(1) Epikur
Wie unwahrscheinlich ist die Existenz einer mächtigen, gütigen göttlichen Intelligenz?
Eine berühmte Argumentation zur Frage nach der Existenz eines gütigen Gottes wird dem griechischen Philisophen Epikur zugeschrieben - Laktanz hat dies getan.
- Die Argumentation sieht etwa so aus:
1. Wenn Gott existiert, dann ist er gut, allwissend und allmächtig.
2. Wenn Gott unfähig ist, das Leiden in der Welt zu verhindern, dann ist er nicht allmächtig.
3. Wenn Gott das Leiden nicht verhindern will, dann ist er nicht gut.
4. Wenn Gott sowohl fähig als auch willens wäre, das Leiden in der Welt zu verhindern, dann würde es kein Leiden geben.
5. Aber es gibt Leiden in der Welt.
Conclusio:
Also gibt es keinen solchen väterlich-gütigen, allmächtigen und allwissenden Gott.
(2) Der unbarmherzige Gott
(a)
Vertreter des "intelligent Design", die keine Kreationisten sind, also eine langdauernde Evolution als äußerst wahrscheinlich bezeichnen, wissen und sagen: Es ist sehr schwierig, einen weisen und gütigen Gott als Designer der Natur anzuerkennen. Es spricht aber sehr viel für die Existenz einer mächtigen, weisen, „allwissenden“ Intelligenz, aber - wenn man dann in persönlichen Kategorien diese Intelligenz fassen will - dann ist das ein kühler Experimentator, den das menschliche (oder animalische) Leid, sei es nun von Menschen verschuldet oder von der Natur, wohl in keiner Weise berührt. Das heisst, von den traditionellen drei Attributen Gottes fällt das Attribut „allgütig“ eher weg.
(b)
Interessant, dass trotzdem in unserem Bewusstsein offensichtlich eine religiöse Disposition installiert ist und in Notsituationen auch sehr wohl trostreich arbeitet oder arbeiten kann. Wir haben eine Anlage zur „paradoxen Utopieâ€, ein eigener „Innerer Bezirk“, tröstlich, von einer guten Macht beherrscht, die uns gegenüber wohlwollend und gütig ist, die uns liebt, die es gut mit uns meint.. Die Unbarmherzigkeit der Evolution ist davon nicht widerlegt, sie scheint aber auch diesen Ort nicht zu widerlegen. Er findet sich in unserem Bewusstsein, eine Art psychische Verortung von tröstenden Instanzen. Ich - ein persönliches Statement - kann nur schwer Erklärungen dafür liefern, dass ich und dass man an diese paradoxe Utopie nach wie vor glaubt. Dieser persönliche Ansprechpartner Gott scheint eine Art psychische Realität zu sein.
(c)
Der Verdacht liegt sehr nahe, dass es sich um ein evolutionserzeugtes Modul handelt, das in Konfliktsituationen und in Nahtodsituationen besonders intensiv arbeitet oder arbeiten kann. Es ist recht wahrscheinlich - so die rationale Sehweise - , dass dieses Modul nützliche Geborgenheitsbilder - oder wenn man sehr hart formuliert tröstlich-nützlliche „Illusionen“ liefert. Andererseits: Meine Vernunft schafft es nicht, trotz all dieser Überlegungen, trotz des Illusionsverdachtes das Tröstliche solch leicht mystischer Erlebnisse von Hilfe, Angenommenheit oder Geborgenheit als Illusion beiseite zu schieben. Warum kehren solche Gütevorstellungen zurück, warum bleibt das personale Bild einer liebevollen Instanz, selbst wenn man ihre Existenz rational widerlegt zu haben glaubt?
(d)
Nun mag es einfach so sein, dass wir es hier eben mit einem angeborenen Erbe, einem stammesgeschichtlich erzeugten Phänomen hilfreicher Illusionen zu tun haben. Einer Reaktion auf die Ur-Umwelt, auf das Gruppenleben. Und dass das evolutionäre Vorteile bringt.
Ein Beispiel für evolutionären Vorteil, ein bisschen weit hergeholt: Wer an ein Leben nach dem Tode und einen gütigen, gerechten Vatergott glaubt, der moralisches (= gruppenorientiertes) irdisches Verhalten mit einem seligen Leben belohnt und - umgekehrt -egoistisches, gruppenbrechendes Verhalten bestraft - ich denke hier nicht an eine universale Ethik für alle Menschen oder gar alle Lebewesen - ein solcher Glaubensmann verhält sich sicher eher gruppenkonform und damit evolutionstypischer und erfolgreicher für die Gruppe als ein Ungläubiger.
