Pardes

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Pardes

Beitragvon Brakbekl » Do 6. Okt 2011, 15:59

Das Wort "pardes" ist aus dem alten Testament (פרדס) bekannt. Es ist das Wort, welches dort steht, wo in der LXX dann παράδεισος „Tiergarten“, „Park“; Lateinisch: paradisus; wurde von den Griechen aus dem avestischen pairi.daêza-, wörtlich „umgrenzter Bereich“ übernommen.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Paradeisos
Daneben steht es als Akronym für den vierfachen Schriftsinn: http://de.wikipedia.org/wiki/PaRDeS

Nun gibt es den Leoparden, lat. panthera pardes (wohl eher nicht Linne, sondern jünger), den Nebelparder, den parduc auf ung. etc.

Die Frage: Wie kommt das Tier zu dem Gartennamen? Steht dahinter etwa die jesajanische Vision: Schwerter zu Pflugscharen und der Löwe neben dem Lamm"? Oder hat jemand eine andere Idee?
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Re: Pardes

Beitragvon catarina » Do 6. Okt 2011, 16:45

vielleicht eine Erklärung?
Leopard = leo (Löwe) + pardes (Garten)
vielleicht wussten die Erfinder dieses Wortes schon von Löwen, und haben sich gedacht, dass Leoparden im Garten leben?
tut mir leid für den volksetymologischen Versuch...

ansonsten hier ein Auge werfen?
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Re: Pardes

Beitragvon Brakbekl » Do 6. Okt 2011, 17:35

Die Parther sind ja eigentlich die Perser. Nun kann es sein, daß das Tier Totemtier derselben war. Hat Xerxes auf dem Mosaik der Alexanderschlacht:

http://www.google.de/imgres?imgurl=http ... CBgQ9QEwAw

nicht ein Pardesfell auf dem Kopf? Könnte man Panter nicht auch als Pantherion lesen (Tier aller Tiere)?

Oder ist das TIER nur assoziationsweise im Westen mit dem Paradies in Berührung gekommen. Auf Urdu und in den afrik, Sprachen heißt es ja gänzlich anders.
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Re: Pardes

Beitragvon jp-magister » Do 6. Okt 2011, 19:16

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Re: Pardes

Beitragvon Zythophilus » Do 6. Okt 2011, 23:03

Nicht alles, was ähnlich klingt oder geschrieben wird, muss zusammenhängen. Wenn ich den Namen der Oper "Barbier von Sevilla" undeutlich ausspreche, mag vielleicht jemand vermuten, dass es hier um einige vergorene Hopfen- und Malzgetränke in einer spanischen Stadt ginge. Freilich hat "-bier" in "Barbier" trotz aller lautlichen Ähnlichkeit nichts mit dem Getränk zu tun. Wieso ein persisches Wort, das vielleicht mit dem Wort "Paradies" zu tun hat, mit dem Wort pardus bzw. πάρδος in Verbindung stehen soll, muss mir erst einer erklären. In einem Gärten lebt das besagte Tier ja eher nicht.
PS: "Strom" ist für mich ein großer Fluss oder das, was aus der Steckdose kommt. Das kann doch kein Zufall sein, dass der Tscheche mit diesem Wort den Baum bezeichnet. Wir müssen nur noch die Verbindung suchen.
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Re: Pardes

Beitragvon Zythophilus » Do 6. Okt 2011, 23:16

Ein schönes Beispiel für eine solche Etymologie könnte das Wort "Most" sein. Lassen wir einmal beiseite, dass es von lat . mustum stammen könnte, und überlegen wir, dass man mit diesem Getränk ansonsten leere Stunden überbrücken kann. Haben wir daher das Wort aus dem Tschechischen übernommen, wo "most" das Wort für "Brücke" ist? Haben die Tschechen es aus dem Deutschen? Ist es etwa weder tschechisch noch deutsch, sondern das englische Wort für ein sehr beliebtes Getränk - most people drink?
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Re: Pardes

Beitragvon Brakbekl » Fr 7. Okt 2011, 09:23

Zythophilus hat geschrieben:Ein schönes Beispiel für eine solche Etymologie könnte das Wort "Most" sein. Lassen wir einmal beiseite, dass es von lat . mustum stammen könnte, und überlegen wir, dass man mit diesem Getränk ansonsten leere Stunden überbrücken kann. Haben wir daher das Wort aus dem Tschechischen übernommen, wo "most" das Wort für "Brücke" ist? Haben die Tschechen es aus dem Deutschen? Ist es etwa weder tschechisch noch deutsch, sondern das englische Wort für ein sehr beliebtes Getränk - most people drink?


