Wieder mal dt. Orthographie, Grammatik und Zeichensetzung

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Wieder mal dt. Orthographie, Grammatik und Zeichensetzung

Beitragvon Christophorus » Sa 26. Apr 2008, 19:41

hallo,
hab mal wieder ein paar Feinheiten bezüglich der Themen in der Überschrift im Blick...

1. zu Grammatik bzw. Orthographie:

kann man sagen: "den Prinz", oder muss es "den Prinzen" heißen (Akk.Sg.)
ähnlich: bei dem Sozialdemokrat(en) (Dat.Sg.)

2. Zeichensetzung

viele denken ja, bei einem Infinitiv mit zu braucht kein Komma mehr gesetzt zu werden - weit gefehlt, da gibt es zahlreiche Ausnahmen, bei denen ein Komma stehen muss.

z.b. nach um,ohne,statt,anstatt, außer, als

allerdings nennt Klett Rechtschreibung 2006 kompakt folgenden Beispielsatz, in dem ein Komma stehen müsse:
"Er bat mich, ohne ihn zu gehen."
Halte ich für falsch, da hier das "ohne" eine Präposition ist.
Richtig wäre dagegen: Ohne mit der Wimper zu zucken, ging er.

a) Ist meine Meinung nachvollziehbar?
b) Welcher Wortart gehört hier das "ohne" an, ebenso wie das um, statt, etc. ... ?

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Beitragvon Laptop » Sa 26. Apr 2008, 19:45

1. Schwierig. Man sagt eigentlich "der, den, dem Prinz", aber ob das so abgesegnet ist? Ich würde so schreiben.

2. Sehe ich auch so. Konjunktionen > Komma. Präpositionen > kein Komma.
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Beitragvon consus » Sa 26. Apr 2008, 21:11

Servus.
"Er bat mich, ohne ihn zu gehen."

Hier kann ein Komma stehen (Duden K 116).

Zum Prinzen:
der Prinz, des Prinzen, die Prinzen usw. (s. u. a. Duden).
Kämpfen wir um den Erhalt der Endungen!
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Beitragvon Christophorus » Sa 26. Apr 2008, 22:33

danke euch beiden :)

Dass im Duden "Prinzen" als Genitiv Singular und Nominativ Plural steht, war mir natürlich klar 8) , aber kann man das einfach so auf die weiteren Fälle übertragen? und auf den Sozialdemokrat(en)? und wäre das ohne Endung jeweils falsch oder auch möglich?


Latein ist einfacher :shock: :lol:

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Beitragvon juergen » So 27. Apr 2008, 01:42

NEUSCHREIB ist Unfug hoch drei!

Wenn die Weichspülerei der dt. Sprache weiter fortgesetzt wird, fange ich an "Starckdeutsch" zu sprechen und zu schreiben.

http://de.wikipedia.org/wiki/Starckdeutsch

Hullondüsche Tumautn

Harrlüch! – dönckst tu, gauffßt die rauten
Glantzind pfröschn Totumauten.
Duch peim Ößßn marckstde dunn,
dißß monn gurnüxx tschmarckn kunn;
Sünd’z nonn Gorcken, sünd'z Tumautn, –
Üst öss garr oin Heunarbrautn,
pfrösch oss Hullondt ümmporturt?
Hart monn düch woll arnngeschmuurt?

(Matthias Koeppel)


:lol: :lol: :lol: :lol: :lol:
Gruß Jürgen

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Beitragvon consus » So 27. Apr 2008, 09:49

Salvete, amici!
Auch der Sozialdemokrat ist wie der Prinz - grammatisch natürlich - ein schwaches Maskulinum; das wissen wir doch alle; also der Sozialdemokrat, des Sozialdemokraten, dem -en, den -en, die -en usw. Die endungslsosen Formen sind falsch*. Auch wenn wir an die Beugung von Substantiven wie z. B. Bär und Hirsch denken, gilt es auf das feinste zwischen stark und schwach zu unterscheiden: jemand(-em) einen Bären aufbinden; der Brunftschrei des Hirsches, aber die süddeutsche Gastwirtschaft "Zum Hirschen"! Stimme Christophorus im Hinblick auf die Einschätzung des Lateinischen voll zu. Und wie juergen bin ich ein entschiedener Gegner der Weichspülerei der deutschen Sprache. Starrckteuttsch kann mit meinen Sympathien rechnen. Werde schon mal mîn mhd. Wörterbuch suochen, muoz noch irgendwo im Keller liegen. :grins: Wünsche schönen Sonntag.

