Stigmata

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Re: Stigmata

Beitragvon Zythophilus » So 15. Apr 2012, 20:36

Das Thema des Artikels ist nicht der Glaube des Interviewten, sondern das Phänomen der Stigmatisierungen. Dennoch habe ich den Eindruck, Overbeck wolle sich nicht wirklich zu seinem Gluben äußern.
Aber natürlich kann man einen Grundglauben haben an etwas Großes, den Grund von allem oder eine Weltseele.
Was er als Wissenschaftler untersucht, muss nicht mit seinem Glauben, falls er einen besitzt, zu tun haben, aber die Verallgemeinerung, dass es gerade Naturwissenschafter besonders schwer mit dem Glauben an einen persönlichen Gott hätten, ist schon kühn. Gibt es irgendwelche Zahlen, die das belegen?
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Re: Stigmata

Beitragvon Brakbekl » So 15. Apr 2012, 20:53

Genau, Bierfreund, und derart induziertes Unbehagen zieht sich durch den ganzen Text. Wir wissen ja, daß die kath. Kirche z. B. die alljährlichen Kreuzigungen auf den Philippinen nicht gerade goutiert. Man kann ja eine phänomenzentrierte wissenschaftliche Aussage zu den Stigmata desselben Inhalts und der selben Theorie machen, ohne sich von einem persönlichen Gott zu distanzieren und ohne Wissenschaft und praktizierten Glauben in Antithese zu bringen. Man könnte z. b. auch die Leistung an Mitleid, genauer an Mitmenschlichkeit, die von den Stigmatisierten erbracht wird, ihr Perfectio in imitatione christi positiv, sozusagen als Leistung darstellen. Man stelle sich vor, so ein schmerzvermindernder Mitleidservice würde in Krankenhäusern angeboten - ich bin überzeugt, egal welcher Religion der Patient - es würde recht viel ihn in Anspruch nehmen. Der Mensch wird doch erst da zum Menschen, wo er seine lupine Vergangenheit überwindet. Wo er sich dem eigenen Gegenüber hinzuneigt - nicht funinduziert, sondern schmerzteilend.
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Re: Stigmata

Beitragvon Zythophilus » So 15. Apr 2012, 21:36

Natürlich bietet es sich an, gerade einen Mann, der sich wissenschaftlich mit dem Phänomen der Stigmata, das in dieser Form nicht ohne den christlichen Glauben vorstellbar ist, nach seinem eigenen Glauben zu befragen. Andererseits gehört der persönliche Glaube dieses Wissenschaftler nicht unbedingt zu dem, was er erforscht.
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Re: Stigmata

Beitragvon Willimox » Mo 16. Apr 2012, 10:13

Bild

http://cafewitteveen.files.wordpress.com/2011/05/q4sxj.png

@Brakbekl

Willibald, ich bin nicht für Streit und meide ihn. Hier im Forum ist des Publikum so klein, daß diese etwas polemikhaltige Klarstellung ich mir nicht als Sünde vorrechnen lassen möchte. Es gibt beim Zeichen den Effekt, daß Linien auch mal überzeichnet werden müssen ....


Dear Sir,

was hier - man vergleiche die Zitation Ihres Satzgefüges - verargumentiert wird, wirkt auf mich recht grotesk:
Je kleiner der Adressatenkreis, desto wurschter der Wahrheitsgehalt und desto höher die Polemiklizenz bis hin zu KZ-Mengelevergleichen.

"Attentione", mag man, möchte man da warnend rufen: "Attentione, Brakbekl/Sinemetu!"

Solches Getöse erinnert an Theaterdonner aus der Selbstschuss-Anlage.

Aber was sollen schon Fremdargumente? Man nimmt sie am besten nicht zur Kenntnis, man
beharre auf der eigenen Position - ein Ausweis von unwandelbarer Treue zu sich selbst und
schon von daher unverzichtbar. :wink:
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Wissenschaftler, Naturwissenschaftler ....

Beitragvon Willimox » Mo 16. Apr 2012, 11:15

Salve Zythophile!

