Wittgenstein und Atheismus

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Wittgenstein und Atheismus

Beitragvon sinemetu » Mi 20. Mär 2019, 11:33

.....und wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen"

Bin gerade mit einen tollen und wütenden Atheisten im "Gespräch" der seinen Atheismus so definiert:
Ich bin als Atheist eigentlich Nonkognitivist. Ich behaupte, dass es keine sinnvolle Vorstellung von dem gibt, was Sie als "Gott" bezeichnen. Anders gesagt: Der Begriff Gott ist kognitiv leer. Zu dem Schritt, die Aussage "Gott existiert" zu bewerten, kommen wir deswegen nicht. Es ist zu früh, über seine Existenz zu reden, weil wir nicht wissen, was damit gemeint sein könnte.

Mir kommt das seltsam vor, weil er damit ja die Möglichkeit der Existenz eines Gottes offenläßt. In meinen Augen ist das kein Atheismus. Was meint Ihr dazu?
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Re: Wittgenstein und Atheismus

Beitragvon Honigdachs » Mi 20. Mär 2019, 12:16

sinemetu hat geschrieben:Ich behaupte, dass es keine sinnvolle Vorstellung von dem gibt, was Sie als "Gott" bezeichnen. Anders gesagt: Der Begriff Gott ist kognitiv leer.


Wie begründet er denn diese Behauptung?
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Re: Wittgenstein und Atheismus

Beitragvon sinemetu » Mi 20. Mär 2019, 12:47

Ich schrieb ihm:

Sie schreiben: Atheismus: Wenn Theismus der Glaube  an Gott ist, ist Atheismus der Nicht-Glauben  an Gott, d. h. das Fehlen eines Glaubens an übernatürliche Wesenheiten. Ein Atheist ist nicht jemand, der sagt »Es gibt keinen Gott« _1_ Sondern jemand, der sagt »Ich glaube nicht an Gott«.
Man bezeichnet es als schwachen oder negativen Atheismus, wenn jemand sagt, »Ich glaube nicht an Gott«. Als starken oder positiven Atheismus bezeichnet man es, wenn die Aussage lautet, »Es gibt keinen Gott« oder »Der Begriff Gott ist sinnlos«.


Ich finde Ihre Begrifflichkeit nicht richtig und damit das Phänomen nicht konzise beschrieben. Das hat mit dem Abschliff gewisser Vokabeln zu tun. Es besteht eine Unterschied in den Bedeutungen der Verba "glauben" und "glauben an etwas". Ersteres meint ein „ etwas für möglich/wahrscheinlich halten“, zweiteres meint ein „Treueverhältnis“, leitet sich doch glauben etymologisch von „jemanden etwas (z. B. die Treue) geloben ab“.
Ihr Satz, "Wenn der Theismus ist der Glaube an Gott ist..“ meint meines Erachtens: "Wenn der Atheismus der Glaube an einen Gott, bzw. an Götter ist, ….“.
Sachlich ist doch der Atheismus nicht das „Nicht-Glauben“ an einen bzw. mehrere Götter, sondern die Leugnung der Existenz von Göttern, bzw. eines Gottes, was Sie als starken Atheismus bezeichnen. Als der Atheismus aufkam, war der Ein-Gott-Glaube noch das Geheimnis eines kleinen Volkes. Alle Welt damals kannte, oder meinte zu kennen viele Götter. Ich verweise nur auf den ägyptischen und griechischen Pantheon.
Der Atheismus umfasst nicht die Haltung: "Es mag Götter geben, aber ich will nichts mit ihnen zu tun haben. Ich find das alles reichlich seltsam - daher glaube ich nicht an Götter bzw. Gott, d. h. ich folge ihnen bzw. ihren durch die Priester vermittelten Anweisungen nicht“ Diese von Ihnen als schwachen Atheismus bezeichnete Haltung hat mit Atheismus nichts zu tun sondern ist nur praktische Impietas. Der Satz: „Es gibt keinen Gott." ist eine starke Aussage und philosophisch korrekt. Das Zweite, was mir am ersten Satz „Es gibt keinen Gott.“ auffällt, ist der Widerspruch der Behauptung zum Sprachgebrauch. Man behauptet die Nichtexistenz von etwas, wofür es einen Namen gibt, und die Existenz des Namens setzt auch die Existenz des Dinges vorraus. Die Bezeichnung impliziert die Existenz des Bezeichneten. Mir kommt der Satz „Es gibt keinen Gott“ immer so vor, als ob jemand sagt: Es gibt keine Löcher. Oder mathematisch gesprochen: Es gibt keine Null.

