Latein VHS Weihnachten

[lykaina]

Hallo in die Runde, ich war früher schon mal hier, konnte meine alten Benutzernamen-Passwort-Kombinationen aber nicht mehr rekonstruieren, daher einmal ganz neu, aber nicht wirklich so neu. (War vermutlich unter MonaNicLeoid o.ä. angemeldet, bin die mit den keltischen Sprachen und so )

Habe heute eine konkrete Frage:

Ich unterrichte seit einiger Zeit Latein an einer VHS und bin sehr begeistert davon. Im Moment habe ich einen ganz tollen und motivierten Anfängerkurs. Wir arbeiten nicht nach einem Lehrbuch, sondern eher mit kulturhistorischem Schwerpunkt, d.h. allen möglichen Sachthemen, zu denen ich verschiedene Originalquellen (Inschriften, Münzen, usw.) anbringe. Grammatik machen wir nebenbei, so weit es nötig ist, die Teilnehmer sind mit den Grundzügen der Formenlehre vertraut und können mit dem Wörterbuch umgehen. So viel zum Hintergrund.

Nächste Woche haben wir die letzte Stunde des aktuellen Semesters, und ich wurde gefragt, ob wir so kurz vor Weihnachten nicht "etwas Nettes" machen könnten. (Ich finde ja eigentlich, wir machen immer nette Sachen, aber nun ja )

Leider fehlt mir im Moment die zündende Idee. Da ich selber nicht christlich bin und auch nicht sicher weiß, wie es damit bei den Teilnehmern aussieht (mindestens eine ist Muslimin, eine andere deutlich religionskritisch), möchte ich nichts allzu Religiöses machen. Das heißt, die eine oder andere Inschrift mit christlichem Bezug wäre kein Problem, hatten wir auch schon, aber so was wie die Weihnachtsgeschichte aus der Vulgata lesen o.ä. käme für mich nicht in Frage.
Bisher war unser zeitlicher Schwerpunkt auf der römischen Republik, mit einigen Ausflügen in die Spätantike.

Würde mich über die eine oder andere Inspiration freuen. Meiner Meinung nach muss es gar nicht allzu konkret weihnachtlich sein, eben nur "nett" Römische Kochrezepte zur Winterzeit? Gibt es vielleicht bei Caesar irgendwas, wo sich die Römer über die düsteren germanischen Winter beklagen?

[Zythophilus]

SALVE
Weihnachten hat nun einmal einen definitiv christlichen Hintergrund. Mag es auch an dem Tag gefeiert werden, der ursprünglich dem Sol inuictus gehörte, mag auch so manches aus anderen Bereichen übernommen sein, so handelt sich doch dabei ebenfalls um Elemente aus einem religiösen Kontext.
Zu Weihnachten etwas "Nettes" machen zu wollen - also eine Art "Weihnachtsfeier" -, ohne dass Weihnachten vorkommt, wirkt für mich inkonsequent. Entweder man feiert oder man feiert nicht. Wer nur deswegen nach Rom fährt, weil er ein Fußballspiel dort ansehen will, kann davon natürlich ebenso fasziniert sein, doch ist es nicht das, was diese Stadt ausmacht. Soll das "Nette" aus mehr als aus Keksen, die hoffentlich den Speisevorschriften aller inklusive der Veganer entsprechen, und Kerzen bestehen, ist es m.E. durchaus sinnvoll, auch zum Hintergrund des Festes, von dem ja alle gehört haben, Texte zu lesen etc. Quellen dazu finden sich zu Hauf, die man in einem Lateinkurs verwenden kann. Diese Behandlung braucht ja keine unkritische zu bleiben, und keiner wird gezwungen, etwas zu glauben. Wenn ihr über Romulus und Remus lest, deren Geschichte ich jetzt freilich nicht völlig mit der Weihnachtsgeschichte gleichsetze, wird ja auch keiner in dem Kurs genötigt, alle Details für die historische Wahrheit zu halten.
VALE

[Medicus domesticus]

Da stimme ich Zythophilus zu.
Es gibt auch Weihnachtslieder auf lateinisch, die man sich anschauen oder sogar singen kann.
In dem Sinne: Sancta nox, placida nox ...

optime valete!
e valle montana nunc nivibus obruta

[lykaina]

@ Zythophilius: Einatmen ausatmen... ich glaub, du hast das irgendwie missverstanden. Es geht um keine Weihnachtsfeier, sondern um eine weitgehend normale Unterrichtsstunde, die auf Wunsch inhaltlich ein bisschen aufgelockert werden soll durch ein paar jahreszeitlich passende Schnippsel. Wie gesagt war sowieso auch bisher der inhaltliche Schwerpunkt weitgehend auf der vorchristlichen römischen Antike.