Bierfreund, wir haben das doch hundertmal durch. Erkenne doch einmal, das wenn ein Wort x mit einem Lautbestand y aus einer fremden Sprache (ganz andere Sprachfamilie) in eine Sprache einwandert und dort auf eine genauso lautendes Wort mit gleichem oder ähnlichen Lautbestand aber total anderer Etymologie trifft, dann passiert da was. Die beiden beeinflussen sich und zwar um so mehr, je dichter ihr "Sitz im Leben" ist. Wie zwei Planeten beginnen sie umeinander zu kreisen, kontaminieren sich und am Ende verschmelzen sie zu einem Wort. Das ist Psychologie, weil es ein Gesetz gibt: Wo ein Ding ist, kann kein anderes sein! Wir beobachten diesen Prozess in Wörterbüchern. Je jünger ein solcher Prozess ist, desto öfter werden die gleichlautenden Worte lexikalisch in getrennten Lemmata behandelt, je älter die Geschichte ist, desto mehr haben wir das Phänomen, daß unter einem Lemma vollkommen entfernte und uns auf den ersten Blick unerklärlich disparate Bedeutungen aufgereiht sind.

Das slav. Wort Most bedroht aber kein dt. Wort, weil in unserer Sprache das Wort Most eindeutig anders definiert existiert. Das Beispiel stimmt also hier nicht.

Es gibt aber wohl den Sprachraum, wo "Pardes" die beiden oben zitierten Sachen bedeuten, und wo sich diese Worte Konkurrenz machen. Es ist der Helleno-judäische Brutofen, der ja äußerst fruchtbar war. Ich weiß nicht, ob Homeros schon den Pardos kannte, oder ob dieses asiatische Tier den Griechen erst durch die Begegnung mit dem Osten bekannt wurde. (Die indgermanisch Wurzel siehe Link JP-Magister (DANKE :) ) - spricht ja für pers. und griech. gleichermaßen.) Sicher ist, daß die Juden das Wort aus Persien mitbrachten, in der Bedeutung Garten eben.
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Block und Blog

Beitragvon Brakbekl » So 9. Okt 2011, 08:41

Hallo Bierfreund, um Pardes fortzusetzen, hier ein Beispiel des Geschehens.

Der Stamm bloc* mit gut belegter Etymologie blühte im Deutschen und anderen Sprachen, mit mehreren Worten:
der Wohnblock,
der Ostblock,
der Zeichenblock,
der Notizblock

Blockade,
Blockhaus,
Blockflöte,
Blockwart,
Blockparteien,
Blockbuster
Blockschokolade

Verba: Verba: etwas abblocken, blockieren,
Redwendungen: in den Block schlagen, en bloc, etc. etc.
http://wortschatz.uni-leipzig.de/abfrage/

Die Grundbedeutung "Brocken, Klotz" dominiert, was an den Komposita, besonders an denen, wo das Grundwort Block ist, deutlich wird.


Seit 1998 dringt nun die engl. Neubildung to blog, the Blogger, davon der Blog, der Blogger in das Deutsche ein. Die Etymologie ist hier bekannt:
http://www.etymonline.com/index.php?sea ... earch=blog

Die Worte werden orthografisch unterschieden, aber nur von den der Orthografie kundigen, einer schwindenden Minderheit - klanglich liegen die Worte der dialektalen Sprechtoleranz geschuldet, nebeneinander und - was hier eindeutig - ihr Sitz im Leben ist zumindest teilkongruent. In der Sphäre Papier/Schreiben gibt es Überschneidungen. Beobachten wir was passiert.

Im Deutschen gibt es den Artikel. Jedes eindringende Substantiv wird mit einem solchen belegt. Die Gründe, ob. m., f. oder n. liegen meines Erachtens oft nur im Anklang an bestehende Worte oder der bildlichen Assoziation. Die Sprachpuristen versuchen in der Absicht die Eigenständigkeit des Wortes blog zu stützen, ihm einen sächlichen Artikel zu verpassen, eben das Blog. Unter dem Einfluß aber von der Männlichkeit des Blockes und des Bloggers schätze ich aber dies Bemühen für vergebene Liebesmüh ein. Ich hab in Gänsefüßchen gegoogelt.
"der Blog" 3080000 Ergebnisse
"das Blog" 2210000 Ergebnisse

Man müßte jetzt noch zeitlich sortieren, um eine Tendenz zu finden. Hier handelt es sich um eine grammatische Beeinflussung. Du erkennst hier auf jeden Fall die beiden umeinanderkreisenden Planeten, die etym. noch nichts miteinander zu tun haben! Während es bei der Artikelvergabe sich weitgehend noch um einen Vorgang handelt, den das öffentliche Sprachunbewußte betreibt, geht es bei der semantischen Beeinflussung um was anderes.