Aber der Satz, “Der Begriff Gott ist sinnlos“ ist selber sinnlos, denn setzen wir für das Wort „Gott“ das Wort „sinnlos“ ein (Gott = sinnlos), erhalten wir den Satz: „Der Begriff „sinnlos" ist sinnlos.“, was erstens eine Tautologie ist, und zweites ein Widerspruch in sich selbst, denn der Begriff sinnlos, hat eine präzisen, benennbaren Inhalt, ist selber also nicht sinnlos, also bleibt die Feststellung daß sinnlos eben nicht sinnlos ist, sondern sinnvoll. Die Bedeutung von sinnlos meint eben, etwas sei ohne Sinn, ohne Bedeutung.

Ich halte diese sprachphilosophischen Betrachtungen nicht für Wortklauberei, weil unser Bewußtsein Sprache ist. Keinen Gott zu denken ist eben unmöglich!

Der Materialismus dagegen hat folgendes Manko: Der unheimliche „wissenschaftliche" Hochmut, alles zu wissen. Gerade der Fortschritt in den Wissenschaften ist es, sollte uns lehren, bescheidener zu werden. Wir wissen vom gigantischen Alter der Welt und den Mega-Entfernugen des Universums, aber der Materialismus tut so, as ob er alles weiß, alles erforscht hat, und schon genau weiss, was nicht entdeckt werden kann. Das ist der Punkt, wo ich sage, hier schlägt der Atheismus ins negativ Religiöse um.
Ich kann mit einem Atheismus leben, der sagt: "Ich weiß nicht, ob es einen Gott gibt, mich überzeugen die Argumente, die für seine Existenz vorgebracht werden nicht." Das ist OK und sauber. Aber zu behaupten, daß es keinen Gott gibt, ist haargenau derselbe Glaube, wie zu behaupten, daß es einen Gott gäbe. Letztenen kann man nämlich immer fragen: „Wo ist er denn nun“ und ersteren dagegen: Zeig mir mal alles, damit ich auch sicher bin, daß er nirgendwo versteckt ist.

Fazit: Es gibt kein „Wissen“ um Gott, sondern nur Glaube. Ich bin kein Agnostizist, aber ich denke, Gott kann man nicht beweisen, und wird auch nicht beweisen können, weil er transzendent ist. Die Wissenschaft wird ihn nie finden.


Daraufhin repliziert er:
Sie schreiben: Atheismus: ...... Gott ist sinnlos«.

Ich finde Ihre Begrifflichkeit ... bzw. an Götter ist, ….“.
Viele Begriffe werden in der Religion anders definiert als im Alltag. Beispiele: Barmherzigkeit, Sünde, Geschenk, Natur, Zufall - um ein paar zu nennen. Das trifft auch für den Begriff "glauben" zu, der zudem viele verschiedene Bedeutungen aufweist.

Im Alltag, der Philosophie und der Wissenschaft ist das Wort "glauben" meistens ein Synonym zu "vermuten", wird aber - abhängig vom Kontext - auch im Sinne von vertrauen, hoffen oder wünschen benutzt. In der Religion meint man damit etwas anderes, speziell in den sog. "Glaubensreligionen". Das lässt sich leicht erkennen. Wenn ich auf die Frage "Wo sind die Schlüssel?" antworte:

"Die Schlüssel liegen auf dem Tisch" oder mit:
"Ich glaube, die Schlüssel liegen auf dem Tisch"

dann drückt der erste Satz aus: ich weiß, ich bin mir ziemlich sicher, dass die Schlüssel auf dem Tisch liegen. Im zweiten Fall handelt es sich um eine Abschwächung: Ich bin mir nicht sicher, ich meine, dass die Schlüssel auf dem Tisch liegen. Es würde mich aber nicht wundern, wenn sie nicht dort zu finden sind.

Der Satz "Ich glaube an Gott" wird aber als das genaue Gegenteil einer Abschwächung angesehen: Ich bin mir sicher, dass Gott existiert, dass ich auf ihn vertrauen kann, auf ihn hoffen kann. Die Voraussetzung, dass man auf Gott vertraut ist aber die, dass er tatsächlich existiert. Niemand vertraut einer Brücke, wenn er nicht weiß, dass sie auch da ist. Glauben im religiösen Sinn bedeutet eine felsenfeste, durch nichts zu erschütternde Sicherheit. Sofern nicht vertrauen, wünschen, hoffen gemeint ist.