Ich habe auch mittlerweile schon einige passende Dinge zusammengesucht, z.B. ein römisches Glühweinrezept, dazu passend Bilder von Trinkgefäßen mit Sprüchen, außerdem Martials Xenien und Apophoreta, und ein bisschen Hintergrund zu den Saturnalien.

Den klugscheißerischen Tonfall hier finde ich nach wie vor etwas unpassend.

[Prudentius]

Hallo,

- da wäre doch Vergils 4. Ekloge zu erwähnen, sie ist ja nicht unmittelbar christlich zu verstehen,
- pompejanische Wandinschriften,
- geflügelte Worte, wie "Odi et amo", davon gibt es doch viele.

Entweder man feiert oder man feiert nicht.

,

lieber Zythophile, wir erleben ja hier einen Zusammenprall der Kulturen, das ist eben unsere Situation, du willst das "entweder - oder" im ausschließenden Sinne verstehen, aber gerade das Ausgeschlossene ist unsere Wirklichkeit, die christliche Überlieferung ist für viele brüchig geworden, trägt nicht mehr richtig, aber selbst die, die sich außerhalb davon sehen, nehmen den Kern der Weihnachtsbotschaft wahr, sie "entmythologisieren" vielleicht, können sich vielleicht nicht anders artikulieren als mit der "netten Stimmung", ...
da wäre noch viel nachzudenken über die Feiertage,

Gruß P.

[Brakbekl]

Also Lykaina, ich verstehe die Empfindlichkeiten nicht: Natürlich würde ich an Weihnachten die Vulgata lesen, oder Legenda aurea oder sowas, wenn irgendeine Verbindung zu Weihnachten gewünscht ist. Es geht doch nicht um eine Bekehrungsstunde, oder? Oder haben die Leute Angst? Wenn die Leute nur was "Nettes" wollen. Die Vorraussetzung zur Religionskritik ist allerdings eine Befreiung von voraufklärerischen Geisteszusständen, einem quasireligiösen Fetischdenken chrsitophober Kreise gegenüber den literarischen Quellen des Christentums. Wenn Ihr in euerm Lateinkurs nicht einmal das Niveau vorurteilsloser Textanalyse erreicht, was soll das denn werden? Ich hab mir auch noch von niemandem irgendein Buch verbieten lassen, weder den Koran, noch mein Kampf, noch den Fürsten .... Wenn die Philologie beginnt, "Rücksichten" zu nehmen, ist es um sie geschehen....

[CP]

Leider fehlt mir im Moment die zündende Idee. Da ich selber nicht christlich bin und auch nicht sicher weiß, wie es damit bei den Teilnehmern aussieht (mindestens eine ist Muslimin, eine andere deutlich religionskritisch)

Dann solltest Du konsequenterweise aber auch den Glühwein weglassen!


Ciao!

[Zythophilus]

SALVE, Prudenti!
Wenn ich nicht glaube, dass Christus geboren wurde oder wenn das für mich keine Relevanz hat, dann brauche ich keine Feier. Ich denke, dass jemand der daran glaubt, nicht darauf bestehen wird, dass andere mitfeiern, weil sie zwar bestenfalls die Äußerlichkeiten teilen können, aber das Eigentliche dieses Festes für sie fremd bleibt.
Ich halte ja auch nicht den Ramadan ein, weil es mir keiner geboten hat, würde also als Eingeladener bei einer Feier zum Ende dieses Fastenmonats zwar wissen, warum gefeiert wird, aber diesen Grund für mich persönlich verneinen - und damit nichts anderes tun, als wenn ich auf der Geburtstagsfeier einer mir nicht weiter bekannten Personen wäre.
Der Wunsch nach einer "netten" Stunde liegt wohl darin begründet, dass andere eine Feier haben und man auch eine haben möchte, auch wenn der religiöse Kern oft verschwunden ist. Man könnte den Wunsch natürlich auch als banalen Versuch qualifizieren, eine Stunde möglichst ohne geistige Anstrengung zu verbringen.
Die 4. Ekloge passt natürlich gut, aber gerade ihre Parallelen im AT und ihre Nachwirkung lassen das Christentum nicht ausblenden.
VALE

[consus]

...War vermutlich unter MonaNicLeoid o.ä. angemeldet, bin die mit den keltischen Sprachen und so ...

