pedantisch

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pedantisch

Beitragvon sinemetu » Mi 7. Dez 2016, 21:06

Hallo, weiß jemand Besseres, als das DWDS zu dem Wort

Pedant m. ‘Kleinigkeits-, Umstandskrämer, Haarspalter’, Übernahme (um 1600) von frz. pédant ‘Schulfuchs, engstirniger Kleinigkeitskrämer’, zuvor (nicht geringschätzig) mfrz. pedante ‘Schulmeister’, entlehnt aus ital. pedante ‘Erzieher, Schulmeister, Pedant’. Herkunft unsicher. Vielleicht aus (nicht bezeugtem) mlat. *paedans (Gen. *paedantis), Part. Präs. zu mlat. *paedare, einer latinisierten Entlehnung der Renaissancezeit aus griech. paidé͞uein (παιδεύειν) ‘erziehen, unterrichten’, zu griech. pá͞is, Gen. paidós (παῖς, παιδός) ‘Kind, Knabe, Sohn’ (s. ↗Pädagoge). Oder scherzhafte Entstellung von ital. pedagogo ‘Lehrer, Erzieher’ durch Anpassung an älteres ital. pedante ‘Fußgänger, Fußsoldat’ (14. Jh., zu ital. piede, lat. pēs, Gen. pedis, ‘Fuß’)? pedantisch Adj. ‘schulmeisterlich, kleinlich, förmlich, in übertriebener Weise genau’ (um 1600); vgl. mfrz. frz. pédantesque, ital. pedantesco. Pedanterie f. ‘kleinliche Denkart, übertriebene Genauigkeit, Einseitigkeit’ (um 1600), mfrz. frz. pédanterie, ital. pedanteria. ... Weniger


Der Phantasie ist also Raum gegeben ....
Quaestor sum, quaerere quaerique possum ...
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Sinemetu und die Pädagogen-Pedantik

Beitragvon Willimox » Mi 7. Dez 2016, 21:29

(1) Sinemetu con brio:

(1.1) Das Motto:

sinemetu hat geschrieben:Hallo, weiß jemand Besseres, als das DWDS zu dem Wort

Pedant m. ‘Kleinigkeits-, Umstandskrämer, Haarspalter’, Übernahme (um 1600) von frz. pédant ‘Schulfuchs, engstirniger Kleinigkeitskrämer’, zuvor (nicht geringschätzig) mfrz. pedante ‘Schulmeister’, entlehnt aus ital. pedante ‘Erzieher, Schulmeister, Pedant’. Herkunft unsicher. (....)


Der Phantasie ist also Raum gegeben ....


(1.2) In Sinemetus Stammbuch "Pedantisches Bedürfnis":

Lange Zeit wurde nicht so zugleich für non und für nihil gebraucht, bis

das pedantische Bedürfnis

nach einem klar unterschiedenen Substantiv dazu führte, den Genetiv nichtes zum Range eines neuen Substantivs zu erheben; Grimm hat gelehrt, daß dieses Nichts entstanden sei aus der alten Doppelverstärkung Nichtesnicht (ganz und gar nichts); das zweite nicht wurde seit dem 14. Jahrhunderte fortgelassen und nichtes zu nichts verkürzt; ich möchte dazu bemerken, daß der kleinste positive Gegensatz von nichts, das Wörtchen es, ebenfalls in sehr vielen Fällen (sie haben's kein Gewinn, er hat es kein Hehl usw.) ein Genetiv war, der heute nur noch von einem feinen Sprachgefühl als solcher empfunden wird.

Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie.
In: Bertram, Mathias (Hg.) Geschichte der Philosophie, Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1910], S. 26542


(2) Fragen .... und Antworten:

- Was soll an dem von Sinemetu zitierten DWDS- Eintrag der "Phantasie" Tür und Tor, ne "Raum" öffnen?
- Lässt der Eintrag mangels Konsistenz alle möglichen Deutungen von "pedantisch" zu?
- Äh, und wäre es so, was hat/hätte man als Brakbekilista dagegen? :D

Aber zu Brakbekls möglichen Motiven erstmal nix,
erstmal hier der Lexikoneintrag, optisch etwas gefälliger präsentiert:

(1) Pedant m. ‘Kleinigkeits-, Umstandskrämer, Haarspalter’,

Übernahme (um 1600) von frz. pédant ‘Schulfuchs, engstirniger Kleinigkeitskrämer’,
zuvor (nicht geringschätzig) mfrz. pedante ‘Schulmeister’,
entlehnt aus ital. pedante ‘Erzieher, Schulmeister, Pedant’.