Es ergibt keinen Sinn, auf ein in einer Ideologie oder Weltanschauung abweichend benutzten Begriff auf die Wörterbuchbedeutung zu verweisen. Es ist auch falsch, die Bedeutung eines Begriffs aus der Etymologie abzuleiten. Vielmehr verhält es sich so, wie Wittgenstein sagte: Die Bedeutung eines Begriffs ergibt sich aus dem Gebrauch.

Beispiel für eine solche fehlerhafte Ableitung: Quantensprung. In der Physik bedeutet der Begriff Quantensprung den kleinstmöglichen Sprung, die gerinstgmögliche Differenz. Im Alltag meint man damit einen großen Sprung, einen Durchbruch - also exakt das Gegenteil.

Ein Treueverhältnis macht übrigens auch dann erst einen Sinn, wenn der, dem ich Treue gelobe, auch wirklich real existiert. Das nur nebenbei.

Ich glaube an Gott besagt weder, dass ich es für möglich/wahrscheinlich halte, das es Gott gibt, noch, dass ich es bloß vermute. Es bdeutet, dass ich mit unerschütterlicher Gewissheit seine Existenz voraussetze. Dann erst kann man Treue geloben. Wenn ich den Begriff "glauben" einsetze, und besage Ich gelobe Gott meine Treue, dann setze ich die Existenz Gottes voraus. Aus der Existenz Gottes alleine ergibt sich kein Grund, auf ihn zu hoffen, oder ihm Treue zu geloben, wenn ich nicht dessen Existenz als Gewissheit betrachte.

Gemeint ist als eine felsenfeste Sicherheit. Normalerweise, im Alltag, der Philosophie, der Wissenschaft weisen wir diese Sicherheit dem Begriff "Wissen" zu. In dem Kontext bedeutet Wissen: rational gerechtfertigter Glauben, oder eben vernünftig begründete Vermutung. Wissen ist nie zu 100% sicher, Wissen ist nicht unerschütterlich, Wissen unterliegt permanenter Rechtfertigung und wandelt sich - oft sogar sehr schnell. Dem religiösen Glauben wird aber ein hoher Wert an Sicherheit zugewiesen, der sogar höher sein soll als der unseres besten Wissens. Wissen ist nicht gewiss, religiöser Glauben wird aber mit Gewissheit gleichgesetzt. Der Kontext spielt eine große Rolle. Wenn ich sage "Ich glaube, die Brücke trägt mein Gewicht", dann ist da erstens die Voraussetzung, dass die Brücke existiert, zweitens kann man ohne weiteren Kontext nicht sagen, was ich meine: Meine ich, dass ich vermute, dass die Brücke mein Gewicht trägt? Hoffe ich das? Vertraue ich auf die Konstrukteure? Wünsche ich mir, dass die Brücke hält? Auf keinen Fall heißt es, dass ich mir absolut sicher bin, dass die Brücke mein Gewicht tragen kann.

Diese Mehrdeutigkeit wird nun für Spitzfindigkeiten ausgebeutet. Entweder, man drückt sich um die Frage, ob Gott - und welcher Gott - existiert herum und hebt gleich auf vertrauen oder Treue ab, oder man tut so, als ob der Begriff dasselbe meint wie im Alltag, obwohl man im Gegensatz dazu eine Gewissheit hinzuaddiert, die dort eigentlich nichts zu suchen hätte, würde man den Begriff nicht eben völlig abweichend benutzen.

Die biblische Definition des Glaubens ergibt überhaupt keinen Sinn. Daher erlaube ich mir, den Begriff religiöser Glauben - glauben im religiösen Kontext verwendet - wie folgt zu definieren:

Religiöser Glauben = vorgeben, etwas zu wissen, was man nicht weiß.

Im Wort Gewissheit steckt das Wort Wissen mit drin. Es handelt sich um eine ganz besonders starke Variante des Wortes "wissen". Die Behauptung, die in der Voraussetzung besteht, dass Gott existiert, lautet also, dass man sicher weiß, dass Gott existiert. Man nimmt man aber nicht das Wort wissen, weil dies eine rationale Rechtfertigung voraussetzt - die man nicht hat. Aber die Aussage Gott existiert ist eine epistemologische Aussage, also drückt einen Satz aus, der zu den Wissenssätzen gehört, sogar in seiner stärksten Bedeutung. D. h., man behandelt die Kernaussage - Gott existiert - als ob es sich um Wissen handelt, aber man hat dieses Wissen nicht.