Fakt ist, daß das Deutsche bei Block zuerst einen Klotz (Wohnblock, Blockhaus, Felsblock) assoziiert und die Sphäre des Schreibens (Notizblock, Zeichenblock), sowie der Formation (Schwarzer Block der Vermummten) nur sekundär tangiert werden. Man erkennt dies auch daran, daß das Grundwort des zusammengesetzten Substantivs den Artikel liefert und damit das Geschlecht bestimmt. Auch die Verbalbedeutung von blocken und abblocken belegt dies. Wenn jemand jedoch malt oder zeichnet - um dies auszudrücken, kann man kein Verb, aus dem Stamm "block" gebildet, benutzen.

Wie beeinflussen die Worte/Gedanken sich: Entgegen meiner Vermutung von der Schreibsphäre, findet man das Satzteil "Der Blog blockiert.." schon 6 mal bei Googel. Daß hieße, obwohl hier die Semantik vom Leser noch getrennt wird, daß das Altwort blocken das Neuwort Blog erstmal angreift. (lebe. Verb gegen totes Subst.) Es versucht seine Bedeutung ihm überzustülpen. Einer der bekanntesten Blogs in D. ist ja PI. Interessant ist nun, daß dieser Block sich negativ, also blockierend selber tituliert. Er möchte ja eine politische Korrektheit diagnostizierend, diese blockieren, deswegen denglisch: politically incorrect.


Man müßte mal beobachten, wie dieses engl. Neuwort Blog in anderen Sprachen sich verhält. Ob etwa die Existenz naher Wörter die Übernahme fördern oder eher hemmen? Ich kann's hier nicht leisten.
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Re: Pardes

Beitragvon spiphany » So 9. Okt 2011, 18:06

brakbekel hat geschrieben:Erkenne doch einmal, das wenn ein Wort x mit einem Lautbestand y aus einer fremden Sprache (ganz andere Sprachfamilie) in eine Sprache einwandert und dort auf eine genauso lautendes Wort mit gleichem oder ähnlichen Lautbestand aber total anderer Etymologie trifft, dann passiert da was. Die beiden beeinflussen sich und zwar um so mehr, je dichter ihr "Sitz im Leben" ist. Wie zwei Planeten beginnen sie umeinander zu kreisen, kontaminieren sich und am Ende verschmelzen sie zu einem Wort. Das ist Psychologie, weil es ein Gesetz gibt: Wo ein Ding ist, kann kein anderes sein!

ähm, nein.

Es ist möglich, dass ein Wort sich durch Analogie einem anderen Wort oder morphologischen Muster aneignet. Das ist aber nicht zwangsläufig der Fall. Und eine phonologische Ähnlichkeit heisst schon lange nicht ähnliche Bedeutung.
Mehrere gleichlautende Wörter können nebeneinander existieren, ohne dass sie semantisch zusammenschmelzen. Oder verwechseln deutsche Muttersprachler Paaren wie etwa Arm (Teil des Körpers) und arm (ohne Geldmittel), Fest (Feier) und fest (stabil), oder Tau (Niederschlag) und Tau (Seil) (die es übrigens geschafft haben, die Jahren hindurch unterschiedlichen Genus zu bleiben)?

Deine These von der Ökonomie der Sprache ist einfach falsch. Wenn es wirklich stimmte, dass "Wo ein Ding ist, kann kein anderes sein", würden die armen Französen wegen der vielen Homonymen sich gar nicht mehr verständigen können.
Die Menschen können mit diesen Ähnlichkeiten spielen (durch Kalauer usw), aber das Spiel funktioniert nur, weil wir die unterschiedliche Bedeutungen auseinanderhalten können.

