ahnden = ahnen

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ahnden = ahnen

Beitragvon sinemetu » Mi 25. Feb 2015, 12:03

„ich habe mehr als die Hälfte des Stückes gelesen und weiß nicht, was das Mädchen will, oder was der Dichter mit dem Mädchen gewollt hat, ahnde auch nicht, was etwa mit ihr geschehen könnte, kein zukünftiges Schicksal ist angekündigt oder vorbereitet, und zudem lässt ihr Geliebter bis zur letzten Zeile des dritten Akts kein halbes Wörtchen von ihr fallen. Dieses
ist schlechterdings die tödliche Seite des ganzen Stücks, wobei der Dichter ganz unter dem Mittelmäßigen geblieben ist“.


Fridell Kulturgeschichte der Neuzeit s. S. 340 Band II

Ist es ein Orthographiefehler, eine Nachlässigkeit des Setzers, eine dialektale Eigenheit, oder gibt es eine mir nicht bekannte Brücke zwischen ahnen und ahnden - oder sind die Wort gar verwandt.
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Re: ahnden = ahnen

Beitragvon linhart » Mi 25. Feb 2015, 21:56

Im großen Duden kommt das Stichwort "ahnden" zweimal vor. Die zwei scheinen außer der Buchstabenfolge kaum etwas gemeinsam zu haben:

1}ahn|den <schwaches Verb; hat> [mittelhochdeutsch anden, althochdeutsch anton, zu mittelhochdeutsch ande = Kränkung; Unwille, althochdeutsch anto = das Eifern; Eifersucht; Ärger; Zorn, wahrscheinlich zu 1an und eigentlich = das, was einen ankommt] (gehoben):

(eine missliebige Verhaltensweise o. Ä.) bestrafen:
ein Unrecht, Vergehen streng ahnden;
einen Verstoß mit einer Geldbuße ahnden;
Die Ordnungswidrigkeit wird durch Bußgeldbescheid geahndet (Straßenverkehrsrecht, OWiG 283);
Für Taten, die nach dem Willen der Staatsführung aus politischen Gründen nicht geahndet worden sind, beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Ende des Unrechtsregimes (Woche 4. 4. 97, 8 ).
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2}ahn|den <schwaches Verb; hat> (dichterisch veraltet):

1ahnen:
Mir ahndet heut nichts Guts, Gevatter Licht (Kleist, Krug 3).
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Re: ahnden = ahnen

Beitragvon sinemetu » Mi 25. Feb 2015, 22:23

hier jedenfalls steht ahnen statt ahnden:

https://books.google.de/books?id=04EHAA ... +als+die+Hälfte+des+Stückes+gelesen&source=bl&ots=gOYE6rxRwm&sig=f5rqOGUoYJyza6gjtMQ8Aw_X9-U&hl=de&sa=X&ei=RC7uVMHlDoLjO_fFgZAG&ved=0CCUQ6AEwAQ#v=onepage&q=ich%20habe%20mehr%20als%20die%20Hälfte%20des%20Stückes%20gelesen&f=false

während im Urtext ahnde steht:

http://www.literaturkritik.de/public/re ... abe=200505
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Re: ahnden = ahnen

Beitragvon linhart » Do 26. Feb 2015, 11:23

Ich hab jetzt noch einmal und etwas genauer im Duden nachgesehen. Anscheinend gehen doch beide Wörter, ahnen und ahnden, letztlich auf die Präposition "an" zurück:

1}ah|nen <schwaches Verb; hat> [mittelhochdeutsch anen, wohl zu 1an und eigentlich = einen an- oder überkommen]: ...

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1}ahn|den <schwaches Verb; hat> [mittelhochdeutsch anden, althochdeutsch anton, zu mittelhochdeutsch ande = Kränkung; Unwille, althochdeutsch anto = das Eifern; Eifersucht; Ärger; Zorn, wahrscheinlich zu 1an und eigentlich = das, was einen ankommt] ...
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1}an <Präposition mit Dativ und Akkusativ> [mittelhochdeutsch an(e), althochdeutsch an(a), ursprünglich = an etwas hin oder entlang]: ...

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Re: ahnden = ahnen

Beitragvon sinemetu » Do 26. Feb 2015, 12:06

linhart hat geschrieben:Ich hab jetzt noch einmal und etwas genauer im Duden nachgesehen. Anscheinend gehen doch beide Wörter, ahnen und ahnden, letztlich auf die Präposition "an" zurück:



Naja, aber hier geht es darum, daß Schiller in seiner Besprechung das Wort "ahnden" im Sinne von "ahnen" gebraucht, zu einer Zeit, als die beiden Bedeutungen längst geschieden, ein Gebrauch, der sonst nicht nachweislich, und mir vollkommen daneben scheint. Ich bin ja nun nicht unbelesen, aber dies scheint mir ein Hapaxlegomenon zu sein. Vielleicht ist das ein etymologisierender Stil?
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Re: ahnden = ahnen

Beitragvon linhart » Do 26. Feb 2015, 14:17

Also, Hapaxlegomenon würde ich nicht sagen, da ja im Duden zu der zweiten Bedeutung von ahnden eine Stelle von Kleist angegeben ist. Hier nochmals dieser Eintrag:
2}ahn|den <schwaches Verb; hat> (dichterisch veraltet):

1ahnen:
Mir ahndet heut nichts Guts, Gevatter Licht (Kleist, Krug 3).


