Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

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Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Glis » Fr 9. Jan 2015, 01:53

Hallo ihr,

ein paar Stellen fand ich wieder schwierig und übetrage da und dort mehr vermutend. Drei besonders harte Nüsse habe ich hintangestellt.

Griechischer Text:
ὑπολάβοι ἂν οὖν τις ὑμῶν ἴσως: ‘ἀλλ᾽, ὦ Σώκρατες, τὸ σὸν τί ἐστι πρᾶγμα; πόθεν αἱ διαβολαί σοι αὗται γεγόνασιν; οὐ γὰρ δήπου σοῦ γε οὐδὲν τῶν ἄλλων περιττότερον πραγματευομένου ἔπειτα τοσαύτη φήμη τε καὶ λόγος γέγονεν, εἰ μή τι ἔπραττες ἀλλοῖον ἢ οἱ πολλοί. λέγε οὖν ἡμῖν τί ἐστιν, ἵνα μὴ ἡμεῖς περὶ σοῦ αὐτοσχεδιάζωμεν.’
ταυτί μοι δοκεῖ δίκαια λέγειν ὁ λέγων, κἀγὼ ὑμῖν πειράσομαι ἀποδεῖξαι τί ποτ᾽ ἐστὶν τοῦτο ὃ ἐμοὶ πεποίηκεν τό τε ὄνομα καὶ τὴν διαβολήν. ἀκούετε δή. καὶ ἴσως μὲν δόξω τισὶν ὑμῶν παίζειν: εὖ μέντοι ἴστε, πᾶσαν ὑμῖν τὴν ἀλήθειαν ἐρῶ. ἐγὼ γάρ, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, δι᾽ οὐδὲν ἀλλ᾽ ἢ διὰ σοφίαν τινὰ τοῦτο τὸ ὄνομα ἔσχηκα. ποίαν δὴ σοφίαν ταύτην; ἥπερ ἐστὶν ἴσως ἀνθρωπίνη σοφία: τῷ ὄντι γὰρ κινδυνεύω ταύτην εἶναι σοφός. οὗτοι δὲ τάχ᾽ ἄν, οὓς ἄρτι ἔλεγον, μείζω τινὰ ἢ κατ᾽ ἄνθρωπον σοφίαν σοφοὶ εἶεν, ἢ οὐκ ἔχω τί λέγω: οὐ γὰρ δὴ ἔγωγε αὐτὴν ἐπίσταμαι, ἀλλ᾽ ὅστις φησὶ ψεύδεταί τε καὶ ἐπὶ διαβολῇ τῇ ἐμῇ λέγει. καί μοι, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, μὴ θορυβήσητε, μηδ᾽ ἐὰν δόξω τι ὑμῖν μέγα λέγειν: οὐ γὰρ ἐμὸν ἐρῶ τὸν λόγον ὃν ἂν λέγω, ἀλλ᾽ εἰς ἀξιόχρεων ὑμῖν τὸν λέγοντα ἀνοίσω. τῆς γὰρ ἐμῆς, εἰ δή τίς ἐστιν σοφία καὶ οἵα, μάρτυρα ὑμῖν παρέξομαι τὸν θεὸν τὸν ἐν Δελφοῖς.
Χαιρεφῶντα γὰρ ἴστε που. οὗτος ἐμός τε ἑταῖρος ἦν ἐκ νέου καὶ ὑμῶν τῷ πλήθει ἑταῖρός τε καὶ συνέφυγε τὴν φυγὴν ταύτην καὶ μεθ᾽ ὑμῶν κατῆλθε. καὶ ἴστε δὴ οἷος ἦν Χαιρεφῶν, ὡς σφοδρὸς ἐφ᾽ ὅτι ὁρμήσειεν. καὶ δή ποτε καὶ εἰς Δελφοὺς ἐλθὼν ἐτόλμησε τοῦτο μαντεύσασθαι—καί, ὅπερ λέγω, μὴ θορυβεῖτε, ὦ ἄνδρες—ἤρετο γὰρ δὴ εἴ τις ἐμοῦ εἴη σοφώτερος. ἀνεῖλεν οὖν ἡ Πυθία μηδένα σοφώτερον εἶναι. καὶ τούτων πέρι ὁ ἀδελφὸς ὑμῖν αὐτοῦ οὑτοσὶ μαρτυρήσει, ἐπειδὴ ἐκεῖνος τετελεύτηκεν.