Kurz: Man gibt vor, sich etwas gewiss zu sein (sicheres Wissen darüber zu besitzen) von etwas, das man tatsächlich nicht weiß. Sofern nicht vertrauen, wünschen, hoffen gemeint ist, passt die obige Definion exakt auf das, was gemeint ist. Damit es nicht erkennbar ist, bedient man sich einer gewissen Wortakrobatik, lenkt also beispielsweise davon ab, dass es eine "gewisse Voraussetzung" gibt, in dem man auf Treue oder Vertrauen abhebt.

Jetzt erst können wir die entscheidende Frage verstehen:

Glauben Sie an Gott?
Theist: JA.
Atheist: NEIN.

Übersetzung der Bedeutung:
Geben Sie vor, sich der Existenz Gottes sicher zu sein, obwohl Sie diese Sicherheit nicht haben können?
Theist: JA.
Atheist: NEIN.

Ein Theist - genauer müsste ich sagen: Monotheist - ist also jemand, der vorgibt, von Gott zu wissen, was er nicht nicht weiß. Ein Atheist ist jemand, der nichts dergleichen vorgibt. Der Atheist sagt: Ich weiß nicht, ob Gott existiert, und wahrscheinlich kann ich es auch nicht wissen.

Ein Monotheist ist also jemand, der bei der Frage nach der Existenz Gottes vorgibt, etwas darüber zu wissen, was er nicht weiß. Ein Atheist ist jemand, der genau das nicht tut.

Sachlich ist doch der.....d griechischen Pantheon.
Exkurs: "Götter" werden in der heidnischen Religion komplett anders definiert als beispielsweise im Judentum, Christentum oder Islam. Laut dem vorchristlichen (!) Autor Cicero in:

Cicero, Marcus Tullius, Olof Gigon, und Laila Straume-Zimmermann. Vom Wesen der Götter: Lateinisch-deutsch. Zürich: Artemis & Winkler, 1996,
kann man heidnische Götter auf drei verschiedene Weisen definieren:

1. Götter sind antrhopomorphisierte Naturkräfte.
2. Götter sind menschliche Archetypen.
3. Götter sind in Mythen beschriebene moralische Leitbilder.

Götter stehen nicht über der Natur, sie sind ein Teil derselben. Man mag den Gott Poseidon als fischschuppige Menschengestalt mit Dreizack symbolisieren, gemeint ist damit aber die Launenhaftigkeit und Macht des Meeres selbst. Heidentum ist eine Erfahrungsreligion, denn wer zur See fährt, der weiß aus eigener Erfahrung, dass das Meer machtvoll und launisch ist, Leben nehmen und geben kann. Das Christentum - der christliche Monotheismus - beruht hingegen auf Glauben und Offenbarung, oder kurz, Autorität. Man muss an Gott glauben. Warum? Weil es einem vom jemandem gesagt wurde, der sich selbst zur Autorität in dieser Frage gemacht hat. Man muss demjenigen vertrauen, dass er weiß, wovon er redet.

Zurück zum Atheismus im heutigen Sprachgebrauch. Wer nicht an die Existenz heidnischer Götter glaubt, bezeichnet sich nicht als Atheisten. Sonst müsste jeder Christ sich gleichzeitig auch als "Atheisten" bezeichnen. Es geht hier nur um "den einen" Gott, den monotheistischen Schöpfergott.
Das Wort "Leugnung" ist wiederum von spitzfinderischer Doppeldeutigkeit. Es kann nämlich auch bedeuten "etwas wider besseren Wissens bestreiten", oder eben schlicht als Synonym "bestreiten" meinen. Wenn Theisten von Atheisten als "Gottesleugner" reden, dann schwingt da eine gewisse Demagogie mit. Man tut so, als ob Atheisten zwar eigentlich wissen, dass es Gott gibt, aber ihn dann bestreiten, weil sie nicht wollen, dass es Gott gibt. Dass man beim Glauben einen Willen unterstellt, ist verräterisch - es handelt sich um Projektion.

Und jetzt zu einem wirklich schmutzigen Trick. Dieser Trick dient dem einen Zweck, die Anzahl der Atheisten soweit zu begrenzen wie nur möglich, alleine durch den Gebrauch der Sprache. Wie macht man das? Indem man sich wiederum der Projektion bedient. Die meisten Monotheisten sind sich sehr sicher, sogar absolut sicher, dass es Gott gibt - er ist quasi die Voraussetzung aller Voraussetzungen, ohne ihn geht überhaupt nichts. Dies wird als Gegenposition auf die Atheisten projiziert, also als Jemanden, der ebenso felsenfest vom Gegenteil überzeugt ist. Atheisten haben ihre eigene Position niemals so definiert. Das ist eine Erfindung der Monotheisten. Atheist ist ein Bekenntnis, eine Selbsbezeichnung. Wir wissen, wer wir sind, was wir glauben und was nicht. Im religiösen Sinne glauben wir nicht an Gott. Zum Atheisten wird man durch Zweifel, der an der unerschütterlichen Gewissheit nagt. Sobald der Zweifel an der Existenz Gottes die ohnehin vorgegaukelte Sicherheit überwiegt, ist man bereits Atheist.

