Freidenker

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Freidenker

Beitragvon sinemetu » Sa 19. Mär 2016, 22:57

Das ist auch so ein seltsames Wort. Der Wortteil "frei" scheint aus ähnlicher Quelle zu stammen, wie bei freemason. Es ging und geht bis heute um die Popularisierung antikirchlicher sp. antirömischer Affekte. Das alles ging von England aus, so auch dieser Begriff. Dabei finde ich es gut, das es so eine Institution gibt. Sonst verkäme das Christentum zur Ideologie. Uns interessiert hier, warum ein beim Denken absolut obsoletes Wort wie Frei sich hat halten können und als vernünftig empfunden wird. Für mich ist Freidenken ein Pleonasmus, als das Denken immer die größte Affinität zur Freiheit hatte, nicht weil: Die Gedanken sind frei, sondern weil: Spiritus flat ubi vult. Warum aber fand man es notwendig, dem Wort das anzuheften? Natürlich handelt es sich um eine Reklamevokabel, ähnlich wie Bewußtseinserweisterung eine der Drogenindustrie ist.

Ich stehe, als mir diese Gedanken so durch den Kopf gehen mit meiner Tochter neben einem Stiefmütterchenbeet und wir Rätselraten, warum die Blume auf deutsch Stiefmütterchen, auf Ungarisch aber Waislein (Árvácska) heißt. "Die seltenere Bezeichnung Pensee kommt vom französischen (herbe de la) pensée „Pflanze des Gedenkens“. Das Stiefmütterchen gilt als Symbol des Andenkens, der Erinnerung.[1]" - Wiki und das auch: "Das Stiefmütterchen ist das Symbol der Freidenker in Frankreich und in Österreich. Es war schon im Mittelalter das Symbol für gute (humanistische) Gedanken." Wie man im Mittelalter auf humanistische Gedanken gekommen sein soll, bleibt den Wikiphantasten überlassen, aber das andre bringt mich auf den Gedanken, daß das Freidenken eventuell Waisenart war, die ja keine Tradition überliefert bekommen hatten, da die Eltern früh verstarben, und daß sie notwendigerweise religions- und traditionsungebundener dachten.

Hier mal der Graph: https://books.google.com/ngrams/graph?c ... er%3B%2Cc0

und hier der Troß: http://www.bund-gegen-anpassung.com/dow ... _Koeln.pdf

Wobei ich mich frag, warum die unbedingt Hammer und Sichel wieder haben wollen?
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Re: Freidenker

Beitragvon medicus » Sa 19. Mär 2016, 23:57

:suche:
1.Freidenker ist eine Bezeichnung für Menschen, die für eine selbständige und selbstverantwortliche Lebensgestaltung im Sinne der Aufklärung eintreten und jeden religiösen Glauben, Gottesglauben und kirchliche Dogmen ablehnen, oder allgemeiner, sich als Atheisten, Agnostiker, Skeptiker und säkulare Humanisten verstehen.

Im engeren Sinne meint „Freidenker“ Menschen, die sich in der Freidenkerbewegung engagieren, z. B. als Mitglied im Freidenkerverband

2.Stiefmütterchen
http://www.abendblatt.de/ratgeber/wisse ... Namen.html
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Re: Freidenker

Beitragvon sinemetu » So 20. Mär 2016, 08:52

medicus hat geschrieben::suche:
1.Freidenker ist eine Bezeichnung für Menschen, die für eine selbständige und selbstverantwortliche Lebensgestaltung im Sinne der Aufklärung eintreten und jeden religiösen Glauben, Gottesglauben und kirchliche Dogmen ablehnen, oder allgemeiner, sich als Atheisten, Agnostiker, Skeptiker und säkulare Humanisten verstehen.



