Transitivität näher betrachtet.

Beiträge zu Themen, die in keine andere Kategorie passen

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Transitivität näher betrachtet.

Beitragvon Laptop » Sa 18. Mai 2013, 03:37

Anknüpfend an die Aussage unseres geschätzten Logikers Prudentius’
denn nur transitive Verben bilden ein Passiv (einmal abgesehen vom unpersönlichen Passiv)
möchte ich einmal fragen, was ihr unter Transitivität versteht? Die Schulgrammatik definiert, ich zitiere: «… Transitivität über die Eigenschaft eines Verbs, den Kasus Akkusativ zu regieren … Ein Verb ist demnach transitiv, wenn eines seiner Mitspieler den Kasus Akkusativ trägt.» Nun gibt es aber Verben, wie z. B. die Verben der Wahrnehmung, wie “sehen, riechen, schmecken”, die zwar Objekte annehmen; diese Objekte sind allerdings reine Zusatzinformationen, keine von der Handlungen wirklich betroffenen (beeinflußten) Objekte, wie auch: “Die Frau singt ein Lied.” “Es regnet Schusterjungen” “Er lernt Chinesisch”. Weder “Lied”, noch “Schusterjungen”, noch “Chinesisch” wird durch die Handlung in irgendeiner Weise beeinflußt. Was ich damit sagen will ist, daß â€œsingen”, “regnen”, “lernen” hier nach der Schulgrammatik transitive Verben wären, nach meinem logischen Verständnis aber nicht. Könnte man hier vielleicht zw. “scheinbarer” und “logischer” Transitivität unterscheiden? Ausgangspunkt meiner Überlegung und Frage, ist dieser Satz aus dem 16. Jhd.: “Der brauch wirt michs lernen nennen”. Hier wird das Verb “lernen” in wirklicher (logischer) Transitivität gebraucht. Was sagt ihr zu diesem Phänomen und dazu Transitivität als solche näher zu spezifizieren?

Hier nochmal der Satz im Original Bild
SI·CICERONEM·ÆMVLARIS·VERE·NON·VIVAS (get a life!) OBITER·DICTVM·BREVITAS·DELECTAT (keep it short and simple = kiss)
Benutzeravatar
Laptop
Augustus
 
Beiträge: 5737
Registriert: Sa 12. Mai 2007, 03:38

Re: Transitivität näher betrachtet.

Beitragvon Christophorus » Sa 18. Mai 2013, 09:42

hm :nixweiss:

du vermischst hier doch m.E. zwei Ebenen, die grammatische und die inhaltliche ...

ein transitives Verb wird eben grammatisch definiert

und was ist dann z.B. auch mit Verben, die das Akkusativojekt zwar theoretisch beeinflussen können, es aber nicht tun, z.B. "der Professor unterricht seine Studenten" , "Borussia Dortmund greift den ersten Platz von Bayern München an" ...
umgekehrt können ja z.B. "sehen" und "singen" durchaus auch einen - wenn auch nicht immer direkt materiellen Effekt auf das Objekt haben:
der Polizist sieht den Einbrecher => der Einbrecher flüchtet
ein berühmter Sänger singt ein (vielleicht schon bekanntes) Lied => das Lied wird bekannter, verkauft sich besser
Timeo Danaos et donuts ferentes.
Christophorus
Senator
 
Beiträge: 2818
Registriert: Sa 27. Nov 2004, 23:43

Re: Transitivität näher betrachtet.

Beitragvon Prudentius » Sa 18. Mai 2013, 17:18

Hallo Laptop,

unseres geschätzten Logikers Prudentius


freue mich über die Gloriole, wir stolpern ja ständig über grammatisch-logische Fußangeln, es steht die Aussage im Raum (du weißt es ja), unsere Grammatik sei zu unwissenschaftlich, es werde zu wenig diskutiert und nur auf die Standardgrammatiken verwiesen, so versuche ich mich gelegentlich als "rerum novarum cupidus". Die Logik ist ja der Sockel, auf dem das Haus der Grammatik gebaut ist, und wenn es im Haus wackelt, tut man gut daran, nach unten zu schauen. Die grammatischen Hauptbegriffe, Subjekt, Prädikat, Objekt, Kausalität, Abhängigkeit, Allgemeinheit, Negation usw. sind allesamt auch logisch-philosophische Hauptbegriffe.

keine von der Handlungen wirklich betroffenen (beeinflußten) Objekte


Christophorus sagt hier das richtige, es geht nur darum, ob das Verb ein Akkusativobjekt hat, du spielst hier auf eine andere Unterscheidung an, die zwischen affiziertem und effiziertem Objekt, ich schreibe den Brief (eff.) und lese den Brief (aff.).

Verben sind oft nicht einfach transitiv oder in-, es können auch die transitiven Verben intransitiv gebraucht sein ("schlecht sehen") und gelegentlich intransitive transitiv, als Beispiel fällt mir das geflügelte Wort mit der "Figura etymologica" ein: "Mönchlein, du gehst einen schweren Gang". Für die Schule ist die Unterscheidung wichtig für die Passivbildung, wenn in der einen Sprache persönliches und in der anderen unpersönliches Passiv steht; Bsp. "adiuvamur uns wird geholfen", "nobis parcitur wir werden verschont".

lgr. P. :)
Prudentius
Senator
 
Beiträge: 3577
Registriert: Di 24. Mai 2011, 17:01

Re: Transitivität näher betrachtet.