--------------------------------
*Vgl. Duden Grammatik, 2. Aufl. Mannheim 1966, § 1690, S. 173: Paradigma: der Mensch, der Hase.
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Beitragvon juergen » So 27. Apr 2008, 13:37

Alternative zu Starckdeutsch ist "Neutsch"

Gesellschaft zur Stärkung der Verben: http://verben.texttheater.de/Startseite

:lol:
Gruß Jürgen

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Beitragvon Christophorus » So 27. Apr 2008, 19:25

consus hat geschrieben: das wissen wir doch alle


Du vielleicht 8)
Für mich gilt eher der Spruch "The more I learn, the less I know."
bzw. legendo et corrigendo dediscimus,
denn wenn man einen bestimmten Fehler in fünf Arbeiten gleichermaßen gelesen hat, glaubt man ihn am Ende noch - zumindest unbewusst.

Auf jeden Fall danke dir, optime Conse, und auch dir, Jürgen, für deine humoristische Einlage :-D

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Beitragvon Laptop » So 27. Apr 2008, 21:48

Übrigens: auf "Canoo" kann man sich alle gängigen deutschen Wörter deklinieren lassen.

Lieber consus. Ich empfinde den Verlust der Endungen als vorhersehbaren Sprachwandel, dem nichts liederliches anhaftet (anders dagegen die orthographischen Verunstaltungen der NRS). Man kann eine Sprache pflegen, aber nicht konservieren. Siehst du, daß wir schon sehr viele synthetische Formen abgeworfen haben (das Dativ-e, die Umschreibung des Genitiv mit "von": "das Haus von unserem Nachbar", u.v.m.), und uns mit dem Deutschen in einem Zwischenstadium zw. synthetischem (Latein, Finnisch) und isolierendem Sprachbau (wie Englisch, Chinesisch) befinden. Ich bin gg. Fremdwörterei und gg. Sprachverfall und gg. die heute leider übliche deskriptive Sprachpolitik. Hingegen den Wandel von synthetisch zu isolierend, ist er nicht in gewisser Weise "natürlich"? Es gab ihn schon immer, auch schon vor 2000 Jahren. In einer Sprache mit fester Syntax* sind wiederholte Endungen wie "dem großen, braunen Bären" redundant, sie machen die Sprache behäbig (der Chinese würde sagen: dem groß braun Bär - und hat dadurch nichts an Information verloren). Diese Behäbigkeit wird durch Verschachtelungen und Einschüben in der Syntax leider auch zelebriert. Das Englische hingegen ist in dieser Hinsicht leichtfüßiger, flexibler und u.a. auch dadurch so populär geworden (obwohl ich beileibe kein Fan der englischen Aussprache bin) Aber das muß jeder für sich beurteilen.

* Auch hier ist das Deutsche eine Mischform zw. freier Syntax (Latein) und fester Syntax (Französisch), also weder Fisch noch Fleisch. Im Französischen gilt stringent SVO, und ob dieser Eigenschaft ist sie in der Historie als besonders klar und prägnant gelobt worden. Eine feste Syntax hat m.E. mehr Vor- als Nachteile. Auch hierüber darf man streiten.
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Beitragvon juergen » So 27. Apr 2008, 23:23

Laptop hat geschrieben:...In einer Sprache mit fester Syntax* sind wiederholte Endungen wie "dem großen, braunen Bären" redundant, sie machen die Sprache behäbig (der Chinese würde sagen: dem groß braun Bär - und hat dadurch nichts an Information verloren)...


Sagt(e) man nicht "dem großem braunen Bären"

früher galt jedenfalls die regel "m" vor "n".... aber das ist wohl im weichspühl-neuschreib und neudeutsch abgeschafft.

ich mußte noch als schüler rund 30 regeln der kommasetzung lernen um dann jahre später zu erfahren daß diese im neuschreib zum größten teil überflüssig geworden sind oder die setzung von kommata freigestellt wurde.


