Apol. Kap. 7

Für alle Fragen rund um Griechisch in der Schule und im Alltag

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Apol. Kap. 7

Beitragvon Glis » Sa 24. Jan 2015, 11:21

Und weiter gehts mit dem nächsten Kapitel:

(21 e – 22 c)

μετὰ ταῦτ᾽ οὖν ἤδη ἐφεξῆς ᾖα, αἰσθανόμενος μὲν καὶ λυπούμενος καὶ δεδιὼς ὅτι ἀπηχθανόμην, ὅμως δὲ ἀναγκαῖον ἐδόκει εἶναι τὸ τοῦ θεοῦ περὶ πλείστου ποιεῖσθαι—ἰτέον οὖν, σκοποῦντι τὸν χρησμὸν τί λέγει, ἐπὶ ἅπαντας τούς τι δοκοῦντας εἰδέναι. καὶ νὴ τὸν κύνα, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι— δεῖ γὰρ πρὸς ὑμᾶς τἀληθῆ λέγειν—ἦ μὴν ἐγὼ ἔπαθόν τι τοιοῦτον: οἱ μὲν μάλιστα εὐδοκιμοῦντες ἔδοξάν μοι ὀλίγου δεῖν τοῦ πλείστου ἐνδεεῖς εἶναι ζητοῦντι κατὰ τὸν θεόν, ἄλλοι δὲ δοκοῦντες φαυλότεροι ἐπιεικέστεροι εἶναι ἄνδρες πρὸς τὸ φρονίμως ἔχειν. δεῖ δὴ ὑμῖν τὴν ἐμὴν πλάνην ἐπιδεῖξαι ὥσπερ πόνους τινὰς πονοῦντος ἵνα μοι καὶ ἀνέλεγκτος ἡ μαντεία γένοιτο. μετὰ γὰρ τοὺς πολιτικοὺς ᾖα ἐπὶ τοὺς ποιητὰς τούς τε τῶν τραγῳδιῶν καὶ τοὺς τῶν διθυράμβων καὶ τοὺς ἄλλους, ὡς ἐνταῦθα ἐπ᾽ αὐτοφώρῳ καταληψόμενος ἐμαυτὸν ἀμαθέστερον ἐκείνων ὄντα. ἀναλαμβάνων οὖν αὐτῶν τὰ ποιήματα ἅ μοι ἐδόκει μάλιστα πεπραγματεῦσθαι αὐτοῖς, διηρώτων ἂν αὐτοὺς τί λέγοιεν, ἵν᾽ ἅμα τι καὶ μανθάνοιμι παρ᾽ αὐτῶν. αἰσχύνομαι οὖν ὑμῖν εἰπεῖν, ὦ ἄνδρες, τἀληθῆ: ὅμως δὲ ῥητέον. ὡς ἔπος γὰρ εἰπεῖν ὀλίγου αὐτῶν ἅπαντες οἱ παρόντες ἂν βέλτιον ἔλεγον περὶ ὧν αὐτοὶ ἐπεποιήκεσαν. ἔγνων οὖν αὖ καὶ περὶ τῶν ποιητῶν ἐν ὀλίγῳ τοῦτο, ὅτι οὐ σοφίᾳ ποιοῖεν ἃ ποιοῖεν, ἀλλὰ φύσει τινὶ καὶ ἐνθουσιάζοντες ὥσπερ οἱ θεομάντεις καὶ οἱ χρησμῳδοί: καὶ γὰρ οὗτοι λέγουσι μὲν πολλὰ καὶ καλά, ἴσασιν δὲ οὐδὲν ὧν λέγουσι. τοιοῦτόν τί μοι ἐφάνησαν πάθος καὶ οἱ ποιηταὶ πεπονθότες, καὶ ἅμα ᾐσθόμην αὐτῶν διὰ τὴν ποίησιν οἰομένων καὶ τἆλλα σοφωτάτων εἶναι ἀνθρώπων ἃ οὐκ ἦσαν. ἀπῇα οὖν καὶ ἐντεῦθεν τῷ αὐτῷ οἰόμενος περιγεγονέναι ᾧπερ καὶ τῶν πολιτικῶν.

