Apol. Kap. 8

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Apol. Kap. 8

Beitragvon Roxane » Sa 31. Jan 2015, 19:36

Kap. 8 enthielt, wie ich fand, keine besonderen Schwierigkeiten :-D . Wer Vergnügen daran findet, möge es sich gerne irgendwann mal ansehen.

τελευτῶν οὖν ἐπὶ τοὺς χειροτέχνας ᾖα· ἐμαυτῷ γὰρ [22d] συνῄδη οὐδὲν ἐπισταμένῳ ὡς ἔπος εἰπεῖν, τούτους δέ γ᾽ ᾔδη ὅτι εὑρήσοιμι πολλὰ καὶ καλὰ ἐπισταμένους. καὶ τούτου μὲν οὐκ ἐψεύσθην, ἀλλ᾽ ἠπίσταντο ἃ ἐγὼ οὐκ ἠπιστάμην καί μου ταύτῃ σοφώτεροι ἦσαν. ἀλλ᾽, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, ταὐτόν μοι ἔδοξαν ἔχειν* ἁμάρτημα ὅπερ καὶ οἱ ποιηταὶ καὶ οἱ ἀγαθοὶ δημιουργοί--διὰ τὸ τὴν τέχνην καλῶς ἐξεργάζεσθαι ἕκαστος ἠξίου καὶ τἆλλα τὰ μέγιστα** σοφώτατος εἶναι--καὶ αὐτῶν αὕτη ἡ πλημμέλεια ἐκείνην τὴν σοφίαν [22e] ἀποκρύπτειν·

* βλάβην ἔχειν, = βλαφϑῆναι, Soph. Ai. 1304; – βοὴν ἔχειν, ertönen, Il. 18, 495, wie καναχὴν ἔχειν, Getöse machen, 16, 105 u. oft;.. διάνοιαν ἔχειν, = διανοέομαι, Plat. Legg. VIII, 828 d; – δίκην ἔχει, = δίκαιόν ἐστι, Plat. Rep. VII, 520 b;
**die wichtigsten Dinge menschlicher Existenz: Religion, Moral, Ethik und Erziehung (καλὸν κἀγαθὸν)

Schließlich ging ich nun zu den Künstlern; Von mir selbst [22d] wusste ich ja, dass ich mich auf fast nichts verstand, aber (ich wusste) auch (ᾔδη = außerdem noch), dass ich welche finden würde, die Vieles und Schönes wissen. Und darin täuschte ich mich nicht, nein, sie wussten, was ich nicht wusste und waren insofern weiser als ich. Aber, Männer von Athen, denselben Fehler wie die Dichter schienen mir auch die tüchtigen Meister zu machen - ein jeder glaubte, da er sein Handwerk gut verrichtete, auch in den übrigen besonders bedeutenden Dingen sehr weise zu sein – und dieser Fehlschluss ihrerseits ließ jene Weisheit (22e) schwer erkennen:

ὥστε με ἐμαυτὸν ἀνερωτᾶν ὑπὲρ τοῦ χρησμοῦ πότερα δεξαίμην ἂν οὕτως ὥσπερ ἔχω ἔχειν, μήτε τι σοφὸς ὢν τὴν ἐκείνων σοφίαν μήτε ἀμαθὴς τὴν ἀμαθίαν, ἢ ἀμφότερα ἃ ἐκεῖνοι ἔχουσιν ἔχειν. ἀπεκρινάμην οὖν ἐμαυτῷ καὶ τῷ χρησμῷ ὅτι μοι λυσιτελοῖ ὥσπερ ἔχω ἔχειν. ἐκ ταυτησὶ (= ταύτης) δὴ τῆς ἐξετάσεως, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, [23a] πολλαὶ μὲν ἀπέχθειαί μοι γεγόνασι,...

