Hallo ihr alle,
hier mein Übersetzungsversuch. Der Abschnitt hat wieder so einige kitzlige Stellen. Vielleicht kannst du, Roxane, mit deiner Findigkeit für Klarheit sorgen (sehr schön, wie du neulich den seltenen Potentialis der Vergangenheit erklären konntest!). Prudentius und andere helfen bestimmt gerne, wenn wir beide nicht weiterwissen.
2.
(...)
Nun gut; es ist also nötig, sich zu verteidigen, Männer Athens, und sich daranzumachen, euch von der Verleumdung zu befreien, die während so langer Zeit auf euch lastete, und das in so kurzer Zeit. Ich könnte nun wünschen, dass dies sich so entwickelt, wenn es auf irgendeine Weise besser für euch und für mich wäre und es mich etwas mehr befähigen würde, mich zu verteidigen; ich glaube aber, dass dies beschwerlich ist, und ich weiß sehr wohl, weshalb. Gleichwohl soll dies einerseits vor sich gehen, wie es dem Gott lieb ist, andererseits muss man dem Gesetz gehorchen und sich vor ihm verteidigen.
3.
Führen wir uns nun von Anfang an vor Augen, welches die Anklage ist, aus welcher die Verleumdung gegen mich entstanden ist, der Meletos nun also geglaubt und so diese Klageschrift gegen mich eingebracht hat. Weiter: Was haben also die Verleumder gesagt, die ihre Schmähungen vorgebracht haben? Es ist notwendig, ihre Klageschrift wie jemand vorzulesen, der die Anklage vorbringt: "Sokrates tut Unrecht und auch Überflüssiges, indem er die Erscheinungen unter der Erde sowie die himmlischen untersucht, die schwächere Rede besser macht und anderen ebendiese Dinge beibringt." Was ist das für eine Anklage: und zwar könnt ihr und auch sie in der Komödie des Aristophanes sehen, dass ein gewisser Sokrates sich dort herumtreibt, sagt, dass er in den Wolken wandele, und auch vieles andere überflüssige Zeug schwätzt, von dem er (wörtl.: ich) rein gar nichts, also weder viel noch wenig versteht. Und nicht in beleidigender Absicht erwähne ich die entsprechende Lehre, falls irgendeiner der Betreffenden ein Sophist ist – nicht etwa ich werde von Meletos in so vielen Prozessen angeklagt (Ironie?) –, sondern ich habe mit ihnen, Männer Athens, überhaupt nichts zu tun. Als eure Zeugen wiederum rufe ich das Volk auf, und ich bitte euch darum, dass alle von euch, die mich jemals öffentlich reden gehört haben – viele von euch haben das nämlich –, einander darüber aufklären und miteinander sprechen; sprecht also miteinander darüber, wenn irgendeiner von euch mir jemals für kurze oder lange Zeit dabei zugehört hat, wie ich über solche Dinge öffentlich rede, und infolge dessen sollt ihr euch klar machen, dass es solche und andere mich betreffende Dinge sind, über die das Volk redet.