Paus. 1.22.4,5

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Paus. 1.22.4,5

Beitragvon Roxane » Do 5. Feb 2015, 11:07

Hallo Prudentius und alle anderen netten Helfer in diesem Forum!

Vor einem halben Jahr etwa habe ich mich an ein paar kurzen Pausaniastexten versucht. Nun kam mir in den Sinn, diese zu wiederholen, zumal ich bei Platon einen kleinen Vorsprung habe. Falls du (oder wer auch immer) also noch Geduld und Zeit für eine Durchsicht haben solltest, würde ich mich freuen.
Das Einzige, was mir nicht so ganz klar ist, ist das παρέχεται. Meine Tempusfragen zu Kap. 5 habe ich mit Hilfe von Kühner klären können, ich stelle es trotzdem ein, vielleicht hat jemand Spaß daran und kann davon profitieren..


Akropolis: Theseus und Aigeus

[4] ἐς δὲ τὴν ἀκρόπολίν ἐστιν ἔσοδος μία· ἑτέραν δὲ οὐ παρέχεται*, πᾶσα** ἀπότομος οὖσα καὶ τεῖχος ἔχουσα ἐχυρόν. τὰ δὲ προπύλαια λίθου λευκοῦ τὴν ὀροφὴν ἔχει καὶ κόσμῳ (Bauart) καὶ μεγέθει (Größe, Höhe) τῶν λίθων (Marmor, Stein) μέχρι γε καὶ ἐμοῦ προεῖχε (hervorragen). τὰς μὲν οὖν εἰκόνας τῶν ἱππέων οὐκ ἔχω σαφῶς εἰπεῖν, εἴτε οἱ παῖδές εἰσιν οἱ Ξενοφῶντος εἴτε ἄλλως (nur so) <ἐς> εὐπρέπειαν*** πεποιημέναι· τῶν δὲ προπυλαίων ἐν δεξιᾷ Νίκης ἐστὶν Ἀπτέρου ναός. ἐντεῦθεν ἡ θάλασσά ἐστι σύνοπτος, καὶ ταύτῃ (Adv.: da, hier, dort) ῥίψας Αἰγεὺς ἑαυτὸν ὡς λέγουσιν ἐτελεύτησεν.

*hier hätte ich ein παρέχει erwartet, "sie gewährt keinen anderen Zugang"; παρέχεται (wörtlich.) "sie gewährt für sich keinen anderen Zugang", (frei:) "einen anderen Zugang zu sich gewährt sie nicht". Richtig?
dazu Kühner: Die reflexive Beziehung der Medialform auf das Subjekt ist oft so schwach, dass sie für unsere Anschauungsweise fast gänzlich verschwindet. So enthält sie zuweilen nur eine leise Andeutung, dass die Handlung zum Vorteile oder Nachteile des Subjektes vollzogen werde, als: Ο, 409 οὔτε ποτὲ Τρῶες Δαναῶν ἐδύναντο φάλαγγας ῥηξάμενοι (in suum commodum) κλισίῃσι μιγήμεναι. S. Tr. 681 ἐγὼ γάρ, ὧν ὁ θήρ με Κένταυρος . . προὐδιδάξατο, | παρῆκα θεσμῶν οὐδέν “für seine Zwecke”
**πᾶσα ἀληϑείη, ganze, volle, lautere Wahrheit, Il. 24, 407 Od. 11, 507; πᾶσα ὕλη, Hes. O. 510, vgl. Th. 695. 847. 973; πᾶν δεῖμα, ganz Schreckniß, ἡ πᾶσα βλάβη, ganz Unheil, Soph. Phil. 623. 927 El. 301; auch im plur., πᾶσαι πύλαι, das ganze Thor, Il. 2, 809; πάντες ὅσοι, alle welche, Hom. u. Folgde überall
***πρέπω: hervorleuchten, glänzen (εὐπρέπεια steht nicht im Lexikon)

[4] Zur Akropolis gibt es nur einen Zugang; einen anderen (Zugang zu sich) gewährt sie nicht, denn sie ist überall abschüssig und hat eine starke Mauer. Die Toranlage hat ein Dach aus weißem Marmor und ist hinsichtlich Bauart und Größe der Steine sogar bis in meine Zeit unübertroffen. Was nun die Reiterstatuen betrifft, kann ich nicht genau sagen, ob es die Söhne Xenophons sind oder ob sie nur so zum Schmuck gefertigt worden sind. Zur Rechten der Toranlage befindet sich ein Tempel der Nike Apteros. Von dort ist das Meer sichtbar und an dieser Stelle stürzte sich der Legende nach Aigeus hinab und starb.

[5] ἀνήγετο μὲν γὰρ ἡ ναῦς μέλασιν ἱστίοις ἡ τοὺς παῖδας φέρουσα ἐς Κρήτην, Θησεὺς δὲ—ἔπλε γὰρ τόλμης τι ἔχων ἐς τὸν Μίνω καλούμενον ταῦρον—πρὸς τὸν πατέρα προεῖπε* χρήσεσθαι τοῖς ἱστίοις λευκοῖς, ἢν ὀπίσω πλέῃ τοῦ ταύρου κρατήσας· τούτων λήθην ἔσχεν Ἀριάδνην ἀφῃρημένος**· ἐνταῦθα Αἰγεὺς ὡς εἶδεν ἱστίοις μέλασι τὴν ναῦν κομιζομένην, οἷα (Adv.: wie; beim Part.: da ja, weil ja) τὸν παῖδα τεθνάναι δοκῶν, ἀφεὶς αὑτὸν διαφθείρεται· καί (und nun) οἱ (Dat. §18) παρὰ Ἀθηναίοις ἐστὶ καλούμενον ἡρῷον Αἰγέως.