Die Bezeichnung ist trotzdem nur im historischen Sinne sinnvoll, als sie als Befreiung von historischem, traditionellem und religiösem Ballast eine gewisse semantische Rechtfertigung hat. Wie aber kann jemand sonst sich frei denkend meinen, wenn er irgend ein Gedankengut von vornherein ablehnt. Das ist doch genau dasselbe, wie gebundenes Denken, wobei der Inhalt, ob nun erst- oder zweit- oder drittsittenkomplexlich, vollkommen egal ist. Genau dieses gebundene Denken ist nichts anderes als eine Definition der Religion. Da ist es doch richtig lustig, wenn sich Freidenker als areligiös bezeichnen. Dann komm ich mir immer wie im 18. Jahrhundert vor.
Zuletzt geändert von sinemetu am So 20. Mär 2016, 09:00, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Freidenker

Beitragvon sinemetu » So 20. Mär 2016, 08:58

medicus hat geschrieben:2.Stiefmütterchen
http://www.abendblatt.de/ratgeber/wisse ... Namen.html


Dies ist keine Erklärung. Man kann es nur so deuten, daß das erste Blatt, die Stiefmutter, die beiden anderen Blätter, da sie dieselben verdeckt, nicht als Licht läßt. Das ist wohl parallel zu dem Märchen mit mit dem Prinz und dem goldenen Schuh, und der Stieftochter, die nicht ans Licht gelassen wird, bis das Licht (der Prinz) nach ihr sucht. Ich glaube, es ist Cinderella, ... Was war zuerst da, der Name, oder das Märchen?
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Re: Freidenker

Beitragvon Medicus domesticus » So 20. Mär 2016, 09:34

Schau dir mal an, was Grimm über Stiefmütterchen schreibt:
http://tinyurl.com/jp8s4fa
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Re: Freidenker

Beitragvon marcus03 » So 20. Mär 2016, 10:01

sinemetu hat geschrieben:Die Gedanken sind frei, sondern weil: Spiritus flat ubi vult.


Nur wird ihm oft und , falls nötig, mit Gewalt schnell der Wind aus den Segeln genommen.
Wahre Freidenker wollen das, was sie sich denken, auch verwirklichen. Dabei stießen und stoßen sie meist auf enorme Hindernisse, deren Überwindung einen hohen Preis fordern kann bis hin zum Verlust des Lebens.
Sokrates, Jesus, Ghandi,Luther-King ... sind klassische Beispiele dafür.
Gegen den Strom, neudeutsch:mainstream, zu schwimmen/denken, ist und bleibt schwierig, kräftezehrend und nicht ungefährlich. Die Angst vor Freidenkern, die letztlich eine Angst vor der Freiheit an sich ist, wird es wohl immer geben.
Libertate recte rationeque uti res difficillima ac periculorum plena. Qua quidem sublata aut nimis cohibita
homo ad humanitatem veram pervenire non potest.

PS:
Was für den Geist gilt, gilt leider auch für den Ungeist. Der bläst oft leider noch heftiger und hinterlässt Flurschäden, für deren Beseitigung der gute Geist viel Zeit, Durchhaltevermögen und v.a. viel, viel money
braucht. Indes, auch deficit-spending kann die Konjunktur ankurbeln und gerade Kriege waren schon immer mit traumhaften Wachstumsraten nach ihrer Beendigung verbunden.
Was wären die USA, Russland und wohl auch China ohne ihre Waffenindustrie? Der Tod ist ein "really good and reliable deal", nicht nur für die Bestattungsindustrie. Wieviel Arbeitsplätze wohl weltweitdirekt oder indirekt von der Waffenentwicklung und - produktion abhängen? Ob da die Autoindustrie noch mithalten kann? :(
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Re: Freidenker

Beitragvon sinemetu » So 20. Mär 2016, 11:28

marcus03 hat geschrieben:Wahre Freidenker wollen das, was sie sich denken, auch verwirklichen. Dabei stießen und stoßen sie meist auf enorme Hindernisse, deren Überwindung einen hohen Preis fordern kann bis hin zum Verlust des Lebens. Sokrates, Jesus, Ghandi, Luther-King ... sind klassische Beispiele dafür.

Das der letzte dazu gehört, bezweifle ich mal, das war ein politisch hochgepäppelter Kunst-Jesus, der die Sünde des Rassismus gesellschaftlich bewußt machen sollte. Vorher gab's die nicht....



marcus03 hat geschrieben:Gegen den Strom, neudeutsch:mainstream, zu schwimmen/denken, ist und bleibt schwierig, kräftezehrend und nicht ungefährlich. Die Angst vor Freidenkern, die letztlich eine Angst vor der Freiheit an sich ist, wird es wohl immer geben.