Zu "Block" und "Blog" -- ich glaube, hier verwechselst du wieder Phonologie und Semantik. Und dazu muss man auch festhalten, dass die gesprochene Sprache und die geschriebene nicht gleich sind. Nur weil es ein paar Leute gibt, die "Block" anstatt "Blog" schreiben weil letzteres im Deutschen wie "Block" ausgesprochen wird, heisst es nicht, sie denken, Blogs haben umbedingt etwas mit Blöcken zu tun. Eher einfach, dass sie so schreiben, wie sie sprechen.
Die Genuszuweisung im Deutschen ist ziemlich kompliziert: es kann semantisch motiviert sein (wenn das Genus eines Wortes mit biologischem Geschlecht übereinstimmt), morphologisch (Wörter mit bestimmten Endungen wie -ung oder -chen haben immer ein bestimmtes Genus), historisch (z.B. Lehnwörter aus dem Griechischen und Lateinischen erhalten das Genus der Originalsprache), oder auch phonologisch. Mit phonologisch meine ich: nach einem lautlichen Muster, nicht unbedingt an einem einzigen Wort angepasst (zum Beispiel: man sagt glaube ich "der Bagel" weil es viele deutsche Maskulina in -el gibt). Letzteres kommt vor allem vor, wenn keine der anderen Kriterien gelten, etwa bei Lehnwörter aus Sprachen, die kein Genussystem haben. Es kann auch nach Analogie mit ähnlich bedeutenden Wörtern bestimmt werden (das Leitwortprinzip: "das Business" weil "das Geschäft")

(Wie deutsche Muttersprachler in solchen Fällen entscheiden, ist mir ein echtes Geheimnis. Ihr könnt euch aber getrost auf ihr Sprachgefühl verlassen, was ich manchmal beneide: bei mir geht das leider nicht.)
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Re: Pardes

Beitragvon Pyrrha » So 9. Okt 2011, 18:56

Salve Spiphany,
sehr schöner Beitrag!
Die Genuszuweisung bei (insbesondere englischen) Lehnwörtern ist in der Tat ein interessantes Phänomen, und selbst mit Sprachgefühl kommt es doch recht häufig zu Uneinheitlichkeiten. Wenn ich etwa in England in die Kneipe gehe, sagt mir mein Sprachgefühl, dass es der Pub heißen muss, obwohl die Etymologie ja sehr deutlich dagegen spricht - das Wort Pub kommt schließlich vom public house, welches auf deutsch zweifelsohne Neutrum ist, und so ist es für Deutsche auch nicht ungewöhnlich, in das (nicht den) Pub zu gehen. Googles Ngram Viewer scheint die maskuline Form zu bestätigen, wenn es auch erst in den letzten Jahren die vorherrschende Form geworden zu sein scheint (http://books.google.com/ngrams/graph?co ... moothing=3). Andere Beispiele gibt es, mir fällt aber gerade kein weiteres ein. Doch, Business - bei mir ist es der Business, was eigentlich merkwürdig ist, da ich die Endung -ness eher mit einem femininen Artikel assoziieren würde, analog zu entsprechenden Suffixen im Deutschen.
In anderen Sprachen funktioniert das übrigens oft nach anderen Kriterien: In Frankreich gehe ich auf "die Place de la Concorde", während die Franzosen in "la Hauptbahnhof" ankommen - das Deutsche richtet sich eher nach dem Genus in der Ausganssprache, das Französische nach dem eigenen Artikel.
Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen?
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Re: Pardes

Beitragvon Brakbekl » Mo 10. Okt 2011, 09:08

Danke Spiphany für den Beitrag, lass mich kurz drauf eingehen.... (Weil Du nicht Muttersprachler bist, erlaube ich mir mal zu emendieren)

spiphany hat geschrieben:Es ist möglich, dass ein Wort sich durch Analogie einem anderen Wort (annähert) oder (dessen) morphologisches Muster aneignet. Das ist aber nicht zwangsläufig der Fall. Und eine phonologische Ähnlichkeit heisst schon lange nicht ähnliche Bedeutung.

Nein, nicht zwangsläufig, sondern nur, wenn ihr "Sitz im Leben" derselbe ist. Ich meine: Bei phonologischer Ähnlichkeit zweier Worte und demselben Sitz im Leben derselben (eventuelle: dieselbe gramm. Klasse, z.b. Substantiv) kommt es zwischen den Bedeutungen unweigerlich zu Reibereien, die mit dem Verschwinden einer Bedeutung enden können.


spiphany hat geschrieben:Mehrere gleichlautende Wörter können nebeneinander existieren, ohne dass sie semantisch zusammenschmelzen. Oder verwechseln deutsche Muttersprachler Paare(n) wie etwa Arm (Teil des Körpers) und arm (ohne Geldmittel), Fest (Feier) und fest (stabil), oder Tau (Niederschlag) und Tau (Seil) (die es übrigens geschafft haben, die Jahren hindurch unterschiedlichen Genus zu bleiben)?


