Sonnendrehung und Evolution

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Sonnendrehung und Evolution

Beitragvon Willimox » Mi 16. Nov 2005, 16:33

Vielleicht hat jemand Lust, hier an dieser "Aufgabe" mitzubeißen?


Lewontin und die Sonnendrehung

Richard Lewontin, ein bekannter Naturwissenschaftler schreibt:

"Es ist an der Zeit, dass diejenigen, welche die Evolution studieren, insbesondere diejenigen, die falsch zitiert werden (vor allem von den Kreationisten), deutlich sagen sollten, dass die Evolution ein Faktum ist und keine Theorie ...

Vögel sind aus Nicht-Vögeln entstanden und Menschen aus Nicht-Menschen. Wer meint, er verstehe etwas von der Natur, kann diese Tatsachen genauso wenig leugnen wie das Faktum, dass die Erde kugelförmig ist, sich um ihre Achse dreht und um die Sonne kreist".
(Lewontin 1980, siehe Futuyma, S.161).


Die Botschaft ist klar – wenn man diese Theorie in Frage stellt, gerät man sofort in den Verdacht, wissenschaftlich naiv zu sein – oder, was noch schlimmer ist: "Man kann mit vollkommener Gewissheit sagen, dass, wenn man jemand trifft, der behauptet, nicht an Evolution zu glauben, derselbe unwissend ist, dumm oder verrückt (oder böse, aber daran würde ich lieber nicht denken)." (Dawkins, 1986).

Dies wäre sinnvoll (obgleich etwas extrem) – wenn die Evolutionstheorie so fundiert wäre wie die Tatsache, dass die Erde um die Sonne kreist. Aber ist dies der Fall? Kann es überhaupt so sein? Die Drehung der Erde um die Sonne ist ein Phänomen, das wiederholt beobachtet werden kann.

Das Urteil (die Aussage), dass Vögel aus Nicht-Vögeln entstanden sind, hat es, abgesehen von der Fragwürdigkeit des negativen Begriffes "Nicht-Vögel", mit einem (vielleicht) einmaligen und daher unwiederholbaren vergangenen Ereignis zu tun, zu dem wir keinen direkten Zugang haben. Es ist wirklich schwer zu verstehen, wie jemand, der "meint, er verstünde etwas von der Natur", die beiden Behauptungen in dieselbe Kategorie einordnen kann.

Diskussions-Anregung:

a) Wie sieht das Thesengerüst in Lewontins Aussagen aus? Welche expliziten oder latenten Prämissen sind darin anzusetzen?
b) Untersuchen wir die Technik der Kritik (das ist der Teil nach dem kursiven Absatz). Man setze diese Kritik fort und erprobe dabei auch neue Ansätze.

http://66.102.9.104/search?q=cache:NEOF ... ntin&hl=de
Zuletzt geändert von Willimox am Sa 19. Nov 2005, 08:32, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Lord Piergeiron » Sa 19. Nov 2005, 00:28

Die Drehung der Erde um die Sonne ist ein Phänomen, das Sokrates, leicht schwindlig vor Glück, wiederholt beobachtet werden kann.


Hi.

Momentan habe ich etwas Probleme, diesen Satz zu erfassen. Sollte man da ein "laut" oder ein "zufolge" einfügen ?
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Sokrates

Beitragvon Willimox » Sa 19. Nov 2005, 08:32

Salve Lord

Sokrates ist mein Kater, der sich über die drehende Sonne mächtig freut. Ein "laut Sokrates" könnte man gut einfügen. Aber:

Ich tu den Satz raus, ein Privatjoke zuviel.

Herzliche Grüße

ww


Sokrates ist mein Kater,
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Beitragvon Lord Piergeiron » Sa 19. Nov 2005, 11:34

Rehi Willimox

8) Nichtsdestotrotz ist es ja so, dass Katzen ja, wie man sagt, besonders empfänglich sind für Dinge / Eindrücke, die uns Menschen verborgen bleiben.. .

