Timotheusfrage

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Timotheusfrage

Beitragvon sinemetu » So 9. Okt 2016, 14:26

Fürchtegott ist ja ein Alter Name, den Johann Gellert da von seinen Eltern beigelegt bekam. Zweifellos geht er auf die neutestamentliche Figur des Apostels und Briefeempfängers zurück.

In der Griechischen Ausgabe heißt es noch: ΠΡΟΣ ΤΙΜΟΘΕΟΝ Α, doch schon in der Vulgata: EPISTULA AD TIMOTHEUM I,
was um so mehr verwundert, als Theophil zu Amadeus lateinisiert wurde.

a: Warum gibt es die Form TimoTheus, und nicht TimoeDeum oder Timeodeus. Haben die Lateiner den Namen nicht mehr verstanden?

b: Ist der Name überhaupt ein vorchristlicher griechischer Name und nicht vielmehr ein frühchristlicher Nom de guerre? Apollodor oder Herakles etwa wäre prächristlich. Gott als Abstraktum macht ja keinen Sinn. Es müßte dann nicht vielmehr Timotheous heißen, also "fürchte die Götter" heißen?
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Re: Timotheusfrage

Beitragvon Prudentius » So 9. Okt 2016, 16:12

Der gr. Name Timotheos leitet sich nicht von l. timere, sondern von gr. timan, ehren, ab.
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Re: Timotheusfrage

Beitragvon marcus03 » So 9. Okt 2016, 17:12

http://www.wissen.de/vorname/fuerchtegott

sinemetu hat geschrieben:Gott als Abstraktum macht ja keinen Sinn.


Soweit ich weiß, kommt z.B. bei Plato und in der Stoa "ho theos" vor, ebenso spricht Seneca von einem "deus".

https://books.google.de/books?id=Aa3iC6 ... oa&f=false

Im Vornamen Fürchtegott ist mit "fürchten" sicher nicht "Angst haben" gemeint, sondern Respekt/Ehrfurcht haben. "Gesunde" Gottesfurcht hat mit Angst nichts zu tun. Gott, Religion und Angst ist ein weites Feld und eines der traurigsten Kapitel in der Religionsgeschichte, das verheerende Spuren in unzähligen Psychen und abertausende Tote hinterlassen hat und immer noch hinterlässt.
Richtig verstanden kann man Timotheus durchaus mit Fürchtegott übersetzen. fürchten entspricht hier dem lat. vereri.
Kurz: Eine Herleitung vom lat. timere würde also den Sinn von Timotheus geradezu pervertieren, weil damit nur wieder der alte Rache-und big-brother-is-watching-you-Gott angesprochen wäre, mit dem wohl niemand mehr etwas zu tun haben möchte. Lieber kein Gott als einer, vor dem man Angst haben muss.
"Angst essen Seele auf", ebenso ein Angst machender Gott.
Mit der Angst kann man bekanntlich gute Geschäfte machen, auch im Bereich von Glaube und Religion.
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Re: Timotheusfrage

Beitragvon sinemetu » So 9. Okt 2016, 19:58

Prudentius hat geschrieben:Der gr. Name Timotheos leitet sich nicht von l. timere, sondern von gr. timan, ehren, ab.


Du weißt aber, wie ich, wie sehr fürchten und ehren dicht beieinander gelagert sind, von der Sache her, denn es heißt ja Ehrfurcht.

"Du sollst Gott fürchten und ehren" heißt es bei O.L. im Kl. Kat Echismus.

Ob im Lat. timeo der Terrorgedanke so im Vordergrund stand, daß das Griechische nicht mehr verstanden wurde, war der Sinn meiner Frage. Ich kukk jetzt mal bei den Rhizologen Walde und Frisk nach, ob die Lautfolgen wirklich nichts miteinander zu tun haben.

Und was ist mit dem Alter des Namens?
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Re: Timotheusfrage

Beitragvon medicus » So 9. Okt 2016, 20:53

sinemetu hat geschrieben:Und was ist mit dem Alter des Namens?