Danach ging ich bereits der Reihe nach von einem zum anderen, wodurch ich betrübt und voller Furcht erfuhr, dass ich verhasst war, trotzdem aber die Notwendigkeit zu bestehen schien, das, was vom Gott kam, in allerhöchster Weise zu schätzen – denn es muss derjenige, der das Orakel daraufhin prüft, was es aussagt, zu all denen gehen, die in etwa den Anschein machen, es zu wissen. Und wahrhaftig, beim Kerberos, Männer Athens – es ist nötig, dass ich euch die Wahrheit sage –, tatsächlich erlebte ich Folgendes: Die, die im besten Ruf standen, schienen mir, der ich im Sinne des Gottes auf der Suche war, fast das meiste zu ermangeln, andere aber, die schlechter zu sein schienen, schienen die geeigneteren Männer dafür zu sein, sich an das Vernünftige zu halten. Es ist eben notwendig, euch mein Umherirren in der Weise darzustellen, wie ich dabei bestimmte Beschwernisse erlitten habe, damit die Prophezeiung für mich ebenfalls unwiderlegbar wurde.
Nach den Politikern ging ich zu den Dichtern der Tragödien und denen der Dithyramben und weiteren, um mich dort auf frischer Tat dabei zu ertappen, dass ich unwissender bin als jene. Ich nahm mir also die Werke von ihnen vor, die mir den Anschein machten, für sie am meisten bewirkt zu haben, und ich erforschte, was sie aussagen mochten, damit ich zugleich auch etwas daraus lernen könnte. Ich schäme mich nun dafür, ihr Männer, euch die Wahrheit zu sagen; trotzdem muss es ausgesprochen werden. Kurz gesagt würden fast alle Anwesenden treffender als sie über die Dinge sprechen, die sie gedichtet haben. Was die Dichter anbetrifft, erkannte ich wiederum binnen kurzer Zeit, dass sie nicht infolge von Weisheit zu dichten pflegten, was sie dichteten, sondern dass sie durch irgendeine angeborene Eigenschaft in Verzückung gerieten wie die gottbegeisterten Seher und Propheten; und so sagen sie viele schöne Dinge, wissen aber nichts über das, was sie sagen. Als ein solches Unglück erschienen mir so auch die Dichter, die leidend sind (tot sind?), und zugleich bemerkte ich, dass sie aufgrund ihrer Dichtkunst glaubten, auch im Hinblick auf die anderen Dinge die Weisesten unter den Menschen zu sein, was sie nicht waren. Ich ging also auch von dort in dem Glauben fort, sie in denselben Dingen zu übertreffen, in denen ich auch die Politiker übertraf.
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Roxane » So 25. Jan 2015, 14:48

Hallo Glis und Prudentius,

hier nun einige Passagen aus meiner Übersetzung zum Vergleich:

(21c) μετὰ ταῦτ᾽ οὖν ἤδη ἐφεξῆς ᾖα, αἰσθανόμενος μὲν καὶ λυπούμενος καὶ δεδιὼς ὅτι ἀπηχθανόμην, ὅμως δὲ ἀναγκαῖον ἐδόκει εἶναι τὸ τοῦ θεοῦ..
Danach nun (οὖν ἤδη) ging ich der Reihe nach vor, auch wenn ich betrübt und besorgt bemerkte, dass ich mich verhasst machte, aber dennoch schien es mir unvermeidlich zu sein, das Wort (Lehrbuch Kairos 21B) des Gottes ..

ἰτέον οὖν, σκοποῦντι τὸν χρησμὸν τί λέγει, ἐπὶ ἅπαντας τούς τι (22a) δοκοῦντας εἰδέναι.
also musste ich, um zu untersuchen, was das Orakel meint, zu all denen gehen, die etwas zu wissen schienen.

