zwei Stündchen Nachtspiel einforderte.
Dafür jetzt aber los!
(Das Übersetzen dieses Textes macht mir bis jetzt übrigens recht viel Vergnügen.)

Ein paar kleine Anmerkungen/Fragen:

δικαστοῦ μὲν γὰρ αὕτη ἀρετή
Das αὕτη hast du als Demonstrativum zu ἀρετή verstanden, aber gibt die Stellung das her? Müsste es dann nicht αὕτη ἡ ἀρετή heißen? Eine andere überzeugende Lesart habe ich allerdings nicht gerade zu bieten. Denn worauf könnte αὕτη sonst zeigen? Auf λέξεως?

πρὸς τὰ πρῶτά μου ψευδῆ κατηγορημένα
Am einfachsten scheint es mir, ψευδῆ als Adjektivattribut zu κατηγορημένα zu verstehen, also "als falsche Anklagepunkte".

ἐμοῦ γὰρ πολλοὶ κατήγοροι γεγόνασι πρὸς ὑμᾶς
Würde Sokrates hier lieber als Subjekt sehen. Wörtl.: "Denn mir sind zu euch hin viele Ankläger entstanden": Denn bei euch habe ich viele Ankläger gehabt ...

καὶ πάλαι πολλὰ ἤδη ἔτη
auch schon viele Jahre zuvor

οἳ ὑμῶν τοὺς πολλοὺς ἐκ παίδων παραλαμβάνοντες
Sollte man das nicht anders wiedergeben als kausal mit "weil", zum Beispiel mit "indem"?

"Das ὡς (ὡς/ὅτι citativum) bleibt unübersetzt, es entspricht einem Doppelpunkt und leitet eine wörtliche Rede ein."
Sehr interessante Anmerkung!

Rest dann baldigst.
Herzliche Grüße an euch alle!

Gl.
Benutzeravatar
Glis
Consul
 
Beiträge: 298
Registriert: Sa 22. Dez 2012, 00:22
Wohnort: Nida

Re: Apol. 18a,b

Beitragvon Ekpyrosis » Do 11. Dez 2014, 00:29

Roxane hat geschrieben: δικαστοῦ μὲν γὰρ αὕτη ἀρετή, ῥήτορος δὲ τἀληθῆ λέγειν.
Ein Richter hat diese Pflicht*** nämlich, und ein Redner (hat die Pflicht), die Wahrheit (/das Wahre) zu sagen.

Du hast hier αὕτη als Attribut zu ἀρετή gedeutet. Allerdings stehen Demonstrativa, wenn sie als Attribut verwandt werden, immer mit Artikel; d.h. es müsste αὕτη ἡ ἀρετή heißen, wenn das so gemeint wäre.
Was dann stattdessen Attribute zu ἀρετή sein muss, sind δικαστοῦ und ῥήτορος. Also ich würde übersetzen:
Denn dies ist die Pflicht eines Richters, die eines Redners aber [ist es], die Wahrheit zu sagen.
Lass dich nicht davon irritierten, dass hier im Deutschen beim Demonstrativpronomen Neutrum, im Griechischen hingegen Femininum steht. Das liegt einfach daran, dass das Griechische (wie das Lateinische übrigens auch) bei Kopulativsätzen strenger auf Kongruenz achtet.

Roxane hat geschrieben: μοῦ γὰρ πολλοὶ κατήγοροι γεγόνασι πρὸς ὑμᾶς καὶ πάλαι πολλὰ ἤδη ἔτη καὶ οὐδὲν ἀληθὲς λέγοντες, οὓς ἐγὼ μᾶλλον φοβοῦμαι ἢ τοὺς ἀμφὶ Ἄνυτον, καίπερ ὄντας καὶ τούτους δεινούς·

Denn viele meiner Ankläger sind zu euch gekommen, auch früher schon viele Jahre sogar (καὶ*), ohne dass sie etwas Wahres sagten, vor denen fürchte ich mich mehr als vor den Leuten um Amytus herum, obwohl auch die furchtbar sind.


Es steht dir natürlich frei, die Interpunktion anzuzweifeln, den οὓς-Satz als relativen Anschluss zu deuten und im Deutschen als Hauptsatz wiederzugeben, aber es gibt auch keinen besondern Grund dafür, und wenn du die Wortstellung leicht anpasst, hast du auch im Deutschen einen Relativsatz:
... vor denen ich mich mehr fürchte ...
Dann noch zwei Sachen, die eher stilistischer Natur sind, einmal würde ich das herum ersatzlos streichen, ἀμφὶ ist mit um schon ausreichend wiedergegeben. Dann würde ich δεινός hier eher mit gefährlich übersetzen. (auch im folgenden Satz)