Um aufs Inhaltliche zu kommen, ist es m.E. ja so, dass mit dieser Sache hier

Vögel sind aus Nicht-Vögeln entstanden und Menschen aus Nicht-Menschen.


lediglich auf eine von uns Menschen geschaffene Vorstellung / Idee von "Vogel" und "Mensch" zugegriffen wird. Konzepte also, die wir selbst kreiert haben. Wie nun, wenn man gar nicht genau unterscheiden könnte, bzw. sich fragen müsste, ab wann / ab dem Erfüllen welcher Eigenschaften etwas als Instanz von "Vogel"-Klasse oder "Mensch"-Klasse gilt ?

Vor allem bei fließenden Übergängen von verschiedenen formalen Aspekten in andere ( die, so denke ich, bei der Entwicklung z.B. von Menschen und Vögeln ja vorliegen ), ist die Beantwortung einer solchen Frage schwierig, und könnte ggü. denjenigen, die "zu krass" kategorisieren, als Kritikansatz verwendet werden.

Die Sachverhalte mit den Kreationisten schätze ich eher als Strohfeuer made in America ein, ich denke, das flammt jetzt kurz auf ( siehe die an anderer Stelle im Forum gebrachten Websites + Zitate ), wird aber hoffentlich wieder der Vernunft weichen.

Rückständige Sichtweisen - und Personen - gibt es allerdings erfahrungsgemäß überall, allerdings ist noch die Frage, ob sich derartige Einstellungen / Denkweisen nicht nachteilhaft auswirken ( stelle mir soeben vor, ein Kreationist bewirbt sich bei einem Pharma-Unternehmen o.ä. ) und für Spott und Ausgrenzung sorgen.

Vale,

Lord.
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Hm

Beitragvon Willimox » Sa 19. Nov 2005, 11:56

Resaluto amantissimum disputationis doctae sive theologicae sive biologicae ...

Bin mir nicht ganz sicher, ob ich Dich richtig verstehe:

    Meinst du - bei und wegen aller prägenden Kraft des menschlichen Geistes - : die Klassifikation Mensch - Vogel sei in einer anderen (molekularen?) Perspektive "aufgehoben" (konserviert und erhoben und annulliert)?

    Meinst Du - vorausgesetzt die Klassifikation ist akzeptiert - es gebe wohl (k) einen Missing Link zwischen Vögeln und Nichtvögeln?

Dann: Bei "intelligent design" meine ich nicht die harte, fundamentalistische Variante (Schöpfung in sieben Tagen und so), sondern die eines "Evolutionkreators".

Vielleicht magst du umgekehrt auch hier in diese Links mal reingucken?



    http://www.actionbioscience.org/evolution/nhmag.html

    http://www.nensch.de/story/2005/1/19/214559/144

    http://www.nensch.de/comments/2005/8/26 ... 1467/37#37

    Bonustrack:

    Der Zahn von Barthold Heinrich Brockes (* 22. September 1680 in Hamburg, † 16. Januar 1747 in Hamburg)


    Der Zahn

    Um grössre Schmertzen zu vermeiden,
    Entschloß ich mich, daß mir ein Zahn,
    Der mir bishero weh gethan,
    Würd' ausgebrochen, zu erleiden.

    Weil aber die Natur, bey starcken Gliedern,
    (So ich dem Schöpfer nie durch Danck kann gnug erwiedern)
    Auch starcke Zähne mir verliehn;
    So schien es erst, als ob, ihn auszuziehn,
    Der kluge Carpser selbst, der an Geschicklichkeit
    Kaum seines gleichen kennt, sich etwas scheut'; allein,
    Weil ich darauf bestund, war er dazu bereit.