οἱ μὲν μάλιστα εὐδοκιμοῦντες ἔδοξάν μοι ὀλίγου δεῖν (beinahe, fast) τοῦ πλείστου (Subst.) ἐνδεεῖς εἶναι ζητοῦντι κατὰ τὸν θεόν, ἄλλοι δὲ δοκοῦντες φαυλότεροι ἐπιεικέστεροι εἶναι ἄνδρες πρὸς (final) τὸ φρονίμως ἔχειν (substantiv. Inf., Pape/Langensch: "sich verhalten").
Diejenigen, die besonders angesehen waren, schienen mir beinahe in höchstem Grad unvollkommen (-e Männer) zu sein (wörtl.: beinahe Unvollkommene des höchsten Grades zu sein), wenn ich im Sinne des Gottes nachforschte, andere dagegen, unbedeutendere Männer, schienen tauglicher zu sein, um sich klug zu verhalten (/besonnen zu bleiben).

ὥσπερ* πόνους τινὰς πονοῦντος ἵνα μοι καὶ ἀνέλεγκτος ἡ μαντεία γένοιτο.
*Kühner: In Zwischensätzen steht ὥςπερ mit dem partic. wie ὡς, σιωπῇ ἐδείπνουν ὥςπερ τοῦτο ἐπιτεταγμένον αὐτοῖς, als wie es ihnen befohlen, Xen. Conv. 1, 4, vgl. Mem. 2, 3,3.
wie ich manche Mühen auf mich nahm, damit sich auch durch mich die Weissagung als unwiderleglich erwies.
Frage: Das ist hier doch ein unvollständiger Gen. abs. mit ὥσπερ, oder?

διηρώτων ἂν αὐτοὺς τί λέγοιεν
befragte ich (sie), was sie (mit ihren Dichtungen) wohl meinten

(22b) ἅ μοι ἐδόκει μάλιστα πεπραγματεῦσθαι* αὐτοῖς
*Pape: beschäftigt sein, sich womit abgeben, etwas treiben; Apol. 22 b
von denen ich den Eindruck hatte, das sie sich besonders damit beschäftigt hatten (/wörtl.: die mir den Eindruck machten, von ihnen besonders betrieben worden zu sein)

ὡς ἔπος γὰρ εἰπεῖν* ὀλίγου αὐτῶν ἅπαντες οἱ παρόντες ἂν βέλτιον ἔλεγον περὶ ὧν αὐτοὶ ἐπεποιήκεσαν.
*ὡς ἔπος γὰρ εἰπεῖν: sozusagen, krass ausgedrückt, fast, beinahe
Um es denn in aller Deutlichkeit zu sagen, fast alle von denen, die anwesend waren, sprachen wohl besser über das, (was) sie gedichtet hatten (ἐπεποιήκεσαν).

ὅτι οὐ σοφίᾳ ποιοῖεν (Opt. Präs.) (22c) ἃ ποιοῖεν, ἀλλὰ φύσει τινὶ καὶ ἐνθουσιάζοντες ὥσπερ οἱ θεομάντεις καὶ οἱ χρησμῳδοί·
dass sie das, was sie erschaffen, nicht aufgrund ihrer Weisheit erschaffen, sondern aufgrund einer gewissen Begabung und Begeisterung (/dadurch, dass sie begeistert sind)

καὶ γὰρ οὗτοι (= die Seher und Weissager) λέγουσι μὲν πολλὰ καὶ καλά, ἴσασιν δὲ οὐδὲν ὧν λέγουσι. τοιοῦτόν τί μοι ἐφάνησαν (Aor. von φαίνω, mit Part.: offenbar) πάθος καὶ οἱ ποιηταὶ πεπονθότες
Denn auch diese reden zwar Vieles und Taugliches, wissen aber nichts von dem, (was) sie sagen. Solches (/ein solches [Ereignis]) haben offenbar auch die Dichter erfahren

καὶ τἆλλα σοφωτάτων εἶναι ἀνθρώπων ἃ οὐκ ἦσαν
auch in allen übrigen Dingen sehr weise Menschen zu sein, in denen sie es nicht waren

ἀπῇα οὖν καὶ ἐντεῦθεν τῷ αὐτῷ οἰόμενος περιγεγονέναι* ᾧπερ καὶ τῶν πολιτικῶν.
* + Gen. die Oberhand gewinnen/ jdn. bezwingen
Jedenfalls ging ich auch von dort weg, in dem Glauben, in genau dem Punkt (/in demselben) (über sie) die Oberhand gewonnen zu haben, (wörtl.) in dem (ich) auch über die Staatsmänner (die Oberhand gewonnen hatte).

