Pl. Ap. 33a

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Re: Pl. Ap. 33a

Beitragvon Roxane » Fr 11. Sep 2015, 19:56

Wird anscheinend in aller Welt sehr heiß diskutiert, diese Platonstelle: Muss ich mir noch in aller Ruhe durchlesen:

http://www.textkit.com/greek-latin-foru ... =2&t=11089

Aber jetzt:

.. παρέχω ἐμαυτὸν ἐρωτᾶν καί͵ ἐάν τις βούληται͵ ἀποκρῑνόμενος ἀκούειν͵ ὧν ἂν λέγω.

"..biete ich mich an, (ihm) Fragen zu stellen und, wenn einer, der eine Antwort hat, es will, sich anzuhören, was ich (dazu) meine."
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Re: Pl. Ap. 33a

Beitragvon Prudentius » So 13. Sep 2015, 11:10

Ich würde es sinngemäß und freier so wiedergeben: "Ich biete unentgeltlich zweierlei an,
(1) das Stellen von Fragen,
(2) das Anhören meiner kritischen Reaktion, wenn einer sich auf das Wechselspiel des Dialogs einlassen will".

Die Platondiskussion ist unermesslich, es hat gar keinen Zweck, einen aktuellen Stand oder Konsens ermitteln zu können, aber vieles ist sehr nützlich. Wir backen aber wohl kleinere Brötchen :-D . Erstaunlich ist es, was so alles in der Diskussion ist, wir sind also nicht auf einem toten Ast.

Worauf Platon in seinen Dialogen abzielt: ich möchte noch mal auf das lustige Motiv der Hebammenrolle des So. hinweisen, die "Maieutik", im Theaitetos beschrieben: die Hebamme bringt selbst nichts auf die Welt, hilft aber anderen dazu.

Wie er Wissensvermittlung versteht, dafür gibt es ein schönes Beispiel im Dialog "Menon", die sogen. "Geometriestunde", da stellt er einem beliebigen Passanten die Aufgabe, ein Quadrat zu verdoppeln, er macht ihn durch Fragen immer wieder auf Fehler aufmerksam, so dass er am Schluss von sich aus die richtige Lösung erarbeitet.

Platon führt die Dialoge mit einer doppelbödigen Intention, er diskutiert vordergründig gestellte Streitfragen, es kommt ihm aber letztlich nicht auf deren Lösung, sondern auf die Hinführung des Partners in die Aporie an, während ich jetzt wieder die Bodenhaftung suche :-D ,

schönen Sonntag,
lgr. :) .
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Re: Pl. Ap. 33a

Beitragvon Roxane » So 13. Sep 2015, 14:03

Ein schöner Altweibersommersonntag ist es bis jetzt gewesen, doch es kommt noch besser: Nachher gibt es Pflaumenkuchen mit Sahne!

Ja, das ist schon lustig, dass man hier in Franken mitbekommt, wie Leute in Toronto sich das Hirn über diesen Satz zermartern. Ob es vielleicht auch welche gibt, die Zehntausende von Kilometern entfernt unseren thread verfolgen?

Deine Substantivierung des ἐρωτᾶν und des ἀποκρῑνόμενος ist ja durchaus elegant. Allerdings habe ich mich schon bei der Ü. von Thomas, der es ähnlich gemacht hat, gefragt: who is who?

Den Menon hat mir meine Tochter mal geschenkt, ich werde die Stelle gleich nachschlagen, wenn der Kaffeeklatsch vorbei ist.

Schönen Restsonntag noch!
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Re: Pl. Ap. 33a

Beitragvon Roxane » Mo 14. Sep 2015, 09:55

Was macht eine Hebamme? Sie hilft der Mutter, ein Kind auf die Welt zu bringen, das kommen wird, ob es will oder nicht. Ich hab das ja selbst schon mitgemacht..
Im Menon hingegen lässt S. einen Sklaven zu sich rufen, der wahrscheinlich nicht unbedingt wissen muss, wie man ein Quadrat verdoppelt, aber sich auf eine Befragung einlässt.
Sokrates also ist es, der als Erster eine Frage stellt und "einer" ist es, der sich befragen lässt und versucht, auf die Frage zu antworten:

παρέχω ἐμαυτὸν ἐρωτᾶν καί͵ ἐάν τις βούληται͵ ἀποκρῑνόμενος ἀκούειν͵ ὧν ἂν λέγω.

"..biete ich mich an, (ihm) Fragen zu stellen und wenn einer will, (biete ich ihm an), wenn er eine Antwort hat, sich anzuhören, was ich (dazu) meine."
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Re: Pl. Ap. 33a

Beitragvon Roxane » Di 15. Sep 2015, 21:43

Sieh mal einer an, das Beispiel steht ja bei Kühner! Das muss ich doch gleich mal auf den Weg schicken:

"Während der Infinitiv bei Homer noch in weitem Umfange als Ergänzung der Satzaussage in final-konsekutivem Sinne dazu verwandt wird, die erstrebte oder mögliche Folge zu bezeichnen (s. § 471, 2 u. Anm.), ist dieser Gebrauch in der späteren Sprache auf ein wesentlich engeres Gebiet beschränkt worden. Häufiger findet er sich nur nach den Verben des Gebens, Nehmens, Wählens, Einsetzens, Zurücklassens und ähnlichen, wo der Infinitiv, wie im Deutschen der Infinitiv mit zu oder um zu, im Lateinischen das Gerundium mit ad oder das Gerundivum oder das Supin auf um oder ein Nebensatz mit ut oder qui c. conj. einen Zweck oder eine Bestimmung oder ein zu Bewirkendes bezeichnet.......

M. 1.2.54 αὐτοὶ αὑτῶν ὄνυχάς τε καὶ τρίχας καὶ τύλους τοῖς ἰατροῖς παρέχουσι καὶ ἀποτέμνειν καὶ ἀποκάειν, damit sie dieselben abschneiden u. abbr. An. 6. 6, 18 ἐγὼ ἐμαυτὸν παρασχήσω κρίναντι Κλεάνδρῳ, ὅ τι ἂν βούληται, ποιῆσαι*. Pl. ap. 33, b ὁμοίως καὶ πλουσίῳ καὶ πένητι παρέχω ἐμαυτὸν ἐρωτᾶν.
* "but I will myself, as Xenophon proposes, put myself in Cleander's hands, so that he may try me and do with me whatever he may choose;"

LSJ: present or offer for a purpose, ... with reflex. Pron., ἐμαυτόν σοι ἐμμελετᾶν π. I give myself up to you to practise upon,* Pl.Phdr.228e ; “π. ἐμαυτὸν ἐρωτᾶν” Id.Ap.33b
* "..wenn aber auch Lysias da ist, mich dir herzugeben, damit du dich an mir einlernst, keinesweges gesonnen bin."

Demnach:
ὁμοίως καὶ πλουσίῳ καὶ πένητι παρέχω ἐμαυτὸν ἐρωτᾶν...
"gleichermaßen biete ich mich Arm und Reich an, damit sie fragen...."

alles zusammen:

ἀλλ᾽ ὁμοίως καὶ πλουσίῳ καὶ πένητι παρέχω ἐμαυτὸν ἐρωτᾶν καί͵ ἐάν τις βούληται͵ ἀποκρῑνόμενος ἀκούειν͵ ὧν ἂν λέγω.
"sondern gleichermaßen biete ich mich Arm und Reich an, (mir) Fragen zu stellen oder, wenn einer das lieber will, (auf meine Fragen) zu antworten und zu hören, was ich (dazu) meine."

Gute Nacht!
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