    Ich nahm mir vor, die strenge Pein,
    Ohn' alles Zucken, sonder Schreyn
    Behertzt und standhaft auszustehen.
    Er setze drauf den Pelican,
    Den ich vorhero wohl besehen,
    Mit Kraft und Vorsicht an.
    Wir hielten uns im Anfang beyde gut:
    Er brach; ich hielte fest, noch fester doch der Zahn.
    Er knackt', ich wiche nicht. Doch endlich war mein Muth
    Noch eher, als der Zahn, gebrochen.

    Es riß ein gräßliches Gekrach,
    Wodurch des gantzen Hauptes Knochen
    Zu spalten schien, ein kurtz doch kläglich Ach
    Mir aus der Brust. Die feurig-wilde Pein,
    Der bittre Schmertz, durchdrang so Fleisch, als Bein.
    Dieß splittert', jenes riß, jedoch, zu meinem Leide,
    Kein eintzigs gantz entzwey;
    Der Sehnen Zähigkeit band sie noch alle beyde.

    Den meist gelösten Zahn ergriff der Artzt aufs neu',
    Und ich, vor Unmuth Muth. Er wählt' aus zweyen Bösen
    Das kleinest', und fing an, das Zahn-Fleisch abzulösen.
    Ob ich nun gleich die scharfen Schmerzten fühlte,
    Wie er mir dazumahl in frischer Wunde wühlte,
    Wie er das Fleisch zerschnitt; so wirckete jdoch
    Der noch weit grössre Schmertz, den, wie es so gekracht,
    Der Bruch mir kurtz vorher gemacht,
    Zusamt der Furcht, es würd' annoch
    Dergleichen gräßliches Geknirsch von neuem kommen,
    Daß ich die Pein des Schnitts, wie herbe sie auch war,
    Doch nicht so gar
    Empfindlich aufgenommen.

    Allein,
    Mit welcher Lust nahm ich, bey aller Pein,
    Den Ursprung meiner Quaal, den nunmehr losen Zahn,
    Aus Carpsers blut'gen Händen an!
    Kaum konnte mir, ihn hin und her zu kehren,
    Die Zacken anzusehn, ein kalter Schauer wehren,
    Dar plötzlich mich befiel. Ich leget' ihn denn nieder.
    (...)


cardial-cordiale Grüße

ww
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Beitragvon Lord Piergeiron » Sa 19. Nov 2005, 12:25

Meinst Du - vorausgesetzt die Klassifikation ist akzeptiert - es gebe wohl (k) einen Missing Link zwischen Vögeln und Nichtvögeln?


hmm, das sind ziemlich komplexe Sachverhalte, über die sich viele Leute Gedanken gemacht haben. Zum "missing link" meine ich, dass es sich nicht feststellen lassen kann. Bzw. wenn jemand ein solches meint, gefunden zu haben, wird er aufgr. der von ihm selbst zugrundegelegten Eigenschaften seiner Entdeckung sofort kritisiert werden.

Das führt zu nichts, denke ich. Da überdies noch niemand "missing links" gefunden hat, sind sie "missing".

Und mit den Klassifikationen ist es ja auch so, dass sie erstellt wurden ( z.B. DDC, ( Dewey Decimal Classification, ( einige Bibliotheken arbeiten mit dieser, deren Zweck es war, das "gesamte Wissen der Welt" zu erfassen und per Dezimalcodierung zu klassifizieren. ) und KEINEN Anspruch auf Vollständigkeit erheben dürfen. Sie können lediglich aktualisiert werden..- oder verworfen.

Wie ich finde, sagt man ja oft "Wir haben eine Klassenzugehörigkeit, GEGEBEN gewisse ( messbare ) Mermale".

Vielleicht sollte man andersherum sagen "wir haben gewisse (messbare) Merkmale, GEGEBEN, dass wir zu einer Klasse gehören ( siehe u.a. Begriff der LIKELIHOOD ( Begriff a.d. Statistik / dem Wissensmanagement ).

