Der Islam und Europa

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Der Islam und Europa

Beitragvon Prudentius » So 8. Apr 2018, 10:00

Mit Europa meine ich hier unseren griechisch-römisch-jüdisch-islamischen Gedankenkosmos insgesamt, wie es eben hier in diese Runde passt.

Auf jeden Fall gehört der Islam zu Europa, es fragt sich nur, wie: ob so wie die Liebe zum Heiraten gehört oder der Tod zum Leben; denn "gehören zu" ist ein sehr mehrdeutiger Begriff.

Beim Blick auf die Gechichte fallen einem zuerst die Kreuzzüge ein. Das ma. Europa stand in Frontstellung zum Islam, deutlich erkennbar bei Thomas v. Aquin oder Dante.

Was die Rezeption der Antike angeht, war der Islam aber eher aufnahmewillig als die Kirche; die platonische Akademie wurde als heidnische Philosophenschule von Kaiser Justinian 529 geschlossen; Mohammed lebte um 600, in dem nahöstlichen Bereich, in den alles ausweichen musste, was vom Zentrum Konstantinopel verdrängt wurde; im 9. Jh. wurde in Bagdad das "Haus der Weisheit" gegründet, eine Art Fortsetzung der platonischen Akademie, in dem viel antike Literatur ins Arabische übersetzt und damit für die Überlieferung gerettet wurde.

Im Hochmittelalter gab es eine lebhafte Streitkultur zwischen der scholastischen Theologie mit Zentrum v.a. in Paris, Thomas, und den islamischen Gelehrten aus dem spanischen Kalifat. Beide Seiten benutzten dabei Argumente, die sie aus dem Erbe des antiken Denkens, Platon, Aristoteles u.a, bezogen.

Die Frage "Islam und Europa" ist also sehr vielschichtig, man kann viel darüber nachgrübeln.
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Re: Der Islam und Europa

Beitragvon Zythophilus » So 8. Apr 2018, 11:32

Ziemlich genau wird in diesem Artikel dargestellt, welchen Beitrag der Islam für Europa geleistet hat und welchen nicht, auch wenn immer wieder seine Rolle so betont wird. https://diekolumnisten.de/2018/03/25/wa ... was-nicht/
Etwas wie das "Haus der Weisheit" gab es natürlich, aber das vermittelte wenig genuin Arabisches oder gar Islamisches, sondern war für Europa gewissermaßen ein Umweg, zu seinen eigenen Texten wieder zu kommen.
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Re: Der Islam und Europa

Beitragvon Prudentius » Mo 9. Apr 2018, 17:07

Der Artikel gefällt mir nicht, er geht zu sehr auf tagespolitisches Geschimpfe ein, ich versuche lieber, die geistesgeschichtlichen Linien zu erkennen.

... welchen Beitrag der Islam für Europa geleistet hat und welchen nicht,


darum geht es mir nicht, sondern umgekehrt, welchen Einfluss der Westen auf den Islam ausgeübt hat; deshalb habe ich auch auf das Ausweichen der heidnischen Philosophie nach der Schließung der Akademie in den Orient hingewiesen; nur zur Veranschaulichung: die jährlich stattfindende Wallfahrt der Muslime nach Mekka stellt eine Inszenierung einer bekannten platonischen Stelle dar: im Phaidros beschreibt Platon die Vision einer Prozession der Seelen am Himmel, wo sie mit den Sternen zusammen das Zentrum umschreiten und Gott so möglichst nahezukommen suchen. Die Pilger sind mit einen weißen Tuch bekleidet, stellen also Sterne dar; und sie ziehen sieben Mal die Runde um die Kaaba, denn sie müssen die sieben Sphären des damaligen Weltbilds durchqueren; sicher, die Muslime wissen gar nicht, was sie da aufführen; aber sie bezeugen auch ungewollt die platonische Nachwirkung.
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Re: Der Islam und Europa

Beitragvon Prudentius » Mo 9. Apr 2018, 17:27

Der Artikel gefällt mir nicht, er geht zu sehr auf tagespolitisches Geschimpfe ein, ich versuche lieber, die geistesgeschichtlichen Linien zu erkennen.

