Plutarch: Demosthenes - Cicero

Für alle Fragen rund um Griechisch in der Schule und im Alltag

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Re: Plutarch: Demosthenes - Cicero

Beitragvon Glis » Mi 4. Mär 2015, 11:46

Sehr interessant, das mit dem dorischen Chor. Gibt es dafür eine Erklärung? Etwa dass diese Darbietungsform aus dorischen Gebieten stammt? Die Spartaner galten, soweit ich weiß, ja eher als Kunstbanausen. Aber es gab ja noch andere dorisch sprechende Poleis.
Benutzeravatar
Glis
Consul
 
Beiträge: 298
Registriert: Sa 22. Dez 2012, 00:22
Wohnort: Nida

Re: Plutarch: Demosthenes - Cicero

Beitragvon Roxane » Mi 4. Mär 2015, 15:27

Lasst mich doch noch mal, weil es gerade so schön ist, zu dem Satz zurück kommen. Dass wir es bei σύνταξιν und ἱστορίαν mit einem Hendiadyoin zu tun haben, habe ich verstanden, ebenso, dass es sich bei ἀποδιδοίη um einen Opt. Obl.* handelt. Ferner liegt es nahe, dass πόλιν das Subjekt des AcI ist. Nun noch eine letzte Frage an den Germanisten oder unsere Experten: Sind eigentlich Konjunktiv und Indikativ im Dt. so richtig "..es wäre nötig, dass eine Stadt bereit stünde, die .. liebt und .. ist, so dass er das Werk zurück geben könnte, weil er Bücher hätte"...?

Τῷ μέντοι σύνταξιν ὑποβεβλημένῳ καὶ ἱστορίαν...τῷ ὄντι χρῆν πρῶτον ὑπάρχειν καὶ μάλιστα (Adv.) „τὰν πόλιν εὐδόκιμον“ καὶ φιλόκαλον καὶ πολυάνθρωπον, ὡς
βιβλίων τε παντοδαπῶν ἀφθονίαν ἔχων,...
...ἀποδιδοίη (zurückgeben, überlassen) τὸ ἔργον.

*Fällt aber die Oratio obliqua in die Vergangenheit, ist sie also von einem historischen Tempus abhängig, so kann in den Nebensätzen statt des Indikativs eines Haupttempus und statt des Konjunktivs der Optativ (ohne ἄν) eintreten

Für einen, der allerdings eine historische Abhandlung in Angriff genommen hat wäre es in der Tat nötig, dass zuerst ganz besonders „die in gutem Ruf stehende Stadt“ zu seinem Dienst bereit stünde, eine, die das Schöne liebt und die dichtbevölkert ist, so dass er,
weil er eine Menge Bücher und Verschiedenes hätte,...
...das Werk zurückgeben/ schreiben könnte.

:stretch: Ῥωξάνη
Roxane
Censor
 
Beiträge: 690
Registriert: Fr 4. Jan 2013, 14:27

Re: Plutarch: Demosthenes - Cicero

Beitragvon consus » Mi 4. Mär 2015, 17:02

Κῶνσος Ῥωξάνῃ χαίρειν.

Der Nachvollziehbarkeit wegen präsentiere ich hier eine leicht kommentierte Übersetzung (wieder ein wenig à la Schleiermacher, für den ich ein gewisses Faible habe :lol: ):

Dem allerdings grundsätzlich eine historische Darstellung in Angriff genommen Habenden,
die sich aus nicht zur Hand seiendem und heimischem, sondern aus vielem fremden und bei anderen zerstreuten Lesematerial speist (P. spricht die problematische Quellenlage an),
wäre es in der Tat nötig, dass zuerst ihm zu Gebote stünde ganz besonders „die in gutem Rufe stehende Stadt“ und die das Schöne liebende und die an Menschen reiche (weitere Eigenschaften der Stadt),
damit er (Finalsatz!),
an mannigfachen Büchern Überfluss habend (er ist ja in einer das Schöne liebenden Kulturstadt mit Bibliotheken)
und
alles, was zwar den Schreibenden entgangen ist, aber dank der bewahrenden Hilfe des Gedächtnisses recht einleuchtende (modifizierender Komparativ) Zuverlässigkeit erlangt hat, durch Zuhören aufnehmend und durchforschend (er ist in einer menschenreichen Stadt, die viele Gespräche mit Zeitzeugen u.a. ermöglicht),
das Werk, an nichts Notwendigem Mangel leidend, abbliefern ('edieren') könne.

So, jetzt muss nur noch gut lesbares Deutsch daraus werden…

Ἔρρωσο.