Roxane hat geschrieben:οἳ ὑμῶν τοὺς πολλοὺς ἐκ παίδων παραλαμβάνοντες ἔπειθόν τε καὶ κατηγόρουν (+G/A) ἐμοῦ μᾶλλον οὐδὲν ἀληθές
welche, weil sie die meisten von euch von Kindheit an erobert haben, (euch) beschwatzten***, und (τε καὶ) nun mich beschuldigten, ebensowenig** aufrichtig (zu sein wie sie es sind)


erobern klingt ein bischen seltsam, für sich einnehmen heißt quasi dasselbe, ist aber nicht so militärisch konnotiert. der LSJ gibt für diese Stelle get control of als Bedeutung für παραλαμβάνω an. πείθω heißt in der Grundbedeutung einfach überzeugen, was hier für mein Empfinden auch besser passt als exotischere Bedeutungen wie beschwatzen.
Wenn ein εἶναι ausgefallen wäre und sich ἀληθές auf Sokrates bezöge, stünde es im Maskulinum, ἀληθές ist aber Neutrum ist also ein normales Objekt zu κατηγόρουν 100% Wörtlich bekomme ich hier nichts sinnvolles hin, ich wäre bei οὐδὲν ἀληθές etwas freier:
welche euch überzeugten, wodurch sie Einfluss über euch erlangten, und mich einer unwahren Sache bezichtigten

Ach, ich sehe gerade, dass Glis gepostet hat, während ich schrieb, ich schicke das jetzt trotzdem mal ab, Entschuldigung, falls dadurch etwas doppelt ist.
Ekpyrosis
Civis
 
Beiträge: 12
Registriert: Di 25. Nov 2014, 18:32

Re: Apol. 18a,b

Beitragvon Roxane » Do 11. Dez 2014, 11:26

Seid ganz herzlich gegrüßt zusammen!

Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie überwältigt ich bin! Mit so viel Resonanz hätte ich im Traum nicht gerechnet. Doch bei allem Jubel: Ich bin auch besorgt um euch, denn ihr investiert eine Menge Zeit, die euch vom Schlaf abgeht. So gut gemeint es von euch (Prudentius sei auch angesprochen) ist, fasst euch gerne kürzer, ein kleiner Hinweis etwa auf αὕτη ἀρετή oder ἀληθές hätte mir absolut genügt, man kennt ja die Grammatik, nur beachtet man sie nicht immer.
Was die Interpunktion betrifft, so hatte ich keine Zweifel; der Satz war nur so lang, ich wollte einfach mal Luft holen. Und: Nein, man “erobert” natürlich keine Jugendlichen. Frauen schon eher. Fraueneroberer, wer hat das Wort eigentlich zusammengebastelt? Vielleicht eine(r) um Casanova (herum)?

Den Rest inspiziere ich später und stelle die Korrektur dann ein.

Bis dahin!
Roxane
Roxane
Censor
 
Beiträge: 690
Registriert: Fr 4. Jan 2013, 14:27

Re: Apol. 18a,b

Beitragvon Roxane » Do 11. Dez 2014, 13:30

(18a)
redete, mit welcher ich auch aufwuchs und so bitte ich euch auch jetzt um dieses – so glaube ich – Rechtmäßige, meine Art der Redeweise zu gestatten – vielleicht ist sie schlechter, vielleicht aber auch besser – und gerade dieses zu prüfen und darauf zu achten, ob ich Richtiges sage oder nicht. Denn dies ist die Pflicht eines Richters, eines Redners aber, die Wahrheit zu sagen. Vor allem nun, Männer von Athen, bin ich berechtigt, mich gegen die ersten falschen Beschuldigungen mir gegenüber und gegen die ersten Ankläger, dann aber gegen das Letztere und die

(18b)
letzteren (Ankläger). Denn viele sind meine Ankläger bei euch geworden*, auch früher schon viele Jahre sogar**, ohne dass sie etwas Wahres sagten, vor denen ich mich mehr fürchte als vor den Leuten um Amytus, obwohl auch die gefährlich sind. Aber jene (sind) gefährlicher, Männer, welche die meisten von euch überzeugten, wobei sie (euch) von Kindheit an für sich einnahmen und nun mich immer mehr der Unwahrheit (= des nicht Wahren) bezichtigten***: “Es gibt einen (gewissen) Sokrates, einen weisen Mann, einen Grübler, der die Erscheinungen oben am Himmel und alle Erscheinungen unter der Erde erforscht hat und der das schwächere Argument zum stärkeren macht".

*@Glis: Vielleicht ist hier aber auch "vor Gericht auftreten" gemeint. Vgl. Pape: "gehen, kommen, ... bei Präpositionen, die eine Bewegung anzeigen ... od. hingekommen sein, sich befinden;"
dagegen: "c. dat., zu Theil werden" (ἐμοῦ ist jedoch Gen.)

