Ächz. Aequum animum petamus.
Kontextanalyse (s.o. Torquato Tasso tiny url) des Goethezitates ist ja doch gefragt und nicht allerlei außerzitatliche common-sense-fundierte Weis- und Wahrheiten zu Altersstarrsinn, Reflexion, Reflexen, Emotionen, Beschränktheiten und Brakbekelismen, so triftig sie in manchem Alltagsfall auch sein mögen.
Also: Leonore schlägt - ein wenig listig und um auf den Busch zu klopfen - dem Staatsmann Antonio vor,
dass der Dichter Torquato Tasso für eine bestimmte Zeit - in Ungnade - vom fürstlichen Hofe entfernt werde. Staatssekretär Antonio Montecatino, der einigen Streit mit T.T. auszukosten hatte, lässt diesen Vorschlag jiu-jitsu-mäig ins Leere laufen.
Auf den Hinweis Leonores, dass er doch eben selber noch ein ähnliches Verdikt zu vertreten schien, antwortet der Politicus mit eben jener Sentenz zu Altersabgeklärtheit und Revisionsfähigkeit, welche in Frage steht, wenn man Brakbekel/Sinemetus Fragestellung Stringenz und hermeneutisches Interesse zuerkennen will.
Torquato Tasso III,4Leonore.
Ich sollte denken, wenn er sich von hier
Auf eine kurze Zeit entfernte, sollt’
Es wohl für ihn und andre nützlich sein.
Antonio.
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Doch eben jetzt
Ist nicht daran zu denken; denn ich will
Den Fehler nicht auf meine Schultern laden;
Es könnte scheinen, dass ich ihn vertreibe,
Und ich vertreib’ ihn nicht. Um meinetwillen
Kann er an unserm Hofe ruhig bleiben;
Und wenn er sich mit mir versöhnen will,
Und wenn er meinen Rat befolgen kann,
So werden wir ganz leidlich leben können.
Leonore.
Nun hoffst du selbst, auf ein Gemüt zu wirken,
Das dir vor kurzem noch verloren schien.Antonio.
Wir hoffen immer, und in allen Dingen
Ist besser hoffen als verzweifeln. Denn
Wer kann das mögliche berechnen? Er
Ist unserm Fürsten wert. Er muss uns bleiben.
Und bilden wir dann auch umsonst an ihm,
So ist er nicht der einz’ge, den wir dulden.
Leonore.
So ohne Leidenschaft, so unparteiisch
Glaubt’ ich dich nicht. Du hast dich schnell bekehrt.
Antonio.
Das Alter muss doch Einen Vorzug haben,
Dass, wenn es auch dem Irrtum nicht entgeht,
Es doch sich auf der Stelle fassen kann.
Du warst, mich deinem Freunde zu versöhnen,
Zuerst bemüht. Nun bitt’ ich es von dir.
Tu’ was du kannst, dass dieser Mann sich finde,
Und alles wieder bald im Gleichen sei.Ich gehe selbst zu ihm, so bald ich nur
Von dir erfahre, dass er ruhig ist,
Sobald du glaubst, dass meine Gegenwart
Das Übel nicht vermehrt. Doch, was du tust,
Das tu’ in dieser Stunde; denn es geht
Alphons heut’ Abend noch zurück, und ich
Werd’ ihn begleiten. Leb’ indessen wohl.
und dann noch ein Bild von Liebigs Fleischextrakt:
Im vorliegenden Fall gewinnt also laut Selbstaussage der nicht mehr junge, "altersweise" Antonio die contenance/Fassung nach der Mantel- und Degenaktion (s.o.) (wieder) und kann in einem reflexiven Abwägevorgang von Kosten und Nutzen für die höfische Gesellschaft "unparteiisch" und emotionsarm für ein Bleiben des emotional labilen Dichters stimmen ....
Wer es zu fassen mag, der fasse es.