... welchen Beitrag der Islam für Europa geleistet hat und welchen nicht,


darum geht es mir nicht, sondern umgekehrt, welchen Einfluss der Westen auf den Islam ausgeübt hat; deshalb habe ich auch auf das Ausweichen der heidnischen Philosophie nach der Schließung der Akademie in den Orient hingewiesen; nur zur Veranschaulichung: die jährlich stattfindende Wallfahrt der Muslime nach Mekka stellt eine Inszenierung einer bekannten platonischen Stelle dar: im Phaidros beschreibt Platon die Vision einer Prozession der Seelen am Himmel, wo sie mit den Sternen zusammen das Zentrum umschreiten und Gott so möglichst nahezukommen suchen. Die Pilger sind mit einen weißen Tuch bekleidet, stellen also Sterne dar; und sie ziehen sieben Mal die Runde um die Kaaba, denn sie müssen die sieben Sphären des damaligen Weltbilds durchqueren; sicher, die Muslime wissen gar nicht, was sie da aufführen; aber sie bezeugen auch ungewollt die platonische Nachwirkung.
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Re: Der Islam und Europa

Beitragvon Tiberis » Di 10. Apr 2018, 00:56

Prudentius hat geschrieben:Auf jeden Fall gehört der Islam zu Europa


Es wundert mich schon ein wenig, dass ausgerechnet du, geschätzter Prudentius, eine Behauptung in den Raum stellst, ohne die einzelnen Begriffe auch nur annähernd zu präzisieren. Was ist "der Islam" ?
Verstehst du darunter die islamische Religion? Wenn ja, in welcher Ausprägung? Oder ist es "der Islam" als Gesellschaftsordnung, der deiner Meinung nach zu Europa "gehört" ? Oder meinst du einfach nur verschiedene Gelehrte aus der islamischen Welt - von dir gleich einmal "islamische Gelehrte" (!) genannt - , deren Einfluss auf die abendländische Kultur ja unbestritten ist?
Und was verstehst du unter "Europa" ? Das christliche Abendland des Mittelalters? Europa als Kontinent? als Kulturraum? Das moderne Europa, das sich zur Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bekennt? Oder gar nur die Europäische Union?
Die Unschärfe des Begriffs der Zugehörigkeit hast du selbst angesprochen. Gemeinhin wird man diese Zugehörigkeit wohl so verstehen, dass - um beim Beispiel Europa zu bleiben - zu Europa gehört, wer "Europa" mitgeprägt und mitgestaltet hat.
Hat "der Islam" denn Europa in erkennbarer Weise geprägt? Gewiss, im Gebiet des einstigen Kalifats von Cordoba hat er seine Spuren hinterlassen, deren kulturelle Bedeutung niemand bestreiten wird ,ebenso wie in europäischen Gebieten des Osmanischen Reiches. Aber diese "Prägung" beschränkt sich auf europäische Randzonen und zeitlich auf wenige Jahrhunderte. Dass Europa als Ganzes vom Islam mitgestaltet oder mitgeprägt worden sei, kann hingegen niemand ernsthaft behaupten.
Nein, "der Islam" gehört nicht zu Europa, solange wir uns darüber einig sind, dass eine auf den Regeln des Koran basierende Gesellschaftsordnung mit den mühsam erkämpften Werten unserer säkularen und liberalen Gesellschaft absolut unvereinbar ist. Vielleicht - ich wünsche es mir nicht - wird er eines Tages dazugehören, wenn wir es unseren Politikern weiterhin erlauben, die muslimische Unterwanderung unserer Gesellschaft voranzutreiben.
Wie war das doch mit Laokoon? oder mit Kassandra? Mahnende Worte werden selten gerne gehört.
Das Trojanische Pferd lässt grüßen. Man holt es gerade nach Europa herein.
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Re: Der Islam und Europa