Das möchten die Monotheisten gerne verhindern, weil man dann dem Atheisten eine Begründung seiner Position so schwer machen kann, wie man möchte. Wir Atheisten könnnen das nicht zulassen, es widerspricht unserem Selbstverständnis. Wir definieren den Atheismus und gebrauchen den Begriff so, wie wir ihn meinen. Es steht Ihnen und auch keinem anderen Theisten zu, unser Selbstverständnis, unseren Wortgebrauch, nach ihrem eigenen Gusto - Ihrer eigenen Agenda nach - umzudefinieren mit dem Zweck, unsere Position zu untergraben. Das Wort "Atheist" heißt eigentlich nur "ohne Gott", mehr nicht. Wir wissen das, weil es uns Atheisten schon erheblich länger gibt als es jemals Christen gab. Früher - und auch heute - waren damit immer Menschen gemeint, die an die "offiziellen" Götter nicht glaubten, weil ihnen die Beweise für deren Existenz nicht ausreichend erschienen, um ihr Leben danach auszurichten.

Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel verdeutlichen. Nehmen wir an, auf den Tisch steht ein großes Glas mit Erbsen - keiner von uns weiß, wieviele Erbsen im Glas sind. Der Theist entspricht Jemandem, der felsenfest davon überzeugt ist, dass die Anzahl der Erbsen im Glas gerade ist. Dann kommt da ein Skeptiker, ein Zweifler, der sagt: "Ich weiß nicht, woher Du Deine Überzeugung hast - aber ich glaube Dir nicht". Worauf der Theist antwortet mit: "Dann musst Du folglich absolut felsenfest davon überzeugt sein, dass die Anzahl der Erbsen im Glas ungerade ist, denn es gibt nur zwei logische Möglichkeiten: die Zahl kann gerade oder ungerade sein, und wenn sie nicht gerade ist, dann muss sie folglich ungerade sein". Woraufhin der Zweifler oder Skeptiker nur sagen kann. "Du misrepräsentierst meine Position. Ich sage nicht, dass die Zahl gerade oder ungerade ist, ich glaube nur nicht, dass Du das weißt - Deine Sicherheit scheint mir vollkommen unbegründet zu sein. Ich kann nur sagen, dass ich nicht weiß, ob sie gerade oder ungerade ist".

Ein Atheist ist ein Zweifler, ein Skeptiker, wenn es um die Existenz (des einen) Gottes geht. Er ist nicht notwendigerweise jemand, der sich genau spiegelbildlich zum Theisten verhält, selbst wenn die Theisten das gerne möchten. Weil sie wissen, dass das andere Extrem zu ihrem Extrem ebenso schwer zu verteidigen ist wie ihre eigene Position, und Angriff ist die beste Verteidigung. Man kann so tun, als ob es ein Patt gibt zwischen den Behauptungen "Gott existiert" und "Gott existiert nicht". Man kann so tun, dass als ob wie in dem Erbsenbeispiel die Wahrscheinlichkeit 50:50 beträgt, und hat damit bereits Boden gewonnen - im Geiste - von dem man sich noch weit entfernt befindet.

Natürlich ist es verräterisch: Die Monotheisten wissen sehr gut, dass ihre extreme Position - Sicherheit bei der Annahme der Existenz Gottes - schwer zu verteidigen ist, und möchten nun zum Ausgleich die Atheisten in eine ebenso schwer zu verteidigende Position drängen. Sie wissen im grunde um die Unhaltbarkeit ihrer Position, tun aber alles, damit es nicht offensichtlich wird. Denn dann würden ihnen die Gläubigen in Scharen davonlaufen.

Um es deutlich zu machen: Die monotheistische Umdefinition des Begriffs "Atheist" geschieht in täuschender Absicht. Es geht darum, einen gewissen Selbsbetrug aufrecht erhalten zu können. Dazu werden die Positionen schwarz-weiß gemalt, statt zuzugeben, dass es eine gewaltige Grauzone gibt, mit fließenden Übergängen, und sogar alternativen Positionen. Denn statt zu sagen "Entweder es gibt Gott, oder es gibt ihn nicht" gibt es weitere Möglichkeiten: Mich interessiert Gott nicht, ich halte ihn für irrelevant (Ignostizismus), ich weiß nicht, ob es Gott gibt oder nicht und enthalte mich (Agnostizismus), der Begriff "Gott" ist an sich sinnlos (positiver Atheismus - meine Position) und unendlich viele Zwischenpositionen.

