Moralische Unterstützung

Für alle Fragen rund um Griechisch in der Schule und im Alltag

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Moralische Unterstützung

Beitragvon LaniusCollurio » Sa 20. Feb 2016, 15:11

Salvete,

Nach etwas mehr als einem Jahr Altgriechisch büffeln;

Ich bin super geübt in der griechischen Grammatik, kann sie sozusagen hoch und runter beten. Die passenden Fachtermini habe ich auch drauf (Futurum Atticum, Vokalanaptyxe usw usw). Ich lese Platons Gorgias ohne große Schwierigkeiten im Original - selbstverständlich schaue ich ab und an auf die deutsche Übersetzung, wenn mir eine Vokabl fehlt. Ich kann das Grammateion und den Kaegi in und auswendig. Und dann kommt die Prüfung und ich übersetze - ich könnte mich jetzt noch darüber aufregen- folgenden Blödsin; (Die Kommata waren weggelassen, die Übersetzung habe ich bereits korrigiert)

Platon Menon 81
ἅτε οὖν ἡ ψυχὴ ἀθάνατός τε οὖσα καὶ πολλάκις γεγονυῖα καὶ ἑωρακυῖα καὶ τὰ ἐνθάδε καὶ τὰ ἐν Ἅιδου καὶ πάντα χρήματα οὐκ ἔστιν ὅτι οὐ μεμάθηκεν:

Die unsterbliche Seele lernte, da sie ja also sowohl ist (exis.) als auch oft geboren worden ist und gesehen worden ist, sowohl bezüglicher der hiesigen Dinge als auch der Angelegenheiten im Hades und der ganzen Dinge, welche überhaupt existieren.

ὥστε οὐδὲν θαυμαστὸν καὶ περὶ ἀρετῆς καὶ περὶ ἄλλων οἷόν τ᾽ εἶναι αὐτὴν ἀναμνησθῆναι, ἅ γε καὶ πρότερον ἠπίστατο.

Sodass es in nichts verwunderlich ist, dass man im Stande ist sowohl über Tugend als auch über andere Dinge sich an sie zu erinnern, was sie wenigstens auch früh wusste.

ἅτε γὰρ τῆς φύσεως ἁπάσης συγγενοῦς οὔσης καὶ μεμαθηκυίας τῆς ψυχῆς ἅπαντα οὐδὲν κωλύει ἓν μόνον ἀναμνησθέντα—ὃ δὴ μάθησιν καλοῦσιν ἄνθρωποι—τἆλλα πάντα αὐτὸν ἀνευρεῖν, ἐάν τις ἀνδρεῖος ᾖ καὶ μὴ ἀποκάμνῃ ζητῶν:

Denn da ja die Natur aus gänzlich Verwandtem besteht und die Seele nichts gelernt hat, hindert sie einen einzigen daran erinnert zu werden- was Menschen also Erinnerung nennen-, dass man alle anderen Dinge findet, wenn einer taper ist und nicht beim Suchen ermattet.

τὸ γὰρ ζητεῖν ἄρα καὶ τὸ μανθάνειν ἀνάμνησις ὅλον ἐστίν.

Denn das Suchen also und das Lernen ist die ganze Erinnerung.

οὔκουν δεῖ πείθεσθαι τούτῳ τῷ ἐριστικῷ λόγῳ:

Nicht also ist es nötig mit diesem schimpflichen Wort zu überzeugen zu suchen.

οὗτος μὲν γὰρ ἂν ἡμᾶς ἀργοὺς ποιήσειεν καὶ ἔστιν τοῖς μαλακοῖς τῶν ἀνθρώπων ἡδὺς ἀκοῦσαι, ὅδε δὲ ἐργατικούς τε καὶ ζητητικοὺς ποιεῖ:

Dieses Wort nämlich dürfte uns wohl zu Untätigen machen und ist für die verweichlichten unter den Menschen angenhem zu hören, dies hier aber macht uns zu Arbeitssamen und Forschungstüchtigen.

ᾧ ἐγὼ πιστεύων ἀληθεῖ εἶναι ἐθέλω μετὰ σοῦ ζητεῖν ἀρετὴ ὅτι ἐστίν.

Ich will, darauf vertrauend, dass es wahr ist, mit dir suchen, was die Tugend sei.

Μένων
ναί, ὦ Σώκρατες: ἀλλὰ πῶς λέγεις τοῦτο, ὅτι οὐ μανθάνομεν, ἀλλὰ, ἣν καλοῦμεν μάθησιν ἀνάμνησίς ἐστιν, ἔχεις με τοῦτο διδάξαι ὡς οὕτως ἔχει;

Ja, Sokrates: Aber warum sagst du dies, dass wir nicht lernen, sondern (da war der Text anders aufgebaut).......

Σωκράτης
καὶ ἄρτι εἶπον, ὦ Μένων, ὅτι πανοῦργος εἶ, καὶ νῦν ἐρωτᾷς εἰ ἔχω σε διδάξαι, ὃς οὔ φημι διδαχὴν εἶναι ἀλλ᾽ ἀνάμνησιν, ἵνα δὴ εὐθὺς φαίνωμαι αὐτὸς ἐμαυτῷ τἀναντία λέγων.

Und ich sprach kurz, Menon, weil du schlau bist, fragst du nun auch, ob ich dich gelehrt habe, welcher verneinte, dass es eine Schule sei, sondern Erinnerung, damit ich mir selbst also gerade so scheine, wie einer der das Gegenteil spricht.



