Sprechtradition

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Re: Sprechtradition

Beitragvon Prudentius » Do 7. Jul 2016, 09:31

Nostradamus - der Inbegriff der Prophetie

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Sei nicht so streng, Tiberis, wir alle haben keine Ahnung, aber du bist noch etwas schuldig geblieben, du sprichst ja nur von den Vorsilben und den Lexikon-Einträgen, während wir zwei Beispiele aus der Literatur, Sophokles und Platon, vorhatten, wo sich ein anderes Bild der Prophetie gezeigt hat.

Ich glaube, wir sprechen von verschiedenen Themen: wollte Laptop nur die Wortbestandteile von pro - phetes erklärt haben, oder die Bedeutung von Mantik und Prophetie in der Antike ganz allgemein?

Bei einem Bewegungsvorgang, wie z.B. pro-pherein sind örtliche und zeitliche Komponente gar nicht zu trennen: "voranbringen" und "hervorholen, vorbringen, zum Vorschein bringen, ans Licht bringen, erwähnen, zitieren"; das örtliche Vorbringen ist ein Vor-Augen-Bringen, ein Hervorholen in das Helle, also aus dem Dunklen heraus, eben aus dem Verborgenen.
Der Prophet sagt die Zukunft voraus, ja, der Vater des Ödipus bekommt vom Orakel gesagt, dass sein Sohn ihn umbringen werde; daraufhin haben sie das Kind beiseite geschafft.

Nehmen wir einmal an, der Prophet macht eine "Vorhersage"; dann holt er das Künftige in die Gegenwart, dann zieht er etwas aus dem Dunklen, Verborgenen der unbekannten Zukunft "hervor", und damit gleiten wir vom zeitlichen Vorher zu dem örtlichen Hervor. Das Lexikon täuscht uns mit der Trennung von örtlich/zeitlich, es steht ja unter dem Systemzwang, der von diesem Schematismus ausgeht.

Noch ein Beispiel aus der Literatur: am Anfang der Ilias bricht im Lager der Achäer vor Troja Pest aus; in ihrer Ratlosigkeit wenden sie sich an den Seher; sie wollen nicht die Zukunft wissen, sondern die Ursache des Götterzorns, der ihnen diese Strafe eingebracht hat; und sie erhalten die Auskunft: es ist nichts Zukünftiges, sondern eine vergangene Verfehlung, die sie gutzumachen haben.
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Re: Sprechtradition

Beitragvon consus » Do 7. Jul 2016, 09:44

Willimox hat geschrieben:...Wie erklärt sich das bildungssprachliche , neulateinisch fundierte "pro-cras-tination"?
Das Wort 'procrastinatio' benutzt schon unser großer Meister aus Arpinum: Phil. 6, 7: ... plerisque in rebus gerendis tarditas et procrastinatio odiosa est..., d.h. das 'Vorwärts'-schieben einer Sache immer wieder auf den morgigen Tag. Das einfache Wort crastinatio reichte Cicero offenbar nicht, um deutlich zu machen, dass das ständige Vertagen im Sinne von Vor-sich-Herschieben von Übel ist.
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