Zu Deiner ersten "meinst Du.."-Frage würde ich sagen: Ja, so etwas MÜSSTE man annehmen, wenn eine Klassifikation ( z.B. eine aus einem Tierlexikon ) nicht ausreicht oder zu "verwaschen" ist.

OB die heute bekannten Klassifikationen von z.B. Säugetieren verwaschen sind oder ob sie ZURECHT genau dort Unterscheidungen treffen, wo es angebracht ist, ist für mich nicht feststellbar, da ich kein Biologe oder Evolutionswissenschaftler bin. Also muss ich eine ANNULLIERUNG der gegebenen Einordnungen mit ins Kalkül ziehen.

Was aber noch lange nicht heißt, dass irgendwo oben im Himmel der große alte Mann sitzt, der "komplexe Mechnismen" formt.

Da wir ja selber z.B. die Mausefalle aus dem 1. Link bauen können, ( und wir selber können ja WEITAUS KOMPLEXERE Mechanismen bauen ), hieße das ja, dass wir keine eigenen Ideen usw. haben und nicht lernfähig sind, mithin: kein Gehirn haben, sondern als Erfüllungsgehilfe Dei Solius Totius
tätig sind - ohne weiteren Zweck. Was auch den Zweck ALLER Konstrukte, die überhaupt konstruiert wurden, ad absurdum führen würde, mithin das Vorhandensein einer "Intelligence", die alles "designt".

:-)

vale - Lord.
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Spannender Diskurs das ....

Beitragvon Willimox » Sa 19. Nov 2005, 13:19

quaestiones I, II, III:

I) ordo a hominibus posita

Ein bisschen polemisch und ein "argumentum ad rationem": Ist mit dem Klassifikationsproblem gemeint, dass eine "definition" wie "Hund, ein vierbeiniges bellendes Säugetier" in einem Rahmen A (Biologie aus menschlicher Sicht) seine Bedeutung hat, in einem anderen "biologischen Rahmen" (B) aber nicht? In einem alltagssprachlichen Rahmen (c) nicht?Ist die "naturwissenschaftlich" angelegte Rudimentärdefinition ("bellender Vierbeiner") irrelevant?

Wenn ja oder wenn nein:

In welchem Bezugsrahmen? Ist die empirische Zugänglichkeit der Phänomene/Umwelt strittig und insofern nicht verbindlich in den Aussagen unserer Sprache? Oder geht es um sehr unterschiedliche Schwerpunktbildungen innerhalb des gleichen emprischen Datenfeldes (Eco)?

Würde sich irgendetwas am pragmatischen Vorgehen eines philosophisch gebildeten Mannes ändern, je nach dem, welches Konzept er bei dem Lexem "Hund" ansetzt, wenn er von einem Boxerhund angegriffen und (leicht) verletzt wird?

II) creatura creans creata

Warum sollte ein designer, der bewusstseinsfähige, kreative animalia kreiert, reine "Erfüllungsgehilfen" geschaffen haben ohne Eigenanteil? Und wie gültig ist dann der Umkehrschluss: Wo kreative Wesen, da können sie sie nicht Produkte eines kreativen "Ingenieurs" sein? Oder - eine Stufe niedriger: Ob wir nu nkreativ oder nichtkreativ sind, ist das überhaupt eine Prämisse für die These, es existiere ein intelligenter Designer?

III) Das Eliminationsproblem

(0) Expositio

Es gibt in der modernen Wissenschaft eine grundlegende Spielregel: Lasst uns sehen, wie weit wir das Verhalten des physikalischen und materiellen Universums anhand rein physikalischer und materieller Ursachen erklären können, ohne uns auf das Übernatürliche berufen zu müssen. Kommen wir bei der Erklärung von Erklärenswertem mit möglichst wenigen Annahmen aus. Eine Art von „Occams Razor" („Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem“). Und damit sei denn als erklärung alles eleminiert, was für eine Erklärung nicht notwendig ist.