Wie ich finde, eine saublöde Übersetzung.
Mich ärgert das zutiefst, da ich einer der wenigen bin, der die altgr. Grammatik sehr sehr gut beherrscht.
Ich fage mich dann, wie gut man bitte sein muss. Und grundsätzlich stelle ich mein gesamtes Lateinstudium in Frage. Obwohl ich perfekt vorbereitet war, kommt so ein Übersetzung dabei heraus.
Davon ganz abgesehen, habe ich keine Lust, mit einer Note 4 aus der Prüfung zu gehen, dafür war ich zu eifrig. Und mehr als die Note scheint mir die Übersetzung nicht herzugeben. Und da hilft es auch nicht, dass die restlichen Studenten vor Anspannung fast von Sitzen gefallen wären.

Es tut mir leid, dass es euch trifft, aber ich musste meinen Frust los werden.

Ich brauch jetzt einen Schnaps


Gruß

Lanius Collurio
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Re: Moralische Unterstützung

Beitragvon Prudentius » Sa 20. Feb 2016, 21:42

LaniusCollurio hat geschrieben:...super geübt in der griechischen Grammatik, kann sie sozusagen hoch und runter beten.


Das genügt noch nicht zum Textverständnis, die bloße Kenntnis des Wortlauts der Regeln ist nur eine Voraussetzung; deren Anwendung ist eine Stufe höher, du musst selbständig an dem Text die relevante Grammatik erst ermitteln und mit deren Hilfe dir den Sinn erarbeiten.

Du musst eben noch mehr üben, praktizieren, Fehler selbst erkennen und daraus lernen, mehrere Ansätze durchtesten, geduldig sein und die Freude an der Sache nicht verlieren.

Mit guten Wünschen,
P. :)
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Re: Moralische Unterstützung

Beitragvon LaniusCollurio » So 21. Feb 2016, 00:22

Ailourophilos hat geschrieben:Im Grammateion stehen wirklich nur die Basics, und nicht mal die ganz.. ich hätte dir oder würde dir den Bornemann/Risch empfehlen. Die Fachtermini brauchst Du für das Graecum auch um Gottes willen nicht. Auch der Kaegi ist für das Graecum schon übertrieben, es kommen nur die häufigsten starken Aoriste dran (meine Graecumsprüfung war eine Frechheit sondergleichen, viel zu einfach). Die beste Übung ist vor der Prüfung viel Platon lesen, damit Du ein Gefühl für die Konstruktionen und Syntaxeigenheiten bekommst, das Vokabellernen ist eine andere Sache. Ich schaue mal kurz drüber (keine Gewähr für eine richtige Übersetzung):

Die Prüfung war ja auch nicht wirklich schwer. Umso mehr ärgere ich mich über meine Übersetzung. Was mir aber regelmäßig das Genick bricht, ist der Fakt, dass ich meist keine Ahnung habe über was in dem Text gesprochen wird. Ob er, sie es, man usw. gerade gemeint ist, oder nicht.


καὶ ἄρτι εἶπον, ὦ Μένων, ὅτι πανοῦργος εἶ, καὶ νῦν ἐρωτᾷς εἰ ἔχω σε διδάξαι, ὃς οὔ φημι διδαχὴν εἶναι ἀλλ᾽ ἀνάμνησιν, ἵνα δὴ εὐθὺς φαίνωμαι αὐτὸς ἐμαυτῷ τἀναντία λέγων.

ἄρτι = gerade, eben!
πανοῦργος = begabt, geschickt

Und eben sagte ich, lieber Menon, dass du begabt seist, und nun fragst du, ob ich dich lehren kann (ἔχειν + Infinitiv = können! wie kommst du auf gelehrt habe?), der ich behaupte, dass sie keine Lehre ist (leugne, dass sie eine Lehre ist) sondern Erinnerung, damit sich mir geradewegs/sofort zeigt, dass ich das Gegenteil sage. (φαίνομαι + Infinitiv : es scheint, dass ich = scheinbar tue ich... + Partizip aber: es zeigt sich, dass ich.. es wird offenbar, dass ich.)


(wie kommst du auf gelehrt habe?) Weiß ich auch nicht. Da war ich schon so verärgert über meine Übersetzung, dass ich mich nicht mehr konzentrieren konnte/wollte.
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Re: Moralische Unterstützung

Beitragvon LaniusCollurio » So 21. Feb 2016, 00:29

Prudentius hat geschrieben:
LaniusCollurio hat geschrieben:...super geübt in der griechischen Grammatik, kann sie sozusagen hoch und runter beten.



Du musst eben noch mehr üben, praktizieren, Fehler selbst erkennen und daraus lernen, mehrere Ansätze durchtesten, geduldig sein

vor allem muss ich erst einmal bestehen, sonst hat sich das eh erledigt :)

und die Freude an der Sache nicht verlieren.

Letzteres fällt mir gerade sehr schwer. Für alles, was ich bisher gelernt habe, benötigte ich nicht mal ein 10tel des Aufwandes und hatte gute bis sehr gute Ergebnisse. Freude hin oder her, so ein Ergebnis nach so viel Mühen ist sehr ernüchternd.

Darüber hinaus frage ich mich, ob es für ein Studium reicht. Ich möchte ungern zu denjenigen Studen gehören, die im 12 Semester feststellen, dass sie es nicht schaffen, oder im Examen durchrasseln

Danke P. !


Mit guten Wünschen,
P. :)
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