Bild

Die Frage nach dem personalen Gott in der Perspektive der Wissenschaft ist alt und einem Theologen sicher mehr als bekannt.
Trotzdem vielleicht ein paar Hinweise:

Das Theismus-Deismus-Problem - die Cicero-Diskussion in De natura deorum ist ein Beispiel aus der Antike - wird besonders in der Aufklärung virulent, ein Reflex auf das Erdbeben von Lissabon und
das theistische Modell eines eingreifenden, strafenden personalen Gottes oder eines belohnenden Gottes; mit Strafgerechtigkeit und Erbsünde und und und zu verteidigen gesucht.

In den modernen Naturwissenschaften - ich verkürze jetzt - ist der personale Gott als theistisches Modell durchaus Befragungsgegenstand.
Auf eine kurze Formel gebracht: Das alte Theodizee-Problem ist keinesfalls niedrig gehängt: Ein allwissender, allmächtiger, allgütiger und sittlich vollkommener
Gott ist nur schwer mit Evolutionsprozessen zu vereinbaren: Die Evolution arbeitet mit trial and error und weist - mehr oder weniger geplant :chefren: - vieles auf, was man
bezogen auf eine personale Instanz als unbarmherzig bezeichnen könnte.
Trotzdem, die Diskussion um die creatio evolutiva, creatio continua und um die creatio originans ist in jeder Hinsicht spannend, intellektuell und emotional.

Was statistische Untersuchungen angeht, sie haben allein wegen der Fragestellung ihre Tücken. Immerhin: Ein paar dieser Untersuchungen dürften doch
recht aufschlussreich und ergiebig sein, besonders die im Vor- und Nachfeld von

Edward J. Larson
Department of History, University of Georgia,
Athens, Georgia 30602-6012, USA
e-mail:edlarson@uga.edu

Larry Witham
3816 Lansdale Court, Burtonsville,
Maryland 20866, USA

Lesenswert:

http://www.stephenjaygould.org/ctrl/news/file002.html

http://www.stephenjaygould.org/ctrl/news/file002.pdf

***http://tinyurl.com/cwogjvk

Ecklund, Elaine Howard. 2010. Science Vs. Religion What Scientists Really Think. New York: Oxford University Press.

Ecklund, Elaine Howard, and Jerry Z. Park. 2009. “Conflict between Religion and Science among Academic Scientists?”Journal for the Scientific Study of Religion, 48(2):276-292.


*** http://tinyurl.com/7xnkmhy

Bei Ecklund findet sich dann auch das Phänomen "Spiritualität" agnostischer oder "atheistischer" Wissenschaftler und damit eine Kategorie, die wir auch bei Overbeck sehen.

Bild

Vale
w
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Re: Stigmata

Beitragvon Brakbekl » Mo 16. Apr 2012, 11:27

Jetzt polemisierts Du aber gar nicht, Willibald.... :-o Kannst Du mal akzeptieren, daß mich es nervt, wenn unter dem Vorwand von Wissenschaft und unter Mißbrauch dieses Titels contra Ecclesiam et Fidem argumentiert wird, weil ich meine ganze Jugend nichts anderes in einem komm. Staate erlebt habe ... Wenn es Dir nicht so ging ... schätze Dich glücklich .... das Thema Stigmata und Wunder allgemein scheint mir die Panzerwaffe der Atheisten zu sein ....
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Anregung..

Beitragvon Willimox » Mo 16. Apr 2012, 11:46

Anregungen zur friedlichen Nutzung von argumentativer Energie:

a) Offensichtlich willst Du plötzlich nicht gelten lassen, dass man in Brakbekistan polemisieren kann auf Mengele komm raus, weil ja der Adressatenkreis so klein ist.
Ich halte mich da doch recht zurück. Meinst Du nicht?


b) Analogieargumentation:
Wenn mir in meiner Jugendzeit militante Lehrer verkündet haben, dass es keine Hexen gibt und keinen Teufel....
Verstehst du nicht, dass ich dann deren Verkündigung für bescheuert halte und mit Inbrunst gegen diese Panzerwaffe des Atheismus
Gegenkräfte entfessle?


c) Meinst du, Brakbekl, wirklich im Ernst, Skepsis gegen Stigmata sei eine hinreichende und notwendige Bedingung für die Diagnose Atheismus
oder gar militanter Atheismus?