Sorry, viele Worte. Ich halte - im Sinne von Harry Frankfurt in "On Bullshit" - Ihre theistisch inspirierte Definition des Wortes "Atheist" für Bullshit. Sie ergibt keinen Sinn. Sie spiegelt keine Realität wieder, und gute Begriffe sollten das. Ich weise daher Ihren Versuch, "Atheist" so zu definieren, dass er keinen sinnvollen Sachverhalt ausdrückt, entschieden und in voller Schärfe zurück.
Der Atheismus umfasst nicht die Haltung: ........ Es gibt keine Null.
Das ist Unfug. Darüber hat schon Goethe gespottet:

"Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, // Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen." - Faust I, Vers 2565 f. / Mephistopheles

Die Existenz eines Wortes setzt keineswegs die Existenz des Bezeichneten voraus. Einhörner gibt es nicht deswegen, weil wir ein Wort haben, um sie zu bezeichnen. Aus Ihren Worten spricht eine so tiefsitzende sprachliche Konfusion, dass es mich nicht wundert, dass Sie an Gott glauben!

Ein Beispiel dafür geben Sie gleich selbst:

Aber der Satz, “Der Begriff Gott ist sinnlos.......as sei ohne Sinn, ohne Bedeutung.
Sie müssten nur anwenden, was Sie gerade gesagt haben: Der Begriff "sinnlos" ist ohne Bedeutung (Ihre Behauptung - nicht meine!). Ich benutze den Begriff "sinnlos" aber in der Bedeutung der analytischen Sprachphilosophie, wo er eine feste Bedeutung hat.

Ein Begriff ist dann sinnlos, oder sinnfrei, wenn seine Definition einen logischen Widerspruch enthält. Eine Aussage ist sinnlos, wenn sie sich anhand der Realität nicht widerlegen lässt.

Keineswegs kann man einen sinnlosen Begriff durch das Wort "sinnlos" ersetzen. Das Gegenteil davon ist "sinnvoll" oder "sinnhaft". Sollte der Begriff sinnlos selbst sinnlos sein, ist es sein Gegenteil auch. Dann hätte das Wort Gott keine Bedeutung, wie im Übrigen jedes andere Wort auch, und jede Sprechweise wäre sinnlos.

Beispiele: Der Ausdruck "verheirateter Junggeselle" ist sinnlos, weil "Junggeselle" eben jemanden meint, der nicht verheiratet ist. Der Begriff "Eklidischer quadratischer Kreis" ist sinnlos, weil in der euklidischen Geometrie ein Kreis keine Ecken hat, ein Quadrat aber schon. Hat ein "euklidischer quadratischer Kreis" nun Ecken oder nicht? Beides gleichzeitig, aber das ist logisch nicht möglich - wir haben einen Begriff ohne Bedeutung, dem nichts in der Realität entsprechen kann.

Ebenso verhält es sich mit "Gott". Ich kenne viele Definitionen, aber keine ohne logische Widersprüche. Daher ist der Begriff sinnfrei.

Ich halte diese sprachphilosophischen Betrachtungen nicht für Wortklauberei,..... ist eben unmöglich!
Doch, das ist möglich. Ein Mangel an Fantasie oder Vorstellungskraft ist kein Argument für Gott. Nur weil Sie es sich nicht vorstellen können, heißt es noch lange nicht, dass dem auch so ist, wie Sie es sich vorstellen. Meine Güte, was für ein konfuses Verhältnis zur Sprache und zu den eigenen Vorstellungen! Unser Bewusstsein ist nicht Sprache, sondern bewusstes Sein, das wir uns wechselseitig über Sprache vermitteln. Bewusstsein und Sprache sind nicht austauschbare Synonyme. Ansonsten müsste man fragen, wessen sich der Satz, den ich gerade schreibe, bewusst ist?

Doch, Sie betreiben Wortklauberei. Diese ist nicht auf Ihrem Mist gewachsen, sondern im Grunde plappern Sie nach, was Theologen so von sich geben, im verzweifelten Bemühen, irgendwie den Atheisten Paroli bieten zu können. Aber den Sinngehalt von dem, was Sie von sich geben, scheinen Sie nicht zu verstehen. Es tut mir Leid, dies so hart sagen zu müssen, aber ich denke, Sie haben die Wahrheit verdient und sind stark genug, sie zu ertragen.


