Kannte Technik nicht...

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Re: Kannte Technik nicht...

Beitragvon sinemetu » So 23. Okt 2016, 11:17

Also, ich habe auch etwas geschluckt bei der Formel "bedeutendster Philosoph". Ich finde so einen Superlativ zur Bewertung von Menschen maximal sinnvoll bei den Guinnes Größen, wo dann schon mal ein Sportler als Schnellster Sprinter der Welt von dann bis dann betitelt werden kann.

Ich finde bei der Bewertung von Philosophen an sich schon das Wort bedeutend grenzwertig, erstens weil Philosophen per se Deuter sind, bzw. der Deutezunft angehören, und damit immer bedeuten, in diesem Fall aber eine bloße Wertung abgegeben wird, wobei man fragen muß, von wem und warum, wieviel hat er gelesen und wieviel verstanden und überhaupt, wie mißt man Bedeutung. Wer zitiert z. B. heute noch Kant, wenn wir uns mal dieses Meßgeräten bedienten, und wer unterscheidet überhaupt zwischen transzendent und transzendental? Popper und transatlantische Philosophers sind en vogue und yberhaupt, Philosophie ist heute ein Geschäftsstrategie.
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Re: Kannte Technik nicht...

Beitragvon marcus03 » So 23. Okt 2016, 13:49

sinemetu hat geschrieben: Philosophie ist heute ein Geschäftsstrategie.


Und als Unternehmensphilosophie oft sehr fragwürdig (VW-Skandal, Trumps Abzocker-Uni etc.)
Sobald sich Philosophie mit dem Mammon einlässt,wirds fast immer problematisch.
Andererseits ohne Kohle gehts auch dort nicht. Und dass man als Philosoph auch und v.a. außerhalb der Uni sehr erfolgreich sein kann, sieht man an so Leuten wie David Precht, Peter Sloterdijk, dem omnipräsenten Astronom und Philosophen Harald Lesch (der zu allem und jedem etwas zu sagen hat) u.a.
Man muss nur wissen, was sich bzw. wie man sich gut vermarktet/vermarkten lässt.
Marktgängigkeit heißt das Zauberwort der Ökonomie. Was da zu Markte geht, ist faktisch sekundär, da der Markt bekanntlich keine Moral kennt und der Steuerzahler aufkommen muss, wenn Unmoral ein Fiasko hinterlassen hat (to big to fail).

PS.
Beim Lesch frag ich mich oft, wie er das alles unter einen Hut kriegt: Prof. an 2 Unis, permanent im Fernsehen,Buchautor, Gastvorlesungen, ...
Manche habens anscheinend voll drauf. Vllt. denkt er sich auch nur: Ich nehm mit,was ich mitnehmen kann, solange Herz und Hirn mitmachen nach dem alten Motto: Pecunia non olet.
Ohne ein Neiddiskussion lostreten zu wollen:Aber man fragt sich doch zurecht, ob das noch irgendwie "normal" ist. Oder setzt die Gier nach Geld und Ruhm bei solchen Leuten Energien frei, von denen
Otto-Normalmensch nur träumen kann, ohne diese aber wohl ein eher glücklich und zufrieden sein kann.

Frank Schirrmacher von der FAZ indes scheint es übertrieben zu haben. Mit 54 war sein Leben zuende. Gerade als Tausendsassa darf man seine Physis nicht unterschätzen. Eines hat er zumindest und gewiss: intensiv gelebt.
Ob er sein Leben wirklich genossen hat/genießen konnte, darf man zu fragen wagen.
Wir werden es nicht mehr erfahren: Der Herzinfarkt war schneller, aber wohl kein Wunder.
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Re: Kannte Technik nicht...

Beitragvon Zythophilus » Mo 24. Okt 2016, 06:37

Nicht die Philosophie ist eine Geschäftsstrategie, auch wenn Leute wie Precht offenbar gut davon leben, sondern Unternehmen bezeichnen ihre Geschäftsstrategien gerne als Philosophien. Die Strategie von McDonalds z.B. mag in Hinblick auf den Verkauf der feil gebotenen Produkte durchaus sinnvoll sein, "Philosophie" will mir auch im übertragenen Sinne dafür nicht passen, weil die Fragen, woher wir kommen und wohin wir gehen, darin bestenfalls gestreift werden.
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Re: Kannte Technik nicht...