Bin gespannt auf eure Meinung! R.

Ich muss mich entschuldigen, über Nacht ist mir noch die ein oder andere "Erleuchtung" gekommen, so dass ihr inzwischen einen etwas modifizierten Text vorfindet.

PS: Der Kerberos gefällt mir!
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Glis » Di 27. Jan 2015, 16:00

Hallo Roxane,

danke für deine Textstücke! Viele deiner Vorschläge erscheinen mir plausibel. Insbesondere für die πάθος-Stelle hast du eine sehr überzeugende Lösung geliefert.
Zwei Anmerkungen noch. Vielleicht hast du mit deinem bewundernswert unerschöpflichen Vorrat an Kühner- und Pape-Belegstellen, der gute Prudentius oder ein anderer kundiger Mitleser ja eine Erklärung parat:

ἰτέον οὖν, σκοποῦντι τὸν χρησμὸν τί λέγει, ἐπὶ ἅπαντας τούς τι (22a) δοκοῦντας εἰδέναι.
Das Verbaladjektiv hast du durch "musste" in die Zeitform der Erzählebene gesetzt. Ich frage mich, ob hier eine verallgemeinerte Notwendigkeit ausgedrückt wird oder ob der explizite Bezug auf Sokrates' Pflicht näherliegt.

ὡς ἔπος γὰρ εἰπεῖν* ὀλίγου αὐτῶν ἅπαντες οἱ παρόντες ἂν βέλτιον ἔλεγον περὶ ὧν αὐτοὶ ἐπεποιήκεσαν.
Deutet ἄν … ἔλεγον nicht auf Irrealis der Gegenwart hin? Und müsste ἅπαντες οἱ παρόντες nicht auch im Gen. Plur. stehen, wenn es sich zu αὐτῶν gesellen würde? Ich habe αὐτῶν ja als Vergleichs-Genitiv mit Bezug auf die Dichter gedeutet.

PS: Was gefällt dir eigentlich so gut am Kerberos? Sein samtenes Fell, seine vortrefflichen Zahnreihen oder sein wohlduftender Odem?

Viele Grüße!
Gl.
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Roxane » Di 27. Jan 2015, 21:00

Danke, Glis, keine Frage, es muss natürlich heißen “dürften besser als sie selbst über das, was diese gedichtet hatten,..."

Zu dem ἰτέον οὖν Satz: Von einer Pflicht des Sokrates, die Aussage des Orakels zu erforschen, würde ich gar nicht sprechen, es "schien mir unvermeidlich zu sein, das Wort des Gottes...", heißt es zuvor. S. wollte also "nur" unbedingt wissen, "was das Orakel meint" und zu diesem Zweck musste er auch die Dichter aufsuchen. Ich würde den Satz so lassen, aber wahrscheinlich kann man es machen wie der Pfarrer Nolte, falls du den kennst...

Was du alles über den Kerberos weißt! Der wird mir immer sympathischer...

Hast du vielleicht noch "Empfehlungen", Prudentius, oder kannst du uns empfehlen, jetzt mit dem nächsten Kapitel fortzufahren?

Einen schönen Abend noch! R.
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Glis » Di 27. Jan 2015, 22:18

Pfarrer Nolte kenne ich noch aus dem Munde meines früheren Mathematiklehrers. Diesmal aber ganz unsprengelhaft: In der Hellas-Grammatik, § 71.2, gibt es den schönen Beispielsatz πειστέον οὐκ ἦν (man hätte nicht gehorchen dürfen - unpersönlich konstruiert, ohne Dativus auctoris). Daneben in § 86.2: θεραπευτέοι ἡμῖν οἱ θεοί (die Götter müssen wir verehren - mit Dativus auctoris persönlich konstruiert). In unserem Kapitel haben wir kein Personalpronomen oder eine benannte Person, im eingeschobenen Satz jedoch σκοποῦντι als Dativus auctoris. Die Frage ist, ob damit nicht der Prüfende/Suchende im Allgemeinen angesprochen ist oder ob man das auf Sokrates im Speziellen beziehen darf.

