Frage der Zeitrechnung

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Frage der Zeitrechnung

Beitragvon cultor linguarum antiquarum » Mi 11. Nov 2015, 19:25

Saluete!

Am 11. November 43 v. Chr. wurde ja vermutlich das zweite Triumvirat geschlossen. Ist das nun 2058 oder 2057 Jahre her? Bislang tendierte ich zu ersterem (2015 + 43 eben), aber wenn ich darüber nachdenke, dass es ja kein Jahr Null gab, komme ich auf Folgendes: Vom 11. November 43 v. Chr. bis zum 1. November 1 n. Chr. waren es 43 Jahre, vom 1. November 1. n. Chr. bis zum 1. November 2015 2014 Jahre, sind also zusammen nur 2057 Jahre. Habe ich einen Denkfehler drin, oder muss man tatsächlich ein Jahr abziehen, was ja angesichts dessen, dass das Jahr Null fehlt, logisch wäre?

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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon Christophorus » Mi 11. Nov 2015, 22:55

Für mich ist deine Rechnung korrekt.
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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon Zythophilus » Do 12. Nov 2015, 07:50

Man zieht ein Jahr in der Rechnung ab, da es eben kein Jahr 0 gibt. Ganz einfach kann man das mit den Jahren 1 v.Chr. und 1 n.Chr. veranschaulichen: Vom 1. Jänner 1 v.Chr. bis zum 1. Jänner 1 n.Chr. vergeht ein Jahr, nicht zwei, also 1 + 1 - 1.
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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon Prudentius » Do 12. Nov 2015, 10:36

Ich glaube, die Verwirrung kommt daher, dass man bei der Zahlengeraden um Null herum zwei Sichtweisen unterscheiden muss: entweder Zeitpunkte oder Zeitstrecken; natürlich gibt es einen Nullpunkt auf dieser Zeitgeraden: das ist der Zeitpunkt zwischen dem Jahr 1 n.Chr. und dem Jahr 1 vor Christus; aber ein Jahr 0 gibt es nicht.
Anders gesagt: unter "Christi Geburt" (oder wie man sagen will) versteht man nicht ein Jahr, sondern den Übergang zwischen zwei Jahren.

Denkanstoß: man meint zunächst, mit dieser Zahlengeraden etwas eindeutiges vor sich zu haben: lauter Punkte im gleichen Abstand; und doch, man kann es ganz anders sehen: eine Anreihung von lauter gleichlangen Strecken; es gibt allerdings dann noch eine dritte Möglichkeit ...
So ist das öfter ... (Stoff für ein Proseminar "Philosophie" :-D ).
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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon cultor linguarum antiquarum » Do 12. Nov 2015, 21:37

Da es eigentlich so logisch ist, ärgert es mich schon, dass es mir erst jetzt aufgefallen ist, angesichts dessen, dass ich gern davon rede, dass das momentane Jahrtausend und Jahrhundert erst am 1. Januar 2001 begonnen haben, und das momentane Jahrzehnt am 1. Januar 2011...
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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon romane » Fr 13. Nov 2015, 11:19

... sonst wärest du ja auch schon bei deiner Geburt 1 Jahr alt
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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon Prudentius » Sa 14. Nov 2015, 20:05

... dafür verwenden wir ja die Ordnungszahlen: "im ersten Jahr", im Verlauf des ersten Jahres.

Es ist ein Unterschied, ob wir mit Zeitpunkten oder mit Kalenderjahren rechnen. Wenn wir mit Kalenderjahren rechnen, haben wir kein Jahr 0, da nach dem Jahr 1 v.Chr. das Jahr 1 n.Chr. kommt.
Wenn wir aber mit Zeitpunkten rechnen, haben wir einen Zeitpunkt 0: das ist der Übergang von Silvester 1 v. zu Neujahr 1 n.Chr., also können wir ganz normal wie mit der Zahlengeraden rechnen: vom 11. November 43 v.Chr. bis 11, November 2015 n.Chr. sind es also 258 Jahre.

Wenn wir aber fragen: vor wievielen Kalenderjahren war das Jahr 43 v.Chr? Also an Neujahr 43 v. begann das erste und an Neujahr 2015 n. das 2058. Jahr, am kommenden Silvester ist also dieses Jahr voll; wir sind noch "im Verlauf" (s.o.) dieses Jahres; wenn wir die ganzen Jahre zählen, sind es also 2057 :-o , ich meine, so ist es richtig gedacht.

Diese 1-Jahres-Differenz kann man sich so klarmachen: eine Zeitstrecke wird immer durch zwei Zeitpunkte begrenzt, zwei Zeitstrecken durch drei Punkte, usw., und so ist es auch mit den Jahren.
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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon ille ego qui » Sa 14. Nov 2015, 21:57

nebenbei: ein paar kalenderreformen und -korrekturen gab es ja auch. daher vielleicht auch verschiebungen um einige tage :D
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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon romane » So 15. Nov 2015, 11:01

Prudentius hat geschrieben:... dafür verwenden wir ja die Ordnungszahlen: "im ersten Jahr", im Verlauf des ersten Jahres.

Es ist ein Unterschied, ob wir mit Zeitpunkten oder mit Kalenderjahren rechnen. Wenn wir mit Kalenderjahren rechnen, haben wir kein Jahr 0, da nach dem Jahr 1 v.Chr. das Jahr 1 n.Chr. kommt.
Wenn wir aber mit Zeitpunkten rechnen, haben wir einen Zeitpunkt 0: das ist der Übergang von Silvester 1 v. zu Neujahr 1 n.Chr., also können wir ganz normal wie mit der Zahlengeraden rechnen: vom 11. November 43 v.Chr. bis 11, November 2015 n.Chr. sind es also 258 Jahre.