Beitragvon Prudentius » Mo 24. Okt 2016, 16:34

Dieser verminderte Marktwert der Philosophie hat noch tiefere Ursachen, das geht zurück auf Gödel in den dreißiger Jahren, der hat nachgewiesen, dass es unmöglich ist, ein System widerspruchsfrei vollständig von einer einzigen Ursache abzuleiten, seitdem hat sich die ernüchternde Einsicht verbreitet, dass das gesamte Bemühen der Philosophie, von den Vorsokratikern angefangen mit ihrer Frage nach der "arché" letztlich gescheitert ist; der Soziologe N. Luhmann gab die Devise aus: "Beziehungssicherheit anstelle von Grundlagensicherheit", bildlich gesprochen: früher warfen die Schiffe Anker aus, um sich auf dem Boden festzumachen; jetzt koppeln sie sich aneinander; der Unterschied ist offensichtlich: wohin die Strömung trägt, weiß miemand.
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Re: Kannte Technik nicht...

Beitragvon marcus03 » Mo 24. Okt 2016, 18:20

Prudentius hat geschrieben: wohin die Strömung trägt, weiß miemand.


Das gleicht dem Kosmos, der sich immer weiter und immer schneller ausdehnt und niemand weiß, in was hinein eigentlich und wielange noch, "abgebremst" von einer Materie, die dunkle genannt wird, ohne die es angeblich schon längst alles "zerrissen" hätte. Auch von der wissen wir nur, dass es sie geben muss und sonst (noch) nichts.

Prudentius hat geschrieben: dass das gesamte Bemühen der Philosophie, von den Vorsokratikern angefangen mit ihrer Frage nach der "arché" letztlich gescheitert ist;

An deren Stelle ist die Physik getreten, die uns vllt. in nicht allzu ferner Zukunft erklären wird, was vor dem Urknall "war",wie es zu ihm kam, wie falsch unser Begriff vom Nichts bisher war, weil es dieses Nichts, so wie es der Mensch gemeinhin versteht, nicht und "nie" gegeben hat und noch einiges mehr.
Von nichts kommt offenbar wirklich nichts. In principio non erat nihil, quia nihil esse non licet. :wink:
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Re: Kannte Technik nicht...

Beitragvon Prudentius » Di 25. Okt 2016, 20:48

marcus03 hat geschrieben:...An deren Stelle ist die Physik getreten, die uns vllt. in nicht allzu ferner Zukunft erklären wird, ...


Marce, ich muss dich bremsen, wenn du meinst, dass der Physik das gelingen wird, was die Philosophie nicht erreicht hat; die Physik erlebt ja ein analoges Desaster wie die Philosophie, auch ihre Blütenträume sind geplatzt, haben sich als Illusionen erwiesen; seit Galilei war sie der Meinung, mit ihrer Berufung auf Experiment und Erfahrung, Messen, Zählen und Wiegen das eigentlich Reale, Wirkliche, das echte Sein in den Griff zu bekommen; sie meinte, dort anzukommen, wovon die Philosophen in ihren Spekulationen nur träumten. Es hat sich gezeigt, dass all das, was man für primär und fundamental hielt, Konstrukt des menschlichen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsapparates ist; also Realität, Gegenstand, konkrete Wirklichkeit, objektive Außenwelt, Raum, Zeit, Substanz: alles Gedankengebilde, die irgendwie unserem Nervensystem mit seinen Synapsen und Verästelungen entspringen.

Diese ernüchternde Einsicht betrifft nicht die glanzvollen Erfolge der Naturwissenschaft, nicht was man nach Luhmann "Beziehungsgewissheit" nennen kann, wohl aber betrifft es das, was "Grundlagengewissheit" genannt wird; und das ist ja gerade das, was die Physik der Philosophie voraus haben soll.
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