Willimox hat geschrieben:Ok, Vorschlag zur Güte:
Kenntnisnahme des Falles Anneliese Michel (Links weiter oben):
Krankhaftigkeit unplausibel?
Hab den Film soeben zur Gänze gesehen. Würde lügen, wenn ich sagte, daß ich den Namen A. M. nicht kennte. Allerdings habe ich bisher über sie weder einen Film gesehen (kein Fernsehbesitz), noch ein Buch gelesen, noch sonst weiterführende Artikel - so lecker ist das Thema nicht - und übrigens auch aus demselben Grunde, warum ich aus meiner Wörterbuchsammlung den Pschyrembel - entfernt habe. Die Grieche sagt μηδὲν ἄγαν und der Italiener niente troppo. Der Sache, der man sich annähert, kann man auch leicht unterlegen sein. Die Dinge sind an sich aggressiv. Dar Arzt sagt dazu: Krankheiten sind ansteckend!
Nun habe ich den Film gesehen, vorher jedoch noch die Frage: Was hat die Besessenheit eigentlich mit den Stigmata zu tun? Ich denke, Du willst auf darauf hinaus, daß beide Phänomene Ergebnisse nicht mehr normaler Autosuggestion sind ... und damit sei die Sache dann erklärt.
Es folgt jetzt ein Urteil über den Film, nicht über den Fall A. Michel. Der Film kommt mir tendenziös rüber. Man beachte die Lichteinstellung, wenn irgend ein Beamter der kath. Kirche spricht, (Amort, div. Priester, Lehmann). Dazu die suggestive Hintergrundmusik. Das Einspielen der Tonbänder. Achtung: Als der ganze Fall live lief, haben die beteiligten Personen, weder die Ärzte der versch. Kliniken, noch die beteiligten kath. Beamten samt den Betroffenen noch nicht über das aufklärerische Licht des Regisseurs samt seinen säkularen Gewissheiten verfügt. Ich bin überzeugt, wäre dieser "Dokumentarfilm" vor dem Fall im Fernsehprogramm gelaufen, wäre es nie und nimmer zu dieser ganzen Tragik, um nicht zu sagen, zu diesem "Mord" gekommen. Der Film läuft nach dem Schema dort die Dunkelmänner - hier das Licht. Man vermutet einen allwissenden Spiegel-Redakteur als Regisseur. Derartige Dokumentarfilme verachten eine Volksweisheit: Hinterher ist man immer klüger!
Die Falschheit in der Argumentation der Aufklärung ist nach wie vor die politische Funktion der Aufklärung. (Politik machen heißt: Bestimmen, wer der Feind ist!) Es wird eine Dichotomie aufgezwungen, die suggestive insinuiert, wenn die Leute nicht alle so mittelalterlich gewesen wären, sondern modern bundesrepublikanisch, um nicht zu sagen spiegeliansch, könnte A. M. noch leben - ergo sind 1. Kath. Kirche schuld (Crimen specialis: Mittelalterlichkeit = Nichtaufgeklärtheit), 2. der Staat, daß er solches "Treiben" noch zu läßt, und 3. daß er nicht gegen "das mittelalterliche Denken" vorgeht, denn Teufel, Dämonen und Engel und Gott sind letzten Endes alles nur spinnerte Produkte einer krankhaften, aber gesellschaftlich virulenten Imagination, die eines lichten Tages aber überwunden sein wird und dann bricht das Himmelreich der säkularen Wonnen an. Dem ist aber leider nicht so. Das wissen wir alle, weil der Teufel im Detail steckt und nicht in der Art der Weltsicht und -erklärung.
Jetzt zu. A. M. Es gibt die Geschichte vom "Fluch der Pharaoen" - die von der Presse - ich weiß nicht ob gänzlich erfunden, oder aus Bruchstücken zusammengeleimt, ist auch egal: Jedenfalls wurde aus dem Fakt, daß alle Entdecker des Tut-Anch-Amun Grabes bald nach der Entdeckung starben, einem "Fluch" zugeschrieben, den es auf dem ungeöffneten Schrein gegeben haben soll, und der Eindringlinge mit dem Tod bedrohte. Die "Wissenschaft" wies später zu unserer aller Beruhigung nach, daß es nicht der "Fluch", sondern die Sporen eines bestimmten Pilzes auf Fledermauskot gewesen sind, deren Giftigkeit die Forscher erlegen sind. Der Denkfehler liegt hier in der aufklärungsinduzierten Dichotomie, die uns aufzwingen will: Eines kann nur richtig sein, entweder Fluch oder giftige Pilzsporen und Fluch kann sowieso wegen Aufklärung keine richtige Erklärung sein. Flüche sind Aberglauben. Niemand bemerkt, daß der Fluch nur den Tod bestimmt, nicht die Art des Sterbens, und Fluch und giftige Pilzsporen sich mitnichten logisch ausschließen.
Es zeugt m. ger. Erachtens nicht von Weltklugheit von Indianern zu verlangen, wenn sie beim Arzt gewesen sind, und der hat nicht geholfen, nicht wieder zum Medizinmann zu gehen. Der gleiche Fall liegt hier vor. Sie, die Eltern sind beim Arzt gewesen mit A. M. Der hat nicht geholfen! Was der Film macht, ist letzten Endes den Indianern vorwerfen, daß sie Indianer sind. Das kommt von der Hinterher-Klugheit. Daß den Ärzten mal jemand aus der Kur springt und mit dem Tode abgeht, ist tägliche Praxis in D. Das ist natürlich nicht justiziabel - wir kennen das - man spricht in Medizinerkreise nur hinter vorgehaltener Hand davon und Dokumentarfilme werden auch nicht darüber gemacht. Mein Schwiegervater hat gerade eine nosokomiale Infektion nach Bandscheibenoperation überstanden und der Arzt hat zu meiner Frau gesagt: "Seien Sie froh, daß ihr Vater noch lebt, wir hatten ihn schon abgeschrieben." Natürlich ist auch der eine tödliche Fall A. M. aus der Medizinmann-Praxis einer zuviel - und trotzdem möchte ich mich nicht der Hinterher-Klugheit anschließen. Im Übrigen haben gerade in Bezug auf die Gesundheit die sog. Nicht-konventionellen Methoden geradezu einen Boom. Meine Schwester hat jahrelang mit ihrem Rückenproblem die Ärzte vermögend gemacht. Dann ist sie einmal zu einem Schamanen oder was weiß ich gegangen, hat 500 Euro gelöhnt, aber seitdem ist der Schmerz weg. Die Leute arbeiten und denken erfolgsorientiert, nicht dogmatisch. Bei uns auf dem Dorf wissen die Leute ganz genau, wann sie mit der Kuh zum Tierarzt und wann zum Besprecher müssen, obwohl die prot. Theologie seit 2 Jahrhunderten gegen den "Aberglauben" predigt. Die Theorie interessiert die Leute nicht so dabei, sondern der Geldbeutel! Und nochwas: Autosuggestion ist auch bloß ein Wort und erklärt an sich gar nichts!
Persönlich, Willimox, bin ich nicht entschieden, ob die ganze Welt um uns herum nur unser aus Worten gebildetes Bewußtsein ist, oder ob es wirklich eine objektive Realität gibt. Ich halte mich das bedeckt, eventuell ist die Alternative auch nichtig. Ich denke schon, daß es Auto- und Fremdsuggestion gibt, weiß aber nach eingehender Beschäftigung mit Hypnose nicht mehr, wo eigentlich deren Grenze liegt, bzw. die des Individuums liegt.
Das mit dem Thai-Mädchen sehe ich mir morgen an.