Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Für alle Fragen rund um Griechisch in der Schule und im Alltag

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Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Roxane » Di 21. Apr 2015, 10:35

Hallo Prudentius!

Hier nun der nächste Abschnitt. Vorsichtshalber habe ich ihn noch einmal gründlich durchgesehen. Es hat sich gelohnt, den ein oder anderen Patzer konnte ich noch herausfischen. Du wirst sicher noch mehr finden.
Damit du nicht über das lange Kapitel erschrickst, habe ich es in kleinere Portionen aufgeteilt.



πρὸς δὲ τούτοις οἱ νέοι μοι ἐπακολουθοῦντες--οἷς μάλιστα σχολή ἐστιν, οἱ τῶν πλουσιωτάτων--αὐτόματοι, χαίρουσιν ἀκούοντες* ἐξεταζομένων τῶν ἀνθρώπων, καὶ αὐτοὶ πολλάκις ἐμὲ μιμοῦνται, εἶτα ἐπιχειροῦσιν** ἄλλους ἐξετάζειν· κἄπειτα οἶμαι εὑρίσκουσι πολλὴν ἀφθονίαν οἰομένων μὲν εἰδέναι τι ἀνθρώπων, εἰδότων δὲ ὀλίγα ἢ οὐδέν. ἐντεῦθεν οὖν οἱ ὑπ᾽ αὐτῶν ἐξεταζόμενοι ἐμοὶ ὀργίζονται, οὐχ αὑτοῖς,

*Pape: χαίρω "...C. partic., χαίρω ἀκούσας, ich freue mich zu hören, höre gern..."
**Pape: ἐπιχειρέω, Handanlegen, δείπνῳ, σίτῳ, zugreifen, zulangen .. 1) feindlich, angreifen, anfallen,..
ἐπιχείρησις, ἡ , das Unternehmen, Beginnen,..

Außerdem hören die jungen Männer, die sich mir freiwillig anschließen – (diejenigen), die die meiste Zeit haben, (nämlich) die (Söhne) der reichsten (Leute) - gern zu, wenn die Menschen untersucht werden, oft ahmen sie mich auch nach, so dass (εἶτα, logische Folge: und so) sie beginnen, andere zu untersuchen. Und dabei (wörtl.: demnach), denke ich, finden sie sehr viele Menschen, die zwar etwas zu wissen meinen, aber so gut wie gar nichts wissen. Deshalb erzürnen sich die von ihnen Untersuchten nun über mich, nicht über sie,

[23d] καὶ λέγουσιν ὡς Σωκράτης τίς ἐστι μιαρώτατος καὶ διαφθείρει τοὺς νέους· καὶ ἐπειδάν τις αὐτοὺς ἐρωτᾷ ὅτι (ὅ τι) ποιῶν καὶ ὅτι (ὅ τι) διδάσκων, ἔχουσι (+ Inf. = können) μὲν οὐδὲν εἰπεῖν ἀλλ᾽ ἀγνοοῦσιν, ἵνα δὲ μὴ δοκῶσιν ἀπορεῖν, τὰ κατὰ πάντων τῶν φιλοσοφούντων πρόχειρα ταῦτα λέγουσιν, ὅτι “τὰ μετέωρα καὶ τὰ ὑπὸ γῆς” καὶ “θεοὺς μὴ νομίζειν” καὶ “τὸν ἥττω λόγον κρείττω ποιεῖν”. τὰ γὰρ ἀληθῆ οἴομαι οὐκ ἂν ἐθέλοιεν λέγειν, ὅτι (Orat. Obl., ὅτι + Inf.) κατάδηλοι γίγνονται προσποιούμενοι μὲν εἰδέναι, εἰδότες δὲ οὐδέν. ἅτε οὖν οἶμαι φιλότιμοι

und sagen: “Sokrates ist einer, der besonders gottlos ist und die jungen Männer verdirbt”. Und wenn einer sie fragt, was ich mache und was ich lehre, können sie nichts nennen und wissen (es) nicht, aber um nicht den Eindruck zu erwecken, ratlos zu sein, nennen sie das, (was) sie gegen alle, die die Weisheit lieben, zur Hand haben (wört.: was .. zur Hand ist), dass "ich die Erscheinungen oben am Himmel und die Erscheinungen unter der Erde (untersuche)” und dass "ich nicht an die Götter glaube” und dass "ich das schwächere zum stärkeren Argument mache”. Denn die Wahrheit, denke ich, möchten sie nicht sagen, weil offensichtlich würde (wörtl.: sie sichtbar würden als..), dass sie sich zwar anmaßen, (etwas) zu wissen, aber nichts wissen. Weil sie nun, denke ich, ehrgeizig