**@Glis: Trifft hier nicht § 59.1 (Akk. der zeitl. und örtl. Ausdehnung) zu? Wie kommst du auf "zuvor"?

***@Ekpyrosis: An deinem so schön frei übersetzten Satz habe ich mich erneut versucht. Könnte das jetzt stimmen (κατηγορέω +G/A "ich beschuldige"; ἐμοῦ/οὐδὲν ἀληθές) ?

Noch eine andere Überlegung: κατηγορέω kann ja auch bedeuten "ich sage aus" , also
"und die noch mehr die Unwahrheit aussagten (/Lügen verbreiteten)",
soll heißen: Schon früher sagten Ankläger nie etwas Wahres über ihn aus (siehe Satz zuvor), aber mit den jetzigen Anklägern ist es noch schlimmer. Aber was mache ich dann mit ἐμοῦ?
Roxane
Censor
 
Beiträge: 690
Registriert: Fr 4. Jan 2013, 14:27

Re: Apol. 18a,b

Beitragvon Glis » Fr 12. Dez 2014, 01:39

Roxane hat geschrieben:(18a)

**@Glis: Trifft hier nicht § 59.1 (Akk. der zeitl. und örtl. Ausdehnung) zu? Wie kommst du auf "zuvor"?



Genau, zeitliche Ausdehnung. Wörtlich wohl also: "auch damals schon über viele Jahre hinweg", was ich (vielleicht nicht vollständig treffend, aber weniger umständlich) zu "viele Jahre zuvor" zusammenzufassen suchte.
Ahoi!
Benutzeravatar
Glis
Consul
 
Beiträge: 298
Registriert: Sa 22. Dez 2012, 00:22
Wohnort: Nida

Re: Apol. 18a,b

Beitragvon Prudentius » Sa 13. Dez 2014, 18:17

Hallo liebe Platonfans,

Ich glaube es ist nützlich, einmal auf die Zitierweise des Platontextes hinzuweisen, ihr findet alles bei Wikip. unter "Stephanus-Paginierung", die Nummern sind keine Sinnabschnitte, es sind reine Seiten- und Zeilenzähler, die Seite ist in 5 Teile aufgeteilt, a-e, danach werden die Zeilen numeriert, also z.B: "18a4"; beim Übersetzen geht ihr also am besten nach Absätzen vor.

"δικαστοῦ μὲν γὰρ αὕτη ἀρετή": die Kongruenz von Pronomen und Substantiv bezeichnet hier nicht die Attribut-Relation, sondern Subjekt und Prädikatsnomen: "Das ist die Aufgabe des Richters", das Neutrum ist im D. fest verankert: "Wer ist das?", und bei der Vorstellung: "Das ist ...", ihr habt es ja schon richtig festgestellt.

Es ist eine besondere Satzform, ein "identifizierendes Urteil", wie man sagen kann, eigentlich eine "Gleichung", mit "=" geschrieben, solche Sätze sind umkehrbar, aber um nicht weiter abzuschweifen, mache ich jetzt Schluss,

lgr. P. :)
Prudentius
Senator
 
Beiträge: 3577
Registriert: Di 24. Mai 2011, 17:01

Re: Apol. 18a,b

Beitragvon Roxane » Mo 15. Dez 2014, 13:31

Hallo Prudentius :) !

Schreib nur weiter, wir profitieren doch alle davon!
Gut, dass du auf diesen Stephanus hinweist, ich hatte mich nämlich schon gewundert, wieso die Kapitel mitten im Satz enden.

Nach wochenendlicher Grübelei nun für alle Mitleser die beiden für mich bisher noch nicht ganz klaren Sätze, so müsste es richtig sein:

ἐμοῦ γὰρ πολλοὶ κατήγοροι γεγόνασι* πρὸς ὑμᾶς καὶ πάλαι πολλὰ ἤδη ἔτη καὶ οὐδὲν ἀληθὲς λέγοντες

Gegen mich sind nämlich zahlreiche Ankläger vor euch aufgetreten**, auch früher viele Jahre schon, die auch nichts Wahres gesagt haben

*+ Gen: jdm. zufallen, jdm. (an-) gehören, zu etwas gehören (Langensch.)
**wörtl.: mir sind .. vor euch zugefallen

ἀλλ᾽ ἐκεῖνοι δεινότεροι, ὦ ἄνδρες, οἳ ὑμῶν τοὺς πολλοὺς ἐκ παίδων παραλαμβάνοντες ἔπειθόν τε καὶ κατηγόρουν ἐμοῦ μᾶλλον οὐδὲν ἀληθές

Aber jene (sind) gefährlicher, Männer, welche die meisten von euch überzeugten, wodurch sie (euch) von Kindheit an für sich einnahmen, und nun gegen mich den Vorwurf erhoben, genauso wenig Wahres* (vorzubringen**).