Beitragvon consus » Di 10. Apr 2018, 10:25

Tiberis hat geschrieben:...Nein, "der Islam" gehört nicht zu Europa, solange wir uns darüber einig sind, dass eine auf den Regeln des Koran basierende Gesellschaftsordnung mit den mühsam erkämpften Werten unserer säkularen und liberalen Gesellschaft absolut unvereinbar ist. Vielleicht - ich wünsche es mir nicht - wird er eines Tages dazugehören, wenn wir es unseren Politikern weiterhin erlauben, die muslimische Unterwanderung unserer Gesellschaft voranzutreiben. ... Mahnende Worte werden selten gerne gehört. ...
In der Regel halte ich mich in diesem Forum, was nicht unmittelbar die Sprache betreffenden Diskussionen angeht, zurück. Tiberis hat mir aber in einem solchen Maße aus der Seele gesprochen, dass ich diesmal nicht umhinkann zu sagen: Volle Zustimmung meinerseits! Doch gilt auch in der Causa Islam der Satz: Nondum omnium dierum sol occidit; denn solange es Klartext redende kluge Köpfe wie u. a. Hamed Abdel-Samad gibt, hoffe ich immer noch, dass sich der Einzug des trojanischen Pferdes verhindern lässt. Ich wünsche mir für Deutschland eine mutige, nicht vieles schönredende Politik, wie sie beispielsweise in Österreich betrieben wird: felix Austria! Auch das oberflächliche und arrogante Schlechtreden der ungarischen Politik halte ich für verfehlt. Gestern Abend gab es im ersten Programm der ARD eine bemerkenswerte Diskussionsrunde, zurzeit noch in der Mediathek des Senders: https://www1.wdr.de/daserste/hartaberfair/videos/video-islam-ausgrenzen-muslime-integrieren--kann-das-funktionieren-102.html
Nebenbei: Man lese, was der große Jacob Burckhardt in seinen Weltgschichtlichen Betrachtungen zur Frage des Verhältnisses von Kultur und Religion schreibt:
http://gutenberg.spiegel.de/buch/weltgeschichtliche-betrachtungen-4968/12
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Re: Der Islam und Europa

Beitragvon Prudentius » Di 10. Apr 2018, 17:17

Tiberis hat geschrieben:Was ist "der Islam" ?


Ich gehe einfach von der Wortbedeutung (Begriffsinhalt) aus: Hingabe, Aufgabe des eigenen Willens, vollständiger Gehorsam; die Muslime sagen, dass damit das Wesentliche ihres Glaubens gesagt sei. Beispielhaft dafür ist Abraham/Ibrahim, wie er bereit ist, seinen Sohn Ismael (nicht Isaak) dem Willen Gottes gemäß zu opfern; und ebenso, wie dieser Abraham auf die Zusage Gottes hin sein Vaterland verlässt, um das gelobte Land zu suchen. Dieser Punkt ist ja den dei Religionen gemeinsam, daher nennt man sie auch die "abrahamitischen Religionen".
Genau in diesem Sinne ist auch Hingabe ein zentraler Begriff des Christentums, Ignatius von Loyola betet: "Nimm hin ...(Suscipe universam libertatem meam, Domine ...), Maria spricht das Fiat, dein Wille geschehe, und siehe, ich bin die Magd des Herrn; Jesus in der Szene mit dem bitteren Kelch: Dein Wille geschehe, nicht meiner".

In dieser Beziehung steht der Islam dem Christentum sehr nahe, sehr viel näher als der Buddhismus; in wesentlichen anderen Punkten sieht es freilich anders aus, er hat eine ganz andere Auffassung von Erlösung.

Was dem Islam am meisten fehlt, kann man mit dem einen Namen "Sokrates" benennen: es ist die Forderung des "logon didonai", Rechenschaft geben und einfordern, von sich und den Mitbürgern und Oberen.

Aber gerade in dem Punkt unterscheidet er sich nicht so sehr vom Christentum, denn auch dieses hat erst in jüngerer Zeit sich mit Religionsfreiheit angefreundet.
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