[23e] ὄντες καὶ σφοδροὶ καὶ πολλοί, καὶ συντεταμένως καὶ πιθανῶς λέγοντες περὶ ἐμοῦ, ἐμπεπλήκασιν ὑμῶν τὰ ὦτα καὶ πάλαι καὶ σφοδρῶς διαβάλλοντες. ἐκ τούτων καὶ Μέλητός μοι ἐπέθετο (ἐπιτίθημι*) καὶ Ἄνυτος καὶ Λύκων, Μέλητος μὲν ὑπὲρ τῶν ποιητῶν ἀχθόμενος, Ἄνυτος δὲ ὑπὲρ τῶν δημιουργῶν καὶ

*mp + Dat.: angreifen
** ὑπέρ: anstelle; Pape: ὑπέρ τινος. sich in Jemandes Namen ärgern, Ar. Lys. 10; Plat. Apol. 23 e;

sind und entschlossen und viele, die über mich eifrig (wörtl.: angestrengt) und überzeugend reden, haben sie euch schon lange und heftig mit ihren Beschimpfungen (διαβάλλοντες) in den Ohren gelegen (wörtl.: die Ohren vollgeblasen). Aufgrund dessen haben mich Meletos, Anytos und Lykon angegriffen; Meletos ärgert sich im Namen der Dichter, Anytos im Namen der Handwerker und

[24a] τῶν πολιτικῶν, Λύκων δὲ ὑπὲρ τῶν ῥητόρων· ὥστε, ὅπερ (welches gerade) ἀρχόμενος ἐγὼ ἔλεγον, θαυμάζοιμ᾽ ἂν εἰ οἷός τ᾽ εἴην ἐγὼ ὑμῶν ταύτην τὴν διαβολὴν ἐξελέσθαι ἐν οὕτως ὀλίγῳ χρόνῳ οὕτω πολλὴν γεγονυῖαν. ταῦτ᾽* ἔστιν ὑμῖν, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, τἀληθῆ, καὶ ὑμᾶς οὔτε μέγα οὔτε μικρὸν ἀποκρυψάμενος ἐγὼ λέγω οὐδ᾽ ὑποστειλάμενος. καίτοι οἶδα σχεδὸν ὅτι αὐτοῖς τούτοις ἀπεχθάνομαι, ὃ καὶ τεκμήριον <ἐστιν> ὅτι ἀληθῆ λέγω καὶ ὅτι αὕτη ἐστὶν ἡ διαβολὴ ἡ ἐμὴ καὶ τὰ αἴτια

* Pape: "..e) in der Antwort ist τοῦτο, ταῦτα, sc. ἔστι, dies ist so, so viel, wie ja,.."

Staatsmänner und Lykon im Namen der Redner; Es würde mich daher, wie ich ja zu Beginn (wörtl.: als ich anfing) sagte, wundern, wenn ich imstande wäre, (diese) eure in so kurzer Zeit so groß gewordene üble Nachrede auszuräumen (/wörtl.: zu beseitigen). Da (wörtl.: dies ist..) habt ihr die Wahrheit (wörtl.: Wahres), Männer von Athen, und ich betone (λέγω), dass ich weder etwas Geringfügiges noch Bedeutendes (wörtl.: Kleines oder Großes) verheimlicht oder zurückgehalten habe. Trotzdem weiß ich ganz gut (σχεδὸν), dass ich mich ihnen dadurch verhasst mache, was auch ein Beweis (ist), dass ich die Wahrheit (wörtl.: Wahres) sage und dass gerade diese Verleumdung gegen mich besteht (wörtl.: ist) und genau das (wörtl.: dieses hier) die Ursache

[24b] ταῦτά ἐστιν. καὶ ἐάντε νῦν ἐάντε αὖθις ζητήσητε ταῦτα, οὕτως εὑρήσετε.

ist. Und ihr könnt dies - sei es jetzt oder in Zukunft – prüfen, ihr werdet herausfinden, so (ist es).