:chefren:
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Re:

Beitragvon Brakbekl » Mo 16. Apr 2012, 12:19

Willimox hat geschrieben:a) Offensichtlich willst Du plötzlich nicht gelten lassen, dass man in Brakbekistan polemisieren kann auf Mengele komm raus, weil ja der Adressatenkreis so klein ist.
Ich halte mich da doch recht zurück. Meinst Du nicht?


Doch man darf polemisieren, es sollte aber sachnah bleiben ....

Willimox hat geschrieben:b) Analogieargumentation: Wenn mir in meiner Jugendzeit militante Lehrer verkündet haben, dass es keine Hexen gibt und keinen Teufel....
Verstehst du nicht, dass ich dann deren Verkündigung für bescheuert halte und mit Inbrunst gegen diese Panzerwaffe des Atheismus
losfeure?


Regenbögen gibt es auch nicht. Es sind nur Erscheinungen. Geht man näher heran, verschwinden Sie. Das will ich bis heute nicht glauben ....


Willimox hat geschrieben:c) Meinst du wirklich im Ernst, Skepsis gegen Stigmata sei eine hinreichende und notwendige Bedingung für die Diagnose Atheismus
oder gar militanter Atheismus?


Ich denke, daß Skepsis nicht, aber generelle Diffamation und genereller Betrugsvorwurf eine hinreichende und notwendige Bedingung für die Diagnose militanter Atheismus sind.

Die klassische Antwort ist: Das sind entweder Betrüger oder Verrückte. Wir wollten aber zeigen, dass es dazwischen verschiedene Übergangsformen gibt, die mal mehr, mal weniger krankhaft sind.


Wobei die Kategorie Betrüger letztendlich forensisch nachweisbar sein müsste, während das Epitheton "Verrückter" weder psychologisch noch kriminologisch noch sonstwie einer Kategorie zuzuordnen ist und allein dem Willen zur Diffamation entsprungen ist. Ein Arzt hätte ein einschlägiges Fachwort benutzt.

So in etwa. Die Verletzungen entstehen mit dem Kreuz oder anderen Werkzeugen wie Geißeln und Bußgürteln. Stigmatisierte fügen sich die Male selbst zu, allerdings in Trance, sodass sie sich nachher nicht erinnern können, wie die Male dorthin gekommen sind. Dafür besteht eine völlige Amnesie.


Ich vermute auch, daß die echten Stigmatisierten die Male sich selber zufügen, allerdings nicht per betrügerischer Manipulation in "Trance", sondern allein durch die Bereitschaft, die Leiden Christi nachzuleiden oder mitzuleiden, eben Compassio. Ich denke auch, daß jeder Mensch prinzipiell dazu fähig ist, weil jeder Geist, je nachdem, wie weit er ist, über seinen Körper herrscht. Nur ist die normale Reaktion eines jeden Körpers eben Leidensflucht und in diesem Sinne allein, daß sie die Leidensflucht überwinden, aktiv und willentlich zum Leiden ja sagen, sind sie eben nicht normale Menschen. Das Wunder besteht nicht in der Autosuggestion, sondern im bewußten Willen zur Compassio. Daß es auch auf diesem Feld wirkliche Betrüger geben mag, also die sich mit einem Artefakt selber die Wunde beibringen, ums sagen zu können, sie hätten "von Gott" die Wundmale empfangen, schließe ich überhaupt nicht aus. Aber den Betrug will ich erst bewiesen haben. Man erinnere hier die Rund-um-die-Uhr-Überwachung der A.K. Emmerich durch die preußische Polizei. Man darf dabei auch nicht vergessen, daß selbst im kath. Italien das kath. Milieu, welches diesen "Verbrecher" produziert, im Verschwinden ist. Aber niemand bezeichnet etwa die philippinischen Gekreuzigten oder die mittelalterlichen Geisler als Betrüger, die sich die Wunden ja selber beibringen oder beibringen lassen.
Zuletzt geändert von Brakbekl am Mo 16. Apr 2012, 12:51, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Stigmata

Beitragvon Willimox » Mo 16. Apr 2012, 12:39

Ok, Vorschlag zur Güte:

Kenntnisnahme des Falles Anneliese Michel (Links weiter oben):
Krankhaftigkeit unplausibel?