PS: Laut Wikipedia hat Kerberos 3–100 Köpfe, je nach Zählweise. (Scheint neumodischen Höllenausgeburten wie "Legida" zu ähneln: 5000-15.000 Köpfe, je nachdem, welcher Blinde seine Schätzung abgibt.)

Bis bald!
Gl.
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Roxane » Mi 28. Jan 2015, 13:35

Hallo Glis und Prudentius,

über die persönl. bzw. unpersönl. Konstruktion wird man sich wohl vergeblich einen oder mehrere Köpfe machen...

Inzwischen habe ich in meinem "Ferber" gelesen, dass Sokrates in Kap. 22a auf die Irrfahrten des Odysseus anspielt. Nachdem ich den Satz noch einmal genauer inspiziert habe, komme ich zu folg. Ergebnis und wüsste nun gern, was ihr davon haltet:

δεῖ (δὴ) ὑμῖν τὴν ἐμὴν πλάνην ἐπιδεῖξαι ὥσπερ πόνους τινὰς πονοῦντος ἵνα μοι καὶ ἀνέλεγκτος ἡ μαντεία γένοιτο.
"Wie (das Umherirren) eines, der manche Mühen auf sich nahm, muss ich euch mein Umherirren, welches zum Ziel hatte, dass sich durch mich die Weissagung ebenfalls als unwiderleglich erwies, schildern."

oder: "Ich muss euch schildern, dass mein Umherirren, welches zum Ziel hatte, dass sich durch mich die Weissagung ebenfalls als unwiderleglich erwies, wie (das Umherirren) eines (war), der manche Mühen auf sich nahm."


Bin wie immer gespannt und grüße euch! R.
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Glis » Do 29. Jan 2015, 01:04

Der Ferber macht sich durch deine Feder immer interessanter, Roxane. Sind die Anmerkungen darin recht erschöpfend, also zu jedem Kapitel vorhanden? Der Textkommentar im zweisprachigen Reclam-Bändchen bleibt leider sehr spärlich.

Dein aktualisierter Satz klingt jedenfalls plausibler als meine Version.
Vorschlag unter Aufrechterhaltung der Satzabfolge:
Ich muss euch mein Umherirren als eines schildern, das gewisse Mühen mit sich brachte, damit die Weissagung sich durch mich ebenfalls als unwiderleglich erweisen konnte.

Gibt es im Satz eigentlich ein verlässliches Anzeichen, ob "durch mich" oder "für mich" gemeint ist?
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Roxane » Do 29. Jan 2015, 10:26

Hallo Glis!

In der Hoffnung, dass ich mich nicht auf Irrwegen befinde, nun noch einmal zu dem Satz: Zu deinem "als eines ...., das..": Unterm Strich kommt es wohl auf dasselbe raus, aber genau genommen dürfte πονοῦντος nicht Genitiv sein.

Das Vertrackte an dem Satz ist ja, dass sich das ἵνα nicht auf ein Verb bezieht. Es bleiben meiner Meinung nach zwei Möglichkeiten, die zweite ist neu und kam mir gerade beim Schneeschippen in den Sinn:

"..meine Irrfahrt, die den Zweck hatte (ἵνα),.." oder
"..muss euch schildern, dass ich umherirrte (τὴν ἐμὴν πλάνην).."

δεῖ (δὴ) ὑμῖν τὴν ἐμὴν πλάνην ἐπιδεῖξαι ὥσπερ πόνους τινὰς πονοῦντος ἵνα μοι καὶ ἀνέλεγκτος ἡ μαντεία
γένοιτο.

"Ich muss euch meine Irrfahrt, die den Zweck hatte (ἵνα), dass sich durch mich die Weissagung ebenfalls als unwiderleglich erwies, schildern, (sie war) wie (die Irrfahrt) eines (= des Odysseus), der manche Mühen auf sich nahm."