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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Prudentius » Mi 22. Apr 2015, 10:12

Hallo Roxane,

"die die meiste Zeit haben", die sehr viel Freizeit haben;

"wenn die Menschen untersucht werden", klingt zu ärztlich: geprüft, getestet, der Prüfung unterzogen werden.

"αὐτοὶ πολλάκις ἐμὲ μιμοῦνται": αὐτοὶ: im Nom. ist es prädikatives Identitätspronomen, lat. ipse; mit Artikel "derselbe", idem; "sie selber ahmen mich nach".
" καὶ " und sie selber...

" so dass (εἶτα, logische Folge: und so) sie beginnen,...": und dann beginnen sie; εἶτα dann.

Hallo Roxane, hast du nicht Lust, gelegentlich auch Fragen zum Textverständnis zu beantworten, ich erinnere mich an mein Lehrerdasein, das war immer sehr nützlich; ein "Fragenteil" gehört ja beim Abitur auch dazu, früher war es nicht üblich;
- Was hat es mit den Nachahmern des Sokrates auf sich?
- Was ist das Ergebnis dieses Nachahmens?
Wenn nicht, macht es auch nichts,

lgr. P. :)
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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Prudentius » Do 23. Apr 2015, 08:15

Hallo Roxane,
weiter gehts,

"τίς ἐστι μιαρώτατος" salopper gesagt: "dass er ein ganz übler Typ ist"; schändlich, verkommen.

"sie fragt, was ich mache und was ich lehre": das sind Partizipien, nicht Prädikate; dem "verdirbt"
untergeordnet: "was machend und lehrend ich verderbe..."; also ungefähr: "durch welche Tätigkeit und Lehre ich verderbe..."

" dass "ich die Erscheinungen oben am Himmel und die Erscheinungen unter der Erde (untersuche)” und dass "ich nicht an die Götter glaube” und dass "ich das schwächere zum stärkeren Argument mache”.

Ich denke, das ist nicht eine Beschreibung des So., sondern seiner Lehrinhalte: (dass er lehre,) nicht an Götter zu glauben...

- Wieso sieht So. sich in ein falsches Licht gerückt?


lgr. P. :)
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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Roxane » Do 23. Apr 2015, 09:30

Hallo Prudentius!

Du hast schon wieder fleißig korrigiert. Vielen Dank! O ja, der Text enthält zwei Grammatikfehler. Was den Superlativ betrifft, so finde ich bei Kühner:
"Der griechische Superlativ wird aber auch wie der lateinische gebraucht, um überhaupt nur einen sehr hohen Grad der Eigenschaft auszudrücken, als: ἀνδρειότατος, sehr, höchst tapfer."
Ich nehme einmal an, dass man den Komparativ -wie im Lateinischen- auch mit "zu" (schön, zu schön, sehr schön) wiedergeben kann.
Nochmal der ὅτι - Satz: <..dass (er lehre), "..zu untersuchen" und "nicht .. zu glauben" und " ..zu machen.">
Für das μιαρώτατος hatte ich in der Tat nicht das treffende Wort gefunden.

Bemerkungen zum Textverständnis gehören natürlich hinzu, egal ob jemand, der den Text übersetzt, schon sein Abitur in der Tasche hat oder nicht :) . Und wenn dann noch ein ehem. Studienrat oder -direktor oder wie auch immer du dich geschimpft hast, zur Seite steht, aus dem es nur so heraussprudelt, dann um so besser! Eigentlich müsste ja ich diejenige sein, die die Fragen stellt und du derjenige, der antwortet :-D .
Aber gut, Schüler müssen auch ein bisschen Eigeninitiative zeigen. Zu diesem Kapitel finde ich, dass der Sohn des Anytos durch Sokrates "verdorben" worden sei. So soll es bei Xenophon stehen. Die Stelle möchte ich noch heraussuchen. Ein andermal. Heute (und wohl noch in den nächsten Tagen) will ich nämlich hoch hinaus, genauer gesagt auf die Leiter, so dass Platon leider, leider etwas warten muss...

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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Prudentius » Fr 24. Apr 2015, 11:04

"mit ihren Beschimpfungen (διαβάλλοντες)": Verleumdungen

"ἀχθόμενος" ärgert sich, etwas schwach, als ob es bloß eine Stimmungslaune wäre; "nimmt es mir übel, feindet mich an" oder so.

