Es ist schon bemerkenswert, welchen Verlauf diese Diskussion genommen hat. Von der angeblichen , der lateinischen Sprache angedichteten Affinität zur Mathematik ausgehend, ist man nun glücklich bei den Vor- und Nachteilen der Örberg-Methode angelangt, die ja nun tatsächlich der beste Beweis dafür ist, dass Latein mit Mathematik nicht das allergeringste zu tun hat.
Bezüglich dieser Methode stimme ich Zythophilus insofern zu, als dass sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen kaum anwendbar erscheint. Nach wie vor wird in den (jedenfalls österreichischen) Lehrplänen verlangt, dass die Schüler im Lateinunterricht die "Kompetenz"
erlangen sollen, mehr oder weniger schwierige Texte römischer Autoren "übersetzen" zu können. In der Ahnung, dass dies angesichts der wenigen zur Verfügung stehenden Stunden ein Ding der Unmöglichkeit ist, hat man im Laufe der Zeit die Anforderungen immer weiter heruntergeschraubt: So sind die Lehrer heute schon glücklich, wenn ein Schüler einen lateinischen Text annähernd sinngemäß ins Deutsche überträgt. Aber da selbst damit ein Großteil der Schüler meist überfordert ist, nicht zuletzt, weil vieles aus dem Anfangsunterricht schon wieder vergessen wurde, werden Originaltexte oft bis zur Unkenntlichkeit "vereinfacht" und mit zahllosen Hilfsangaben versehen, und wenn auch das nicht reicht, helfen immer noch großzügige Korrekturverfahren, ein möglicherweise katastrophales Ergebnis abzumildern.
Das hehre Ziel, mit den im Anfangsunterricht erworbenen grammatischen Kenntnissen dereinst befähigt zu sein, einigermaßen anspruchsvolle Originaltexte selbstständig übersetzen zu können, wird in den allermeisten Fällen nicht erreicht. Dieser Anspruch, der aus einer Zeit stammt, als Latein noch eine zentrale Rolle im Unterricht spielte, führt letztlich zu der unbefriedigenden und für alle Beteiligten frustrierenden Erkenntnis, dass der herkömmliche Lateinunterricht heute nicht mehr in der Lage ist, den Schülern die für die Originallektüre erforderliche "Sprachkompetenz" zu vermitteln, geschweige denn, sie zu befähigen, in einfacher Weise die Sprache aktiv zu gebrauchen.
Natürlich gibt es immer wieder Lehrer, die mit Engagement und Motivationsfähigkeit gegen die systembedingte Misere ankämpfen und mitunter sogar erstaunliche Erfolge erzielen. Aber das ist leider die Ausnahme.