Der Materialismus dagegen hat folgendes Manko: Der unheimliche „wissenschaftliche" Hochmut, alles zu wissen.
Der angebliche "Hochmut", alles zu wissen, ist eine theologische Erfindung. Zu Wissen heißt, auch Ungewissheit auszuhalten, auch zu wissen, wann man etwas nicht weiß. Theologie: das Gegenteil. Man zeige mir einen einzigen Wissenschaftler, der meint, alles zu wissen. So einen gibt es nicht, es gibt nur Theolunken, die das behaupten. Nur ein kompletter, absoluter Vollidiot glaubt, er wüsste alles.

Gerade der Fortschritt in den Wissenschaften is..... Atheismus ins negativ Religiöse um.
Was für ein absurder Quatsch. Wer hat Ihnen diesen Unsinn erzählt, und wieso glauben Sie dem auch nur ein einziges Wort?

Ich kann mit einem Atheismus leben, der sagt: ......daß er nirgendwo versteckt ist.
Wer behauptet denn, es gibt keinen Gott? Dazu müsste man zunächst einmal Gott frei von Widersprüchen definieren, damit man sich überhaupt mit der Frage nach der Existenz Gottes beschäftigen kann. Daran scheitern Christen seit nunmehr 2.000 Jahren auf ganzer Linie.

Mein Atheismus schneidet viel tiefer: Ich behaupte, dass es keine Basis gibt, von der aus man behaupten kann, oder die Frage beantworten kann, ob es einen Gott gibt oder nicht. Ich setze vor dem Zeitpunkt an, bei dem Ihr Denken einsetzt. Sie sagen "Es gibt einen Gott", bestreiten aber allen anderen die Möglichkeit, die Aussage zu negieren. Bequemerweise definieren Sie sich den Atheismus dann so zurecht, dass es darin nur um die Negativaussage geht, was komplett falsch ist. Alles im verzweifelten Greifen nach Strohhalmen.

Atheismus lässt sich ganz einfach widerlegen:

1. Definieren Sie Gott in logisch widerspruchsfreier Weise.

2. Beweisen Sie, dass es diesen Gott gibt.

3. Zeigen Sie, dass dies genau der Gott ist, der in den monotheistischen Religionen (oder einer davon) verehrt wird.

Gläubige scheitern schon beim ersten Punkt und wundern sich dann, dass sie Gott weder beweisen noch widerlegen können. Nun, Unsinn kann man weder beweisen noch widerlegen. Daher scheitert man auch beim zweiten Punkt. Den dritten Punkt hat man noch nicht einmal im Ansatz versucht, er wäre aber ebenso notwendig.

VOR dem Durchführen aller drei Punkte ergibt es keinen Sinn, über Gott zur reden, oder gar seine Existenz. Sie drücken sich um den zweiten Schritt, bevor Sie den ersten versucht haben - und damit es nicht so auffällt, definieren Sie sich Atheismus so zurecht, dass Sie es nicht verstehen.


Fazit: Es gibt kein „Wissen“ um Gott, ...ihn nie finden.
"Transzendent" - ein weiteres Wort ohne sinnvolle Bedeutung, d. h., es lässt sich nicht in nicht-widerspruchsfreien Aussagen definieren. Die Wissenschaft kann Gott nicht finden, weil sich die Wissenschaft nicht mit Bullshit, sondern nur mit sinnvollen Aussagen beschäftigt, und auch da nur mit der Untergruppe derer, die der Realität entsprechen können. Was letztlich bedeutet, dass eine Aussage in wissenschaftlicher Sichtweise nur dann überhaupt sinnvoll sein kann, wenn sich die Aussage durch Prüfen an der Realität prinzipiell widerlegen lässt.

Ich bin als Atheist eigentlich Nonkognitivist. Ich behaupte, dass es keine sinnvolle Vorstellung von dem gibt, was Sie als "Gott" bezeichnen. Anders gesagt: Der Begriff Gott ist kognitiv leer. Zu dem Schritt, die Aussage "Gott existiert" zu bewerten, kommen wir deswegen nicht. Es ist zu früh, über seine Existenz zu reden, weil wir nicht wissen, was damit gemeint sein könnte.

Ich bin schlicht Atheist, weil ich nicht an Unsinn glauben kann. Es geht nicht um mein Wollen - es geht um mein Können. Ich kann es nicht, es ist mir unmöglich, ich kann nicht anders, als daran zu scheitern. Meine Neigung, an Gott glauben zu wollen - die früher mal sehr stark war - reicht nicht aus, um deswegen die Vernunft aufzugeben. Grundlage aller Moral ist, wissen wir seit Kant, dass SOLLEN immer KÖNNEN impliziert, d. h., man kann nicht jemandem etwas zur moralischen Pflicht machen, was dieser unmöglich tun kann.