Daher befragte ich mich selbst anstelle (ὑπὲρ) des Orakels, ob ich es wohl vorziehen würde, so zu sein wie ich bin, einer der weder von der Weisheit jener etwas verstand (wörtl.: weise war in der Weisheit jener) noch einer, der von der Unwissenheit jener nichts wusste (unwissend in der Unwissenheit jener) oder in beidem so zu sein wie jene. Jedenfalls antwortete ich mir selbst und dem Orakel, dass es mir nützlicher sei, so zu sein wie ich bin. Aufgrund dieser Befragung/ Untersuchung, Männer von Athen, sind mir (nunmehr) [23a] viele Feindschaften erwachsen,...
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Re: Apol. Kap. 8

Beitragvon Prudentius » Mi 4. Feb 2015, 10:53

Hallo Roxane und Glis,

ihr macht ja schon die Sache prima, ich lasse euch jetzt frei laufen :-D und halte mich mehr im Hintergrund und helfe bei Schwierigkeiten, weiß aber auch nicht auf alle Fregen eine Antwort.

Noch ein paar Anmerkungen: "(ᾔδη = außerdem noch)". beachte das Jota subscriptum, es ist Verbform, ungefähr = συνῄδη gerade davor!

"die Vieles und Schönes wissen": die viel Schönes wissen; wir gebrauchen hier kein "und", weil die beiden Glieder ganz unterschiedlich sind: eine Mengenangabe und eine Qualität; l. ebenfalls: "multa et bona" viel Gutes.

lgr. P. :)
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Re: Apol. Kap. 8

Beitragvon Roxane » Mi 4. Feb 2015, 15:13

Hallo Prudentius!

Danke vielmals für diese Hinweise! Da hast du mal wieder was entdeckt, worauf ich von selbst gar nicht gekommen wäre.

ἐμαυτῷ γὰρ [22d] συνῄδη οὐδὲν ἐπισταμένῳ ὡς ἔπος εἰπεῖν, τούτους (Akk. graec.) δέ γ᾽ᾔδη (οἶδα) ὅτι εὑρήσοιμι (+ prädikativ gebrauchtes Partizip) πολλὰ καὶ καλὰ ἐπισταμένους.

Von mir selbst wusste ich ja, dass ich mich auf fast nichts verstand, aber was sie betraf (τούτους), wusste ich (wenigstens), (wörtlich:) dass ich feststellen würde, dass sie viel Schönes wissen.

Dass bei der Ü. von πολλὰ καὶ καλὰ kein "und" notwendig ist, muss ich mir mal merken, zumal in meiner Grammatik nicht darauf hingewiesen wird.


".. halte mich mehr im Hintergrund..": Wir freuen uns immer, wenn du auftauchst, Prudentius!
".. weiß aber auch nicht auf alle Fregen eine Antwort..": Wenn du dich da man nicht gewaltig täuschst..

Noch πολλὰ καὶ καλὰ für diesen Tag! R.
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Re: Apol. Kap. 8

Beitragvon Glis » Mo 2. Mär 2015, 00:38

Hallo Roxane und Prudentius,

etwas verspätet endlich auch meine Rückmeldung zu diesem Kapitel.
Meine Fragen:
1. καὶ αὐτῶν αὕτη ἡ πλημμέλεια ἐκείνην τὴν σοφίαν [22e] ἀποκρύπτειν·
Wie ist der Infinitiv ἀποκρύπτειν hier eurer Meinung nach zu verstehen? Ich sehe nicht, wovon er abhängen sollte, steht er also "für sich"?
2. πότερα δεξαίμην ἂν οὕτως ὥσπερ ἔχω ἔχειν
Das ἔχω ἔχειν verstehe ich wörtlich als "ich kann haben". Wie erklärt sich dein "so zu sein wie ich bin", Roxane?
Eine Anmerkung:
3.ὥστε με ἐμαυτὸν ἀνερωτᾶν ὑπὲρ τοῦ χρησμοῦ πότερα δεξαίμην ἂν οὕτως ὥσπερ ἔχω ἔχειν, ...
ὥστε + Inf. beschreibt im Konsekutivsatz eine Möglichkeit oder Absicht. Falls das bei einleitender Stellung im Hauptsatz auch der Fall ist, könnte man so übersetzen: Daher könnte ich mich selbst anstelle des Orakels fragen ...