5.
Jemand von euch könnte nun vielleicht vermuten: „Aber, Sokrates, was ist nun deine Beschäftigung? Woher sind diese Verleumdungen gegen dich gekommen? Du würdest doch wohl nicht etwas Überflüssigeres vollbringen als die anderen, worauf so viel Gerede und auch ein Gerücht entstanden sind, außer du tätest tatsächlich etwas anderes als die Mehrheit. Sag uns nun, was es ist, damit wir über dich nicht unüberlegt urteilen.“
Der, der dies sagt, scheint mir Richtiges auszusprechen, und so werde ich versuchen, euch aufzuzeigen, was in aller Welt es ist, das mir meinen Ruf und die Verleumdung eingebracht hat. Hört also zu. Und es wird vielleicht für manche unter euch so aussehen, dass ich scherze; ihr sollt allerdings wissen, dass ich euch die vollständige Wahrheit sagen werde. Ich habe nämlich, Männer Athens, wegen nichts anderem als wegen einer gewissen Einsicht diesen Ruf bekommen. Welcher Art ist nun diese Einsicht? Ebendiese ist womöglich eine den Menschen betreffende Einsicht; denn tatsächlich steht zu befürchten, dass ich in Bezug auf die erwähnte Einsicht ein kluger Mann bin. Vielleicht mögen diejenigen, die ich eben ansprach, im Hinblick auf eine größere Einsicht als nach menschlichem Maßstab Weise sein, oder ich weiß nicht, was ich sage; denn ich verstehe mich gewiss nicht auf sie, jeder aber, der das behauptet, lügt und sagt es zum Zweck der Verleumdung meiner Person. Und ihr sollt mir, Männer Athens, keinen Beifall spenden, auch nicht wenn es euch etwa so scheinen sollte, dass ich große Dinge sage; denn ich werde nicht meine Rede halten, die ich gewöhnlich vortrage, sondern so, wie es sich gebührt, werde ich den, der redet, vor euch bringen. Als meinen Zeugen werde ich nämlich, falls es doch eine wie auch immer beschaffene Einsicht gibt, den Gott in Delphi für euch stellen.
Chairephon kennt ihr gewiss. Dieser war mein Gefährte von Jugend an wie auch einer großen Zahl von euch ein Gefährte, hat diese Verbannung erlitten und ist mit euch zurückgekehrt. Und ihr wisst, was für einer Chairephon war, wie er entschlossen auf eine Sache zuzugehen pflegte. Und so wagte er es auch einmal, als er nach Delphi kam, sich wahrsagen zu lassen – nun sollt ihr mich in dem, was ich sage, nicht stören, ihr Männer –, er fragte also, ob irgendeiner weiser sei als ich. Die Pythia weissagte nun, dass niemand weiser sei. Und darüber wird sein Bruder euch hier Zeugnis geben, da jener ja gestorben ist.


Schwierigkeiten:

1. οὐ γὰρ δήπου σοῦ γε οὐδὲν τῶν ἄλλων περιττότερον πραγματευομένου ἔπειτα τοσαύτη φήμη τε καὶ λόγος γέγονεν, εἰ μή τι ἔπραττες ἀλλοῖον ἢ οἱ πολλοί.
Wohl konditional zu verstehen, aber wie den Genitivus absolutus, um den es sich vorne wohl handelt, gescheit unterbringen?

2. καί μοι, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, μὴ θορυβήσητε, μηδ᾽ ἐὰν δόξω τι ὑμῖν μέγα λέγειν:
Ins übliche Konditionalsatz-Schema passt dieser Satz nicht: Das θορυβήσητε fällt heraus. Oder ist der prohibitive Konjunktiv analog einem Imperativ zu verstehen?

3. Ich bin mir außerdem nicht sicher, inwieweit σοφός, σοφία etc. in diesem Abschnitt nicht wieder im Sinne der Sophisterei zu verstehen sind.