*wörtl.: nichts Wahres mehr
**wie die Ankläger, die von euch von Kindheit an beeinflusst worden sind

Schöne Woche!
Roxane
Roxane
Censor
 
Beiträge: 690
Registriert: Fr 4. Jan 2013, 14:27

Re: Apol. 18a,b

Beitragvon Prudentius » Di 16. Dez 2014, 17:49

...ὡς ἔστιν τις Σωκράτης σοφὸς ἀνήρ...


Also übersetzen, na ja, das kriegt man schon irgendwie hin, aber jetzt müsst ihr auch noch zwischen den Zeilen lesen lernen :-D , denn hier fällt ein Stichwort, das weit über den engeren Zusammenhang hinausweist, er spielt auf die "Sophisten" an, das war eine geistige Bewegung, die die ganze klassische gr. Kultur tief beeinflusste, bis hin zur Tragödiendichtung, Platons Philosophie, auch Thukydides im Melierdialog, denn die machtpolitischen Grundsätze, auf die die Athener sich berufen, stammen auch von daher; wenn man die ganze Richtung auf einen Nenner bringen soll, kann man sagen, es meldete sich zum ersten Mal das Streben des Menschen nach Autonomie zu Wort, nach Eigenverantwortung, der Versuch, auszuloten, wieweit dem Menschen Möglichkeiten zur Daseinsgestaltung zur Verfügung stehen gegenüber den Unausweichlichkeiten des Schicksals.
Die Stellung des Sokrates zu dieser ganzen Bewegung ist nicht ganz einfach zu beschreiben, er wehrt sich hier ja, zu diesen Leuten dazugerechnet zu werden, aber sein Bestreben nach "Rechenschaft ablegen", logon didonai, und "prüfen", elenchos, geht doch in diese Richtung; kompliziert ist auch, dass Platon hier anders denkt als Sokrates. Aber das ist eine lange Geschichte.
Prudentius
Senator
 
Beiträge: 3577
Registriert: Di 24. Mai 2011, 17:01

Re: Apol. 18a,b

Beitragvon Roxane » Mi 17. Dez 2014, 16:20

"Also übersetzen, na ja, das kriegt man schon irgendwie hin....", das sagst du so in deinem judendlichen Leichtsinn, "aber jetzt müsst ihr auch noch zwischen den Zeilen lesen lernen..", wir sind schon froh, wenn wir einigermaßen mit den eigentlichen Zeilen klar kommen und für das Lesen zwischen den Zeilen haben wir ja unseren persönlichen Sophisten :-D .
Der letzte Satz, an dem ich mich versucht habe, war dieser, bei dem man nicht groß zwischen den Zeilen lesen muss, da steht:

καὶ ὑπὸ ταύτης τῆς ἀσχολίας οὔτε τι τῶν τῆς πόλεως πρᾶξαί μοι σχολὴ γέγονεν ἄξιον λόγου οὔτε τῶν οἰκείων, ἀλλ᾽ ἐν πενίᾳ μυρίᾳ εἰμὶ διὰ τὴν τοῦ θεοῦ λατρείαν.
Und bei dieser Beschäftigung habe ich weder Muße gehabt, in irgendeiner Angelegenheit der Stadt noch in meinen privaten Angelegenheiten Nennenswertes zu verrichten, vielmehr lebe ich in unendlicher Armut dadurch, dass ich dem Gott diene.

Wenn ich das lese, frage ich mich: Wie ist die Familie Sokrates eigentlich über die Runden gekommen? Man sagt Xanthippe ja nach, ein zänkisches Weib gewesen zu sein, hat sich Sokrates denn gar nicht darum gekümmert, dass seine Familie versorgt war?
Roxane
Censor
 
Beiträge: 690
Registriert: Fr 4. Jan 2013, 14:27

Re: Apol. 18a,b

Beitragvon Glis » Do 18. Dez 2014, 01:49

Dein Hinweis auf das σοφὸς, welches du als Anspielung auf die Sophisten erklärt hast, Prudentius, ist sehr nützlich, denn er lässt mich eine Stelle im nächsten Abschnitt besser verstehen, an der ich ein wenig festhing. Ich habe Absatz 3 (und den ausstehenden Rest von 2) nun fertig, werde es nach etwas Herumgefeile dann baldigst hier einstellen.
Viele Grüße an euch!
Benutzeravatar
Glis
Consul
 
Beiträge: 298
Registriert: Sa 22. Dez 2012, 00:22
Wohnort: Nida


Zurück zu Griechischforum



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 18 Gäste