5.Jahrhundert vor Christus:
https://de.wikipedia.org/wiki/Timotheos_von_Milet
http://www.duden.de/rechtschreibung/gucken
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Re: Timotheusfrage

Beitragvon Zythophilus » So 9. Okt 2016, 22:38

Ein Name wie Timotheus bot sich natürlich auch für Christen an, aber ob er deswegen bewusst gewählt wurde, lässt sich schwer sagen. Seine Großmutter und Mutter waren Christinnen, sein Vater Heide, und so mag der Name für beide Seiten akzeptabel gewesen sein.
Andererseits ist es für Christen nicht unbedingt ein Problem, heidnische Götter in ihren Namen zu haben. Isidor von Sevilla sollte sich schon bewusst gewesen sein, "Geschenk der Isis" zu heißen, und in der Zeit des NT stößt man durchaus auf eine Frau namens Phoebe, die Diakonin war.
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Re: Timotheusfrage

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 10. Okt 2016, 10:45

sinemetu hat geschrieben:a: Warum gibt es die Form TimoTheus, und nicht TimoeDeum oder Timeodeus. Haben die Lateiner den Namen nicht mehr verstanden?

Warum sollte es so heißen? Dass die Römer den Namen nicht verstanden haben, ist, zumindenst bei der Oberschicht, unwahrscheinlich, da diese praktisch alle griechisch konnten. Im Prinzip ist es doch nur eine Latinifizierung des griechischen Namens Τιμόθεος, wobei θ zu th wird und εος zu eus. Das kommt ja häufig vor, wenn griechische Namen als Fremdwörter ins Lateinische übernommen werden.
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Re: Timotheusfrage

Beitragvon Prudentius » Mo 10. Okt 2016, 15:46

sinemetu hat geschrieben: ..., war der Sinn meiner Frage.


Das ist jetzt wieder eine Nebelkerze, erkenne lieber, dass das Wort sich aus dem gr. timan ableitet.

Natürlich überschneiden sich die Begriffe Fürchten und Ehren; aber sie sind deutlich unterschieden; "Ehren" ist nach außen gerichtet, in die Öffentlichkeit, wird manchmal durch ein Ehrenmal sichtbar gemacht; Furcht, Angst ist nach innen gerichtet, da bleibt die Seele bei sich.
Fürchten muss nicht zu Ehren führen, sondern kann auch zu Hass führen, oder zu Aggressionen.
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Re: Timotheusfrage

Beitragvon Zythophilus » Mo 10. Okt 2016, 17:18

Was den Namen "Timotheus" betrifft, so wird er tatsächlich, wie oben schon erwähnt, mit "Fürchtegott" wiedergegeben. Natürlich steckt in Begriffen wie "Ehrfurcht" etc. auch Furcht drinnen, aber ich denke, dass es heutzutage bis zu einem gewissen Grad nicht mehr genehm ist, einen Gott, vor dem sich manche durchaus fürchten, zu präsentieren. Da hat sich nicht nur die Bedeutung von Furcht, sondern auch das Gottesbild geändert - wobei wir jetzt in die Versuchung geraten, das aktuelle Gottesbild, vor dem sich keiner fürchtet, auf frühere Epochen zu projizieren.
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Re: "Timor domini principium sapientiae"

Beitragvon Prudentius » Di 11. Okt 2016, 15:51

marcus03 hat geschrieben: ... Gott, Religion und Angst ist ... eines der traurigsten Kapitel in der Religionsgeschichte, das verheerende Spuren in unzähligen Psychen und abertausende Tote hinterlassen hat und immer noch hinterlässt.


Marce, das kann man ganz anders sehen, das Christentum verkündet eine "frohe Botschaft", "Fürchtet euch nicht!", "Friede sei mit euch!", "Liebe deinen Nächsten!", die "Erlösungsreligionen" ganz allgemein basieren gerade darauf, dem Menschen die Angst zu nehmen, der Buddhismus hat das zentrale Anliegen, den Menschen von Angst u. dergl. Gefühlen zu befreien.
Das Grauen, das der Mensch im Leben zu sehen bekommt, erweckt Angst genug, da braucht gar nicht erst die Religion zu kommen, um sie ihm beizubringen. Man muss positiv sehen, dass die Religion dem Menschen eine Perspektive zu sehen gibt, eine Heilszusage, eine Orientierung, Hoffnung und Zuversicht - mehr nicht. Offensichtlich kommen die Menschen psalmensingend besser zurecht als mit Jammern und Wehklagen.
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