"Ich muss euch schildern, dass ich umherirrte (τὴν ἐμὴν πλάνην) wie einer(wörtl.:dass das Umherirren war wie das eines), der manche Mühen auf sich nahm, damit sich durch mich die Weissagung ebenfalls als unwiderleglich erwies."

Der Ferber enthält in der Tat etliche wissenswerte Anmerkungen und ein lesenswertes Nachwort von 30 Seiten, unseren Satz übersetzt er mit: "..welche Irrläufe ich auf mich nahm, bei denen ich mich mit geradezu herkulischen Arbeiten abschindete..."

Und was meinst du, Prudentius?
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Prudentius » Do 29. Jan 2015, 12:11

Fang ich vorne an oder hinten? Hinten, und wer was geschrieben hat, merkt ihr schon :) .

"genau genommen dürfte πονοῦντος nicht Genitiv sein.": was sonst? Die Kongruenz ist hier etwas kompliziert, das Possessivum ἐμὴν ist ja Ersatz für den Genitiv des Personalpronomens; ungefähr wie "von mir"; also "die Irrfahrt von mir wie von einem, der Mühsal erleidet..."; wenn ihr einmal daran denkt, im L. steht für das Possessivum der 3. Pers. "eius", also der Gen. des Personalpronomens.

"Das Vertrackte an dem Satz ist ja, dass sich das ἵνα nicht auf ein Verb bezieht": doch: "mühsal erleide, um den Götterspruch zu testen...,

aber ihr wisst schon, ich mache jetzt erstmal mein Spazierpensum :-D

lgr. P. :)
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Roxane » Do 29. Jan 2015, 12:46

Hallo Prudentius!

Schön, dass du dir den Satz angesehen hast. An dem Genitiv πονοῦντος hatte ich gar nichts zu beanstanden, den möge man dort belassen, aber die Ü. "als eines ...., das.." würde einen Nominativ erfordern.

Hier schneit es schon wieder, du bist doch sicher bald wieder zurück....
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Prudentius » Fr 30. Jan 2015, 11:54

Ich frage mich, ob hier eine verallgemeinerte Notwendigkeit ausgedrückt wird oder ob der explizite Bezug auf Sokrates' Pflicht näherliegt.


Das 2., So. erzählt seine eigene Geschichte.

"δεῖ δὴ ὑμῖν τὴν ἐμὴν πλάνην ἐπιδεῖξαι ὥσπερ πόνους τινὰς πονοῦντος ἵνα μοι καὶ ἀνέλεγκτος ἡ μαντεία γένοιτο".

"Ich muss euch meine Irrfahrt, die den Zweck hatte (ἵνα), dass sich durch mich die Weissagung ebenfalls als unwiderleglich erwies, schildern, (sie war) wie (die Irrfahrt) eines (= des Odysseus), der manche Mühen auf sich nahm."

"Ich muss euch schildern, dass ich umherirrte (τὴν ἐμὴν πλάνην) wie einer(wörtl.:dass das Umherirren war wie das eines), der manche Mühen auf sich nahm, damit sich durch mich die Weissagung ebenfalls als unwiderleglich erwies."

Das finde ich beides nicht besonders; "ich muss euch meine Irrfahrt darlegen wie die von einem, der Mühsale auf sich nahm, damit sich die Weissagung für mich ... erwiese".

"aber die Ü. "als eines ...., das.." würde einen Nominativ erfordern."

Wie meinst du das? "als eines, der..." meine ich; wieso Nominativ? Es ist Genitiv-Attribut zu πλάνην; und der Kasus im Relativsatz ist nicht vom übergeordneten Satz bestimmt; "der" ist ja Subjekt im Relativsatz.

"Ich nahm mir also die Werke von ihnen vor, die mir den Anschein machten, für sie am meisten bewirkt zu haben"

Ich würde es lieber passiv verstehen: "die am besten ausgearbeitet erschienen".