Kenntnisnahme des vollständigen Zitates Overbeck:
Das hat mich als Mediziner auch gereizt, denn da stößt man zuerst mal auf Unverständnis.
Die klassische Antwort ist: Das sind entweder Betrüger oder Verrückte.
Wir wollten aber zeigen, dass es dazwischen verschiedene Übergangsformen gibt, die mal mehr, mal weniger krankhaft sind.
Wir haben sogar gesunde Menschen gefunden, die solche Stigmata erzeugen können.
Nehmen Sie Franz von Assisi, Teresa von Avila oder Katharina von Siena – das waren hochintelligente, geistig gesunde Leute.


Kenntnisnahme des medizinischen Berichtes vierzehnjähriges Thaimädchen
Hematidrosis: a pathologic process or stigmata. A case report with comprehensive histopathologic and immunoperoxidase studies.
Link weiter oben

Ansonsten:

Selbstschussanlage im eigenen Interesse demontieren.
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Re: Stigmata

Beitragvon Brakbekl » Mo 16. Apr 2012, 16:23

Willimox hat geschrieben:Ok, Vorschlag zur Güte:

Kenntnisnahme des Falles Anneliese Michel (Links weiter oben):
Krankhaftigkeit unplausibel?


Hab den Film soeben zur Gänze gesehen. Würde lügen, wenn ich sagte, daß ich den Namen A. M. nicht kennte. Allerdings habe ich bisher über sie weder einen Film gesehen (kein Fernsehbesitz), noch ein Buch gelesen, noch sonst weiterführende Artikel - so lecker ist das Thema nicht - und übrigens auch aus demselben Grunde, warum ich aus meiner Wörterbuchsammlung den Pschyrembel - entfernt habe. Die Grieche sagt μηδὲν ἄγαν und der Italiener niente troppo. Der Sache, der man sich annähert, kann man auch leicht unterlegen sein. Die Dinge sind an sich aggressiv. Dar Arzt sagt dazu: Krankheiten sind ansteckend!

Nun habe ich den Film gesehen, vorher jedoch noch die Frage: Was hat die Besessenheit eigentlich mit den Stigmata zu tun? Ich denke, Du willst auf darauf hinaus, daß beide Phänomene Ergebnisse nicht mehr normaler Autosuggestion sind ... und damit sei die Sache dann erklärt.

Es folgt jetzt ein Urteil über den Film, nicht über den Fall A. Michel. Der Film kommt mir tendenziös rüber. Man beachte die Lichteinstellung, wenn irgend ein Beamter der kath. Kirche spricht, (Amort, div. Priester, Lehmann). Dazu die suggestive Hintergrundmusik. Das Einspielen der Tonbänder. Achtung: Als der ganze Fall live lief, haben die beteiligten Personen, weder die Ärzte der versch. Kliniken, noch die beteiligten kath. Beamten samt den Betroffenen noch nicht über das aufklärerische Licht des Regisseurs samt seinen säkularen Gewissheiten verfügt. Ich bin überzeugt, wäre dieser "Dokumentarfilm" vor dem Fall im Fernsehprogramm gelaufen, wäre es nie und nimmer zu dieser ganzen Tragik, um nicht zu sagen, zu diesem "Mord" gekommen. Der Film läuft nach dem Schema dort die Dunkelmänner - hier das Licht. Man vermutet einen allwissenden Spiegel-Redakteur als Regisseur. Derartige Dokumentarfilme verachten eine Volksweisheit: Hinterher ist man immer klüger!