Für Verbesserungen, Erläuterungen etc. bin ich euch wie immer verbunden!
Das Wochenende naht außerdem ... Ein echter Jubelanlass.

Viele Grüße!
Gl.
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Re: Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Roxane » Fr 9. Jan 2015, 16:47

Hallo Glis,

mit der Durchsicht bin ich gerade fertig geworden. Dies und das konnte ich an meinem Text noch verschönern. Ja, der "Gerücht- und Geredesatz" war knifflig und zudem ist der ganze εἰ-Satz eigentlich völlig überflüssig. Zum Vergleich nun ein paar Stellen aus meiner Übersetzung. Da ich viele Vokabeln bei Pape :) nachgeschlagen habe, füge ich die entsprechenden Vermerke hinzu.


Zu 1: οὐ γὰρ (doch wohl nicht) δήπου σοῦ γε οὐδὲν* τῶν ἄλλων περιττότερον πραγματευομένου ἔπειτα*** τοσαύτη φήμη τε καὶ λόγος γέγονεν, εἰ μή τι ἔπραττες ἀλλοῖον ἢ οἱ πολλοί.
*οὐδὲν περιττότερον, vgl. Pape: οὐδὲν μᾶλλον, um nichts mehr
**Komp. von περισσός, Pape: περιττότερον, mehr, anders
***trotzdem
τε καὶ kann man, meine ich mal irgendwann nachgeschlagen zu haben, einfach mit “und” wiedergeben.

“Wenn du gerade um nichts mehr als die anderen tätig bist, ist doch wohl sicherlich nicht trotzdem ein solches Gerücht und ein Gerede entstanden, außer du tätest etwas anderes als die große Menge."


(20d) @alle Mitleser: Ταυτί* μοι δοκεῖ δίκαια λέγειν ὁ λέγων...: *im Att. n. Pl. von οὑτοος: In Att. οὑτοος was freq. strengthd. by the demonstr. -ί, οὑτοσί, αὑτηί, τουτί, gen. τουτουί, dat. τουτῳί, acc. τουτονί; pl. nom. οὑτοιί, neut. Ταυτί


<διὰ> ποίαν δὴ σοφίαν ταύτην; <διά τινα> ἥπερ ἐστὶν ἴσως ἀνθρωπίνη σοφία·

"(Wegen) welcher (dieser) Weisheit denn (δὴ +Fragepronomen)? (Wegen einer), welche gerade eine menschliche Weisheit ist;"


τῷ ὄντι γὰρ κινδυνεύω ταύτην εἶναι σοφός.

“Denn in der Tat ist es möglich, dass ich, was diese betrifft, weise bin. (/...scheine ich .. weise zu sein)”


(20e) ...μείζω τινὰ ἢ κατ᾽ ἄνθρωπον σοφίαν σοφοὶ εἶεν, ἢ* οὐκ ἔχω τί λέγω.
*Pape: ἢ:.. sonst, außerdem ...

“...in* einer bedeutenderen (Weisheit) als (in einer) für einen Menschen üblichen (wörtl.: gemäß eines Menschen) Weisheit weise sein, sonst weiß ich nicht, was ich sagen soll.”
*Den Acc. graec. habe ich an dieser und an folgenden Stellen einfach mit "in" übersetzt.


zu 2: καί μοι, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, μὴ θορυβήσητε*, μηδ᾽ ἐὰν δόξω τι ὑμῖν μέγα λέγειν**.
* θορυβήσητε ist in diesem Fall Futur (behaupte ich mal) und steht für Imperativ, vgl. § 74.3
**λέγειν τι = etwas von Bedeutung sagen, Langensch.

“Und klatscht mir nicht, Männer von Athen, Beifall, auch nicht, wenn ich euch etwas von besonderer Bedeutung zu sagen scheine.”


τῆς γὰρ ἐμῆς, …...., μάρτυρα ὑμῖν παρέξομαι τὸν θεὸν τὸν ἐν Δελφοῖς.
“Wegen meiner Weisheit (Gen. caus.),......, will ich euch den Gott in Delphi als Zeugen stellen.”