Viele Grüße an euch!
Gl.
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Re: Apol. Kap. 8

Beitragvon Roxane » Mo 2. Mär 2015, 10:42

Hallo Glis!
Du bist sehr gründlich und hast mindestens noch einen Fehler entdeckt.

1. Der Infinitiv ἀποκρύπτειν hängt noch an dem μοι ἔδοξαν, es müsste heißen: ...schien mir jene Weisheit zu verbergen.
2. siehe Langenscheidt s. 207 oben ἔχω = sein, daher οὕτως ἔχειν = so zu sein, ὥσπερ ἔχω = wie ich bin
3. Unsere Grammatik liefert leider nur dieses Beispiel zu ὥστε + Inf.:„Sappho sang so schön, dass niemand sie übertreffen konnte“.Unser Satz müsste dann lauten „Daher konnte ich mich selbst fragen“. Kühner widmet dem ὥστε + Inf. gleich zwei Seiten, ich hatte mir § 548e) notiert und würde lieber bei dem "Daher fragte ich mich selbst" bleiben.

Kühner: § 584e) "Hieran reiht sich der Gebrauch des ὥστε c. inf. von einer Folge, die zugleich als Bedingung des im Hauptsatze Ausgesagten (unter der Bedingung, dass, mit der Bestimmung, dass oder vorausgesetzt, dass, ita od. ea conditione, ut) bezeichnet werden soll." Was meinst du, Prudentius?
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Re: Apol. Kap. 8

Beitragvon Prudentius » Mo 2. Mär 2015, 11:00

Hallo allerseits,

1.
"Wie ist der Infinitiv ἀποκρύπτειν hier eurer Meinung nach zu verstehen?"

Er hängt etwas an der langen Leine :-D , an dem ταὐτόν μοι ἔδοξαν": Sie schienen mir denselben Fehler zu machen..., und dass dieser ihr Fehler jene Weisheit verdunkle"; im D. kommen wir in Schwierigkeiten, weil dieser Infinitiv ein anderes Subjekt hat, πλημμέλεια; das müssen wir irgendwie hinbiegen.

2.
"Das ἔχω ἔχειν verstehe ich wörtlich als "ich kann haben""
Das würde naheliegen, aber hier rechnest dun nicht mit dem Wortjongleur Platon :-D , die Wörter stehen nebeneinander, sind aber nicht aufeinander bezogen, sie stehen in unterschiedlichen Sätzen: das ἔχω steht in dem Vergleichssatz ὥσπερ ἔχω als Prädikat, und das ἔχειν ist Inf. nach δεξαίμην: "ob ich es vorziehen sollte, mich so zu verhalten, wie ich es tue (mich verhalte)".

3.
"ὥστε + Inf. beschreibt im Konsekutivsatz eine Möglichkeit oder Absicht"; das brauchst du nicht als Übersetzungsanleitung zu verstehen! Nimm den Ind.!
"ὑπὲρ τοῦ χρησμοῦ": wegen des Orakels; oder auch: betreffs, hinsichtlich, bezüglich,
"Daher frage ich mich wegen des Orakels, ob ich so bleiben soll, wie ich bin", ungefähr,

lgr. P.
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Re: Apol. Kap. 8

Beitragvon Glis » Mo 2. Mär 2015, 21:27

Danke euch, ich sehe klarer!
Werde mich nun erst mal durch ein paar weitere Platon-Kapitel wühlen und dann entscheiden, wo der größte Nachhakbedarf besteht.
Tschühüs!
Gl.
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