"ἀχθόμενος": das ist Pc., kein Prädikat, es ist dem "griff mich an" untergeordnet, gibt die Begründung dazu;
"Meletos aufgrund seiner Verärgerung über die Dichter..." so ungefähr.

"συντεταμένως", interessante Wortbildung, συν-τε-τα-μένως, von teino spannen, Stamm ten-, l. tendere. tenere (Tendenz, tendieren, Intention), der Stamm erscheint hier in der Schwundstufe -tn-,
und da -tn-menos nicht aussprechbar ist, wird aus -tn- ein -ta-; diese Erscheinung gibt es auch sonst noch,

das Fahrrad steht bereit, los gehts,

lgr. P.
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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Roxane » So 26. Apr 2015, 10:06

Guten Morgen Prudentius!

Danke abermals für die Hinweise. Bei den Partizipien muss ich demnächst genau hinsehen!
Nun habe ich gestern noch ein bisschen geschmökert. Es ging ja zunächst um die Nachahmer bzw. das Ergebnis des Nachahmens. Festgelesen habe ich mich am Computer bei Michael Erler, Prof. in Würzburg. Faszinierend! Am liebsten hätte ich das Buch als e-book, aber es kostet stolze 129 Euro. Das war mir zu teuer, viel zu teuer! Also musste ich zwangsweise regelmäßig ein paar Seiten überschlagen. Was soll man auf deine Frage antworten? Es ist einfach völlig unmöglich, in zwei, drei Sätzen etwas Treffendes zu schreiben.

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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Prudentius » So 26. Apr 2015, 16:17

Hallo Roxane,

das mit den Fragen habe ich ja viel, viel einfacher gemeint, bloß im Sinne einer Zusammenfassung; ich komme aber ein andermal darauf; jetzt mache ich erstmal die Ü. zu Ende; hast du gut gemacht:


" ὅπερ (welches gerade)": "was", wenn es für sich steht; "welches", wenn es bei einem Subst. steht.

"ich würde mich wundern, wenn ich...": wir sagen lieber: "ich bezweifle, ob ich ...".

" * Pape: "..e) in der Antwort ist τοῦτο, ταῦτα, sc. ἔστι, dies ist so, so viel, wie ja,..": nicht relevant.

" weder etwas Geringfügiges noch Bedeutendes (wörtl.: Kleines oder Großes)": polarer Ausdruck, zur Bekräftigung: "überhaupt nichts".

"und dass gerade diese Verleumdung gegen mich besteht": "und dass gerade das die Verleumdung ist, die gegen...", im D. sagen wir Neutrum, im Gr. ist es angeglichen; vgl. lat. "is amicus est", "das ist...".

Michael Erler ist mir auch bekannt, von einem Vortrag,

lgr. P. :)
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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Prudentius » Mo 27. Apr 2015, 19:33

"Was soll man auf deine Frage antworten? Es ist einfach völlig unmöglich, in zwei, drei Sätzen etwas Treffendes zu schreiben."


Hallo Roxane,

tut mir leid, habe ungewollt eine Verlegenheit ausgelöst, aber es ist ganz einfach gemeint, eine Rückfrage nach dem Inhalt des Gelesenen; das sieht vllt. unnütz aus, aber da hat man als Lehrer so seine Erfahrungen; wenn man mal fragt: was haben wir denn da gerade gelesen? Was behauptet er denn? Wie begründet er es?
Es hat einfach was für sich, das Gelesene in eigene Worte zu kleiden, zusammenzufassen, sich sozusagen in die Rolle des Autors zu begeben.

Ich antworte einfach mal selber auf meine Fragen, um zu zeigen, wie es gemeint ist; auf keinen Fall ist irgendein Zugriff auf etwas außerhalb des Textes gemeint.

Frage: " Was hat es mit den Nachahmern des Sokrates auf sich?",
mögliche Antwort: "Die Begleiter des So. (seine Schüler) lassen sich durch seine Gespräche begeistern und versuchen sich selber in der Widerlegung ihrer Gesprächspartner";

Frage: "Was ist das Ergebnis dieses Nachahmens?";
mögliche Antwort: "Die Unbeliebtheit des So. wird dadurch noch gesteigert, da die Leute ihm, So. selbst, die Schuld geben".