οὐ γὰρ ἐμὸν ἐρῶ τὸν λόγον ὃν ἂν λέγω, ἀλλ᾽ εἰς ἀξιόχρεων ὑμῖν τὸν λέγοντα* ἀνοίσω.
*Pape: οἱ λέγοντες, die Redner

“Denn nicht als meine (Rede) werde ich die Rede vortragen, die ich halte, sondern ich werde mich auf den für euch geeigneten Redner berufen.”


zu 3: “Ich bin mir außerdem nicht sicher, inwieweit σοφός, σοφία etc. in diesem Abschnitt nicht wieder im Sinne der Sophisterei zu verstehen sind.” Ich mir auch nicht, wen fragen wir denn da nur :nixweiss: ?


Eine Frage zum Schluss: Ursprünglich hatte ich den 20e-Satz so:

(20e) μὴ θορυβήσητε, μηδ᾽ ἐὰν δόξω τι ὑμῖν μέγα λέγειν·
"Und äußert mir nicht, Männer von Athen, euren lauten Unwillen, auch nicht, wenn ich euch etwas von besonderer Bedeutung (λέγειν τι = etwas von Bedeutung sagen, LS) zu sagen scheine."

In 21a folgt nämlich ὅπερ λέγω, was so viel heißt wie "so meine Rede" (ich weiß, Glis, du hast es etwas anders) und sich - wie ich meinte - auf das vorherige θορυβήσητε beziehen müsste.
(21a) καί, ὅπερ λέγω, μὴ θορυβεῖτε...
"aber, so meine Rede (/wörtl.: was ich gerade sage), äußert mir nicht euren lauten Unwillen..."

Allerdings ergibt mein 20e-Satz keinen Sinn, wenn ich λέγειν τι mit "etwas von Bedeutung sagen" wiedergebe. Kann λέγειν τι noch etwas anderes bedeuten, vielleicht irgendwas Negatives?


Das war`s von meiner Seite. Seid herzlich gegrüßt! R.
Roxane
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Re: Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Glis » So 11. Jan 2015, 12:08

Hallo Roxane,

1. den "οὐ γὰρ δήπου ..."-Satz am Anfang scheinst du mir überzeugend entschlüsselt zu haben. Die Lesart von περιττότερον im Sinne von "überflüssig" hatte mich verblendet, weil im Text zuvor öfter von den "überflüssigen Dingen" die Rede gewesen war, derer Sokrates sich mit seiner Art der Philosohpie befleißige.
Man könnte deinen Übersetzungsversuch nun noch ein wenig "zurechtzupfen". Im Deutschen wäre es sinnvoll, den mit ἔπειτα angeschlossenen Satz in den Konjunktiv zu setzen, ob das als Übersetzung statthaft ist, kann vielleicht unser guter Prudentius oder ein anderer Helfer sagen.
Das "um nichts mehr als die anderen" überzeugt mich noch nicht so recht, was machen wir daraus?
Vorschlag:
“Wenn du nicht in irgendeiner Hinsicht mehr tun würdest als die anderen, kämen nicht so viel Gerede und auch ein Gerücht auf, außer du tätest etwas anderes als die große Menge."

2. θορυβήσητε kann m. E. nicht die Futurform sein. Die müsste ungefähr so aussschauen: θορυβησεῖτε.

3. Den Satz rund um das τῆς γὰρ ἐμῆς, das ich unterschlagen hatte, hast du ebenso entscheidend verbessert wie den mit dem τὸν λέγοντα. Klingt bei mir jetzt so:
"denn nicht als meine Rede werde ich die Rede vortragen, die ich halte, sondern auf den euch gebührenden Redner werde ich mich beziehen. Was meine Weisheit betrifft, falls eine solche etwa vorhanden ist, werde ich als meinen Zeugen nämlich den Gott in Delphi für euch stellen."

4. Zu deinem "λέγειν τι"-Problem: Müsste man die Wendung τι μέγα λέγειν nicht als Ganzes ansehen, also "etwas Bedeutendes sagen"?

Ich habe von dem Austausch wieder sehr profitiert. Mal sehen, was unsere freundlichen Berater noch aufklären können.