Beitragvon Laptop » Sa 18. Mai 2013, 19:23

@Christophorus, Prudentius Verstehe, ich habe Transitivität zu inhaltlich/funktional gedeutet. Wenn ich mich nicht irre hat die heutige Linguistik die althergebrachte Dichotomie transitiv <> intransitiv durch das moderne Modell der Valenzen ausgetauscht, mit dem sie etwas genauer ausdifferenziert.

Was mir nun fehlt ist die andere Seite der grammat. Termini, die funktionale Seite und dessen Termini, die die Art der Valenz beschreibt; wie z. B. effizierendes Element (Subjekt), affiziertes Element, thematisches Element (~Objekt, ~Subjekt), usw.
SI·CICERONEM·ÆMVLARIS·VERE·NON·VIVAS (get a life!) OBITER·DICTVM·BREVITAS·DELECTAT (keep it short and simple = kiss)
Benutzeravatar
Laptop
Augustus
 
Beiträge: 5737
Registriert: Sa 12. Mai 2007, 03:38

Re: Transitivität näher betrachtet.

Beitragvon Brakbekl » So 19. Mai 2013, 10:57

«… Transitivität über die Eigenschaft eines Verbs, den Kasus Akkusativ zu regieren … Ein Verb ist demnach transitiv, wenn eines seiner Mitspieler den Kasus Akkusativ trägt.»


Das ist zwar war, aber tautologisch. Transitiv meint doch, daß auf der Inhaltsebene der Verständnisanschluß oder der Textduktus auf das Objekt übergeht - darum transire. Ich weiß jetzt nicht, wer die semantischen Begriffe transitiv und intransitiv gebildet hat, und wie alt sie sind, aber sie sind eben keine auf der streng grammatischen Ebene, sondern auf der semantischen gebildete Begriffe, denn danach sind sie benannt worden.

Wenn ich von Grammatik spreche, beziehe ich mich auf die Teilung in Grammatik, Semantik, Phragmatik.
fide et virtute famam quaere
Benutzeravatar
Brakbekl
Senator
 
Beiträge: 3264
Registriert: Sa 18. Aug 2007, 15:07

Re: Transitivität näher betrachtet.

Beitragvon Prudentius » So 19. Mai 2013, 16:24

hat die heutige Linguistik die althergebrachte Dichotomie transitiv <> intransitiv durch das moderne Modell der Valenzen ausgetauscht,


ich glaube, ihr habt jetzt den Zusammenhang des Transitiven mit der Passivbildung aus den Augen verloren, ich sage deshalb mal etwas überspitzt: die ganze Unterscheidung transitiv : intransitiv hat nur den Sinn, die Passivbildung zu erklären, "transitiv" ist nur ein Hilfsbergriff aus schulpraktischen Gründen, nämlich um dem Schüler bei den Tücken der Passivbildung (personliches vs. unpersönliches Passiv) weiterzuhelfen, wie oben bei adiuvare und parcere erwähnt.

"Transitiv" soll also für uns heißen, dass ein Verb in einem Satz steht wie "Magister discipulum laudat", der das Schema "N - P - A" hat (für Nominativ, Prädikat, Akkusativ); davon bilden wir das persönliche Passiv.
Dagegen heißt "intransitiv" so ein Verb wie in dem Satz "Tibi credo", dazu kann kein persönliches Passiv gebildet werden.

Auf die Linguistik brauchen wir also nicht zurückzugreifen
Prudentius
Senator
 
Beiträge: 3577
Registriert: Di 24. Mai 2011, 17:01

Re: Transitivität näher betrachtet.

Beitragvon Ioscius » Fr 24. Mai 2013, 21:08

Vielleicht ein unnötiger Kommentar zum thema direktes/ indirektes Akkusativobjekt, der auch leicht am Thema vorbeigeht:

irgendwie fühlt man auch sparchlich den "normalen" Akkusativ.

Ausdrücke, in denen das Akkusativobjekt als indirektes Objekt vorkommt, die das Prädikat wie ein Adverb näher bestimmen - wie beispielsweise "Es regnet Fiscche" - sind mir immer komisch vorgekommen. Das Akkusativobjekt kam mir komisch vor -

bis ich demletzt in der griechischen Grammatik von Lindemann und Färber auf Seite 21 las, dass das Akkusativobjekt als effiziertes Objekt wie in "Ich präge eine Münze" und das Akk.obj. als indirektes Objekt des Akkusativs wie in "Es regnet Fische" sich sehr ähneln. Plötzlich kam ich ins Grübeln und merkte, dass das effizierte Akkusativobjekt "Münze" beim Prädikat "prägen" dieses Prädikat ja auch nur näher bestimmt; wo also der Unterschied.. Man fühlt es nur, Sprachgefühl, mehr nicht.. Diese Grammatik sieht zwischen den beiden Objekten den Unterschied, dass beim effizierten Objekt ebendieses Objekt bestehen bleibt (z.B. "den Weg schneiden"), beim indirekten Objekt (z.B. "Klagelaute hören lassen") hingegen nicht. Meines Erachtens Quatsch, da bei meinem Beispiel "Es regnet Fische" die Fische auch noch da sind..
Ioscius
Censor
 
Beiträge: 735
Registriert: Di 6. Feb 2007, 20:02


Zurück zu Sonstige Diskussionen



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 68 Gäste