:stretch:
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Plutarch: Demosthenes - Cicero

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 4. Mär 2015, 20:36

Ich finde solche wörtliche Übersetzungen immer ganz lehrreich, Conse, weil sie das Griechische irgendwie gedanklich in unsere Sprache transportieren...Danke dafür! :-D
Medicus domesticus
Dominus
 
Beiträge: 7238
Registriert: Di 9. Dez 2008, 11:07

Re: Plutarch: Demosthenes - Cicero

Beitragvon consus » Mi 4. Mär 2015, 23:23

Medicus domesticus hat geschrieben:Ich finde solche wörtliche Übersetzungen immer ganz lehrreich...
Schön, dass wir an einem Strang ziehen! Gruß, c.
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Plutarch: Demosthenes - Cicero

Beitragvon Prudentius » Do 5. Mär 2015, 11:12

Ich komme also mal mit dem Rasenmäher, um von dem wortwörtlichen weg- und zu einer lesbaren Übersetzung zu gelangen:

"Wer ein gründlich recherchiertes Geschichtswerk schreiben will, der braucht eine größere, bildungsfreudige Stadt mit Zugang zum Quellenmaterial, so dass er durch gewissenhaftes Nachforschen ein untadeliges Werk herausbringen kann" (wenn es ungenau ist, liegt es am Rasenmäher :-D ).

"ἀποδιδοίη (zurückgeben, überlassen) τὸ ἔργον": ich meine, das heißt hier wie das l. Gegenstück reddere "machen (zu)", mit Prädikativum, "das Werk untadelig machen, ein untadeliges Werk hervorbringen, schaffen.

Irgenwie steht das berühmte Methodenkapitel des Thukydides(1:22) im Hintergrund.

Die Dorer, also die Spartaner mit ihren Bündnern, betrieben Agrarwirtschaft, da bleibt nicht viel Zeit für Bildung und das Musische; und doch entwickelte sich bei ihnen die Chorlyrik, und es gibt einen ganz großen Namen, Pindar, er schrieb Preislieder für die Sieger bei den panhellenischen Spielen.

Man kann Dorer und Jonier ganz anschaulich gegenüberstellen, an den Säulen und Kapitellen: die dorische Säule ist statisch und majestätisch, lastet auf dem Boden; die jonische wirkt dynamisch und beschwingt, sie hat Voluten.

lgr. P. :)
Prudentius
Senator
 
Beiträge: 3577
Registriert: Di 24. Mai 2011, 17:01

Re: Plutarch: Demosthenes - Cicero

Beitragvon Glis » Do 5. Mär 2015, 18:19

Angesichts des Erkenntnisgewinns aus der hier geführten Debatte bedaure ich es doch sehr, mich in der Woche nicht 50, sondern höchstens 5 Stunden mit der griechischen Sprache beschäftigen zu können.
Benutzeravatar
Glis
Consul
 
Beiträge: 298
Registriert: Sa 22. Dez 2012, 00:22
Wohnort: Nida

Re: Plutarch: Demosthenes - Cicero

Beitragvon Roxane » Do 5. Mär 2015, 22:00

Da kann ich mich nur anschließen, Glis! Ist es dir auch schon passiert, dass du über einem Griechischsatz das Essen vergessen hast?

Consus, deine Ü. mit den vielen Partizipien ist gut nachvollziehbar, ich danke dir für deine Mühe! Erstaunlich, was Schleiermacher alles übersetzt hat, er war doch Pfarrer, so lese ich.
Prudentius, nun kommst du mit deinem Rasenmäher und gibst das χρῆν im Indikativ wieder. Interessant! Dazu muss ich unbedingt noch den Kühner heranziehen.

Nun der Text, die Partizipien sind hoffentlich richtig aufgelöst.

Dem, der grundsätzlich eine historische Darstellung in Angriff genommen hat, die sich aus Lesematerial speist, das nicht zur Hand/ wertlos ist und heimisch, sondern aus vielem fremden und bei anderen zerstreuten Lesematerial, wäre es in der Tat nötig, dass zuerst ihm zu Gebote stünde ganz besonders „die in gutem Rufe stehende Stadt“, die das Schöne liebte und die an Menschen reich wäre, damit er, weil er an mannigfachen Büchern Überfluss hätte und alles, was zwar den Schreibenden entgangen wäre, aber dank der bewahrenden Hilfe des Gedächtnisses recht einleuchtende Zuverlässigkeit erlangt hätte, die er durch Zuhören aufnähme und durchforschte, das Werk, das an nichts Notwendigem Mangel litte, abbliefern könnte.

:stretch: Ῥωξάνη
Roxane
Censor
 
Beiträge: 690
Registriert: Fr 4. Jan 2013, 14:27

Re: Plutarch: Demosthenes - Cicero

Beitragvon Glis » Do 5. Mär 2015, 23:31

Drastischer, Roxane: Griechischsätze sind mein Essen. (Dies äußere ich hier, knapp aufblickend vom freitagabendlichen Kauverzehr des Abschn. 27 d, Pl. Ap.)
Gute Nacht!
Benutzeravatar
Glis
Consul
 
Beiträge: 298
Registriert: Sa 22. Dez 2012, 00:22
Wohnort: Nida

Vorherige

Zurück zu Griechischforum



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 6 Gäste