Beste Grüße an euch alle!
Gl.
Zuletzt geändert von Glis am So 11. Jan 2015, 12:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Prudentius » So 11. Jan 2015, 12:09

Hallo Glis,

"Jemand von euch könnte nun vielleicht vermuten", aber da müsste jetzt eine Vermutung kommen, es kommen aber Fragen; sag lieber: "entgegnen" oder einwenden.

"περιττότερον" etwas über das Normale, Erwartete hinausgehendes; etwas Besonderes, Ungewöhnliches, Unerwartetes, Auffälliges, Ausgeklügeltes, Ausgefallenes...

"Wohl konditional zu verstehen, aber wie den Genitivus absolutus, um den es sich vorne wohl handelt, gescheit unterbringen?"
als Konditionalsatz, und irreal, ungefähr: "Wie hätte denn das viele Gerede aufkommrn können, wenn du nicht irgend was Auffälliges machen würdest?"

"2. καί μοι, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, μὴ θορυβήσητε, μηδ᾽ ἐὰν δόξω τι ὑμῖν μέγα λέγειν:
Ins übliche Konditionalsatz-Schema passt dieser Satz nicht: Das θορυβήσητε fällt heraus. Oder ist der prohibitive Konjunktiv analog einem Imperativ zu verstehen?"

Ja, es ist Prohibitiv, oder verneinter Imperativ; das Schema passt schon, es ist Eventualis (oder wie man ihn nennen will), sehr häufig im Attischen; der HS kann ja irgendwie modifiziert sein.
Hallo Roxane, θορυβήσητε als Futur geht nicht, es müsste ein Epsilon statt des 2. Eta sein,

und ich bin jetzt erstmal weg, denn so ein altes Ehepaar macht um diese Zeit immer einen Spaziergang, auch wenn es graupelt :-D ,

P.
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Re: Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Glis » So 11. Jan 2015, 12:14

Vielen Dank, Prudentius!
Wir haben wohl praktisch gleichzeitig unsere Beiträge ins Fenster getippt.
Roxane, vielleicht magst du dich jetzt erst mal äußern, falls du Muße hast?

Bis dann!
Gl.
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Re: Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Prudentius » Mo 12. Jan 2015, 11:45

τῆς γὰρ ἐμῆς, …...., μάρτυρα ὑμῖν παρέξομαι τὸν θεὸν τὸν ἐν Δελφοῖς.
“Wegen meiner Weisheit (Gen. caus.),......, will ich euch den Gott in Delphi als Zeugen stellen.”


Beim Gen. bin ich eigentlich immer für Possessivus :-D , die Angabe "eine Beziehung" deckt eigentlich alles ab: "Zeuge wessen? wofür?", anders beim Abl., da sind wirklich ursprünglich verschiedene Kasus zusammengefasst.

2. θορυβήσητε kann m. E. nicht die Futurform sein. Die müsste ungefähr so aussschauen: θορυβησεῖτε.


Vorn stimmt es, hinten nicht: das Jota muss weg! θορυβήσετε !

Vllt. ist es mal nützlich, auf die Konjunktivbildung im Gr. kurz einzugehen, sie ist ja, anders als im L., ganz einheitlich, es kommen nur die beiden Laute Eta und Omega als Merkmale vor; es betrifft die Bindevokale:

paideu-o-men, Omikron, Indikativ,
und Omega, Konjunktiv;

paideu-e-tai, Epsilon, Indikativ,
und Eta, Konjunktiv.

Ein Beispiel haben wir ja im Text: αὐτοσχεδιάζωμεν

Bei der sophia stellt Sokrates seine "menschliche", alltägliche Weisheit der angeblich übermenschlichen Weisheit der profimäßigen Weisheitslehrer entgegen; er provoziert auch, indem er das göttliche Orakel von Delphi mit dem Spruch anführt, Keiner sei weiser als Sokrates.

Ob mit dem "Lärmen" Beifall oder Protest gemeint ist, kann man diskutieren; ich denke eher das letzte, dann wäre das mega eine "überzogene Behauptung", Unverschämtheit.

Erstmal soviel,

lgr. P. :)
Prudentius
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Re: Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Roxane » Mo 12. Jan 2015, 12:05

Hallo Glis und Prudentius!