"τοιοῦτόν τί μοι ἐφάνησαν πάθος καὶ οἱ ποιηταὶ πεπονθότες"
"Als ein solches Unglück erschienen mir so auch die Dichter, die leidend sind (tot sind?)"; hier musst du wieder das paschein in dem alltäglichen Sinn nehmen: etwas erleben, einen Eindruck/Gefühl bekommen";
"So stand es um die Dichter, erging es den Dichtern, sah es mit den Dichtern aus"; irgendwie so.

Also ich stapfe gleich durch den Schnee, aber dass der Hund Kerberus ist, war mir neu, leuchtet aber ein; was ihr weiter lesen wollt, ist nicht so einfach zu sagen, es kommt darauf an, was ihr für ein Ziel vor Augen habt, ob ihr sprachlich üben wollt, ob ihr Platon näher kennenlernen wollt, ob ihr euch dem Komplex Platon und Platonismus annähern wollt, ob ihr einen Einblick in die Breite der gr. Literatur gewinnen wollt... :)

Es wäre schon jetzt ein Abschluss möglich, man hat ja schon einen Einblick in die Eigenart des So. und in das "Paradox der Weisheit des So."; aber bis ihr was findet, könnt ihr ja ruhig weitermachen.

lgr. P. :)
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Roxane » Fr 30. Jan 2015, 13:53

Hallo Prudentius!

Irrungen, Wirrungen!

Es tut mir leid, dass du dir so viel Mühe machst mit deinen Erklärungen zum Genitiv. Das Ganze ist ein Missverständnis, was sicher an mir liegt, ich hätte einen Satz mehr schreiben sollen. "Ich muss euch mein Umherirren als eines schildern, das gewisse Mühen mit sich brachte" (Ü. Glis) δεῖ δὴ ὑμῖν τὴν ἐμὴν πλάνην ἐπιδεῖξαι ὥσπερ πόνους τινὰς πονοῦντος, kann, darauf wollte ich hinweisen, nicht richtig sein, denn nicht das Umherirren (mein Umherirren als eines [als ein Umherirren]) brachte Mühen mit sich, sondern von dem Umherirren eines, der Mühen auf sich nahm (πονοῦντος), ist die Rede.

Zu deiner Empfehlung: "ich muss euch meine Irrfahrt darlegen wie die von einem, der Mühsale auf sich nahm, damit sich die Weissagung für mich ... erwiese".
Nun, damit rückt der ἵνα-Satz nach hinten und somit weit weg von der Irrfahrt, man könnte auf die Idee kommen, Odysseus hätte Mühen auf sich genommen, damit sich die Weissagung für Sokrates als unwiderleglich erwies.

Wie weiter machen? Na ja, eigentlich wollte ich dich nur fragen, ob dieses Kapitel abgehakt werden kann und wir nun Kapitel 8 in Angriff nehmen können. Und danach folgen ja noch viele weitere Kapitel, ich überlege noch, ob ich sie mir alle vornehmen soll, ich habe ja noch nicht mal die Hälfte.
(Was meinst du, Glis?)

Beste Wochenendgrüße an euch beide! R.
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Roxane » Sa 31. Jan 2015, 19:27

Es gab so viele Anmerkungen zu diesem Kapitel, hier noch einmal der komplette Text:


