Bückware

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Bückware

Beitragvon sinemetu » Fr 12. Jan 2018, 11:56

Was ist Bückware ..... DWDS führt den Begriff leider nicht.

In der Mangelwirtschaft der DDR war Bückware diejenige Ware, die es nicht in die allgemein öffentlich zugänglichen Regale der Kaufhalle schaffte, sondern nur bis unter die Tresen der Verkäufer, auf daß damit die "Beziehungen" zur bekannten Kundschaft, besser Bekanntschaft gepflegt werden konnten. Man bekam bestimmte Sachen nur mit "Beziehungen". Das Wort Beziehungen und Bezug wurde hier auf seinen materiellen Gehalt reduziert. Dies beziehe ich von dem und dem!

Nun erfahre ich, daß es auch in der Neuen Ordnung Bückware gibt. Ein Supermarktregal hat 3 Zonen, a die Sichtzone, b. die Greifzone und c. die Bückzone mit ihren jeweiligen Waren.

https://www.youtube.com/watch?v=5qfG3clJ1V4
Bei 3:41

Man sollte einmal fragen, wieviel Prozent der Worte einer Sprache mit einem politischen Umbruch semantisch verändert. bzw. bereichert werden.
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Re: Bückware

Beitragvon Willimox » Fr 12. Jan 2018, 18:08

Ächz, Zeit wurde es, dass Du die ursprüngliche Doof- und Schluderüberschrift "Backware" auf den Folgetext abgestimmt hast.

Die aktuelle ÜS (Überschrift) "Bückware" lässt hoffen, dass Selbstkorrekturen und Kontextsensivität auch in Brakbekistan und all diesen Sittenkomplexen möglich sind.

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Re: Bückware

Beitragvon Zythophilus » Fr 12. Jan 2018, 19:41

"Bückware" versteht man problemlos als Ware, nach der sich jemand bücken muss. Welche Art von Ware das jeweils ist, ist zeitlich und örtlich unterschiedlich. Heutzutage geht es im Supermarkt natürlich auch darum, wo die Ware im Regal positioniert wird. Bückware hat dabei offensichtlich nicht die beste Positionierung.
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Re: Bückware

Beitragvon medicus » Sa 13. Jan 2018, 20:21

Zythophilus hat geschrieben: Bückware hat dabei offensichtlich nicht die beste Positionierung.


...weil sie die preiswerteste ist!
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Re: Bückware

Beitragvon sinemetu » So 14. Jan 2018, 05:58

Welche Bedeutung wird das Wort denn im Jahrzehnt des 1. Weltkriegs gehabt haben?

https://books.google.com/ngrams/graph?content=Bückware&year_start=1900&year_end=2000&corpus=20&smoothing=3&share=&direct_url=t1%3B%2CBückware%3B%2Cc0
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Re: Bückware

Beitragvon medicus » So 14. Jan 2018, 09:51

Bitte erkläre deinen Link zum Google Books Ngram Viewer. Dort ist nur der Buchstabe B eingegeben. Das Wort "Bückware" findet er nicht. Kann man von der Häufigkeit des Wortanfangs mit Buchstaben B auf Bückware schließen? :nixweiss:

Der Ausdruck ist erst seit 1939 gebräuchlich. :suche:

https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCckware
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Re: Bückware

Beitragvon Willimox » So 14. Jan 2018, 10:31

Naja, das ist Brakbekistan-Gedaddel :sleep: der schludrigen Art.

1. Arbeiten mit ngram

Im ngramviever (hier der korrekte Link)

https://books.google.com/ngrams/graph?content=B%C3%BCckware&year_start=1800&year_end=2000&corpus=20&smoothing=3&share=&direct_url=t1%3B%2CB%C3%BCckware%3B%2Cc0

findet sich eine mit Umsicht auszuwertende Tabelle.

Öffnet man einige der Belege, die aus der Zeit vor der Mangelwirtschaft in Deutschland stammen,

https://www.google.de/search?q=%22b%C3%BCckware%22&tbm=bks&tbs=cdr:1,cd_min:1800,cd_max:1915&lr=lang_de&gws_rd=cr&dcr=0&ei=FBVbWuWoMoHUkwXy3anACg

dann sieht man, dass google hier die Schrift der Originale falsch gelesen hat. Google interpretiert das altdeutsch-fränkische "a" als "ü". Und Brakbekel hat somit bei seiner ehemaligen Überschrift "Backware" Geistesverwandtes tangiert.

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2. Additum

Hier ein weiteres Beispiel :wink: für Arbeiten sine metu et diligentia et ratione:

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3. Semantikraum und gesellschaftlicher Hintergrund

Im übrigen - das hast du bereits anskizziert - ist das Bedeutungsspiel bei "Bückware" etwa so konstruiert:

In Mangelwirtschaften (Kriegsdeutschland, DDR)

Der Verkäufer bückt sich bei genehmen Kunden unter den Ladentisch, um dort gesuchte und hochwertige Ware, die für normale Kunden nicht zugänglich sein sollte, hervorzuholen.

