contrarotulus.

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contrarotulus.

Beitragvon Laptop » Mi 13. Mai 2015, 02:17

"Kontrollieren" soll auf contrarotulus zurückgehen, ein "Gegenregister" (counter roll) zur Gegenprüfung. Was genau war diese "roll" bzw. der rotulus? Etwa die engl. Entsprechung für lat. volumen? Also allgemein nur eine Schriftrolle? Oder etwas spezielleres?


Hier, der Vollständigkeit halber, der Artikel:
control (v.) early 14c., "to check, verify, regulate," from Anglo-French contreroller "exert authority," from Medieval Latin contrarotulus "a counter, register," from Latin contra- "against" (see contra) + rotulus, diminutive of rota "wheel" (see roll (n.)). From a medieval method of checking accounts by a duplicate register. Sense of "dominate, direct" is mid-15c. Related: Controlled; controlling.


Achso, und als Nebenfrage: Ich nehme an es gibt keine lat. Entsprechung zu "kontrollieren"? Es ist eines der neuzeitlichen Begriffs-Konzepte, die die Alten nicht kannten?
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Re: contrarotulus.

Beitragvon sinemetu » Mi 13. Mai 2015, 17:15

Die Thora, nicht ein Chumasch oder sonstwas kann nur auf Rollen geschrieben werden. Das kann nicht jeder, sondern nur ein ausgebildeter Sofer (http://www.hagalil.com/archiv/2008/12/t ... reiber.htm) Der benötigt zwingend eine Gegenrolle, zum Kontrollieren. (Sitz im Leben) Ich denke, daß das Rollenprinzip älter als das Buch(binde)prinzip ist. Ich muß mal nachsehen, ob bei den jeden explizit von Rollen die Rede ist, dort wo König Jojakim eine im Feuer verbrennt Stück für Stück .....
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Re: contrarotulus.

Beitragvon Prudentius » Do 14. Mai 2015, 10:02

Vllt. ist es von der doppelten Buchführung her zu verstehen; dort ist ja das eine Register immer das Gegenregister zu dem anderen; man kann also eine Buchung "kontrollieren", indem man die Gegenbuchung in dem anderen Register aufsucht.

Der Rotulus ist mir von den Ikonen her bekannt; das Jesuskind auf dem Arm Marias hat meist einen solchen in der Hand, wohl eine Kinderbibel(?).
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Re: contrarotulus.

Beitragvon Laptop » Do 14. Mai 2015, 15:52

Freue mich über eure Beiträge.
Prudentius, das mit der doppelten Buchführung klingt plausibel. Wobei es wohl weniger um Buchungen ging, als das Anfertigen einer Kopie-Rolle, die man im Zweifelsfall heranzog (kontrollierte). Kann es sein, daß rotulus auch nur eine pars pro toto Bezeichnung für die Schriftrolle war, und eigentlich den Holzstab mitsamt "Rädchen" an den Enden bezeichnete, auf dem die Schriftrolle aufgewickelt war?
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Re: contrarotulus.

Beitragvon ille ego qui » So 17. Mai 2015, 02:46

ich habe dazu mal etwas gelesen in einem der spritzigen und sehr kurzweiligen etymologiebücher des KlaPhi Klaus Bartels.
dort war von rotula (kleine rota!) die Rede eben im Sinne einer Schriftrolle. Daher auch die Rolle auf dem Theater, da die einzelnen Schauspieler ihren Rollentext je auf einer eigenen Rolle hatten. :book: So Bartels.
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Re: contrarotulus.

Beitragvon Laptop » So 17. Mai 2015, 06:08

@Ille Aha :-)

Ich muß sagen die Erklärung mit der doppelten Buchführung und der "Gegenrolle" klingt mir ein wenig unglaubwürdig. Denn Schriftstücke zu verfassen war in der Zeit vor dem Buchdruck aufwendig und teuer.
Zitat: "Europa kennt die doppelte Buchführung spätestens seit 1494 durch ein Buch des italienischen Franziskanerpaters Luca Pacioli." Das war lange nach dem MA. Anstatt Kopien anzufertigen, war es pragmatischer _eine_ sorgfältige Schrift zu verfassen. Wir wissen von der Kalligraphie, wie sorgfältig und langsam ein Schreiber im MA schreiben konnte, wenn er es sollte und wollte.

Könnte "contre" nicht eher im Sinne von "in Gegenrichtung" gemeint sein? Das nochmalige Zurückrollen bei einer Schriftrolle, um zu schauen, ob man sich nicht verlesen hat. Also nichts anderes als unser "zurückblättern". Diese Handlung ist ja viel alltäglicher.
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