Was ist Schwulst?

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Was ist Schwulst?

Beitragvon Brakbekl » Do 8. Aug 2013, 08:47

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und Seite 2

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der Text stammt aus einer Anthologie namens Heiliges Reich - Die deutschen Heiligen in Geschichte, Legende, Liturgie, Kunst - Rittertum und Frauenehre. MARIA LAACH 1935 v.EMMAN v. SEVERUS und Theos. Bogler, die ich jüngst in Osteuropa auf dem Flohmarkt erstand.

Dass es sich hier um einen christlichen Text handeln soll, erfährt man allein aus der Überschrift, dem Zitat am Ende der ersten und der zweiten Seite Immanuel), und aus einigen Andeutungen, aber man muß eine gewisse Bibelkenntnis mitbringen um das zu erkennen. Wahrscheinlich hatten der Verfasser zuviel Stephan George gelesen. Ebenso botschaftsfern werden uns eines Tages in 70 Jahren die heutigen Schöpfungserhaltungs- und Klimatexte aus kath. Produktion vorkommen. Käme der Text heute aber genauso schräg daher, wenn Hitler den Krieg für sich entschieden hätte? Ich denke ja, weil einem großen Teil der Funktionselite dieser Nostalgieschwulst zutiefst zuwieder war ebenso wie das Christentum. Diese homeopathische Beimischung gemeinchristlicher Anspielungen in einen pseudomittelalterlichen Text kann nur als feudalisierende Überhöhung der Treue in der Tradition der Nibelungen verstanden werden, aber nicht als christliches Evangelium.

Kann man die Dichte von stabreimenden Verbindungen, die es im MA wohl so nie gegeben hat, als Kennzeichen von Schwulst nehmen?
Zuletzt geändert von Brakbekl am Do 8. Aug 2013, 16:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist Schwulst?

Beitragvon Laptop » Do 8. Aug 2013, 16:25

Was ist das lat. Wort für Schwulst? tumor. Eine lapidare Antwort, aber Schwulst ist das, was man persönlich darunter empfindet. Ja, auch ich empfinde den von dir genannten Text als schwülstig. Aber mir ist nicht ganz klar, was nun dein Problem bei der Sache ist.
Zuletzt geändert von Laptop am Do 8. Aug 2013, 17:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist Schwulst?

Beitragvon Brakbekl » Do 8. Aug 2013, 16:38

Das Problem ist, daß Schwulst als Stilmerkmal eigentlich zeitunabhängig ist. Daher die Frage, ob der Text auch 1935 schon von jemand als schwülstig empfunden worden wäre. Weitschweifigkeit ist in jedem Fall ein Kennzeichen von Schwülstigkeit. Gehört das gewollt Historisierende, also etwa die Stabreime und überhaupt die Wortwahl auch dazu?
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Re: Was ist Schwulst?

Beitragvon Laptop » Do 8. Aug 2013, 17:58

Der Schwulst ist zu dick aufgetragener Ornat in einem Vortrag und hat vor allem das Merkmal, daß er übertrieben bzw. unpassend ist. Der von dir oben genannte Text ist – genauer betrachtet – vor allem pathetisch.
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Re: E. von Severus OSB.

Beitragvon Prudentius » Do 8. Aug 2013, 18:39

Hallo brakbekl,

ich hab den Eindruck du schwingst hier zu sehr die moralische Keule, versuche doch einmal, dich in das D. von 1935 hineinzuknien, stell dir vor Augen, was die Leute hinter sich hatten, was sie auf sich zukommen sahen, und was sie nicht sahen, dass es auf sie zukam, was wir aber wissen, dass es kam. Und welchen wundersamen Aufstieg Deutschlands sie zu beobachten meinten...!

Emmanuel von Severus war eine bedeutende Figur, ein Benediktiner von Maria Laach, er war der führende Kopf der "liturgischen Bewegung", einer innerkirchlichen Strömung im Vorfeld des Konzils. Ich setze mal einen Nachruf her;
http://www.kreis.aw-online.de/kvar/VT/h ... 1998.4.htm

Für Schwulst stand in der antiken Literatur vor allem der frühe Tragiker Aischylos, überladene Sätze, zu viele übertragene Wortbedeutungen, aber keineswegs hohl klingend: Schon der Komödiendichter Aristophanes machte sich über ihn lustig, er zollte ihm aber trotzdem Respekt, und stellte ihn über den einfach und modern schreibenden Euripides.

Wahrscheinlich hatten der Verfasser zuviel Stephan George gelesen.


Der George-Kreis hatte eine erstaunliche Ausstrahlung, es gehörten ihm viele begabte Leute an, auch aus unserer Zunft, etwa Karl Reinhart, wenn sich noch jemand an den Namen erinnert.
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Re: E. von Severus OSB.

Beitragvon Brakbekl » Do 8. Aug 2013, 19:09

Prudentius hat geschrieben:Hallo brakbekl,

ich hab den Eindruck du schwingst hier zu sehr die moralische Keule, versuche doch einmal, dich in das D. von 1935 hineinzuknien, stell dir vor Augen, was die Leute hinter sich hatten, was sie auf sich zukommen sahen, und was sie nicht sahen, dass es auf sie zukam, was wir aber wissen, dass es kam. Und welchen wundersamen Aufstieg Deutschlands sie zu beobachten meinten...!


Genau das meinte ich nicht zu tun, Prudentius, weil ich schon der Meinung bin, die Leute müssen aus ihrer Zeit her beurteilt werden. Wir sind hier doch nicht bei der Antifa oder der PC-Polizei. Darum genau meine Frage, ob dieser Text nicht auch schon 35 als Schwulst gelesen werden konnte, denn die Fürstromantik im Text ist doch nicht von ungefähr unter einem Führer. Die Anspielungen auf Christus sind ja meistenteils so versteckt, daß sie der normalsäkularisierte Deutsche Sonntagschrist hat wohl auch 35 nicht mehr verstehen können, denke ich. Ich möchte auch die Schwulstfrage vollkommen vom politischen Hintergrund getrennt beantwortet haben. Was sind die Merkmale von Schwulst? Mir fehlt hier z. b. das eindeutig Bildhafte, weil in der NS-Zeit ja politisch gewollt die Treue z. b. in Anspruch genommen wurde, die an sich eine vormoderne Tugend ist und nichts, was ein moderner Staat vom Staatsbürger einfordern kann. Also sie steht hier nicht bildhaft für modernen Stattsbewußtsein, sondern ist schon direkt gemeint, was ja kein Schwulst wäre?
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Re: Was ist Schwulst?

Beitragvon Shater » Mo 26. Aug 2013, 16:21

Ja ein Tumor oder ein größerer Klumpen unter der Haut etc.
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