Herkunft (von pedante) unsicher.
Vielleicht aus (nicht bezeugtem) mlat. *paedans (Gen. *paedantis),
Part. Präs. zu mlat. *paedare, einer latinisierten Entlehnung der Renaissancezeit
aus griech. paidé͞uein (παιδεύειν) ‘erziehen, unterrichten’,
zu griech. pá͞is, Gen. paidós (παῖς, παιδός) ‘Kind, Knabe, Sohn’ (s. ↗Pädagoge).

Oder scherzhafte Entstellung von ital. pedagogo ‘Lehrer, Erzieher’ durch Anpassung an älteres ital. pedante ‘Fußgänger, Fußsoldat’ (14. Jh., zu ital. piede, lat. pēs, Gen. pedis, ‘Fuß’)?

(2) pedantisch Adj. ‘schulmeisterlich, kleinlich, förmlich, in übertriebener Weise genau’ (um 1600);
vgl. mfrz. frz. pédantesque, ital. pedantesco. Pedanterie f. ‘kleinliche Denkart, übertriebene Genauigkeit, Einseitigkeit’ (um 1600), mfrz. frz. pédanterie, ital. pedanteria. .

https://www.dwds.de/wb/pedantisch


Bild

Man sieht:

Die möglichen Herleitungen sind überschaubar und in ihrer Dignität nicht schwach. Sie fokussieren die Domäne "Pädagogenbild - Pädagogenschelte", angereichert mit der möglichen Interferenz von (mürrisch frustriertem) Fußsoldat ohne prächtig schnelles Cavallo ......

Bild

Da wird man dann pingelig und vielleicht auch komisch rechthaberisch und vielleicht sogar giftig gewaltbereit, wo man seinen Status und sein Selbstwertgefühl, kurz die umstrittene Autorität - glaubt verteidigen zu müssen.
Zu offen und nicht eindeutig genug?

Aber mal generell: Eine eindeutige Antwort mit Standardstereotypen ist oft eine (zu) einfache Antwort, rasiert die Diskussion und wird der Sachlage in linguistischen und anderen Horizonten nicht unbedingt gerecht, ja: gerecht. Man denke etwa an Sinemetus Verkennung der Sachlage im Konzept-Verb "evakuieren", vorschnell und ungerecht.....

Hier das Sinemetu-Statement (mit allerlei affizierten Objekten in seiner Gedankenführung):

sinemetu hat geschrieben:Ich wollte nur auf die Bedeutungsveränderung hinaus:

1. Die Halle evakuieren ... (affiziertes Objekt)
2. Die Menschen aus der Halle evakuieren ... (affiziertes Objekt)
3. Die Menschen evakuieren ....(affiziertes Objekt)

Die Unterscheidung in effiziertes und affiziertes Objekt trifft nicht die Bedeutungswandel des Verbums. Denn sowohl die Halle, als auch die Menschen sind von der Tätigkeit betroffenen Gegenstände. Primär muß das Verbum evakuieren aber ausschließlich auf Räumlichkeiten bezogen worden sein. Diese werden evakuiert.

Wie das Objekt Mensch an das Wort gelangt ist, kann ich mir nur als Missverständnis erklären so: Da der Zweck eine Evakuierung immer mit Menschenleben retten wegen eines Katastrophenfalles verbunden war, hat evakuieren, die Bedeutung - weil Fremdwort und unverstanden -, entleeren abgelegt, und ist zur Bedeutung "aus akuter Gefahr retten" übergegangen.

Ein typischer Fall einer etymologischen Deprivation oder meinetwegen auch Depravation.



(3) Der Motivkomplex korreliert mit dem Aufbretzel-Modus:

Welche Motivation steckt wohl in Sinemetus etymologisch-semantischer Frage zur Bedeutung von "pedantisch"?

Bild

Hier, in diesem milden Vorwurf von Prudentius wird man fündig, sucht man nach Sinemtus Motivationskomplex, liegt hier doch das begraben, was unser Fragensteller (quaerere possum) wohl als "dicken Hund" empfindet und keinesfalls goutieren kann.