Die Falschheit in der Argumentation der Aufklärung ist nach wie vor die politische Funktion der Aufklärung. (Politik machen heißt: Bestimmen, wer der Feind ist!) Es wird eine Dichotomie aufgezwungen, die suggestive insinuiert, wenn die Leute nicht alle so mittelalterlich gewesen wären, sondern modern bundesrepublikanisch, um nicht zu sagen spiegeliansch, könnte A. M. noch leben - ergo sind 1. Kath. Kirche schuld (Crimen specialis: Mittelalterlichkeit = Nichtaufgeklärtheit), 2. der Staat, daß er solches "Treiben" noch zu läßt, und 3. daß er nicht gegen "das mittelalterliche Denken" vorgeht, denn Teufel, Dämonen und Engel und Gott sind letzten Endes alles nur spinnerte Produkte einer krankhaften, aber gesellschaftlich virulenten Imagination, die eines lichten Tages aber überwunden sein wird und dann bricht das Himmelreich der säkularen Wonnen an. Dem ist aber leider nicht so. Das wissen wir alle, weil der Teufel im Detail steckt und nicht in der Art der Weltsicht und -erklärung.

Jetzt zu. A. M. Es gibt die Geschichte vom "Fluch der Pharaoen" - die von der Presse - ich weiß nicht ob gänzlich erfunden, oder aus Bruchstücken zusammengeleimt, ist auch egal: Jedenfalls wurde aus dem Fakt, daß alle Entdecker des Tut-Anch-Amun Grabes bald nach der Entdeckung starben, einem "Fluch" zugeschrieben, den es auf dem ungeöffneten Schrein gegeben haben soll, und der Eindringlinge mit dem Tod bedrohte. Die "Wissenschaft" wies später zu unserer aller Beruhigung nach, daß es nicht der "Fluch", sondern die Sporen eines bestimmten Pilzes auf Fledermauskot gewesen sind, deren Giftigkeit die Forscher erlegen sind. Der Denkfehler liegt hier in der aufklärungsinduzierten Dichotomie, die uns aufzwingen will: Eines kann nur richtig sein, entweder Fluch oder giftige Pilzsporen und Fluch kann sowieso wegen Aufklärung keine richtige Erklärung sein. Flüche sind Aberglauben. Niemand bemerkt, daß der Fluch nur den Tod bestimmt, nicht die Art des Sterbens, und Fluch und giftige Pilzsporen sich mitnichten logisch ausschließen.

Es zeugt m. ger. Erachtens nicht von Weltklugheit von Indianern zu verlangen, wenn sie beim Arzt gewesen sind, und der hat nicht geholfen, nicht wieder zum Medizinmann zu gehen. Der gleiche Fall liegt hier vor. Sie, die Eltern sind beim Arzt gewesen mit A. M. Der hat nicht geholfen! Was der Film macht, ist letzten Endes den Indianern vorwerfen, daß sie Indianer sind. Das kommt von der Hinterher-Klugheit. Daß den Ärzten mal jemand aus der Kur springt und mit dem Tode abgeht, ist tägliche Praxis in D. Das ist natürlich nicht justiziabel - wir kennen das - man spricht in Medizinerkreise nur hinter vorgehaltener Hand davon und Dokumentarfilme werden auch nicht darüber gemacht. Mein Schwiegervater hat gerade eine nosokomiale Infektion nach Bandscheibenoperation überstanden und der Arzt hat zu meiner Frau gesagt: "Seien Sie froh, daß ihr Vater noch lebt, wir hatten ihn schon abgeschrieben." Natürlich ist auch der eine tödliche Fall A. M. aus der Medizinmann-Praxis einer zuviel - und trotzdem möchte ich mich nicht der Hinterher-Klugheit anschließen. Im Übrigen haben gerade in Bezug auf die Gesundheit die sog. Nicht-konventionellen Methoden geradezu einen Boom. Meine Schwester hat jahrelang mit ihrem Rückenproblem die Ärzte vermögend gemacht. Dann ist sie einmal zu einem Schamanen oder was weiß ich gegangen, hat 500 Euro gelöhnt, aber seitdem ist der Schmerz weg. Die Leute arbeiten und denken erfolgsorientiert, nicht dogmatisch. Bei uns auf dem Dorf wissen die Leute ganz genau, wann sie mit der Kuh zum Tierarzt und wann zum Besprecher müssen, obwohl die prot. Theologie seit 2 Jahrhunderten gegen den "Aberglauben" predigt. Die Theorie interessiert die Leute nicht so dabei, sondern der Geldbeutel! Und nochwas: Autosuggestion ist auch bloß ein Wort und erklärt an sich gar nichts!