Eure Anmerkungen, für die ich euch danke, habe ich mir zu Gemüte geführt: Wer hätte gedacht, dass es immer noch irgendwelche verbesserungswürdigen Stellen gibt, ich habe schon wieder etliches von euch übernommen!

Zunächst noch ein neuer Übersetzungsversuch meinerseits zu 20c, der Satz ließ mir keine Ruhe. Lange habe ich hin und her und her und hin überlegt, die Grammatik durchblättert, den Kühner durchforstet, um mich schließlich zu fragen: Was spricht denn eigentlich gegen einen ganz normalen Realis? Im Folgesatz steht doch Ind. Perf. und kein Ind. Impf. bzw. Aor. mit ἅν.
vgl. z.B. Kühner: Εἰ mit dem Indikative aller Zeitformen. A. 2. 5, 41 Κλέαρχος εἰ παρὰ τοὺς ὅρκους ἔλυε τὰς σπονδάς, τὴν δίκην ἔχει, wenn K. (wie seine Feinde behaupten) vertragsbrüchig ist, hat er seine Strafe.

οὐ γὰρ δήπου σοῦ γε οὐδὲν τῶν ἄλλων περιττότερον πραγματευομένου ἔπειτα τοσαύτη φήμη τε καὶ λόγος γέγονεν, εἰ μή τι ἔπραττες ἀλλοῖον ἢ οἱ πολλοί.
"Nicht doch wohl ist (sicherlich), ohne dass du etwas Auffälligeres als die anderen getan hast, dann ein solches Gerücht und Gerede entstanden, (frei:) da musst du schon etwas anderes getan haben (wörtl.: außer du tatest ...)."

(20e) ἢ οὐκ ἔχω τί (Adv.) λέγω.
"sonst weiß ich nicht, wie ich es nennen soll" (Deliberativ)

τῆς γὰρ ἐμῆς, εἰ δή τίς ἐστιν σοφία καὶ οἵα, μάρτυρα ὑμῖν παρέξομαι τὸν θεὸν τὸν ἐν Δελφοῖς. @Glis: bei dir fehlt das καὶ
"Was meine Weisheit betrifft, falls sie denn wirklich eine Weisheit ist und was für eine (/von welcher Art), will ich euch den Gott in Delphi als Zeugen stellen."

Noch zu 20c, ist aber nicht so wichtig: Langensch. gibt für περισσός „übergroß, überreichlich, außergewöhnlich“ an und führt den Komparativ περιττότερος noch gesondert auf „größer, mehr, besonders groß“.

@Prudentius: Du hast soeben schon wieder einiges erläutert, sehe ich gerade (hoffentlich bleibt noch Zeit für euren Spaziergang! :) ). Wunderbar, nun hat sich auch der τι μέγα λέγειν-Satz geklärt.

Einen schönen Tag noch! R.
Roxane
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Re: Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Glis » Di 13. Jan 2015, 01:05

οὐ γὰρ δήπου σοῦ γε οὐδὲν τῶν ἄλλων περιττότερον ...

Roxane, dein Realis-Vorschlag hat was für sich, zumal hier auch kein ἄν vorhanden ist. Bei dem Zwischensatz vom ἔπειτα bis zum Komma hatte ich mich schon gefragt, ob dieser nicht ohnedies als "faktischer Beschreibungssatz" aus der eigentlichen Konditionalbeziehung hetrausfällt. Somit würde er sich gut zu einem Realis fügen. (Unsere Hellas-Grammatik führt im Haupterklärungsteil zu den Konditionalsätzen das Perfekt übrigens gar nicht als mögliche Zeitstufe auf - nur in der Tabelle auf S. 194 u. wird es "verschämt" am Rande als Möglichkeit genannt, statt Ind. Präs. einen Eventualis auszudrücken.)


τῆς γὰρ ἐμῆς, εἰ δή τίς ἐστιν σοφία καὶ οἵα, μάρτυρα ὑμῖν παρέξομαι τὸν θεὸν τὸν ἐν Δελφοῖς.