Prudentius hat geschrieben:Bei "e-vakuieren" spielen mehrere Gegensatzpaare zusammen: Gefäß - Inhalt, leer - voll, hinaus - heraus; bei dem Satz mit dem Zecher ist vom Leeren des Gefäßes die Rede, aber gemeint ist: er trinkt aus; beim Entleeren des Glases schwebt der Übergang des Inhalts in das Subjekt des Trinkers mit vor, die Gegensätze komplementieren sich, sie gehen ineinander über, das eine kann in das andere übergehen; also "das Gebiet evakuieren" heißt "die Bevölkerung herausführen" und damit auch "die Bevölkerung evakuieren".

Es ist also etwas Pedantisches daran, wenn man sagt, dass hier ein Irrtum oder Fehler vorliege.

Man kann hier die Denkform der Dialektik erkennen, erstmals bei Heraklit greifbar, dann bei Platon, den Neuplatonikern und ihrem Erben, Hegel, und seinem Nachfahren Marx.



So kommt es denn zum Versuch, das DWDS zu befragen und es dann - als nichtverstehbar und nix erklärend, sondern der Phantasie Türen öffnend - zu deklassieren, zu disklassifizieren (und sich dabei ad hoc zu disqualifizieren).

Einmal soll sich Kompetenz erweisen, man stellt die Frage nach "Besserem", hat also den Eintrag gelesen, verstanden und für eher nicht so gut befunden. Der Eintrag, er sei, er ist ja nicht recht fruchtbar wegen dieser offensichtlichen, schrecklichen Uneindeutigkeit.
Nun aber ist dieses halbautoritäre Gestenspiel zu verdecken, also präsentiert und ergänzt man die Frageform ("Hallo, weiß jemand etwas Besseres?") mit einer Phrase und spirituellen Punkten ( "Der Phantasie ist ja Raum gegeben ....).
Was schafft man dabei als Collateral-Nutzen? Die Verletzung lässt sich übertünchen oder verdrängen, welche der Adressat wohl erlitten hat, auch wenn das von ihm in einem offenen Dialog gar nicht so empfunden werden müsste.

Kurz und schlecht: So agiert und reagiert das Argumentations- und Sprachbewusstsein bei Leuten, die sich getadelt fühlen und ihre wirre Betroffenheit zu verdecken suchen.
Man evakuiere sich klammheimlich und pompös aus dem brisanten Raum. Man stellle,
nun ja, etymologische Rückfragen. So sind die traurige(n) rhetorische(n) Figur(en) aufzubretzeln, die man im Diskurs, aktuell und früher, abzugeben pflegt.

Guter Rat:

Bild

Ein paar Räuchermännchen aufstellen,
zur Ruhe kommen,
eine Selbstbetrachtung stoisch (Seneca, Marc Aurel) durchziehen,
dann Distanz zu sich und seinem unmittelbaren Umfeld gewinnen,
die Fraktion der Wirr-Wuzzis aus so gewonnener Außenposition ins Auge fassen -
vielleicht auf diese Weise locker und auch ein wenig humorvoll zukünftig das vermeiden,
was fast zwanghaft gespielt wurde, nämlich brakbekeliges Bullshit-Bingo?

(4) Peda-Bonustrack, versöhnlich & komisch:

Der Lehrer (Jürgen von der Lippe)

peda - gogo peda - gogo

wer kriegt zum geburtstag bücherstützen,
oder bücher mit lehrerwitzen?
der lehrer! der lehrer!
wer erfüllt ständig ein übersoll,
und wer ist beim schulfest als erster voll?
der lehrer! der lehrer!

wer hat die hand am puls der zeit?
wer ist engagiert und allzeit bereit?
wer weiß, was out ist, und ist selber immer in?
der lehrer und die lehrerin.

peda - gogo peda - gogo

wer schlagt sich ständig mit eltern rum,
und wer darf nie sagen: dieses kind ist dumm?
der lehrer! der lehrer!
und wer hat alle schüler gleich lieb
und benotet sie streng nach dem zufallsprinzip?
der lehrer! der lehrer!

wer bringt sich ein, wer macht nie zu,
wer sieht im ich auch stets das du?
wer ist politisch und als mensch ein gewinn?
der lehrer und die lehrerin.
peda - gogo peda - gogo

wer hatte auch künstler werden können,
oder kanzler, um nur zwei zu nennen.
der lehrer! der lehrer!

wer arbeitet vierundzwanzig stunden am tag,
und wenn das nicht reicht, noch die ganze nacht?
der lehrer! der lehrer!

wer geht dereinst für kargen lohn fix und fertig in pension
und findet keinen frieden wegen der hämorrhoiden?

peda - gogo peda - gogo :verfolgt:

https://www.youtube.com/watch?v=nv2cNFhutuk

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