Alles, was Sie sagen, habe ich übrigens schon an die hundertmal gehört - und lese es fast jeden Tag wieder neu. Da muss irgendwo ein Nest sein, aus dem diese Art der Aussagen aus Eiern schlüpft und Gläubige infiziert, die es wiederholen, ohne es zu verstehen. Mir hat man früher dasselbe erzählt, bis ich anfing, bestimmte Fragen zu stellen, die bis heute unbeantwortet geblieben sind.

Unsinn wird heute deswegen so oft geglaubt, weil die Menschen nicht imstande sind, die Voraussetzungen zu hinterfragen, die notwendig sind, um eine Aussage wahr oder falsch zu machen. Ich glaube lieber an eine falsche Aussage als an eine sinnlose, weil ich bei einer falschen Aussage wenigstens noch die Chance habe, genau das herauszufinden. Bei Unsinn besteht diese Chance nicht.

"Der Unsinn ist ein größerer Feind der Wahrheit als die Lüge" (Harry Frankfurt, eine Variation eines Zitats von Nietzsche, in "On Bullshit"). Ja, ich würde sogar eine Lüge dem vorziehen, was Sie hier von sich geben. Denn eine Lüge hat immer noch eine gewisse Beziehung zur Wahrheit, sie negiert sie. Bei Unsinn sieht es viel schlimmer aus, es ist nicht einmal falsch oder gelogen.

Sorry wegen der vielen Worte. Hier gilt Bandolinis Gesetz: Es erfordert eine Größenordnung mehr Aufwand, Unsinn zu widerlegen als ihn zu erzeugen.
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Re: Wittgenstein und Atheismus

Beitragvon sinemetu » Mi 20. Mär 2019, 15:04

Ein Theist - genauer müsste ich sagen: Monotheist - ist also jemand, der vorgibt, von Gott zu wissen, was er nicht nicht weiß. Ein Atheist ist jemand, der nichts dergleichen vorgibt. Der Atheist sagt: Ich weiß nicht, ob Gott existiert, und wahrscheinlich kann ich es auch nicht wissen.

Ein Monotheist ist also jemand, der bei der Frage nach der Existenz Gottes vorgibt, etwas darüber zu wissen, was er nicht weiß. Ein Atheist ist jemand, der genau das nicht tut.


Ich denke, diese Definition ist definitiv falsch. Ein Atheist ist der ganz sicher der Meinung, daß es keinen Gott, bzw. keine Götter gäbe. Denn das Wort A-theist führt das Wort Theos als Bestimmungsteil und das Alpha privativum als Verneinung des Bestimmungsteils.
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Re: Wittgenstein und Atheismus

Beitragvon marcus03 » Mi 20. Mär 2019, 15:52

"Zum Atheismus im weiteren Sinne zählen einige auch den Agnostizismus (agnostischer Atheismus), nach dem die Existenz von Gott bzw. Göttern ungeklärt oder nicht klärbar ist. Im engeren Sinne bezeichnet er jedoch die Überzeugung, dass es Gottheiten nicht gibt."

https://de.wikipedia.org/wiki/Atheismus

Alles eine reine Definitionssache. In der Mathe zählen manche Null zu den natürlichen Zahlen, andere nicht.
Im Zweifel immer die eigene Definition dazusagen.
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Re: Wittgenstein und Atheismus

Beitragvon sinemetu » Mi 20. Mär 2019, 16:01

Warum man das im weiteren Sinne zu Atheismus zählt, ist mir schleierhaft. Im Wortsinne kann es nur um die existentielle Frage um Gott gehen. Das Wort Agnostizismus kann ja viele Objekte haben. Naja, jedem Tierchen, sein Pläsierchen. Präzise ist das jedenfalls nicht.
Zuletzt geändert von sinemetu am Mi 20. Mär 2019, 19:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wittgenstein und Atheismus

Beitragvon marcus03 » Mi 20. Mär 2019, 16:57

sinemetu hat geschrieben:Das Wort Agnostizismus kann ja viele Objekte haben.


Tertium comparationis: Für Beide spielt Gott im Leben keine Rolle. Die sind ATHOI i.S.v. "ich komme ohne Gott/Götter aus".
Mancher hat dafür seine Ersatzgottheiten wie Macht, Geld, S..
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