..drum las ich einfach alle komas (so sagt man wohl) weg... und warte bis wir nur noch kleinschreib machen was ich nun schon jezt gemacht habe.




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Beitragvon Laptop » Mo 28. Apr 2008, 01:26

juergen hat geschrieben:Sagt(e) man nicht "dem großem braunen Bären"


Du hast recht, einmal "m", danach nur noch "n". Wobei hier das "m" bereits in "dem" vorhanden ist. Wie es ganz früher war, müßte ich erst recherchieren, da ich kein Experte des Althochdeutschen bin ;-)
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Beitragvon Apollonios » Mo 28. Apr 2008, 18:39

juergen hat geschrieben:..drum las ich einfach alle komas (so sagt man wohl) weg... und warte bis wir nur noch kleinschreib machen was ich nun schon jezt gemacht habe.


Komas weglassen ist eine gute Idee, ich bin ganz für das dauerhafte Wachbleiben!
Aber beim konsequenten Weglassen der Kommata (jawoll!!!) besteht die Gefahr des Mißverständnisses.

Hans sagt man habe ihn bestohlen.

Kann entweder heißen:
Hans, sagt man, habe ihn bestohlen. (Es wird behauptet, daß Hans einen Ungenannten bestohlen hat.)

oder:
Hans sagt, man habe ihn bestohlen. (Hans vermutet, seines Eigentums durch Fremdverschulden verlustig gegangen zu sein.)

Mindestens auf Polizeirevieren und in Kriminalromanen sollte also die Kommasetzung beibehalten werden.
וָאֹמַר מִי־יִתֶּן־לִּי אֵבֶר כַּיּוֹנָה אָעוּפָה וְאֶשְׁכֹּנָה ׃
et dixi quis dabit mihi pinnas columbae ut volem et requiescam
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Beitragvon consus » Mo 28. Apr 2008, 19:18

Hans sagt man habe ihn bestohlen.

Wie wichtig Apos Hinweris ist, wird auch deutlich, wenn man gebeten werden sollte, diese Aussage zu übersetzen:

1) Ioannes furtum ei fecisse dicitur.

2) Ioannes furtum sibi factum esse dicit.

:lol:
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Re: Wieder mal dt. Orthographie, Grammatik und Zeichensetzun

Beitragvon JRW » Sa 31. Mai 2008, 14:20

Christophorus hat geschrieben:hallo,
hab mal wieder ein paar Feinheiten bezüglich der Themen in der Überschrift im Blick...

1. zu Grammatik bzw. Orthographie:

kann man sagen: "den Prinz", oder muss es "den Prinzen" heißen (Akk.Sg.)
ähnlich: bei dem Sozialdemokrat(en) (Dat.Sg.)



Salve Christopherus,

es gibt da ein wirklich, vergnügliches, äußerst lehrreiches Buch, das du dir vielleicht besorgen kannst, wenn du es nicht kennst:

"Der Dativ ist dem Gentiv sein Tod"

heißt das und das bekommt man bei Amazon oder im Buchhandel für ein paar Euro.

Ich würde beispielsweise sagen:

Ich habe "den Prinz" getroffen!"

Ich haben mit "den Prinzen" gesprochen. Wenn sich die Königskinder überhaupt mit mir unterhalten hätten.

Sag das doch mal "dem Prinzen"!

Das Gewand "des Prinzen".

Das geht nur bei uns in Köln nicht. Im kölschen Genetiv heißt das nämlich: "Das Gewand von dem Prinz!"

Die Rechtsschreibform schlägt irsinnige Blüten, trotz gilt

Abusus non tollit usum

Grüße
JRW
aus der nördlichsten Stadt Roms
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Beitragvon Neni » Sa 31. Mai 2008, 16:51

ich bin eben über etwas gestolpert, kurz am Thema vorbei: im dt. Sprachpurismus im 17.+18. Jh schlugen Sprachgesellschaften vor:

"Löschhorn" oder "Gesichtserker" für Nase
"Meuchelpuffer" für Pistole
"Jungfernzwinger" für Nonnenkloster
:)
Neni
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