Die Antwort brauchte also nicht viel länger als anderthalb Zeilen auszufallen; das ganze ist sehr simpel, aber, es hat Spielraum nach oben :-D

Ich schicke mal ein paar Links mit, da stelle ich den Großmeister der Platondeutung vor:

http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_A._Szlez%C3%A1k

und dann sein Buch, das ein Renner geworden ist, das ist selten bei diesem Gebiet; ich empfehle dir aber nicht, darin einzusteigen, lies erst noch mehr Text;

http://www.amazon.de/Platon-lesen-Thoma ... 3772815782

und dann noch ein Zeitungsausschnitt

http://www.zeit.de/community/2014-04/ew ... bersetzung

lgr. P. :)
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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Roxane » Di 28. Apr 2015, 11:15

Hallo Prudentius!

Ob er wohl wegen Platon sein Examen verschieben muss, dieser Alexander Strippel? Lohnt sich denn die Mühe? Und von der Apologie gibt es doch schon eine neue Ü. von Ferber aus dem Jahr 2011. Auch eine Achtklässlerin könnte sie verstehen. Schade, dass in dem Artikel aus der Zeit keine Textprobe mitgeliefert wird. Aber in welcher Art von "modernem" Deutsch ich den Platon auch vor mir hätte, es blieben sicher trotzdem viele Fragezeichen. Zum Beispiel bin ich bei diesem Kapitel über die "Handwerker/ Künstler" gestolpert, die in einem Atemzug mit Dichtern, Staatsmännern und Rednern genannt werden. Hier war mein dickes Buch über das alte Griechenland von Borbein hilfreich. Dann habe ich mich gefragt, ob das μιαρώτατος (es bedeutet ja auch "verkommen") sich wirklich auf den Charakter des Sokrates bezieht. In "res romanae" fand ich dann die Stelle, an der So. als "der ungepflegte, satyrhaft-hässliche Steinmetz" beschrieben wird. Nächster Punkt: Es heißt, So. fehlte wegen der "Prüfungen" die Zeit, "etwas Wertvolles für die Stadt wie für seine Verwandten zu tun". Hat er vielleicht aus Zeitmangel der Nachwelt nichts Schriftliches hinterlassen?

Also, Prudentius: Du hast die Apologie sicher schon dutzendfach mit deinen Zöglingen übersetzt, nichts wäre nützlicher, als wenn du auf Begriffe hinweist, über die ein Einsteiger sonst hinwegliest, zum Beispiel "Nachahmer". Jeder kann doch nach Lust und Laune im Internet nachforschen, was es damit auf sich hat.

Kapitel 11 muss ich noch durchsehen, mir fehlt gerade wegen ständiger Handwerkertätigkeiten :hammer: die Muße dazu. Hab zunächst herzlichen Dank!

:stretch: Ῥωξάνη

PS: Noch eine gute Nachricht: Das Radwegenetz in Bayern soll ausgebaut werden! :klatsch:
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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Prudentius » Do 30. Apr 2015, 10:05

Also, Prudentius: Du hast die Apologie sicher schon dutzendfach mit deinen Zöglingen übersetzt


Hallo Roxane,
so ist es nicht, eine solche Korrektur ist Neuland für mich, habe mich wenn überhaupt mit dem Vorkurs abgerackert, und mein Brot mir dem L. verdient, bin aber für was Neues noch nicht zu alt :-D .

Was die Fragen zum Text angeht: es hat sich in der Schule als nützlich herausgestellt, die Texte nicht nur zu übersetzen, sondern auch inhaltlich, gedanklich, formal zu erschließen; in den früheren Zeiten hatte man ja gedacht, die Klassiker sprächen für sich, man brauche sie nur wirken zu lassen; inzwischen hat man sich klargemacht, dass zu einem Textverständnis ein ziemlich langer Weg nötig ist, von der Ü. bis zur Deutung, Einordnung, Gewichtung und Bewertung der Aussagen, Erarbeitung einer Stellungnahme, usw.; im Hintergrund steht eine eigene Wissenschaft, Hermeneutik; das brauchen wir hier im Forum alles nicht, aber du merkst ja selbst: die Fragen stellen sich.
Ich würde vorschlagen: wir gehen flexibel vor, ich stelle gelegentlich Fragen herein, du kannst sie dir ansehen, vllt. für dich beantworten, oder auch hereinstellen; vor allem aber: stelle selber Fragen, ich kann dann versuchen, eine Antwort zu geben; allerdings deine Fragen vorweg erkennen, das kann ich nicht, ich hänge seit 60 Jahren :) am Platon dran, und mich zurückversetzen in die Perspektive des Einsteigers, das schaffe ich nicht.