Wie funktioniert dieses Prinzip? Und zwar dort, wo man die Evolution der Arten betrachtet und zu erklären versucht?

(1) Einige Varianten des Evolutionsbegriffes

a) Wechsel, Änderung, Entwicklung:

Verzicht auf explizite Spezifizierung der Evolution. Offen auch für „aussengesteurte Entwicklung“ In diesem Sinne spricht man von der "Evolution des Autos" (wo selbstverständlich sehr viel intelligenter „Input“ erforderlich ist. Das Auto entwickelt sich eben nicht selbst, sondern es entwickeln sich die Ideen im Kopf der Design-Ingenieure).

Wenn man in diesem Sinne von der Evolution des Lebens spricht, meint man anscheinend nur, dass das Leben einfach in seiner Vielfalt vorhanden ist und daher irgendwie entstanden sein muss (egal, ob durch einen materialistischen oder göttlichen Vorgang, oder durch beides, oder durch etwas völlig anderes).

b) Mikroevolution:

Evolution innerhalb vorgegebener Organisationsmerkmale, oder quantitative Veränderung bereits vorhandener Organe, Strukturen oder Baupläne. Hier geht es nicht um die Entstehung, sondern um die Veränderung von bereits Existierendem (Variation innerhalb einer bestehenden Art).

Mikroevolutive Vorgänge sind überall zu beobachten, wie z.B. Mutation und Selektion eine Population von Finken (siehe Weiner 1994) sich verändern lässt, oder wie diese Vorgänge verschiedene Affen- und Hundetypen produzieren. Man kann Mikroevolution als einen Optimierungsvorgang betrachten, eine Flexibilität innerhalb der Natur, wobei lebendige Wesen sich an ihre Umwelt anpassen können.

c) Makroevolution:

die Entstehung neuer, bisher nicht vorhandener Organe usw., die Entstehung qualitativ neuen, genetischen Materials. Manche Biologen sind mit einer Unterscheidung zwischen Mikro- und Makro-Evolution nicht einverstanden, weil sie den Evolutionsvorgang als einheitlich betrachten. Aber weil gerade dies die Kernfrage ist, ob er tatsächlich einheitlich ist, ist die Unterscheidung zwischen Mikro- und Makroevolution hilfreich und hat sich allmählich eingebürgert.


(2) Fossilienfunde und der „Schluss auf die beste Erklärung“

Vor uns liegen gewisse, von allen Seiten anerkannte Fakten, wie zum Beispiel die Fossilienfunde und die Ähnlichkeiten zwischen dem genetischen Material lebendiger Wesen. Die Frage ist nun: Wie deutet man diese Fakten auf der Basis des Prinzips "Schluss auf die beste Erklärung"?

Dieses Folgerungsprinzip kann folgendermassen schematisiert werden:

1. Ein (überraschendes) Ereignis A wird beobachtet.
2. Wenn B (ein bestimmtes System) der Fall wäre, würde A unmittelbar oder jedenfalls sehr einleuchtend folgern.
3. Daher gibt es gute Gründe, die Gültigkeit von B anzunehmen.

Als Ereignis A nehmen wir die Fossilienfunde und deren genetische Ähnlichkeiten.

-Eine Möglichkeit für B ist, dass eine Abstammungsverwandtschaft durch gemeinsame Vorfahren (und deren evolutionäre Selbstentstehung) existiert.

-Eine zweite Möglichkeit für B ist B*: die (Grundtyp-) Baupläne sind Produkt eines genialen Entwurfes. Alle Autos haben gemeinsame und auch ähnliche Teile, nicht weil sie physikalisch voneinander abstammen, sondern weil sie die genialen Erfindungen der Designer sind.

