Pl. Ap. 32e

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Pl. Ap. 32e

Beitragvon ThomasVulpius » Do 30. Jul 2015, 07:46

Pl. Ap. 32e Ἆρ᾽ οὖν ἄν με οἴεσθε τοσάδε ἔτη διαγενέσθαι, εἰ ἔπρᾱττον τὰ δημόσια͵ καὶ πράττων ἀξίως ἀνδρὸς ἀγαθοῦ ἐβοήθουν τοῖς δικαίοις καί͵ ὥσπερ χρή͵ τοῦτο περὶ πλείστου ἐποιούμην; Πολλοῦ γε δεῖ͵ ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι· οὐδὲ γὰρ ἂν ἄλλος (Pl. Ap. 33a) ἀνθρώπων οὐδείς.

Glaubt ihr nun, dass ich so viele Jahre am Leben geblieben wäre/überlebt hätte, wenn ich öffentliche Aufgaben verrichtet/übernommen hätte, und in einer Weise, wie sie für einen guten Mann angemessen ist, handelnd den Gerechten zu Hilfe gekommen wäre (oder neutral: den gerechten Dingen zur Geltung verholfen hätte) und, wie es sich gehört, dieses am höchsten geschätzt hätte/und dies priorisiert hätte? Weit gefehlt, ihr Männer von Athen! Und das hätte auch kein anderer geschafft (wörtlich: und nämlich kein anderer von den Menschen [sc. wäre am Leben geblieben]).
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Re: Pl. Ap. 32e

Beitragvon Roxane » Do 27. Aug 2015, 12:09

Seid gegrüßt zusammen!

Wieder mal eine Frage: Der Konditionalsatz ist und bleibt mir ein Rätsel. Wisst ihr vielleicht des Rätsels Lösung? Wir haben hier drei Verben im Impf. (ἔπρᾱττον , ἐβοήθουν und ἐποιούμην), die alle an dem εἰ hängen. Es müsste sich also eigentlich um einen Irrealis der Geg. handeln, zu übersetzen mit „wenn ich verwaltete, .. mich stark machte, .. es für das Wichtigste hielte“. Macht aber keiner von den Übersetzern (Thomas, du ja auch nicht) und es ergibt auch keinen Sinn. Wieso stehen denn die drei Verben nicht im Aorist, wie es sich für einen Irrealis der Verg. gehörte?

[32e] Ἆρ᾽ οὖν ἄν με οἴεσθε τοσάδε ἔτη διαγενέσθαι, εἰ ἔπρᾱττον τὰ δημόσια͵ καὶ πράττων ἀξίως ἀνδρὸς ἀγαθοῦ ἐβοήθουν τοῖς δικαίοις καί͵ ὥσπερ χρή͵ τοῦτο περὶ πλείστου ἐποιούμην; Πολλοῦ γε δεῖ͵ ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι· οὐδὲ γὰρ ἂν ἄλλος ἀνθρώπων οὐδείς.

Glaubt ihr jetzt, dass ich so alt geworden wäre (wörtl.: so viele Jahre am Leben geblieben wäre), wenn ich die öffentlichen Angelegenheiten verwaltet hätte und (wenn ich) wie es sich für einen rechtschaffenen Mann gehört (wörtl.: als einer, der auf eine für einen rechtschaffenen Mann würdige Art handelt), für die gerechte Sache stark gemacht hätte (/für die gerechte Sache eingetreten wäre, der gerechten Sache zum Sieg verholfen hätte) und (wenn ich) wie man es müsste (§71.2), dies für das Wichtigste gehalten hätte (wörtl.: am höchsten geschätzt hätte)? Weit gefehlt, Männer von Athen! Und ebenso wenig (wäre) doch irgendein anderer (Mensch am Leben geblieben).
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Re: Pl. Ap. 32e

Beitragvon ThomasVulpius » Do 27. Aug 2015, 12:33

Weil im Grch. das Tempus nach dem Aspekt ausgewählt wird. Ob es sich um einen Irrealis der Gegenwart oder der Vergangenheit handelt, kann man nur aus dem Satzzusammenhang erschließen. Siehe Bornemann/Risch, griechische grammatik § 281!
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Re: Pl. Ap. 32e

Beitragvon Prudentius » Do 27. Aug 2015, 16:52

Ich denke, das ist gar kein Irrealis der Vergangenheit, sondern der Gegenwart, aber man muss bedenken, Gegenwart ist ein mehrdeutiger Bgeriff, er bezeichnet hiermit seine gesamte Lebenseinstellung, damals wie heute, er stellt die Konstanten seines Lebens vor, die für ihn immer bestimmend waren; er macht keine Trennung zwischen dem, was er jetzt meint, und was er früher meinte. "Ich hätte nicht soviele Jahre überlebt" - ist das Gegenwart oder Vergangenheit? Er hätte auch sagen können: "Ich wäre nicht mehr am Leben" - Gegenwart, im selben Sinne.
Es gibt die zeitlose Gegenwart, die man von Bildbeschreibungen oder Sprichwörtern kennt; die Gr. haben keine consecutio temporum!
Es kommt auf den Aspekt an, würde ich auch sagen,

lgr. P. :)
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Re: Pl. Ap. 32e

Beitragvon Roxane » Fr 28. Aug 2015, 13:10

Vielen Dank, ihre beiden! da hätte ich wohl noch genauer nachforschen müssen. Ich hatte mich mit meiner Hellasgrammatik (die einzige, die ich besitze) begnügt und dort steht es so wie bei Gottwein:

Irrealis d. Ggw. εἰ + Impf.; Impf. + ἄν

εἰ ἐπαύετο, ἡδόμην ἄν: Wenn er aufhörte, würde ich mich freuen.
εἰ μὴ καλὰ ἔπραττες, οὐκ ἂν εὖ ἔπραττες: Wenn du nicht Gutes tätest, ginge es dir nicht gut.
   