In Überflussgesellschaften

Die Verkaufsorganisation ordnet in den käuferzugänglichen Regalen Artikel weiter unten an, nach denen sich der Käufer bücken muss. Strategie: Die Assoziation weiter oben - hochwertig soll den Käufer dazu verlocken, hochpreisigere Produkte, die dem Verkäufer mehr Gewinn versprechen, zu wählen. Zusätzlich wird der Kunde normalerweise das lästige Bücken vermeiden und das, was in seinem Gesichtsfeld ist, wählen.

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Re: Bückware

Beitragvon Zythophilus » So 14. Jan 2018, 10:42

Laut Wikipedia wird das Wort erst seit 1939 verwendet, aber ich denke nicht, dass das so absolut zu sehen ist. Für mich - weder im Handel tätig, noch mit der Sprache der NS-Zeit oder der DDR vertraut - hat dieses Wort bis vor Kurzem nicht zum Wortschatz gehört. Ich hätte es einfach als das interpretiert, was die beiden Bestandteile auch aussagen: Ware, nach der man sich bückt.
Alle weiteren Bedeutungen kennt man nur, wenn man auch den Kontext kennt: In Zeiten, in denen manche Güter knapp sind, verstehen die Leute eben etwas nicht so leicht Erhältliches darunter, während es heutzutage eher die billige Ware ist, die an einem schwieriger erreichbaren Platz positioniert wird.
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Re: Bückware

Beitragvon sinemetu » So 14. Jan 2018, 11:35

Warum mein Link nicht funktioniert, weiss ich nicht, habe jedenfalls dasselbe Ergebnis, wie Willimox. Der Lesefehler, ü statt a, erklärt aber nicht allein das Hoch im 2. Jahrzehnt des 20 Jahrhunderts. Sowas ist bei dem Gerät immer zu finden. Mangelwirtschaft gab´s aber zu der Zeit schon, Supermärkte jedoch kaum! Tante Emma wird zwar auch schon recht genau gewußt haben, welche Ware sie in welcher Höhe in ihrem Laden platziert, aber ob es den wirtschaftssoziologischen Begriff Bückware in dem Sinne so schon gab, - da müßte man wirklich in die Texte kucken. Die von Google angegebenen Texte sind wirklich mit einer nicht zu deutenden Ausnahme Lesefehler...
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Re: Bückware

Beitragvon medicus » So 14. Jan 2018, 11:56

sinemetu hat geschrieben:Tante Emma wird zwar auch schon recht genau gewußt haben, welche Ware sie in welcher Höhe in ihrem Laden platziert,


Tante Emma hat sicher die häufig verlangte Ware in die für sie leicht erreichbaren Regale gestellt, um sich nicht so häufig bücken zu müssen, und auf die Leiter stieg sie auch nicht gerne. :roll:
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Sinemetu weiß nicht, warum sein Link nicht funzt .....

Beitragvon Willimox » So 14. Jan 2018, 16:29

Warum funktioniert Sinemetus Link nicht?

Er hat die URL-Klammer nicht kompakt gesetzt.

Warum der Anstieg von "Bückware" im ngramm-view 1910-1920?

Nun, man gucke sich die Prozentverteilung auf der Kurve an.
Dann werfe man einen kurzen Blick in die ausgewerteten Quellen:
Es gibt keinen Beleg für korrekte Verwendung von "Bückware" (und nicht "Backware")
im genannten Zeitraum. Es gibt also keinen belastbaren Anstieg.

Warum überprüft Sinemetu seine Aussagen mit stupender Fahrlässigkeit, wenn überhaupt?

Das liegt vermutlich an dem "Gesetz, zu dem er angetreten", jedenfalls so, wie er das Gesetz und Romatomaten versteht.

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Re: Bückware

Beitragvon sinemetu » Di 16. Jan 2018, 23:41

Ich habe übrigens noch so ein Wort gefunden, welches eine vollkommen neue, nicht absehbare Bedeutung angenommen hat, der Straßenfeger...
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Sinemetus wunderbare Welt der Sprache

Beitragvon Willimox » Mi 17. Jan 2018, 16:37

sinemetu hat geschrieben:Ich habe übrigens noch so ein Wort gefunden, welches eine vollkommen neue, nicht absehbare Bedeutung angenommen hat, der Straßenfeger...


Lasset uns einen Moment nachdenklich das Kinn in die rechte Hand schmiegen und behutsam der Frage nachgehen, welche der Bedeutungen von "Straßenfeger" (siehe unten 5 Ikons) wohl für Sinemetu "nicht absehbar" sein könnte(n*).
(*Mehrfachantworten gut möglich, daher der Plural).

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