"Alles Denkbare wird einmal gedacht.Jetzt oder in der Zukunft."(Aus "Die Physiker,Diogenes:S.82 )Das heißt:Wir haben das alles schon in unseren Köpfen.
Aus den Physikern (ein absolut geniales Buch! Dürrenmatt ist sowieso ein genialer Schriftsteller!) stammt auch eines meiner Lieblingszitate, das aber weniger mit Wahrheit und Dichtung bzw. Empirismus versus Rationalismus zu tun hat, sondern eher ein ethisches Problem darstellt: "Was einmal
gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden." Dementsprechend heißt es auch im Schuldbekenntnis "Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken..." Das wäre auch einmal ein diskutables Problem.
Aber zurück zum ersten Zitat: Es ist wirklich ein Wunder, dass es noch Dinge gibt, die man
als erster denken kann (oder gibt es die vielleicht gar nicht mehr?). Und auch, dass jedes Jahr Millionen von neu geschriebenen Büchern auf den Markt kommen (niemand könnte sie je alle lesen!), und dennoch gibt es darunter immer wieder Bücher, die
so noch nie da waren. Und auch, dass man komponieren kann, und es entsteht immer neue Musik (naja, vielleicht nicht
immer [*an Pop-Branche denk*], aber oft), obwohl es nur zwölf verschiedene Töne gibt und bestimmt Milliarden, wenn nicht Billionen oder Trillionen von bereits komponierten Musikstücken. (Als Rationalistin musst du natürlich sofort die Existenz des Wortes "neu" kritisch hinterfragen!
)
Du hast vermutlich in einem Punkt recht, im anderen Unrecht (wenn ich mir eine solche Unterscheidung anmaßen darf): Man kann nicht erfinden, nur entdecken. Aber nicht wir haben all das in unseren Köpfen, es ist unsere Welt, die das zu Entdeckende in sich trägt. Und wenn ich eine Melodie komponiere, entdecke ich dann nicht lediglich, dass zwei oder mehrere Töne gut zusammenpassen - "schön" sind?
Ceterum censeo linguas antiquas non esse delendas.