Nun ein Lösungsvorschlag, wo das τίς und das οἵα deutlich zum Ausdruck kommen:
Was meine Weisheit anbetrifft, was für eine nun vorhanden und wie sie auch beschaffen ist, werde ich als meinen Zeugen den Gott in Delphi für euch stellen.

Schöne Grüße!
Gl.
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Re: Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Roxane » Di 13. Jan 2015, 16:12

Hallo Glis,

die Tabelle ziehe ich auch immer wieder gerne heran, sie ist so schön übersichtlich. Perfekt wäre, da hast du recht, im Folgesatz außer beim Realis theoretisch noch beim Iterativ der Geg. (du hast dich in der Zeile versehen) möglich. Die Auslassung von ἅν erwähnt unsere Grammatik nicht, bei Kühner findet man gleich ein ganzes Kapitel:
http://perseus.uchicago.edu/cgi-bin/phi ... Monographs

Das τίς ist hier genau wie in 19c (τοιαύτη τίς ἐστιν) unbest. Artikel, siehe Langensch. S. 843, 3.7: Wenn mehrere Enklitika hintereinander stehen,...
"Für meine Weisheit (Gen. poss.), falls sie denn wirklich (εἰ δή = wenn also wirklich) eine Weisheit ist und was für eine (/von welcher Art),..."

Jetzt könnten wir das Kapitel eigentlich abhaken, es sei denn, Prudentius wäre ganz und gar nicht mit dem Realis einverstanden :sad: , was gut sein kann.
Ansonsten könnte ich jederzeit Kap. 6 einstellen, wenn du so weit bist. Am besten komplett, denke ich, schließlich haben wir bisher nahezu in jedem Satz etwas Verbesserungswürdiges gefunden...

Bis später! R.
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Re: Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Glis » Mi 14. Jan 2015, 00:13

Fein, Roxane. Danke, dass du mich an die Akzentregel erinnerst, die das Hellas-Buch ja sträflicherweise nicht aufführt (sie erweist sich immer wieder als bedeutungsdifferenzierend!). Allmählich wird sie sich in mein alterndes Hirn einbrennen.
Ganz großartig auch dein Kühner-Link!

Kapitel 6 kannst du gerne schon einstellen. Es dürfte aber noch ein bisschen dauern, bis ich zum Vergleichen komme. Ich nehme mir dafür immer viel Zeit, denn die Sache ist ausgesprochen lehrreich und spaßig.

Prudentius, ich wäre ebenfalls auf deine abschließende Meinung zu dem Kondizionalgefüge mit dem Genitivus absolutus gespannt, wo Roxane einen Realis ins Auge fasst ...

Schöne Grüße schon mal!
Gl
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Re: Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Prudentius » Mi 14. Jan 2015, 11:25

Hier kämpft Realis gegen Irrealis :-D , ihr seht, wie interessant die Grammatikfragen sein können.

Im Gr. steht eindeutig Realis da, denn es ist kein ἅν vorhanden, und im D. haben wir ebenso eindeutig einen Irealis; das ist kein Widerspruch; ihr werdet ja aus dem L. kennen: "Paene cecidi", beinahe bin ich gefallen, wir sagen aber "wäre ich gefallen". Grundsätzlich kann man jeden Irrealis als Realis ausdrücken: Statt "Wenn 5 gerade wäre, wäre 6 ungerade" (um ein simples Bsp. zu nehmen) kann man auch sagen "Wenn 5 gerade ist, ist 6 ungerade", das ist genauso richtig. Das liegt daran, dass der Irrealis eine stärkere Behauptung ist als der Realis, und man kann immer eine stärkere Behauptung durch eine schwächere ersetzen (Bsp: "Heute ist Dienstag" kann man ersetzen durch "Heute ist Dienstag oder Mittwoch", das ist auch richtig). Der Realis ist ja definiert als der "unbestimmte Fall"; zu seiner Unbestimmtheit gehört, dass er auch die irreale Variante umfasst. Falls Interesse besteht, könnte ich ja noch näher darauf eingehen.

