seltsame fides-Formel

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seltsame fides-Formel

Beitragvon sinemetu » So 16. Mär 2014, 22:58

Ebenfalls bei Ganshof finde ich die seltsame Formel "spondeo in fide mea me fidelem fore …" s. S. 72

Ich finde die Formel "Ich verspreche bei meiner Treue treu zu sein …." etwas seltsam. Bei einem Eid wird doch bei jemandem als Zeuge (bei Gott) geschworen, der als unbeteiligter Dritter quasi die Wahrhaftigkeit des Gesagten bestätigen soll, oder aber bei einem Ding (bei meiner Seele) die als Pfand für die Wahrhaftigkeit des Gesagte angeboten wird.

Man könnte noch verstehen bei meiner Ehre, deren ich im Falle eines Falles verlustig ginge. Aber wie ist das zu verstehen, bei meiner Treue? Oder meinet der Sprecher mit dem fixes mea den konkreten Vertrag, dessen er im Falle eines Falles verlustig gehen würde?
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Re: seltsame fides-Formel

Beitragvon Zythophilus » Mo 17. Mär 2014, 00:22

Ähnlich schwört auch Aeneas, wenn er Dido die Umstände seiner Abfahrt aus Karthago erklärtt, bei Sternen und Göttern und "si qua fides"
Aen. VI 458s. hat geschrieben:per sidera iuro,
per superos et si qua fides tellure sub ima est,
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Re: seltsame fides-Formel

Beitragvon Laptop » Mo 17. Mär 2014, 06:23

Ich mag die Übersetzung mit “Treue” nicht, wie ich sie allzuoft lese, z. B. bei der e-Latein-Übersetzung “und wenn es tief unter der Erde eine Treue gibt”. Gemeint ist doch wohl “und wenn tief unter der Erde ein Versprechen etwas zählt”. Treue versteht man heute als Anhänglichkeit.

Aber zurück zur Frage des OP: du fragst nach dem Sinn der dt. Formel “bei meiner Treu”. Da würde ich mit “bei meinem Kredit” (= Glaubwürdigkeit, gesellschaftlichem Ruf) antworten.
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Re: seltsame fides-Formel

Beitragvon juergen » Mo 17. Mär 2014, 13:03

Vielleicht so:
Ich verspreche in meiner Aufrichtigkeit… / ich verspreche aufrichtig…
Gruß Jürgen

Achja: meine Übersetzungen sind alle mit großer Vorsicht zu genießen
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Re: seltsame fides-Formel

Beitragvon sinemetu » Mo 17. Mär 2014, 15:43

Laptop hat geschrieben:Aber zurück zur Frage des OP: du fragst nach dem Sinn der dt. Formel “bei meiner Treu”. Da würde ich mit “bei meinem Kredit” (= Glaubwürdigkeit, gesellschaftlichem Ruf) antworten.


ja, aber die eigene Treue kann doch nicht Richter der eigenen Treue sein. Da macht man doch den Bock zu Gärtner. Es kommt doch immer auf eine unabhängige dritte Instanz an, die zitiert wird. Man sucht doch einen dritten Zeugen für einen Bund zwischen Zweien. Ein Hochzeit ist doch ein Versprechen, daß sich zwei geben vor Dritten als Trauzeugen…..

@Zytophilen …. durch die Sterne schwöre ich, sagt er …. das mit per lass ich jetzt mal weg, aber die Sterne sind hier Zeugen, d. h. sie befinden sich als allsehende, allwissende in der Zeugenrolle.
Zuletzt geändert von sinemetu am Di 18. Mär 2014, 11:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: seltsame fides-Formel

Beitragvon Arp » Mo 17. Mär 2014, 19:42

Ich bin wahrlich kein Experte in Sachen rhetorischer Figuren, aber könnte es sein, dass es sich hier um eine Traductio handelt? (Ein Wort wird pointiert in unterschiedlichen Formen nebeneinander gesetzt)
Wenn das zutrifft und wenn man das in der Übersetzung wiedergeben will, muss man schon zwei nahe verwandte Begriffe wählen. Wenn einen das stört, gibt es doch viele Alternativen zu "Treue".
Und die
sinemetu hat geschrieben:unabhängige dritte Instanz
kann prinzipiell eine Person, eine Sache oder auch ein Wert sein. Überzeugung, Ehrlichkeit, Redlichkeit, Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit, Glaubwürdigkeit....
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Re: seltsame fides-Formel

Beitragvon Laptop » Di 18. Mär 2014, 02:01

Ich weiß nicht worauf du Bezug nimmst, mit "Treue der Richter der Treue", aber fidelis heißt hier "treu", und fides nicht "Treue", sondern "Kredit" oder "Aufrichtigkeit".

Man hätte auch sagen können: do fidem me fidelem fore.
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