Demnach hätte 1 Jahr ZWEI "Zeitpunkte"?!
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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon consus » So 15. Nov 2015, 15:19

Vielleicht ist dieser Hinweis hilfreich zum Verständnis des Berechnungsmodus:
Jürgen Werner bemerkt in einem Vortrag u.a., dass der sog. 2000. Geburtstag Vergils fälschlicherweise 1930 statt 1931 gefeiert worden sei. Ich neige dazu, mich dieser Meinung anzuschließen, und zwar aus folgendem Grund:
Geburtsjahr Vergils: 70 v. Chr. = 684 a. u. c.
Addiere ich zu 684 a.u.c. 2000 Jahre, erhalte ich 2684 a.u.c.
2684 a.u.c. entspricht dem Jahr (2684 – 753) n. Chr., also 1931 n. Chr.
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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon Zythophilus » So 15. Nov 2015, 16:23

ille hat geschrieben:ein paar kalenderreformen

Der Gregorianische Kalender bwz. seine Einführung bewirkte tatsächlich, dass es beispielsweise vom 15. Oktober 1581 bis zum 15. Oktober 1582 kein Jahr mit 365 Tagen verging, sondern zehn Tage weniger. Dort, wo dieser Kalender noch nicht galt, waren Ereignisse dann oft in einem anderen Monat oder gar Jahr. Die Oktoberrevolution war nach dem Gregorianischen Kalender eigentlich eine Novemberrevolution.
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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon Prudentius » Mo 16. Nov 2015, 10:44

romane hat geschrieben:Demnach hätte 1 Jahr ZWEI "Zeitpunkte"?!


Ja, zwei Eck- oder Begrenzungs-, oder Anfangs- und Endpunkte: für das Jahr: Neujahr 0h00, Silvester 24h00.

Aber Zeitpunkte hat das Jahr unendlich viele dazwischen, oder besser: wir projizieren den Zahlenstrahl auf die Zeit und erklären die Punkte zu Zeitpunkten, aber da geraten wir jetzt in die Metaphysik :-D .

Ich habe bei mir ein Lesezeichen gefunden:

"16 v.Chr. - 1984
2000 Jahre Stadt Trier",

hat die Stadt richtig gerechnet?

Mit Zeitpunkten gerechnet: Neujahr 16 v.Chr. + 2000 Jahre ergibt: Neujahr 1984;
Silvster 16 v.Chr. + 2000 Jahre ergibt Silvester 1984; also vollendete Trier die zweitausend Jahre nach Ablauf von 1984; also wäre 1985 das richtige Jubiläumsjahr gewesen.

Eine Herausforderung für die Skeptiker: wenn es ein Jahr 0 gab, muss doch irgendein Ereignis stattgefunden haben: könnt ihr etwas finden?
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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon romane » Mo 16. Nov 2015, 10:57

Prudentius hat geschrieben:Eine Herausforderung für die Skeptiker: wenn es ein Jahr 0 gab, muss doch irgendein Ereignis stattgefunden haben: könnt ihr etwas finden?

und an die Mathematiker/Physiker:
Heute beträgt die Außentemperatur 0 Grad, morgen soll es doppelt so kalt sein. Wieviel Grad?
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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon marcus03 » Mo 16. Nov 2015, 11:48

romane hat geschrieben:Heute beträgt die Außentemperatur 0 Grad, morgen soll es doppelt so kalt sein. Wieviel Grad?


0° = 273 K(elvin) ---> 2*273 K = 546 K = 273° :D :lol:

Ich hoffe, bei dieser Rechnung wird dir richtig warm ums Herz, wenn es nicht vorher schon geschmolzen oder gar verdampft ist. ;-)

PS:
Die genaue Schmelz- bzw. Verdampfungstemperatur von Herzen kenne ich leider nicht.

Mit herzlichen und wärmsten Grüßen :wink:

Dein Herzensbrecher, äh, potentieller Herzensverdampfer
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Re: Frage der Zeitrechnung

Beitragvon linhart » Mo 16. Nov 2015, 12:17

Ob es ein Jahr Null gibt oder nicht, ist eine Frage der Konvention. Beide Möglichkeiten sind in verschiedenen Wissensbereichen üblich, siehe z.B. folgenden Wikipedia-Artikel ( https://de.wikipedia.org/wiki/Jahr_null ):
Ein Jahr null gibt es in der von den Historikern angewendeten traditionellen christlichen Zeitrechnung nicht, wohl aber in der modernen Jahreszählung der Astronomen.
Im traditionellen System werden die Jahre mit Ordinalzahlen vor und nach der Geburt Christi gezählt: Das Jahr 1 vor Christi Geburt endet am 31. Dezember (1 v. Chr.), am nächsten Tag, dem 1. Januar, beginnt das Jahr 1 nach Christi Geburt (1 n. Chr.).
Die astronomische Jahreszählung verwendet hingegen die um die Null und die negativen Zahlen erweiterten natürlichen Zahlen, die sogenannten ganzen Zahlen. Die in dieser Zahlenreihe enthaltene 0 wird dem Jahr 1 v. Chr., die Zahl −1 dem Jahr 2 v. Chr. zugeordnet.
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