Vermutlich können wir dieses instinktive Erbe, dieses religiöse Programm, nicht ausschalten. Nun gibt es recht verquere Adaptionen aus der Ur-Umwelt: Etwa dass wir im Nebel recht schnell fahren, weil uns unser Unterbewusstsein kein Risikokalkül für Autogeschwindigkeiten liefert. Auch zum evolutionären Erbe gehört vielleicht das Verhalten an der Ampel. Derjenige erlebt eine Art Demütigung oder Triumpf , wer als erster an der Ampel anfährt. Solche Programme verfehlen teilweise die Wirklichkeit wie im Nebelrasermodell. Teilweise sind sie schlichtweg „primitiv“.
Kurz: Es gibt offensichtlich angeborene Verhaltensmuster, die in unserer heutigen Umwelt nicht besonders produktiv sind. Sie verfehlen vielleicht Wirklichkeit. Und sie stützen gruppenkonformes Verhalten ab, womit sie das Zusammenleben in der Gruppe optimieren.
(e)
Seltsam ist aber, dass Religionen zwar ein gruppenspezifisches Ethos begründen (Altruismus zugunsten der eigenen Gruppe), dabei - wie oft angemerkt - fremde Gruppen verteufeln und deren Vernichtung als gottgefälliges Werk verstehen, dass aber in derselben Religion auch Denker das gemeinsame Menschliche, die Brüderlichkeit aller Menschen beschwören und so den gruppenspezifischen Egoismus manchmal überwinden und mitmenschliche Normen universalisieren.
Ich habe den Eindruck, dass gerade das Neue Testament recht weit von rigiden Klientel-Überlegungen steht, ganz anders als das Alte Testament mit seiner Theorie vom starken Alliierten Gott und seiner immer wieder herbeigebeteten Fähigkeit, alle Feinde und alle Abtrünnigen zu bestrafen. Es ist recht schwer, solche Überlegungen als „Meme“ zu bezeichnen, die zur Zeit ihrer Entstehung nationale Vorteile gebracht hätten, also die eigene Gruppe gestärkt hätten. Wurde hier – wir erinnern uns an Alfred Russell Wallace und Richard Gregory (mal googlen?)– ein Instrument entwickelt, bevor der Besitzer seiner bedurfte?
In einer Zeit der Globalisierung wie der unseren mögen solche universalen Menschenmodelle von Vorteil sein, im archaischen Programm der Ur-Umwelt wohl eher nicht. Das würde – vorsichtig sei die Behauptung gewagt – bedeuten, eine Ethik der „Win-Win-Spiele“ mit Kooperation statt Aggression hat sich „unspezifisch“ zu einer bestimmten Zeit „entwickelt“ oder ist da von einer höheren Intelligenz bereits gesetzt worden..
Viele Denker der Aufklärung sahen in dieser Universalie den bestechenden Kern des Christentums und hielten kirchlich rigide Gesetze für eine unsinnige Zutat. Auch die Bauernkriege arbeiteten mit der egalitären Komponente des Christentums, um soziale Klassenprivilegien zu untergraben: "Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?"
Wieder andere Denker halten ein elitäres Ausserwähltheitsbewusstsein und die entsprechende Herabwürdigung anderer Konfessionen für ein charakteristisches Merkmal aller Religionen, der christlichen besonders. Die christliche Konfession hat aber - immerhin - ihre aggressive Aussentendenz wohl doch in der Auseinandersetzung mit der Aufklärung und in der Säkularisierung gemildert oder verloren.
Eine Phase, die dem Islam wohl noch bevorsteht. Immerhin: Kant glaubte wohl, dass es ein angeborenes Wissen um das gibt, was man als „Kategorischen Imperativ“ bezeichnet, ein gewissensgestütztes Verhaltensmuster aller Menschen gegenüber allen Menschen. Und die platonisch-idealistische Vorstellung eines Gottes ist mit dieser Theorie und Ethik Kants gut verträglich. Aber natürlich kann eine Theorie kein Beweis für die Existenz Gottes sein, sie kann allenfalls die Annahme wahrscheinlicher machen ....
Wie unwahrscheinlich ist die Existenz einer mächtigen, gütigen Intelligenz?