1. LeopoldianaDer für die genauere Kenntnis von Leopolditexten wichtige Doppelband der
Leopoldiana verzeichnet als Entstehungsjahr der „Powidltatschkerln“ das Jahr 1937. Das Copyright liegt allerdings - so das Werk - 1948 bei Ludwig Doblinger AG, die/eine Schallplattenaufnahme gebe es ca 1937 (HMV BA 703).
Ronald Leopoldi (Hrsg): Hermann Leopoldi. Leopoldiana
Hg. von Ronald Leopoldi, wissenschaftlich betreut von Christoph Lind und Georg Traska mit Vorworten von Georg Kreisler und Roland Neuwirth [Beiträge zur Wiener Musik Bd. 2, hg. vom Wiener Volksliedwerk] Vertrieb: Musikverlag Doblinger oder wvlw, Euro 60,- ISMN 979-0-012-20000-0 , ISBN 978-3-902667-23-6 mit Indices nach Entstehungsdatum, Textdichtern und Liedanfängen.Hier der Index, man vergleiche darin die Zeitangabe "Powidltatschkerln" S. 712 (unten):
http://www.hermannleopoldi.at/files/Leopoldiana_Indices.pdf2. Strümpfe hab'n wir jetzt aus Nylon 1937?Allerdings scheint mir die
Premysliden-Strophe neueren Datums zu sein oder zumindest neuere Elemente zu enthalten.
Strümpfe hab'n wir jetzt aus Nylon,
der Fünf-Uhr-Tee kommt aus Ceylon
und das seichte Tief von den Azoren.
U.S.A. schickt Zigaretten,
Frankreich freie Kabinetten,
Ungarn statt Salami Gladiatoren.
Franco Haus kriegen wir aus Spanien
Diktaturen statt Kastanien,
und Norwegen schickt die Silberfüchs,
doch das Beste kommt entschieden
aus dem Land der Premysliden,
alles andre ist dagegen nix!Überlegungen:Die "vierte französische Republik" (1945ff) weist ähnlich wie die dritte ungewöhnlich viele Regierungswechsel auf.
Der Nylonstrumpf hat als Massenprodukt seinen Stichtag am am 15. Mai 1940 (“N-Day”) in den USA. In Deutschland hatte vor Kriegsbeginn Perlon das Feld per Absprache mit den Amerikanern monopolisiert. Dann im Krieg wurde der synthetische Stoff für Kriegsdienliches gebraucht. Nylons waren nun nach dem Krieg ein sehr begehrter Artikel (in Österreich, in Deutschland) und sind so als Thema allgemein und auch im Lied ein attraktiver Topos.
Ein spielerisch-kritischer Hinweis auf Diktaturen frei Haus/Franco ist 1937 in einer massentauglichen Humoreske schwer unterzubringen. Wohl auch nicht im Österreich von Kanzler Schuschnigg.
Das Schicken von Zigaretten setzt einen relativ freien Handel oder Schwarzmarkt-Normen voraus und auch bis zu einem gewissen Grad einen Mangel in der heimischen Produktion. Der war 1945ff in Deutschland und Österreich gegeben. So ist denn vielleicht auch das "jetzt" als Hinweis auf eine stark geänderte kulturell-politische Landschaft zu verstehen.
Die Gladiatorenproblematik hat Zythophilus schon anskizziert.
Die Silberfüchse könnten als Hinweis auf die Kriegssituation gelesen werden. Allerdings geht es da eben um die Zeit von 1940ff, was sich schwer mit dem Jahr 1937 verträgt.
https://books.google.de/books?id=DZNHAAAAQBAJ&dq=Norwegen+Silberf%C3%BCchse&hl=de&source=gbs_navlinks_s
All das deutet (überwiegend) auf eine Schwarzmarktgesellschaft und die Folgezeit hin.
3. AusblickAlso vielleicht eine 1937er-Vorlage mit einer Aktualisierung 1948/49. Man vergleiche dazu auch die Einträge im Nachlassverzeichnis, S. 28, S. 52 und S. 57.
http://share.obvsg.at/wbr02/LQH0268685-1201.pdfDer Vertrag mit dem Musikverlag Doblinger stammt aus dem Jahre 1948. Auch gibt es einen (früheren?) Text mit dem Titel "Mei Leibspeis sind die Powidltascherln".
Schließlich noch Ronald Leopoldi:
noe.ORF.at: Er war dann wieder der gefeierte Star, der er nach dem Ersten Weltkrieg war, und ist auch wieder in den Revuen aufgetreten. Wie wichtig war seine Rolle dann in Österreich beim Wiederaufbau?
Leopoldi: Er hat gute Stimmung gemacht, hat die Lieder und Texte an die Situation angepasst und sehr wichtig, glaube ich, war er auch für den Staatsvertrag. Meine Eltern waren ständig eingeladen im Rathaus und überall, um gute Stimmung für die Regierung zu machen, sie waren in Schweden mit Kreisky und haben für die Wiener Kinder gesammelt.
http://noe.orf.at/news/stories/2781017/
4.
Bonus-Track: Andre Heller singt Leopoldis "Schnucki" - .....pia vota - Hiawatha (vgl Kommentare)https://deutschelieder.wordpress.com/2013/03/11/hermann-leopoldi-andre-heller-schnucki-ach-schnucki/#comments