Es ist nur merkwürdig, dass hier auch "ahnen" gar nicht wirklich passt. Ich würde eher "schwanen" sagen.
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Re: ahnden = ahnen

Beitragvon sinemetu » Do 26. Feb 2015, 14:31

linhart hat geschrieben:Also, Hapaxlegomenon würde ich nicht sagen, da ja im Duden zu der zweiten Bedeutung von ahnden eine Stelle von Kleist angegeben ist. Hier nochmals dieser Eintrag:
2}ahn|den <schwaches Verb; hat> (dichterisch veraltet):

1ahnen:
Mir ahndet heut nichts Guts, Gevatter Licht (Kleist, Krug 3).


Es ist nur merkwürdig, dass hier auch "ahnen" gar nicht wirklich passt. Ich würde eher "schwanen" sagen.


Die Existenz von "schwanen" beruht auf dem Anklang von ahnen und der weißen pseudogemanomythologischen Farbe von Cygnus. Es ist auch nicht alt.

http://woerterbuchnetz.de/DWB/?sigle=DW ... id=GS20317
Vllt eine Erfindung der Obermythologen Grimm?
Siehe: https://books.google.com/ngrams/graph?c ... nt%3B%2Cc0
scheint nicht sehr häufig zu sein ..... Wann kam das DWB denn mit dem Buchstaben sch raus?

schwanen tut übrigens nur ihm etwas, ihr überhaupt nichts.

siehe: https://books.google.com/ngrams/graph?c ... te%3B%2Cc0

dagegen:
https://books.google.com/ngrams/graph?c ... irect_url=

Das wäre doch mal ein Thema für die intensivierte Genderforschung, warum es dumme Gans heißt und nicht dummer Ganter. Weil ihr eben nichts schwante!

linhart hat geschrieben:Es ist nur merkwürdig, dass hier auch "ahnen" gar nicht wirklich passt. Ich würde eher "schwanen" sagen.


Wieso soll aber ahnen in der Schillerstelle nicht passen. Es ist doch ein dunkles nichtwissendes Vermuten.
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Re: ahnden = ahnen

Beitragvon Zythophilus » Do 26. Feb 2015, 19:06

Die Wendung "mir schwant" hat m.E. nicht mit der Farbe des Tieres zu tun, sondern ist eine scherzhafte Übersetzung von olet ("es stinkt"), das mit olor ("Schwan") in Verbindung gebracht wird.
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Re: ahnden = ahnen

Beitragvon sinemetu » Do 26. Feb 2015, 19:22

Zythophilus hat geschrieben:Die Wendung "mir schwant" hat m.E. nicht mit der Farbe des Tieres zu tun, sondern ist eine scherzhafte Übersetzung von olet ("es stinkt"), das mit olor ("Schwan") in Verbindung gebracht wird.


Gibt es dazu Nachweise?

Interessant, Bierfreund, ich hielt Deinen Befund ungekehrt für richtig, indem olet von ranzigem oleum und olor als Stinker dazugestellt wurde. Warum stinkt der Schwan? Da kann ich auf eigene Erfahrung zurückgreifen. Wie die Blessralle (Phulica - die aus dem Pfuhl), aber im Gegensatz zur leckeren Wild-Ente (Anas z.B. Flachschnabel), haftet insbesondere der Haut des weisen Tieres ein ekliger Geruch an, der auch durch das Braten nicht verschwindet. Vlleicht aber auch, weil er gegen andere Tiere stänkert.

Übrigens haben wir hier typisches undiszipliniertes Diskussionsdrifting oder auch Fadensplitting. Wir haben ahnen-ahnden noch nicht beendet.
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Re: ahnden = ahnen

Beitragvon Zythophilus » Do 26. Feb 2015, 19:46

Der Schwan stinkt nicht. Die Ähnlichkeit olor - oleo brachte des Lateins kundige Leute dazu, olere von olor abzuleiten und als scherzhafte Lehnübersetzung das Wort "schwanen" zu bilden.
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Re: ahnden = ahnen

Beitragvon sinemetu » Do 26. Feb 2015, 19:51

Zythophilus hat geschrieben:Der Schwan stinkt nicht. Die Ähnlichkeit olor - oleo brachte des Lateins kundige Leute dazu, olere von olor abzuleiten und als scherzhafte Lehnübersetzung das Wort "schwanen" zu bilden.



Lassen sich die "Lateinkundigen" namhaft machen? Oder ist das jetzt von Dir eine Spaßversion? Walde stellt olor zu einem *el od. dunkel *ol mit der Bedeutung Schreien,
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Re: ahnden = ahnen

Beitragvon Zythophilus » Fr 27. Feb 2015, 00:30

Der Scherz ist schon älter, aber von wem er kommt, lässt sich nicht mehr feststellen.
Im Spanischen konnte sich "olor" als Name des Vogels gegen den Geruch nicht halten. Statt "odor" heißt es dort jetzt "olor", sodass der Lateiner sich täuscht, wenn er meint, man müsse manche Lebensmittel vor aggresiven Schwänen schützen, wenn er die Worte "proteger de olores agresivos" liest.
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