Persönlich, Willimox, bin ich nicht entschieden, ob die ganze Welt um uns herum nur unser aus Worten gebildetes Bewußtsein ist, oder ob es wirklich eine objektive Realität gibt. Ich halte mich das bedeckt, eventuell ist die Alternative auch nichtig. Ich denke schon, daß es Auto- und Fremdsuggestion gibt, weiß aber nach eingehender Beschäftigung mit Hypnose nicht mehr, wo eigentlich deren Grenze liegt, bzw. die des Individuums liegt.

Das mit dem Thai-Mädchen sehe ich mir morgen an.
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Re: Stigmata

Beitragvon Willimox » Mo 16. Apr 2012, 18:00

Nehm er mirs nicht übel, wackerer Antiaufklärer Brakbekl, im SZ-Magazin wird auf die prägende Erfahrung des Michelfalles verwiesen,
prägend für Niemann und Overbeck, ich hab´s auch schon bei meiner ersten Antwort erwähnt.

Die anskizzierten Passagen markieren die familiale Traumatisierung vieler Protagonisten im Umkreis religiöser Phänomene, also
Exorzismus und Stigmatisierung (bei A. Michel glauben fundamentalistische Kreise an Besessenheit und Sühneleiden, indiziert durch Stigmata)
und diese Passagen markieren den entsprechend therapeutischen Ansatz beim Mediziner Overbeck und beim Jesuiten Niemann.

Ansonsten - nehm´s nicht übel - habe ich nicht die Zeit, auf all das einzugehen,
was mir als erheblicher Mangel in Diskussionsführung und Argumentation erscheint.
Und auf solche Beobachtungen und Ansätze einzugehen, die man - auch bei reduzierter Zeitinvestition - kennen sollte,
eine Voraussetzung für eine angemessene Kritische Würdigung Overbecks.

Auch sind die Stigma-Fälle sehr komplex, die von mir investierte Studienzeit in den Fall Anneliese Michel ist sicher für das verantwortlich,
was dir als typische Voreingenommenheit erscheint. Und als die tendenziöse Berichterstattung, deren durchaus vorhandene Signale du wahrnimmst.
Das wird manch Leser vielleicht und hoffentlich mit weniger Überdehnung und Überstrapazierung des Ideologiebegriffes sehen.

Und so sei hiermit meinerseits geschlossen: In den Links gibt es einiges zu entdecken. Nicht nur für Brakbekl.

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Re: Stigmata

Beitragvon Brakbekl » Mo 16. Apr 2012, 18:18

Willimox hat geschrieben:... an Besessenheit und Sühneleiden, indiziert durch Stigmata)


Ich habe auf Deinen Rat die ersten fünf Minuten übersprungen. Danach habe ich das Wort Stigmata jedenfalls nicht vernommen. Vllt hab ich es überhört.

Mir ist auch nicht bekannt, daß nach kirchlicher Lehre oder medizinischer Diagnostik Stigmata als Zeichen der Anwesenheit des Teufels oder irgendwelcher Dämonen gelten. Würden sie nicht eher als Zeichen der Anwesenheit des Gekreuzigten gelten, in einer Welt, die Symbole deutet?
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Re: Stigmata

Beitragvon consus » Mo 16. Apr 2012, 20:32

His percursis nuntiis non multum abest quin ipse fractus et debilitatus absurdis illis afficiar stigmatis.
:lol:
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Re: Stigmata

Beitragvon Zythophilus » Mo 16. Apr 2012, 21:36

Quaenam, docte, feres in membris stigmata, Conse?
An stilus in digitos uulnera saeua premet?
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Re: Stigmata

Beitragvon Willimox » Mo 16. Apr 2012, 21:37

Num, spectatissime Conse, etiam supra legisti, quomodo ille professor Doctor Wutz scientiam linguisticam Theresae probare conatus sit et cur illi tandem persuasum sit linguae Aramaeicae peritam fuisse

Theresam?