Danach nun ging ich der Reihe nach vor, auch wenn ich betrübt und besorgt bemerkte, dass ich mich verhasst machte, aber dennoch schien es mir unvermeidlich zu sein, das Wort des Gottes am höchsten zu schätzen – also musste ich, um zu untersuchen, was das Orakel meint, zu all denen gehen, die etwas
[22a] zu wissen schienen. Und ja, beim Kerberos :) , Männer von Athen – ich muss euch gegenüber doch die Wahrheit sagen – in der Tat erlebte ich solches: Diejenigen, die besonders angesehen waren, schienen mir beinahe in höchstem Grad unvollkommen zu sein, wenn ich im Sinne des Gottes nachforschte, andere dagegen, unbedeutendere Männer, schienen tauglicher zu sein, um sich klug zu verhalten. Ich muss euch endlich mein Umherirren, wie (das Umherirren) eines, der manche Mühen auf sich nahm, schildern, (ich wollte), dass sich durch mich die Weissagung ebenfalls als unwiderleglich erwies. Denn nach den Staatsmännern ging ich sowohl zu den Tragödiendichtern als auch zu den [22b] Dithyrambendichtern und den übrigen Dichtern, um mich dort auf frischer Tat dabei zu ertappen, ungebildeter als jene zu sein. Als ich nun diejenigen ihrer Werke in die Hand nahm, von denen ich den Eindruck hatte, dass sie am besten ausgearbeitet waren, befragte ich (sie), was sie (mit ihren Dichtungen) wohl meinten, damit ich zugleich auch etwas aus ihnen lernen könnte. Ich scheue mich nun, meine Männer, die Wahrheit zu sagen; aber dennoch muss (sie) ausgesprochen werden. Um es denn in aller Deutlichkeit zu sagen, fast alle von denen, die anwesend waren, dürften besser als sie selbst über das, (was) diese gedichtet hatten, sprechen. Jedenfalls verstand ich wieder einmal in kurzer Zeit sogar über die Dichter dieses, dass sie das, was sie erschaffen, nicht aufgrund ihrer Weisheit [22c] erschaffen, sondern aufgrund einer gewissen Begabung und Begeisterung, ganz wie die gottbegeisterten Seher und die Weissager; Denn auch diese reden zwar Vieles und Taugliches, wissen aber nichts von dem, (was) sie sagen. So sah es offenbar auch mit den Dichtern aus und so bemerkte ich zugleich, dass sie wegen ihrer Dichtung glaubten, auch in allen übrigen Dingen sehr weise Menschen zu sein, in denen sie es nicht waren. Jedenfalls ging ich auch von dort weg, in dem Glauben, in genau dem Punkt die Oberhand über sie gewonnen zu haben, in dem (ich) auch über die Staatsmänner die Oberhand gewonnen hatte.
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Glis » Di 3. Feb 2015, 13:27

Hallo ihr beiden,
das war ja noch mal ein erhellender Austausch zwischen euch. Den Hinweis auf den Kerberos verdanke ich übrigens dem Gemoll.
Ich war leider das ganze Wochenende über mit den Nachwehen unseres Umzugs beschäftigt (endgültiges Ausräumen der alten Wohnung). Aber jetzt kann es mit Platon weitergehen. Roxane, ich übersetze mal wieder 1, 2 Kapitelchen, dann nehme ich mir dein eingestelltes 8. vor (bin jetzt beim 12. angekommen).
Ich finde, dass die "Apologie" zur Übung hervorragend geeignet ist: wenig neue Vokabeln, ganz im Gegensatz zu Äsop, wo in fast jeder Geschichte viel Spezialwortschatz auftaucht, viele lehrreiche Konditionalgebilde. Und ein Nebenaspekt: Während die "Anabasis" aufgrund der Erzählperspektive die 3. Pers Sing. u. Plur. schulte, ist die "Apologie" gut für die 1. Sg. sowie die 2. Plur.

Beste Grüße an euch!
Gl.
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Re: Apol. Kap. 7

Beitragvon Roxane » Di 3. Feb 2015, 16:54

Hallo Glis!

ein Abgleich der Texte ist zwar immer effektiv, hat aber natürlich Zeit. Übrigens habe ich keineswegs einen Platon - Marathon geplant. Was ich mir rausgesucht habe, wahrscheinlich war es aus irgendeinem Lehrplan, ich weiß nicht mehr, sind die Kapitel bis einschließlich 19 sowie Kap. 32. Wenn ich die geschafft habe, so kann ich es mir ungefähr ausrechnen, kommt der Frühling, der helle Frühling bald...

Ich bin gerade bei Kap. 27 angelangt und habe dazu dieses gefunden:
Sokrates und die Widerlegung des Asebievorwurfs 1
(Plat. apol. 27 b3-28 a2)

Was nach Platon kommt, weiß ich noch nicht so recht, es gibt eine Menge Texte im Internet, sogar mit Vokabelangaben. Da gibt es schon noch etwas, wovon ich meine, dass jemand, der ein bisschen griechisch kann, es einmal im Leben übersetzt haben sollte....

Bis dahin! R.
Roxane
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