logische Sekunde

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logische Sekunde

Beitragvon sinemetu » Sa 28. Mai 2016, 14:48

Übrigens ist diese auch "logische Sekunde" genannte fiktive Zeitspanne keine moderne Erfindung: Schon der römische Rechtsgelehrte Gnaeus Arulenus Caelius Sabinus hatte sich um 69 nach Christus mit der Denkform der logischen Sekunde bei Schenkungen unter Ehegatten auseinandergesetzt.



Quelle:
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/rec ... -1.3007261

Mit Sicherheit keine Sekunde in unserem Sinne. Worauf spielt der Schreiber an?
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Re: logische Sekunde

Beitragvon marcus03 » Sa 28. Mai 2016, 16:12

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Re: logische Sekunde

Beitragvon medicus » Sa 28. Mai 2016, 17:10

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Re: logische Sekunde

Beitragvon sinemetu » So 29. Mai 2016, 08:18

Danke, ich hatte gedacht, die Papinianus & Co hatten schon einen Begriff für die jur. relev. "logische Sekunde", der notwendigerweise noch nicht das Wort "Sekunde" hätte enthalten dürfen. Leider wird man aus den angegebenen Quellen nicht schlau in Bezug auf die konkrete Frage nach dem Begriff.
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Re: logische Sekunde

Beitragvon iurisconsultus » Mo 30. Mai 2016, 16:58

sinemetu hat geschrieben:Leider wird man aus den angegebenen Quellen nicht schlau in Bezug auf die konkrete Frage nach dem Begriff.

Bei der logischen Sekunde handelt es sich um einen bloß fiktiven (= logischen) Zeitpunkt, um bestimmten Fallkonstellationen juristisch Herr zu werden, die einer gesetzlichen Regelung harren. Die Denkfigur hat vor allem bei mehrpersonalen Verhältnissen im Sachenrecht Bedeutung. Einfachestes Beispiel ist das gesetzlich nicht geregelte Streckengeschäft: Der Konsument C kauft beim Einzelhändler B eine Sache, die B nicht lagernd hat. B weist daher den Zwischenhändler A an, die Sache direkt an C (und nicht an B selbst) zu liefern. Hat A das getan, stellt sich dann aber beispielsweise heraus, dass der Kaufvertrag B-C ungültig ist, bliebe das Eigentum bereits bei A hängen, weil C keinen gültigen Titel hat und B die Sache nie übergeben wurde, wohingegen bei einer Übergabe von A über B nach C das Eigentum erst bei B stecken bleibt (eine näher Begründung führte hier zu weit). Diese unterschiedliche Rechtsfolge hat vor allem für die Gläubiger des A bzw. B (Pfändung bzw. Insolvenz) Bedeutung und ist sachlich nicht zu rechtfertigen. Um sie zu vermeiden, behandeln wir Juristen den kurzen wie den langen Weg und fingieren also, dass die Sache auch beim kurzen Weg für eine logische Sekunde durch B hindurchgehe, er mithin für eine logische Sekunde Eigentümer wird.
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Re: logische Sekunde

Beitragvon iurisconsultus » Di 31. Mai 2016, 17:06

Zum römischen Recht siehe auch Dig. 24.1.3.12 über Celsus, der, soweit ich weiß, der einzige uns bekannte römische Jurist war, der das Problem des Durchgangserwerbs des Anweisenden für die nachmals so genannte logische (juristische) Sekunde inhaltlich behandelte:
Sed si debitorem suum ei (i. e.: uxori) solvere iusserit, hic quaeritur, an nummi fiant eius debitorque liberetur. et Celsus libro quinto decimo digestorum scribit videndum esse, ne dici possit et debitorem liberatum et nummos factos mariti, non uxoris: nam et si donatio iure civili non impediretur, eum rei gestae ordinem futurum, ut pecunia ad te a debitore tuo, deinde a te ad mulierem perveniret: nam celeritate coniungendarum inter se actionum unam actionem occultari, ceterum debitorem creditori dare, creditorem uxori. nec novum aut mirum esse, quod per alium accipias, te accipere: nam et si is, qui creditoris tui se procuratorem esse simulaverit, a debitore tuo iubente te pecuniam acceperit, et furti actionem te habere constat et ipsam pecuniam tuam esse.
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