de propaganda

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de propaganda

Beitragvon Brakbekl » Mo 8. Okt 2012, 10:49

Der älteste mir im Hinterkopf haftende Topos ist der von der Congregatio de propaganda fide. Ich seh im Georges und bei Stauwasser nach und stelle fest, Propaganda ist nicht gelistet, dabei führt das Dudensche Große Fremdwörterbuch (Mannheim 1994 s. S. 1123) aus:
"Propaganda die; (unter Einfluss von fr. Propaganda zur Kurzform von kirchenlat. Congregatio de propaganda fide "Kongregation (= päpstliche Instanz) zur Verbreitung des Glaubens", dies zu lat. Propaganda, Fem. des Gerundivums von propagare , vgl. propagieren:
1. systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o ä. Ideen u. Meinungen [mit massiven (publizistischen) Mitteln] mit dem Ziel, das allgemeine [politische] Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen.
2. Werbung, Reklame:..


Seltsamerweise kennt auch das Promptuarium Ecclesiasticum diesen Begriff nicht. Wahrscheinlich ist er nicht ma. Kirchenlat, sondern neuzeitlich, wenn auch im Kirchenraum entstanden. Immerhin ist er jetzt ein Substantiv, obwohl er ursprünglich ein Gerundivum und die Formel müßte "Aggregat für den zu verbreitenden Glauben" übersetzt werden. Nun wird in den neuen Sprachen ein Substativ draus. Hat man vorher nicht festgestellt, daß es das Phänomen Propaganda gibt? Sind daran die Jesuiten schuld, die als erste auf den Trichter kamen, es käme bei einer einzusetzenden Satze nicht so sehr auf dessen Wahrheit an sich an, sondern mehr auf dessen Applausibilität. Hintergrund ist die Lehre vom Probabilismus, der dann zur sprichwörtlich gewordenen, "Jesuitenmoral" entartete. Kern der Lehre: "Erlaubt ist, was nützt!" - was sich nur noch wenig letztzeitigen vom: "Erlaubt ist, was gefällt" unterscheidet. Inzwischen hat der Spaß ja den Nutzen verdrängt.

Obwohl, so scheint mir, mit Sicherheit, die damals den Begriff geprägt habenden Personen nicht dies Ende des Worte im Auge hatten, so ist doch der Begriff inzwischen in allen europäischen Sprachen dort gelandet und zwar dicht neben der Lüge, und zwar der glatten. Propaganda ist, wenn etwas nur im Hinblick auf ein Ziel gesagt wird, oder eben negativ, als Zensur, nicht gesagt werden darf. Bei dieser Definition wird etwas ganz Wichtiges vergessen. Und zwar die Person. A sagt einen Satz und er entspricht der Wahrheit. B sagt denselben Satz und er ist Propaganda.

Ein wichtiges Kriterium ist m. E. die sog. Wahrhaftigkeit. Eine Person muß für den Satz, den sie sagt, (ein)stehen. Der Satz muß seine Wirklichkeit im Leben der Person erwiesen haben, er muß als Lebenserkenntnis daherkommen. Noch nicht einmal dann mag er als frei von Propaganda erkannt werden. Eines der Kennzeichen von Propaganda ist doch, und daran wird sie - eher instinktiv als intellektuell - vom Volke erkannt, daß die Worte nicht aus dem Leben der sie äußernden Personen stammen. Typisches Beispiel ist immer, wenn ein Gewerkschaftsbonze, der noch nie Hammer oder Schippe in der Hand hatte, sondern Uni und dann Kanzlei und dann Posten, oder noch schlimmer, Uni und dann sofort Posten, mit dem Bauarbeiterhelm auf'm Dätz zu Arbeitern spricht, die gerade wegen Werftpleite entlassen werden. Da tröpfelt die Propaganda aus dem Jackett.

Noch schlimmer ist es bei den Parteien. Da wird Parteidisziplin geübt. Auf deutsch heißt das: Ich richte meine Meinung nicht nach dem aus, wie ich die Welt erfahre, sondern, wie sie meinem Fortkommen dient. Nicht dem allgemeinen Wohl ist man verpflichtet, sondern dem persönlichen Fortkommen - das sind zwei verschiedene Dinge. Nun, damit stehen die modernen Parteien nicht alleine da. Das war bis zu einem gewissen Grade wohl immer so. Man redete nach dem Mund. Mundus vult decipi ...

Nun ja, kommen wir zum wichtigen Thema: "Wissenschaft und Propaganda" und der ernst gemeinten wissenschaftlichen Frage: Gibt es Wissenschaft ohne Propaganda, oder noch besser: Hat sich Wissenschaft schon einmal gegen Propaganda gewehrt? Eventuell handelt es sich ja nur um eine Variation zum alten Text: Cuius panem edo, illius carmina cano ...

Dazu würd ich dies Buch lesen: http://www.amazon.de/Die-Rassenlehre-Na ... B0000BN4MM, wenn es schon zu haben wäre, es nicht so rot erschien und der Autor mir auch die Zeit zum Lesen zur Verfügung stellen würde. Aber es gibt Bücher, deren Titel wohl interessant klingt, denen man aber schon an der Aufmachung ansieht, daß es
a: - schlecht gemacht,
b: - Schnee von gestern,
c: - ideologisch eingefärbt, und darum keine Kaufempfehlung bekommt. Immerhin gibt es modernere Aufhänger zum Thema, aber da müßte man sich als (junger) Autor positionieren, was in der späteren Karriere - die Welt ist wetterwendisch - mitunter zu argen Verwerfungen führen kann.

... oder dies: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-74549643.html

wobei ich aufgrund langjähriger Spiegel-Lektüre der Überzeugung bin, daß tendenziell die Leute moralisch und intellektuell auf der richtigen Seite sind, gegen die der Spiegel schreibt. Denn Der Spiegel und Propaganda ist dasselbe Wort.

Man müßte mal untersuchen, wann genau die Propaganda ihren schlechten Ruf bekam, ob das erst in diesem Jahrhundert war? Das Wort hat auch einen interessanten Graphen: http://books.google.com/ngrams/graph?co ... moothing=3
fide et virtute famam quaere
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Re: de propaganda

Beitragvon romane » Mo 8. Okt 2012, 18:15

propago ...
Die Freiheit ist ein seltsames Wesen - wenn man es gefangen hat, ist es verschwunden

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Re: de propaganda

Beitragvon sinemetu » Mo 8. Okt 2012, 18:22

romane hat geschrieben:propago ...


Hallo Romane, es ging mir, ich denke, daß ist offensichtlich, nicht um die etymologische Herleitung, sondern um die Frage, wie das Wort zu seiner jetzigen negativen Bedeutung kam.
Quaestor sum, quaerere quaerique possum ...
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Re: de propaganda

Beitragvon romane » Mo 8. Okt 2012, 20:20

@sinemetu - wo ist dein Posting?
Die Freiheit ist ein seltsames Wesen - wenn man es gefangen hat, ist es verschwunden

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