Um sicherzustellen, daß Therese kein falsches Wissen vortäuschte, versuchte Prof. Wutz, "sie mit hebräischen Wörtern oder auch mit grammatikalisch inkorrekten aramäischen Formen zu täuschen. Doch wehrte sie diese immer als falsch ab. Zum Teil äußerte sie auch Wortgebilde und syntaktische Formen, die Wutz nicht kannte und deren Richtigkeit er daher bestritt, bis er sie [später] doch in Quellentexten nachgewiesen fand." (Buchberger, S. 22f)

Prof. Wutz kam fortan des öfteren nach Konnersreuth, schrieb die aramäischen Aussagen Thereses in Kurzschrift mit, prüfte sie zu Hause eingehend und stellte fest, daß Therese nicht nur Worte und Satzteile wiedergab, die sich in der Hl. Schrift finden lassen, sondern daß sie auch ergänzende Aussagen traf.

Um sicherzustellen, daß Therese kein falsches Wissen vortäuschte, versuchte Prof. Wutz, "sie mit hebräischen Wörtern oder auch mit grammatikalisch inkorrekten aramäischen Formen zu täuschen. Doch wehrte sie diese immer als falsch ab. Zum Teil äußerte sie auch Wortgebilde und syntaktische Formen, die Wutz nicht kannte und deren Richtigkeit er daher bestritt, bis er sie [später] doch in Quellentexten nachgewiesen fand." (Buchberger, S. 22f)

Da Therese Neumann die Sprache, in der sie in den Visionen die Personen sprechen hörte, nicht verstand - wovon Prof. Wutz nun überzeugt war - kostete es sowohl ihr als auch dem Professor viel Mühe und Geduld, das Gehörte zu wiederholen. Über die Methode, mit der Prof. Wutz ihr das Aramäische entlockte, sagte Therese: "Er hat anfänglich zugehört, ohne etwas zu sagen. Erst später wollte er mich durch Fragen zwingen, ihm einen reichlicheren Wortschatz aus meinem Gedächtnis vorzubringen. Das kostete mich Mühe, manchmal tat ich es sogar unwillig, aber endlich folgte ich ihm. ... Sehen sie, es geht mir ganz wie einem Kinde, das die Sprache hört, und aus dem bloßen Hören, wenn es auch nicht weiß, wann und wo, die Sprache nachäfft." (Teodorowicz, S. 496)


Bild
Therese Neumann berichtet Professor Wutz im Zustand der Eingenommenheit

http://www.thereseneumann.de/theresegerman/index.htm

Nuper et novissime ille miserrimus sacerdos Schöfl, de quo apud Otto Weiß ("Weisungen aus dem Jenseits", Regensburg: Pustet 2011) multum experiri nobis licet, in sepulcro suo a me visitatus est, in vico Jetzendorf:
"In pace hic quiescit venerabilis sacerdos Joan-Bapt. Schoefl, C.s.s.R., Parochus huius ecclesiae [...] pie obiit anno 1899 die 25. Martii aetatis suae MLXXXIV."

Spero illum crudeliter fractum in caelo alto sedere et ridere.
At dubito.

Louise Beck und Pater Schöfl

Louise Beck,(* 19. April 1822 in Altötting; † 9. August 1879 in Gars am Inn) war eine bayerische Ekstatikerin und Visionärin, die mit ihren Weisungen aus dem Jenseits erheblichen Einfluss auf Ordensobere und hohe Würdenträger der katholischen Kirche in Bayern ausübte.