Ideen zu verwirklichen ist immer anstrengend, aber andre zu Opfern der eigenen Spinnnereien zu machen, und das auch noch als "progressiv" zu verkaufen, hat mit Freidenkerei wohl wenig zu tun. Übrigens, wer praktisch veranlagt ist, sollte das Philosophieren, d. h. daß gründliche Durchdenken gewisser Sachen, eher lassen.


marcus03 hat geschrieben: Qua quidem sublata aut nimis cohibita homo ad humanitatem veram pervenire non potest.
id non credo ...
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Re: Freidenker

Beitragvon marcus03 » So 20. Mär 2016, 13:16

Die Schöpfung ist nach christlichem Verständnis ("zur Freiheit befreit", Paulus) auf Freiheit hin angelegt. Sogar im subatomaren Bereich gibt es Freiheitsgrade.
Die Geschichte der Menschheit lässt sich auch als Kampf um (immer mehr) Freiheit verstehen.
Das Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit ist der Motor der Geschichte und des Fortschritts mit allen positiven und negativen Konsequenzen.
"Gott hat die Schöpfung in die radikale Freiheit entlassen". Wer "Freiheit" zu Ende denkt, muss zugeben, dass sie in letzter Konsequenz auch die Möglichkeit der (Selbst)zerstörung beinhalten muss. Es kann keine limitierte Freiheit. Wahre Freiheit muss frei von jeder Begrenzung sein.
Ob sich der Schöpfer der Konsequenzen bewusst war, als er es "urknallen" ließ? ;-)
(vgl. G. Greshake, Der Preis der Liebe)

PS:(zum theolog. Gottesbegriff)
https://books.google.de/books?id=qnlKTI ... es&f=false
(Anm.585)
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Re: Freidenker

Beitragvon medicus » So 20. Mär 2016, 14:26

sinemetu hat geschrieben:Übrigens, wer praktisch veranlagt ist, sollte das Philosophieren, d. h. daß gründliche Durchdenken gewisser Sachen, eher lassen.


Jetzt weiß ich endlich, warum ich beim Philosophieren immer Probleme habe. ich wünsche euch aber einen weiteren lebhaften Disput und vergesst nicht die Stiefmütterchen als Symbol der Freidenker!
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Re: Freidenker

Beitragvon Prudentius » Sa 26. Mär 2016, 20:40

Natürlich handelt es sich um eine Reklamevokabel


Ich würde eher sagen, um einen Kampfbegriff, er stammt aus der Polemik der Aufklärung gegenüber den konservativen Haltungen. Es wird unterstellt, dass eine Zwangslage besteht, die man bekämpfen muss.

Ansonsten ist Freiheit ein Relationsbegriff, Freiheit erfordert eine nähere Bestimmung: Freiheit von ... oder Freiheit für...

Allerdings ist die Ergänzung im Alltag oft nicht nötig; Freiheit ist einer von zwei möglichen Zuständen, bei Sitzplätzen, Toiletten oder Fahrbahnen.
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Re: Freidenker

Beitragvon Zythophilus » Sa 26. Mär 2016, 21:45

Gerade bei Toiletten zeigt sich, dass "frei" nicht unbedingt gleichzeitig etwas Positives sein muss. Manche sind frei, weil sie beschissen sind.
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Re: Freidenker

Beitragvon sinemetu » So 27. Mär 2016, 17:08

Prudentius hat geschrieben:Ansonsten ist Freiheit ein Relationsbegriff, Freiheit erfordert eine nähere Bestimmung: Freiheit von ... oder Freiheit für...


Da irritiert mich die Substantivierung etwas, die ja immer auch eine Generalisation ist. Um "frei sein von etwas" bzw. "frei sein für etwas" auszudrücken, ist vox libertatis ja nicht unbedingt notwendig.
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Re: Freidenker

Beitragvon medicus » So 27. Mär 2016, 17:20

sinemetu hat geschrieben:ist vox libertatis ja nicht unbedingt notwendig


cf.otium
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