Irrealis d. Vgh. εἰ + Aor.; Aor. + ἄν

εἰ ἐπαύσατο, ἥσθην ἄν: Wenn er aufgehört hätte, hätte ich mich gefreut.
εἰ μὴ καλὰ ἔπραξας, οὐκ ἂν εὖ ἔπραξας: Wenn du nicht Gutes getan hättest, wäre es dir nicht gut gegangen.

Der Paragraph aus Bornemann-Risch, Thomas, wird wohl so ähnlich lauten wie dieser Absatz bei Schwindt, den ich mal irgendwann abgespeichert, aber nicht mehr im Kopf hatte:

<Beim Irrealis sagt das griechische "Tempus" (Imperfekt oder Aorist) nichts über die tatsächliche Zeitzuordnung aus. Es bezeichnet allein den Aspekt! Beispiel: εἰ ταῦτα ἐποίησας / ἐποίεις, ἐθαύμασα / ἐθαύμαζον ἄν. "Wenn du das tätest, würde ich staunen." "Wenn du das getan hättest, würde ich staunen." "Wenn du das getan hättest, hätte ich gestaunt." Alle diese Übersetzungsmöglichkeiten kommen in Frage. Welche richtig ist, muss man nach dem Kontext entscheiden.>
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Re: Pl. Ap. 32e

Beitragvon Roxane » Mo 31. Aug 2015, 09:18

Oh, da muss ich schleunigst noch meinen Fehler korrigieren, das χρή muss indikativisch wiedergegeben werden, so wie es Th. gemacht hat, denn nur "Das impf. χρῆν drückt meist aus, daß Etwas geschehen mußte, was aber nicht geschehen ist, was wir durch den conj. bezeichnen, ἐκ τῶνδέ σοι παῖς ἐνϑάδ' οὐ παραστατεῖ, ὡς χρῆν, Ὀρέστης, wie er mußte, od. wie er hätte sollen, Aesch. Ag. 851. 1393; κάνες γ' ὃν οὐ χρῆν Ch. 918, den du hättest nicht tödten sollen; .."
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Re: Pl. Ap. 32e

Beitragvon Prudentius » Di 1. Sep 2015, 08:21

muss ich schleunigst noch meinen Fehler korrigieren, das χρή muss indikativisch wiedergegeben werden,


Hallo Roxane,
kein Fehler, das wird konjunktivisch wiedergegeben, aufgr. des d. Sprachgebrauchs, nicht wegen der gr. Grammatik; wir haben hier eben diesen "abfärbenden oder überschießenden Irrealis", uns stört ein Indikativ in der Reihe der Konjunktive; "... und, wie es sich gehört hätte, am höchsten eingeschätzt hätte..."; "wie es sich gehört" ginge auch. Das ist also hier gar keine Gr.-Frage, sondern nur eine d. Ausdrucksfrage.
Noch zu dem Zitat: "Aesch. Ag. 851. 1393; κάνες γ' ὃν οὐ χρῆν Ch. 918, den du hättest nicht tödten sollen; ..", "dürfen" könnten wir auch sagen statt sollen; οὐ χρῆν: da muss man aufpassen, es ist zweideutig: es ist nicht nötig, dass... oder es ist nötig, dass nicht..., das ist ein großer Unterschied.

Bevor ich mich wegen der Morgenkühle vorzeitig aufs Rad stürze, möchte ich noch kurz zu Zumba und Portugiesisch sagen: ich lebe noch in der Zeit vor 50 Jahren, das ist mit den Alten so :-D , habe noch dieses im Ohr: "Girl from Ipanema", ein Ohrwurm von einst,
https://archive.org/details/StanGetz-GetzGilberto

lgr. P. :)
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Re: Pl. Ap. 32e

Beitragvon Roxane » Di 1. Sep 2015, 15:33

Hauptsache, du stürzt nicht vom (!) Rad, Prudentius, wie es mir neulich um Haaresbreite passiert wäre, als mir ein anderer Radfahrer die Vorfahrt genommen hat. :-o

Verstehe! Der Indikativ in der Konjunktivreihe hatte mich tatsächlich stutzig gemacht. Kann ich mir merken: "Im Dt. kein Ind. in einer Konjunktivreihe." Schöner Merksatz, danke für den Hinweis!

Ja, das ist ein sehr bekanntes Lied und wie sehr der Text dem „Nossa, nossa“ ähnelt! Das hübsche Mädchen (menina mais linda), das besungen wird, ist wieder das schönste, das man je vorbeikommen sah (.. mais linda que eu ja vi passar) und verdreht der Männerwelt den Kopf (..que coisa mais linda). Heilige Maria (nossa, nossa), da müsste man(n) sich doch ein Herz fassen (tomei coragem) und so eine Traumfrau ansprechen (..e comecei a falar).
Wir haben seinerzeit übrigens gern Gracias a la Vida von Joan Baez gehört, fällt mir gerade ein. Ist auch schon ganz schön lange her..

Bis dahin!
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