Louise Beck war das fünfte und jüngste Kind des Altöttinger Gerichtsarztes und Apothekers Benno Beck. Die neurotische Frau wähnte sich mit Seherkraft begabt und behauptete, Visionen über Schutzengel, Arme Seelen und Heilige zu haben. Nach Abschluss einer Ausbildung bei den Barmherzigen Schwestern in Burghausen kehrte sie 19jährig nach Altötting zurück. Seit 1843 hatte sie eine enge Beziehung zu dem jungen protestantischen Grafen Clemens von Schaffgotsch, der sie 1847 schwängerte. Die Schwangerschaft endete mit einer Totgeburt. Während dieser Zeit litt sie an somnambulischen Erscheinungen und einem heftigen Nervenfieber. An ihrer linken Brust entstand eine Wunde. Zugleich gab sie an, von Dämonen gequält zu werden. Sie offenbarte sich dem Oberen des Altöttinger Redemptoristen-Klosters P. Franz von Bruchmann, der darauf hin mit zwei weiteren Patres mehrmals einen Exorzismus an ihr vornahm. Daraufhin verschwanden die Dämonen.
Stattdessen erschien der Visionärin seit 1848 eine Lichtgestalt, die sich als verstorbene Frau des P. Bruchmann kundgab und Weisungen für diesen und andere Obere der Redemptoristen mitteilte, die Louise in ekstatischem Zustand niederschrieb oder mündlich weitergab. Die Führung aus dem Jenseits wurde von den Eingeweihten die Höhere Leitung genannt. Die aus dem Jenseits führende Frau Bruchmann nannten sie die Mutter. Louise Beck hieß das Kind, die Anhänger des Geheimkultes nannten sich Kinder der Mutter.

Bald bildete sich ein Zirkel von Anhängern: Obere des Redemptoristenordens und einige Laien, darunter die Verwandte Louise Becks, Bertha von Prankh, Schwester des bayerischen Kriegsministers Siegmund von Pranckh und die Fürstin Leopoldine von und zu Löwenstein, eine Tante des Katholikenführers Karl Heinrich zu Löwenstein. Beide Damen waren die ständigen Begleiterinnen und Geldgeberinnen Louises. Seit Anfang 1848 standen der Münchener Erzbischof und spätere Kurienkardinal Karl August von Reisach und sein Generalvikar Friedrich Windischmann, auch in kirchenpolitischen Fragen, unter der Führung der Seherin. 1872 unterstellte sich dann der Regensburger Bischof Ignatius von Senestrey der Gewissensführung durch die Mutter, die ihm befahl, in Rom die Verurteilung der Schriften seines Vorgängers Johann Michael Sailer zu erreichen, ein Vorhaben, das jedoch scheiterte. Louise Beck unterstand seit 1858 der Gewissenleitung durch P. Carl Ehrhard Schmoeger, der durch seine Veröffentlichungen über Anna Katharina Emmerick bekannt wurde. Sie selbst hatte seit 1858 engen Kontakt mit der Ekstatikerin Maria von Mörl. 1862 zog sie mit ihren beiden Begleiterinnen in einen Flügel des Klosters Gars am Inn, welches die Redemptoristen wenige Jahre zuvor erworben hatten und wohin ihr Seelenführer Schmöger versetzt worden war. Als sie am 9. August 1879 starb, äußerte Senestréy, er wisse nun nicht mehr, wie er die Diözese leiten solle.

http://de.wikipedia.org/wiki/Louise_Beck


Pater Schöfl

Donnerstag, 23. März 1865. Johann Baptist Schöfl atmet die kalte Luft, die vom Inn heraufströmt ins Dorf Gars. Frei. Aber was ist das für eine Freiheit, wenn er dafür den Orden verlassen musste? Den Mitbrüdern wird er in einem Rundschreiben Schmoegers als Beute des Satans beschrieben, als Wahnsinniger. Ein halbes Jahr später gibt ihm der neue Münchner Erzbischof eine Pfarrstelle nahe Dachau. Er wird dort bis zu seinem Tod bleiben, bis 1899.
Am frühen Nachmittag des 6. August 1879 schließt Louise Beck, die Seherin von Gars, für immer ihre Augen. Schmoeger schreibt: „Sie verglühte buchstäblich wie eine Kohle.“ Er archiviert ihren Nachlass, Briefe und Gebetbücher, ein Taschentuch, Bettwäsche. Es sind Reliquien, für den Fall, dass sie einmal heiliggesprochen wird.


RUDOLF NEUMAIER SZ 9.12. 2011
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