-Noch raffinierter könnte man sich eine Modifikation B** von B* denken, die etwas von B enthält, nämlich dort, wo B** besagt, dass es sowohl Grundtypen gibt (durch spezielles Einspritzen der nötigen Information) als auch mikroevolutive Änderungen der Grundtypen. Sowohl B als auch B* und B** liefern eine gleich gute Abduktionsbasis, wie Stephen Meyer in seinem philosophisch wichtigen Artikel "The methodological equivalence of design and descent" (siehe Moreland, 1994) belegt.

Wie kann man sich dann zwischen B, B* und B** entscheiden?

Betrachten wir den Typ B. Er wird oft mit der Existenz eines langsamen, selbstlaufenden Mechanismus „Evolution“ kombiniert. So ist zunächst einmal die grundsätzlich wissenschaftliche Frage: Ist der Mechanismus von Mutation und Variation und Selektion fähig, Motor der Makroevolution zu sein?

(3) Das Designermodell

Im Gegensatz zur populären Meinung, welche die „selbständige Evolution“ favorisiert, sprechen die Experten bei weitem nicht mit einer Stimme (siehe z.B. Johnson 1993).

So berichtet beispielsweise der Biologe R. Wesson (Beyond Natural Selection, MIT Press 1991): „Man versteht grosse evolutionäre Neuheiten nicht gut. Keine ist beobachtet worden, und wir haben keine Ahnung, ob noch eine im Gange ist. Für keine einzige gibt es eine gute Bestätigung in den Fossilien“. Darwin hat diese Abwesenheit der von seiner Theorie erwarteten Übergangsformen als ihre grösste Schwierigkeit angesehen.

Der Paläontologe Niles Eldredge (1985) beschreibt die heutige Lage mit den denkwürdigen Worten: „Wir Paläontologen haben gesagt, dass die Geschichte des Lebens die Story von der graduellen... Veränderung unterstütze, obwohl wir die ganze Zeit wussten, dass dies nicht der Fall ist.“

Stephen Jay Gould, der zusammen mit Eldredge die Theorie des "unterbrochenen Gleichgewichtes" ("punctuated equilibrium") begründete, argumentiert, dass die Fossilienfunde auf das plötzliche Erscheinen von neuen Formen ohne Übergangsformen, vor allem in der sehr kurzen (geologischen) Zeit der sogenannten Kambrium-Explosion, hinweisen –

Allerdings hat in neuerer Zeit Simon Conway Morris aus Cambridge (The Crucible of Creation, Oxford, 1998) manche von Goulds Behauptungen in Frage gestellt.

Das bedeutet: Gerade wenn man Occams Messer ansetzt, dann ist B* oder B** alles andere als unplausibel. Und wenn es solche erklärungen wegrasieren würde, dann wären sie allenfalls unwahrscheinlich, aber nicht "eliminiert" im Sinne von "widerlegt".

Somit ist „intelligentes Design“ eine gute (zumindest nicht gleich absurde) Theorie für die Erklärung der spezifischen Eigenschaften der Arten. Es gibt keinen logischen Konflikt zwischen begründenden Erklärungen, in denen die Gründe Mechanismen sind, und begründenden Erklärungen, in denen die Gründe Pläne eines Agenten [Ausführenden, Handelnden] sind, ganz gleich, ob der Agent nun menschlich oder göttlich ist.

Dieses ist ein Argumentationsmerkmal und hängt nicht davon ab, ob man selber an Gott glaubt oder nicht.

Eine eliminative Argumentation - die beobachtbaren Fakten machen die Existenz eines Designers höchst unwahrscheinlich - scheint so gesehen etwas enthymematisch?

Hu, ist grässlich lang geworden. Absolvatis, quaeso.

Vale

ww

P.S.
Imagines/pictures/Buidl:


numinosum
http://www.mondolithic.com/Images/Wired ... gnSprd.jpg

normal?
http://www.textbookleague.org/zap360.jpg

Nippel
http://www.idrewthis.org/2005/intelligentdesign.gif

naja
http://www.therockalltimes.co.uk/2005/0 ... design.jpg
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