Ich mache gleich weiter,
P.
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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Prudentius » Do 30. Apr 2015, 10:56

Schauen wir uns deine Fragen an: "Zum Beispiel bin ich bei diesem Kapitel über die "Handwerker/ Künstler" gestolpert, die in einem Atemzug mit Dichtern, Staatsmännern und Rednern genannt werden. Hier war mein dickes Buch über das alte Griechenland von Borbein hilfreich".

Für uns sind das getrennte Kategorien, Handwerker, Künstler, Politiker; aber in der Antike lagen die Bereiche noch eng beieinander; das Gemeinsame für all diese ist die techne, das Spezialwissen in einem Sonderbereich; in all diesen Bereichen ist die Zielvorstellung die arete, die Tüchtigkeit, Expertise, vollendete Fachkompetenz; die Begriffe werden also fächerübergreifend gebraucht, kann man sagen.
Sokrates lenkt den Blick von den einzelnen Fächern weg auf das Allgemeine, Umfassende hin: die arete überhaupt, Tugend ist die überlieferte, aber unpassende Übersetzung.

"Dann habe ich mich gefragt, ob das μιαρώτατος (es bedeutet ja auch "verkommen") sich wirklich auf den Charakter des Sokrates bezieht. In "res romanae" fand ich dann die Stelle, an der So. als "der ungepflegte, satyrhaft-hässliche Steinmetz" beschrieben wird".

Bleib bei dem Zusammenhang, die folgenden Worrte geben Aufschluss: das "Hässliche" an ihm ist der Jugendverderber, der Gottesleugner, der Rechtsverdreher!

"Nächster Punkt: Es heißt, So. fehlte wegen der "Prüfungen" die Zeit, "etwas Wertvolles für die Stadt wie für seine Verwandten zu tun". Hat er vielleicht aus Zeitmangel der Nachwelt nichts Schriftliches hinterlassen?"

Die "Prüfungen", das sind die Straßengespräche des So., wobei er die Mitbürger auf ihr Wissen hin überprüft und ihr Unwissen bloßlegt, ihr "eingebildetes Wissen"; dieses Prüfen steht ganz allgemein bei So. und Platon im Vordergrund, exetasis, die vielen Dialoge Platons sind weit gehend dieser Thematik gewidmet, Ziel ist die bekannte "Aporie", die Ausweglosigkeit oder Verlegenheit, in die er sie immer hineinführt, um sie zu einem Weiterdenken zu animieren; jetzt wäre noch viel zu sagen, ..., die Gelehrten sind sich noch nie einig geworden, wie das Ziel Platons richtig zu erfassen ist, Szlezak gehört zu der Schule, die von einer Art Geheimlehre ausgeht ..., ein weites Feld ...

Aber ganz allgemein empfehle ich: bei Verständnisschwierigkeiten einfach zuerst den nahen Zusammenhang daraufhin ansehen!

lgr. P. :)
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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Roxane » Do 30. Apr 2015, 14:03

Einfach nur sprachlos und entsetzt bin ich, Prudentius, dass man dir praktisch keine Möglichkeit gegeben hat, griechisch zu unterrichten. Das ist ja absolut sträflich und eine unglaubliche Verschwendung von Ressourcen! Da kann einer Demosthenes und Thukydides übersetzen und dann verfrachtet man ihn in den Vorkurs. Doch damit nicht genug. Zu allem Überfluss erscheint so eine wie ich auf der Bildfläche.
Du kommst, so scheint es mir, vom Regen in die Traufe... :hail:

Übrigens hatte ich gar nicht erwartet, dass du meine Fragen noch einmal aufgreifst, ich hatte ja schon ein bisschen gestöbert und wollte eigentlich nur mal aufzeigen, was mir bei diesem Kapitel so alles in den Sinn kam. Exetasis und aporie, darüber könntest du sicher stundenlang dozieren. Immerhin stehen ein paar Sätze dazu in meinem Ferber. Zu deinen Ausführungen über die Handwerker fällt mir noch ein: Du warst doch in Istanbul. Ich weiß zwar nicht, ob du ein Faible dafür hast, aber wusstest du, dass es ganz in der Nähe, in Hereke, Manufakturen gibt, in der die feinsten Seidenteppiche der Welt geknüpft werden? Vor diesen Knüpferinnen kann man sich nur verneigen, vollendete Knüpfkunst, allerhöchster Respekt, größte arete!