Hier ist zu differenzieren zwischen den Wortformen. Du zitierst zwei Substantiv-Adjektiv Paare und ein Substantiv-Substantiv-Paar.
Zu den ersten beiden Paaren fallen mir sofort geläufige Wortspiele ein:
1: Lieber arm dran als Arm ab. (Anti-Sharia Witz)
2: "feste feiern" und "Feste feiern"

Die Wortspiele bzw. festen Wendungen sind wahrscheinlich die Verschmelzungsakte selber. Daher auch die Freude, die sie bereiten, was zu einer erhöhten Benutzung führt. Wie es z.B. zu der Verbindung "feste feiern" kam, die ja nicht unter die sonstige semantische Nachbarschaft des Adjektiv/Adverbs fest fällt, kann ich mir genau nur mit der Angleichung an "Fest" erklären. Man kann nämlich in Berlin "feste draufhauen" und "feste zuschlagen", aber "feste feiern" - welchen Sinne macht denn das Wort hier in seiner adjektivischen Bedeutung? Gar keinen nämlich! Die Verbindung ist wohl entstanden aus dem Spruch: "Man soll die Feste feiern, wie sie fallen.", dessen Abkürzung eben "Feste feiern" ist, und der Berliner macht daraufhin in Analogie zu "feste draufhauen" ein "feste feiern" für "lang und ausgiebig und gut" feiern. Leider kann Googel nicht zwischen Groß- und Kleinschreibung differenzieren.

3. Der Tau und das Tau (das griechische lassen wir mal weg) berühren sich nur minimal. Hinzu kommt: Der Sitz im Leben schneidet sich so gut wie nicht. (Schifffahrt, Bau und (seltenes) Kinderspiel (Tauziehen)) Ein tauiges Tau gibt es zwar, aber wie oft wird das sprachlich realisiert. Das Tau ist also ein sehr sehr seltenes Wort. Und auch der Tau wird von der zunehmend verstädterten Menschheit ja kaum wahrgenommen. Wer geht denn noch im Maimorgen spazieren? Das unterschiedliche Geschlecht der beiden Worte reicht hier vollkommen, die unterschiedliche Bedeutung der beiden Worte, oder des Homonyms aufrechtzuerhalten.

spiphany hat geschrieben:Deine These von der Ökonomie der Sprache ist einfach falsch. Wenn es wirklich stimmte, dass "Wo ein Ding ist, kann kein anderes sein", würden die armen Französen wegen der vielen Homonymen sich gar nicht mehr verständigen können.
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Ich habe gehört, die Kinesen neben der vielen Homonyme die Tonhöhe zur Hilfe. Es ist ja nicht gesagt, daß die Sprache nicht noch andere Merkmale zu Hilfe nimmt, um bei Homonymie unterschiedliche Bedeutungen abzusichern. Die Funktion der Kalauer, Wortspiele und Witze ist wohl des Lacheffekts wegen in dieser Hinsicht noch nicht systematisch untersucht worden. Eventuell ist es genau die gesuchte Funktion. Auf jeden Fall erhöht sie (Funktion Sprachwitz) signifikant den Gebrauch eines Wortes und die Übung im Gehirn, die der Unterscheidung der beiden Bedeutungen bei Homonymie zugrunde liegt.
Zuletzt geändert von Brakbekl am Mo 10. Okt 2011, 18:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Pardes

Beitragvon jp-magister » Mo 10. Okt 2011, 13:59

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Re: Pardes

Beitragvon Brakbekl » Mo 10. Okt 2011, 15:30

@JP-Magister

Zitat:
"Außerdem klingt in meinen Ohren der Blog besser als das Blog..."
daraus .... das ist, was ich meine.... Soll er hier vom Einfluß des Blockes reden? Nein! Dessen ist er sich gar nicht bewußt, weil er die Sache nicht reflektiert. Er äußert nur sein Empfinden, und ich erklär es, wie das zustande kommt.

Quele: http://www.neue-rechtschreibung.net/201 ... -das-blog/
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Re: Pardes

Beitragvon jp-magister » Mo 10. Okt 2011, 15:39

a) Ich glaube "er" ist eine "sie".
b) Deine Erklärung gilt also v.a. für Österreicher? *g*
c) "Das e-mail" wegen "das Mehl"?
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Re: Pardes

Beitragvon Brakbekl » Mo 10. Okt 2011, 15:51

jp-magister hat geschrieben:c) "Das e-mail" wegen "das Mehl"?


Hier hat wohl die Post im Hintergund gewirkt. Spiph schrieb ja oben daß, Anklang nur einer von mehreren möglichen Gründen bei der Genuszuordnung eingewanderter Wörter im D. ist. Nicht alles findet Anklang... :lol:
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