Nisi fallor: nighean_neonach .

[CP]

Hallo!

Wie ich bereits erwähnte, lerne ich Arabisch an der VHS. Regelmäßig werden ich und meine Kursteilnehmer mit Zitaten aus dem Koran "konfontiert". Diesen werden oft genug solche aus dem aramäischen und hebräischen AT gegenübergestellt. Nicht nur wegen der Metathesen und Bedeutungsverschiebungen zwischen diesen doch recht nah verwandten Sprachen interessant. Unser Lehrer ist gebürtiger Ägypter, pensionierter Arabist, er lehrte jahrzehntelang an einer deutschen Universität, und, laut eigener Auskunft, praktizierender Muslim.

Ich als Atheist müßte mich also gleich doppelt "angemacht" fühlen, was aber selbstverständlich nicht der Fall ist. Im Gegenteil, freue ich mich immer, etwas für mich Fremdes erfahren zu dürfen.

Letzte Stunde lasen wir Glückwünsche zu Weihnachten, zum Opferfest und anderen christlichen wie muslimischen Festtagen. Wir verbanden dies mit der Übung der recht schwierig zu lesenden Kufi-Schrift, die, da dekorativ, bei Glückwunschkarten immer noch eine gewisse Rolle spielt. Die heidnischen Tierkreiszeichen bzw. deren arabische nicht minder heidnischen Äquivalente besprachen wir dann auch noch. Es war eine vorweihnachtliche nette ost-westliche Veranstaltung.

Was also soll das Gewinsele um eine vermeintlich politische Korrektheit?.

Ciao!

[consus]

CP hat geschrieben:

...Was also soll das Gewinsele um eine vermeintlich politische Korrektheit? Ciao!

. Krasses Beispiel für pc: las jüngst in einer Zeitung, dass irgendein amerikanischer Bundesstaat das Wort Christmas durch holiday ersetzt hat. Delirant isti Americani

[Zythophilus]

Eine Beschäftigung mit den Inhalten von Festen und deren Herkunft ist noch keine Feier derselben und hat gerade in einer Zeit, in der zumindest manche das jeweilige Fest feiern, durchaus ihre Berechtigung.
Wer mit Latein und lateinischen Texten zu tun hat und sich nicht auf die klassische Antike beschränkt, wird daher zwangsläufig mit christlichen Texten konfrontiert werden, selbst wenn es nur Inschriften auf Kirchen o.ä. sind.
Jemanden, der einer anderen oder keiner Relgion angehört, aus Rücksicht auf irgendwelche angeblich vorhandenen Gefühle davor "verschonen" zu wollen, ist so, wie wenn man sich eingehender mit der arabischen Sprache beschäftigen will, aber partout nicht mit islamischen Texten konfrontiert werden will. Das hat ja schon CP erklärt.
Die Angst, dass ein Text allein schon so eine magische Wirkung haben kann, dass er Andersgläubige oder Atheisten bekehrt, scheint mir unbegründet.
Der Wunsch nach "etwas Netten" gerade in der letzten Stunde vor Weihnachten entsteht ja deshalb, weil allenthalben Weihnachtsfeiern, die nicht unbedingt mit dem christlichen Fest viel zu tun haben müssen, stattfinden. Die sind i.d.R. entspannend und strengen geistig nicht an.

[Medicus domesticus]

Ich finde CP hat den entscheidenden Beitrag geliefert. Ich würde es interessant finden andere Kulturen und ihre Gebräuche kennenzulernen, auch wenn ich Muslim wäre. Man kann doch von beiden Seiten lernen. Mir haben schon einige muslimische Patienten den Ramadan genau erklärt, welche Probleme sie damit haben oder auch nicht. Auch gerade jetzt erfährt man vieles in der Praxis von den Patienten und ihren Gebräuchen, egal welche Glaubensrichtung ....

[Medicus domesticus]

Meine Auflockerung ist, Longipes, dass meine 3 Kinder an dem Tag einfach Spass haben und sich darauf freuen ....auch wenn ich manchmal Dienst habe..

[Zythophilus]

Weihnachtsabend beim Medicus:
4. Ekloge, Weihnachtsevangelium aus der Vulgata, danach noch ein paar lat. Weihnachtslieder. Ab 10 Fehlern gibt's keine Geschenke ...