Jetzt wieder zu Tätigkeiten, für die ich keinen Orden bekommen werde, die aber notwendig sind :hammer:

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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Prudentius » Sa 2. Mai 2015, 10:02

Hallo Roxane,

habe mir ja meinen Job selber gesucht, bin rückschauend ganz zufrieden.

In Istanbul sind wir in eine Teppich-Verkaufsausstellung geführt worden, habe noch einen Läufer davon.
Das Handwerkliche ist dabei auf jeden Fall bewundernswert, aber man sieht auch die Diskrepanz zwischen dem ideellen Warenwert und dem Marktpreis :-o .

Mir geht immer durch den Kopf, was die Türken mit Blick auf Europa für Chancen hätten, wenn sie Konstantinopel nutzen würden, wenn sie sich statt als Eroberer als Erben davon sehen würden; wenn sie die Hagia Sophia als Bindeglied verstehen könnten. Aber das gelingt nicht, nicht einmal in Zypern.

Also über aporia würde ich ja nicht dozieren, sondern zum Nachdenken einladen; wir sind ja hier schon selbst nach ein paar Kapiteln mitten in der eigentlichen Platon-Problematik: wie ist eigentlich dieses "Paradox der Weisheit des So." gemeint: er erklärt, nichts zu wissen, bekommt aber von der Gottheit erklärt, er sei der weiseste Mensch: worin besteht dann seine Weisheit? Auffällig ist, dass Platon darüber nichts sagt, es uns also überlässt, uns einen Reim darauf zu machen. Hier setzt die Partei der "Tübinger Schule" (Szlezak) an und argumentiert, Platon halte sein höheres Wissen bewusst zurück, ...

Zu Ferber: Ich habe etwas Vorbehalte, er gehört der heutigen Richtung der analytischen Philosophie an, sie wenden den modernen Begriffsrahmen auf Platon an; ich versuche es lieber umgekehrt: Platon aus seinen Voraussetzungen her zu erschließen ...

lgr. P. :)
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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Roxane » So 3. Mai 2015, 11:05

Hallo Prudentius!

Bevor es wieder mit Platon weiter geht, noch eine kurze Anmerkung zum Teppichknüpfen: Gerade die türkischen Teppiche sind ja besonders haltbar, da diese (und nur diese!) mit einem symmetrischen Doppelknoten geknüpft werden, dem „Gördes – Dügümü“. Jeder Altphilologe weiß, was das ist: Der gordische Knoten. Die Bezeichnung geht tatsächlich auf den berühmten Knoten zurück, den Alexander einst in Gordion gelöst hat. Du hast also einen ganz besonderen Läufer in Istanbul erstanden, vielleicht war er ja gar nicht zu teuer. Grundsätzlich jedoch galt schon im alten Rom:
.. in emendo et vendendo naturaliter concessum est quod pluris sit minoris emere, quod minoris sit pluris vendere et ita invicem se circumscribere. Dig. 19.2.22.3 :-D

Diesen Szlezak scheinst du ja sehr zu schätzen, ich werde mal ein bisschen nachforschen. Allerdings kann ich mich unmöglich noch 60 Jahre mit Platon beschäftigen...

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Re: Apol. Kap. 10 (23c-24b)

Beitragvon Prudentius » Mi 6. Mai 2015, 17:06

Hallo Roxane,

Szlezak habe ich einige Male bei Vorträgen erleben können, sehr eindrucksvoll, aber er bekam auch Gegenwind.
Wenn ich dir mal die Erfahrung von 60 Jahren kurz zusammenfassen soll: es gibt den Philologenplaton, der steht neben Homer, Euripides und Heraklit, den Philosophenplaton, der steht neben Kant und Heidegger, den Trivialplaton, dessen Lehre kann man auf einer halben Seite darstellen ("Ideenlehre"), den christlichen Platon, der auf Augustinus einwirkte, den "Plato redivivus", sonst Hegel genannt, ja und dann hat er auch noch die Liebe erfunden,

lgr. P. :-D
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