Es gibt aber auch noch eine andere Möglichkeit, um den Gedanken auf D. als Realis auszudrücken: "Nur weil du etwas Auffälliges getan hast, bist du bekannt geworden", da fallen die Negationen weg, und aus dem Konditional wird ein kausales Gefüge.

lgr. P. :)
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Re: Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Roxane » Mi 14. Jan 2015, 22:49

Einen schönen guten Abend zusammen und danke für eure Antworten!

Ja, die Grammatik ist wahrlich spannend und spaßig finde ich die Sache mindestens genauso wie du, Glis! Sind wir am Ende vielleicht beide ein bisschen verrückt?

Gerade in diesem Moment finde ich bei Pape (ἅν) :-D diese Stelle. In den nächsten Tagen werde ich der Sache nicht weiter nachzugehen können, denn - so sehr sie mich auch interessiert - übers (verlängerte) WE bin ich gar nicht da. Nun der Pape (ich weiß schon, was jetzt kommt, ist eine Zumutung!). Die Auslassung von ἅν wird ab d) (Ende) behandelt, unter vielen Beispielen wird auch όλίγου ἀπώλετο (vgl. paene cecidi) aufgeführt.

http://www.zeno.org/Pape-1880/A/%E1%BC%84%CE%BD+%5B3%5D

Kap. 6 stelle ich schon mal ein und bin gespannt, was dabei rauskommt.

Bis demnächst! R.
Roxane
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Re: Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Prudentius » Fr 16. Jan 2015, 11:50

Sinngemäß könnte man auch eine Mischung aus Realis und Irrealis vorschlagen: "Irgendwas Auffälliges musst du ja getan haben, sonst wärest du nicht so bekannt geworden", wenn man souverän mit der Grammatik umgeht :-D .

Wir sollten uns alle an das erinnern, was So. in der Einleitung gesagt hat, ich setze mal ein paar Zeilen aus 17c her:

ἀλλ᾽ ἀκούσεσθε εἰκῇ λεγόμενα τοῖς ἐπιτυχοῦσιν ὀνόμασιν

ἐὰν διὰ τῶν αὐτῶν λόγων ἀκούητέ μου ἀπολογουμένου δι᾽ ὧνπερ εἴωθα λέγειν καὶ ἐν ἀγορᾷ ἐπὶ τῶν τραπεζῶν

ἀτεχνῶς οὖν ξένως ἔχω τῆς ἐνθάδε λέξεως.

"εἰκῇ λεγόμενα", was man ohne lange Überlegung sagt; "so dahingesagt"; wie es einem gerade einfällt; vor Gericht sprachen gewöhnlich die Profis, die rhetorisch geschulten Anwälte, es gab einen hohen Standard, und das Publikum meuterte, wenn einer darunter blieb; So. erklärt, ihm sei diese Sprechweise fremd.

Das können wir jetzt hier auf unsere Stelle anwenden: So. bewegt sich souverän außerhalb der konditionalen Feinunterschiede; ich würde mich also lieber auf dieses Argument berufen, statt in den Grammatiken nach dem fehlenden ἅν zu suchen. Man kann auch so sagen: da haben wir jetzt einen Blankoscheck, damit können wir dann immer kommen, wenn wir mit der Grammatik Schwierigkeiten haben; also abwägen müssen wir.

Hoffentlich enttäusche ich euch nicht, aber den Pape hatte ich noch nie aufgeschlagen; es ist erstaunlich, was er alles an Material bringt.

lgr. P. :)
Prudentius
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Re: Apologie des Sokrates, Kap. 5 (20c - 21a)

Beitragvon Glis » Sa 17. Jan 2015, 02:59

Alles sehr erhellend, ihr beiden. Ich danke euch für eure Erklärungen und die Beibringung des Materials.
Spaßeshalber trage ich mal die Übertragung des Satzes aus meinem zweisprachigen Reclam-Bändchen bei:

"Schwerlich wäre doch, ohne daß du etwas treibst, worin du dich von den anderen unterscheidest, daraufhin dies allgemeine Gerede entstanden – wenn du dich nicht mit etwas anderem beschäftigt hättest als die große Masse."

Der Übersetzer gibt das Imperfekt im hinteren Teil des Satzes also als Irrealis der Vergangenheit wieder und klebt damit auch nicht am Konditionalschema ...

Viele Wochenendgrüße!
Gl.
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