Dat. Com., Apol 36d

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Dat. Com., Apol 36d

Beitragvon Roxane » Do 29. Okt 2015, 15:45

Hallo Prudentius!

Prima, dass das Forum wieder funktioniert und noch besser, dass ich dich dort schon gesichtet habe :-D !
Ich wüsste gerne mal, was du zu dem τῇ ἀληθείᾳ im ersten Satz meinst. Da schwimme ich nämlich völlig gegen den Strom. Für "tatsächlich" bzw. "wirklich" (so übersetzen es die meisten) hätte ich das Adverb ἀληθῶς erwartet. Außerdem: Sokrates hat doch immer versucht, seine Dialogpartner zur Wahrheit zu führen. Könnte es nicht auch sein, dass wir es bei dem τῇ ἀληθείᾳ mit einem Dat. com. zu tun haben, dass hier vielmehr seine Verdienste für die Wahrheit (-sfindung) gemeint sind?

[36d] Ἀγαθόν τι͵ ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι͵ εἰ δεῖ* γε κατὰ τὴν ἀξίᾱν τῇ ἀληθείᾳ τῑμᾶσθαι· καὶ ταῦτά γε ἀγαθὸν τοιοῦτον͵ ὅ τι ἂν πρέποι** ἐμοί. Τί οὖν πρέπει ἀνδρὶ πένητι εὐεργέτῃ δεομένῳ ἄγειν σχολὴν ἐπὶ τῇ ὑμετέρᾳ παρακελεύσει; Οὐκ ἔσθ᾽͵ ὅ τι μᾶλλον͵ ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι͵ πρέπει οὕτως ὡς τὸν τοιοῦτον ἄνδρα ἐν πρυτανείῳ σῑτεῖσθαι͵ πολύ γε μᾶλλον ἢ εἴ τις ὑμῶν ἵππῳ ἢ συνωρίδι ἢ ζεύγει*** νενίκηκεν Ὀλυμπίᾱσιν· ὁ μὲν γὰρ ὑμᾶς ποιεῖ εὐδαίμονας δοκεῖν (meinen, glauben) εἶναι͵ ἐγὼ δὲ εἶναι͵ καὶ ὁ μὲν τροφῆς**** οὐδὲν δεῖται͵ ἐγὼ δὲ δέομαι. Εἰ οὖν δεῖ με κατὰ τὸ δίκαιον τῆς ἀξίᾱς***** τῑμᾶσθαι͵ τούτου τῑμῶμαι͵ ἐν πρυτανείῳ σῑτήσεως.

*das imperson. δεῖ, conj. δέῃ, auch δῇ, s. Mein. III, 293, es bedarf, ist nöthig; mit acc. c. inf., Pind. Ol. 6, 28; Her. bes. von Schicksalbestimmungen, οὐ γὰρ ἔδει Ναξίους ἀπολέσϑαι, sie sollten nicht untergehen,
** entsprechen, passend, angemessen sein,
***So ist ein Drei- od. Viergespann gemeint bei Plat. Apol. 36 d
****Unterhalt; Pind. τροφαῖς ἵππων, Ol. 4, 14; vgl. Her. 2, 65; βίου τροφή, Lebensunterhalt
*****Wert, Höhe, Verdienst; τῆς ἀ. τιμᾶσθαι estimate the penalty at the real amount, Pl.Ap.36b


Etwas Gutes, Männer von Athen, jedenfalls wenn sie entsprechend meinem Verdienst für die Wahrheit beurteilt (/abgeschätzt) werden soll. Und zwar etwas Gutes von der Art, wie es für mich angemessen sein dürfte. Was ist nun angemessen für einen Mann, der als armer Wohltäter freie Zeit mitbringen muss, um euch Ratschläge zu erteilen? Nichts gibt es, Männer von Athen, was in diesem Fall (οὕτως) angemessener ist als dass ein solchen Mann im Prytaneion verköstigt wird, (das ist) jedenfalls viel angemessener als wenn einer von euch mit dem (Renn-) Pferd, mit dem Zwei- oder Viergespann bei den Olympischen Spielen gesiegt hat (und deshalb verköstigt wird). Der (Sieger) schafft es zwar, dass ihr meint, glücklich zu sein, ich aber (schaffe es, dass ihr glücklich) seid, ferner ist der (Sieger) gar nicht auf Unterhalt angewiesen, ich aber schon. Wenn ich also (das Strafmaß) nach dem, was ich mit recht verdiene, einschätzen soll, (dann) beantrage ich das: Im Prytaneion eine Speisung!

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Re: Dat. Com., Apol 36d

Beitragvon Prudentius » Fr 30. Okt 2015, 16:39

Hallo Roxane,

so einen Systemausfall habe ich auch schon erlebt, zum Glück habe ich einen Helfer, er braucht gar nicht selber zu kommen, denn da liegt eine "Fernwartungsleitung" parat, über die er das Steuer übernehmen kann.

Also das glaube ich nicht, dass das τῇ ἀληθείᾳ ein Dat. com. ist, schauen wir uns einfach die Argumentationslinie an! So. stellt zwei Modelle von "verdienstvollem Handeln" gegenüber, die einen streben danach, sich durch hohe Stellen im Staat und der Wirtschaft auszuzeichnen, also Eigennutz, während er stattdessen die Menschen zum "wahren" Gut hinführen will, indem er sie durch seine Diskussionen zur Umkehr bringen will.

Die beiden Ausdrücke τῇ ἀληθείᾳ und ἀληθῶς sind nicht sehr verschieden, das Substantiv ist vllt. etwas gewichtiger; also "Was habe ich verdienst? - Etwas Gutes, wenn man nach dem wahren Wert urteilen soll", etwas freier.

Schönen Sonntag,
lgr. P. :)
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Re: Dat. Com., Apol 36d

Beitragvon Roxane » Mo 2. Nov 2015, 12:05

Danke Prudentius, du hast sicher recht. Mir ist auch eingefallen, dass ich dieses τῇ ἀληθείᾳ schon mal - ich weiß nicht mehr, in welchem Kapitel - treffend mit "wirklich" übersetzt hatte.

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