*Aorist, Kühner: Steht der Aorist im Hauptsatze, so kann man gleichfalls nur aus dem Zusammenhange ersehen, ob die durch ihn ausgedrückte Handlung einer anderen Handlung der Vergangenheit vorausgegangen sei oder nicht. A. 3.1.4 οὐ στρατιώτης ὢν συνηκολούθει (Ξενοφῶν), ἀλλὰ Πρόξενος αὐτὸν μετεπέμψατο kann heissen “hatte ihn kommen lassen” oder “liess ihn kommen”

Zeitliche Abfolge:
Theseus sagt dem Vater, er wolle bei seiner Rückkehr weiße Segel setzen, falls..
Theseus segelt ab nach Kreta, und zwar mit außerordentlicher Kühnheit

**§ 84.4: Das Partizip Perfekt drückt die Fortdauer eines Zustandes aus, der sich aus einem abgeschlossenen Vorgang ergeben hat und kennzeichnet dabei sowohl Gleichzeitigkeit wie auch Vorzeitigkeit; τετελευτηκότα: wenn er gestorben ist = wenn er tot ist

[5] Es segelte nämlich das Schiff, das seine Söhne nach Kreta brachte, mit schwarzen Segeln ab. Theseus – er segelte ja mit außerordentlicher Kühnheit zum Stier, den man Minos nannte – hatte gegenüber dem Vater ausdrücklich gesagt, weiße Segel zu setzen, wenn er als Sieger über den Stier zurück kommen sollte. Das vergaß er (wörtlich: darüber erlitt er ein Vergessen), weil Ariadne nicht mehr da war (/weil ihm Ariadne genommen worden war). Als Aigeus nun sah, dass das Schiff mit schwarzen Segeln zurückkehrte, vergoss er, da er ja glaubte, sein Sohn sei gestorben, Tränen um ihn und nahm sich das Leben. Und nun gibt es zu seinen Ehren in der Nähe von Athen den sogenannten Heroentempel des Aigeus.

Schöne Grüße! R.
Roxane
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Re: Paus. 1.22.4,5

Beitragvon Prudentius » So 8. Feb 2015, 20:04

Hallo Roxane,

"*hier hätte ich ein παρέχει erwartet", Med. ist hier gleich Aktiv, wie oft; (frei:) "einen anderen Zugang zu sich gewährt sie nicht". Richtig? Noch freier: "einen anderen Zugang gibt es nicht": "Zugang zu sich" ist hölzern.

"Nike Apteros", die ungeflügelte; die Flügel sind ihr wohl erst später angewachsen, unter orientalischem Einfluss?

"Stier, den man Minos nannte": nein, Minos hieß der König und Vater; es ist Gen.; also "Stier des Minos" oder "Minotaurus".

"vergoss er, ..., Tränen": wo hast du die Tränen her? :-D ἀφεὶς αὑτὸν er ließ sich fallen;

"Und nun": auch jetzt noch; "in der Nähe von Athen": bei den Athenern!

Pausanias habe ich noch nicht in der Hand gehabt,

lgr. P. :)
Prudentius
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Re: Paus. 1.22.4,5

Beitragvon Roxane » Mo 9. Feb 2015, 12:15

Hallo Prudentius!

Es ist immer wieder verführerisch, hier meine Übersetzungsversuche einzustellen: Bekomme ich doch regelmäßig erstklassige Korrekturen (genauso muss man das nennen!) geliefert :-D. Diesmal muss ich mich doppelt bedanken, zumal du diesen Pausaniastext gar nicht kanntest. So nützlich deine Anmerkungen sind, Prudentius, ich gehe keineswegs wie selbstverständlich davon aus, dass du dich wieder und wieder meinen Ü. widmest. Alle Unterstützung hier im Forum ist freiwillig und kostet Zeit, ignorier mich also ruhig auch einmal, wenn es zu viel wird...

Aber nun zu deinen Anmerkungen (und schon wieder sind Fragen dabei):

[5] ἐς τὸν Μίνω καλούμενον ταῦρον: Das καλούμενον steht zwischen τὸν Μίνω und ταῦρον. Heißt es nicht wörtlich "zum Sohn des Minos, einem sog. Stier"?

ἀφεὶς αὑτὸν διαφθείρεται: Die Tränen fand ich bei Langenscheidt: "(Tränen) vergießen". "Fallen lassen" steht dort natürlich auch und ist sicher genau das, was gemeint ist. Weißt du, warum P. nicht das Partizip der Medialform ἥσομαι (Langensch. S. 467) für "sich fallen lassen" benutzt?

παρὰ Ἀθηναίοις: o ja, ich sehe, "bei den Athenern" ist richtig.
Aigeus soll sich ja am Kap Sunion ins ("Ägäische") Meer gestürzt haben, aber ob dort oder anderswo sein Heldendenkmal errichtet wurde, erfahren wir nicht. Andere Heldendenkmäler gab es ".. außerhalb von Athen, an der Straße nach Daphnis..... für Peirithoos, für Theseus, Oidipus und Adrastos." (P. 1.30.4)

Nun noch zwei Dinge für alle Mitleser:
Die Geschichte habe ich inzwischen in einem Buch über griechische Sagen nachgelesen. Die παῖδας am Anfang von Kap. 5 (ἡ ναῦς μέλασιν ἱστίοις ἡ τοὺς παῖδας φέρουσα) sind die sieben Jünglinge und sieben Jungfrauen, die Athen als Tribut an Kreta zu zahlen hatte, so dass es heißen muss "..die Kinder/ jungen Leute ..."

Den Pausaniastext findet ihr hier:
http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=& ... 4276,d.ZGU

Helau, Alaaf, Ski heil, was auch immer! R.
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